Denkanstöße

Mehrere Denkanstöße sollten den Teilnehmern Anregungen geben und den Einstieg ins Thema erleichtern:

 

Denkanstoß 1: Der ganz alltägliche Terror

Die Staatssicherheit beeinflusste das Alltagsleben in der DDR enorm: Anfangs mit offenem Terror, später mit Zersetzungsmaßnahmen. Welche Ängste bestimmten das Verhalten und Denken der Bürger im Alltag?

Ziel der Staatssicherheit war die möglichst flächendeckende Überwachung der Bevölkerung in der DDR. So sollten abweichende Meinungen und daraus resultierende oppositionelle Tendenzen frühzeitig erkannt und im Keim erstickt werden. Das MfS bediente sich dafür zahlloser Überwachungsmaßnahmen – von der Post- und Telefonkontrolle über konspirative Wohnungsdurchsuchungen bis hin zu operativen Personenkontrollen. Mit so genannten „Zersetzungsmaßnahmen“ sollten Abweichler psychologisch beeinträchtigt, ja regelrecht krank gemacht werden. Dieser „leise Terror“ war wenig greif- und sichtbar. Dennoch wurde er von den meisten Menschen in der DDR deutlich wahrgenommen. Der Eindruck ständiger Überwachung und die Angst vor Repressionen gehörten praktisch zum Alltagsleben. So erinnern sich etwa viele Leipziger, dass sie beim Passieren der „Runden Ecke“ automatisch ihre Gespräche einstellten und teilweise sogar die Straßenseite wechselten.

Mit welchen Zumutungen durch die Staatssicherheit mussten die Menschen leben? Und wie passten sie ihre Verhaltensweisen diesem System an, damit sie nicht in Konflikt mit der allgegenwärtigen Staatsmacht gerieten und was empfanden sie dabei? Wie stellt sich Dir das Alltagsleben in der DDR in der Rückschau dar und wie schätzt Du im Vergleich dazu Dein heutiges Leben ein? Was sind Dir Rechtsstaat, Demokratie und individuelle Freiheit wert?

 

Denkanstoß 2: Der gläserne Bürger

Der „gläserne Bürger“ ist ein Mensch, der keine Geheimnisse mehr hat, weil dem Staat alle Informationen über ihn zugänglich sind. Er wird dadurch im übertragenen Sinne gläsern.

Er wird meist unmerklich, aber doch auf Schritt und Tritt überwacht. Der Staat weiß, wann er zur Schule und wieder nach Hause geht, mit welchen Freunden er sich trifft, welche Musik er hört, wie viel Geld auf seinem Konto liegt, wie oft im Jahr er erkältet ist und welche Fernsehprogramme er sieht. Eine so vollständige Durchleuchtung der Bürger in der DDR strebte die Staatssicherheit an. Das MfS selbst sollte dagegen eine von außen vollkommen undurchschaubare Institution bleiben, die nichts von dem, was sie über die Bürger sammelte – und was sie daraus schloss – wieder preisgab. Mit welchen Mitteln versuchte die Stasi, das Privatleben der Bürger durchsichtig zu machen? Befinden wir uns heute wieder auf dem Weg in einen Überwachungsstaat? Wo liegen die Unterschiede zwischen heute und damals? Sind Freiheit und Sicherheit ein Gegensatz? Welche Sicherheits-Gesetze wurden speziell nach dem 11. September in der Bundesrepublik erlassen? Wie und von wem wird ihr Einsatz kontrolliert? Wie sind die Kontrollmaßnahmen mit den verfassungsmäßig garantierten Persönlichkeitsrechten vereinbar? Welche Bedeutung haben das Recht auf „informationelle Selbstbestimmung“ und der Datenschutz für das Zusammenleben in unserem Land?

 

 

Denkanstoß 3: Symbole der Diktatur

Kleider mit Symbolen aus DDR-Zeiten sind momentan groß in Mode. Welche Organisationen verbargen sich hinter den Symbolen? Und warum trugen viele Menschen diese Zeichen, deren Veränderung oder Zerstörung allein schon Haftstrafen nach sich ziehen konnte, in der DDR nur widerwillig?

Die Ostalgiewelle der vergangenen Jahre hat sie wieder populär gemacht: FDJ-Hemden, ASV-Trainigsanzüge, das DDR-Emblem auf Kleidungsstücken, Tassen, Feuerzeugen, Musikkollektionen mit kommunistischen Kampfliedern und viele andere Symbole der Diktatur. Auch Emblem und Schriftzug der Staatssicherheit werden auf T-Shirts, Zollstöcke und sogar Nummernschilder aufgebracht. Bis 1989 symbolisierten diese Zeichen offiziell die wichtigsten Machtstützen des SED-Regimes. Tragen und nutzen Jugendliche diese Symbole heute als modische Accessoires oder wollen sie eine ideologische Botschaft vermitteln? Was weißt Du über den Ursprung der Embleme und Zeichen sowie über die zugehörigen Organisationen? Sind sich die Leute, die sie heute tragen der Bedeutung der Symbole bewusst und sind sie gegebenenfalls bereit, ihre Einstellung dazu zu überdenken? Wie stehst Du zur Nutzung der Symbole anderer totalitärer Regimes (z.B. Bildnisse von Che Guevara)?

 

 

Denkanstoß 4: SMS vom Führungsoffizier

Was wäre, wenn... die DDR nicht untergegangen wäre, sondern die BRD von der DDR erobert worden wäre? Was wäre, wenn die Mauer heute am Rhein stünde? Wie würdet Ihr Euch in diesem System verhalten? Wäret ihr Bewerber für eine Laufbahn als Stasioffizier? Oder wäret Ihr Inoffizielle Mitarbeiter und würdet per SMS Anweisungen von Eurem Führungsoffizier bekommen? Welche Möglichkeiten zur Überwachung hätte die Stasi dank der technischen Entwicklung heute im Unterschied zu den 80er Jahren?

Die Dauerausstellung „Stasi – Macht und Banalität“ in der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ dokumentiert, dass die Arbeitsmittel des MfS oft vergleichsweise simpel gewesen sind. Selten entsprachen sie den aktuellen technischen Standards, teilweise handelte es sich sogar um abenteuerliche Eigenkonstruktionen. Hätte es 1989 keine Friedliche Revolution gegeben und würde die Staatssicherheit heute noch existieren, könnte sie auf die neusten technologischen Entwicklungen zugreifen, und die Überwachung der Bevölkerung wäre in einer ganz neuen Dimension möglich.

Welche Mittel stünden der Staatssicherheit für ihre Überwachungstätigkeit zur Verfügung (Computer-Netzwerke, Handy, DNA-Fingerabdrücke etc.)? Was könnte das MfS damit über die Bürger, deren Leben und deren Gewohnheiten erfahren? Welche Gewohnheiten hättest Du, welche Vorsichtsmaßnahmen würdest Du ergreifen, wenn es die Friedliche Revolution 1989 nicht gegeben hätte? Was, wenn die Geschichte einen anderen Verlauf genommen hätte?

 

Denkanstoß 5: Mein Nachbar, der Stasioffizier

Die meisten der ca. 2.400 hauptamtlichen und 10.000 Inoffiziellen Mitarbeiter der Staatssicherheit im Bezirk Leipzig leben heute noch hier. Wahrscheinlich begegnet Ihr täglich einigen von ihnen, ohne es zu wissen. Sie behaupten meist, niemandem geschadet, sondern nur ihre Pflicht getan zu haben. Auch zu DDR-Zeiten ahnten viele Menschen, dass in ihrem Umfeld IM tätig waren. Sie waren Nachbarn, Kollegen, Familienmitglieder, Freunde, Bekannte. Bestätigung fanden sie später bei der Einsicht in ihre Stasi-Akten, in Medienberichten oder bei Gesprächen.

Welche MfS-Mitarbeiter kannten Deine Familienmitglieder, Freunde und Bekannten vor 1989 in ihrem persönlichen Lebensumfeld? Woran erkannten sie, dass es sich um Angehörige der Staatssicherheit handelte? Wie gingen sie mit diesem Wissen und den Personen um? Haben sie noch immer Kontakt zu diesen Menschen und wie leben sie mit ihnen zusammen? Welchen gesellschaftlichen Umgang mit ihnen hältst Du für richtig und interessiert Dich diese Frage überhaupt? Wie schätzt Du die Formen dieser „persönlichen Aufarbeitung“ ein? War und ist es richtig, sich für einen sehr offenen Umgang mit dem Thema (Gründung der Behörde der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Verabschiedung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes, Möglichkeit der Akteneinsicht etc; Überprüfung von Mitarbeitern im öffentlichen Dienst.) zu entscheiden?