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Montag, den 05. Februar 2001

Der MDR, die Stasi und die Medien

Kategorie: Pressemitteilung
Von: Bürgerkomitee

PRESSEMITTEILUNG zur Podiumsdiskussion "Der MDR, die Stasi und die Medien" am 07.02.2001, 19.00 Uhr, im Museum in der "Runden Ecke"

Streitparteien erstmals an einem Tisch

Die "gebührenfinanzierten ehemaligen Stasi-Spitzel" beim Mitteldeutschen Rundfunk beschäftigten in den vergangenen Wochen die regionale wie überregionale Presse. Das Bürgerkomitee Leipzig e.V. bringt am 07.02.2001 in der Podiumsdiskussion "Der MDR, die Stasi und die Medien" erstmals die Streitparteien an einen Tisch: Gesprächspartner sind mit Hans-Joachim Föller und Uwe Müller diejenigen Journalisten, die die Debatte ins Rollen brachten, sowie mit dem Intendanten des MDR und einem Vertreter des Stasi-Überprüfungsausschusses zwei Verantwortliche für die Personalpolitik der Rundfunkanstalt. Im Podium sitzen außerdem die Chefredakteure der Leipziger Volkszeitung und des Stadtmagazins Kreuzer - zweier Blätter, die sich zunächst in sehr unterschiedlicher Intensität an der Debatte um ehemalige Inoffizielle Mitarbeiter beim MDR beteiligten. Der Publizist Konrad Weiß wir deingangs in einem Vortrag über den Einfluss ehemaliger Stasi-Spitzel auf unsere Medienlandschaft referieren.

Journalistischer Umgang mit den Folgen der SED-Diktatur

Zehn Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung gehört die Auseinandersetzung mit den Folgen der SED-Diktatur noch immer zum beruflichen Alltag von Journalisten. Eine Grundfrage der Podiumsdiskussion soll daher sein, ob ehemalige Inoffizielle Mitarbeiter der Staatssicherheit fähig sind, diese Auseinandersetzung in unvoreingenommener Weise zu führen, ob Sie also geeignet sind, als Meinungsbildner in einer demokratischen Gesellschaft zu arbeiten.

Eine zweite wichtige Frage wird die nach der Selbstkontrolle der Medien am aktuellen Beispiel sein. Die Unterschiede in Umfang und Art der Berichterstattung waren zu Beginn der Debatte um ehemalige Stasi-Spitzel beim MDR augenfällig: Während beispielsweise Die Welt, die Mitteldeutsche Zeitung oder der Kreuzer kontinuierlich weiter recherchierten, hielt sich die Leipziger Volkszeitung eher zurück. Die Podiumsdiskussion will deshalb auch klären, ob die Berichterstattung dem öffentlichen Interesse entsprach - an welchen Stellen sie zu nachlässig oder auch überzogen war.

Neue Medien mit den alten Leuten?

Mit der Frage, ob ehemalige Stasi-Zuträger heute wichtige Positionen im öffentlichen Leben übersetzen dürfen, beschäftigt sich das Bürgerkomitee Leipzig seit seiner Gründung. Die erste und wichtigste Aufgabe, die sich die Mitglieder im Dezember 1989 stellten, war die komplette Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit. Wie die Debatte der vergangenen Wochen gezeigt hat, ist dieses Ziel auch elf Jahre nach der Friedlichen Revolution und der Besetzung der Stasi-Zentralen in der ganzen DDR längst nicht erreicht. Wer früher Kollegen und Freunde mit vermeintlich staatsfeindlicher Gesinnung beim SED-Spitzeldienst anschwärzte und nicht selten in ernsthafte Schwierigkeiten brachte, kann heute wieder verantwortungsvolle Positionen innehaben - unter anderem im Medienbereich.

Kein Schlussstrich, sondern öffentliche Debatte

Der MDR hat die Auseinandersetzung mit dem Erbe der Diktatur in den eigenen Reihen bisher nur hinter verschlossenen Türen geführt. Auch daraus erklärt sich die Wucht, mit der die öffentliche Debatte in den vergangenen Wochen über den Mitteldeutschen Rundfunk hereinbrach. Die Veranstaltung des Bürgerkomitees ist nun der Versuch, die Diskussion über die Beschäftigung ehemaliger IM beim MDR öffentlich zu führen und verharmlosenden und verklärenden Tendenzen entgegen zu wirken. Befürworter des berühmten "Schlussstrichs" nutzen die aktuelle Debatte als Argument für ein Ende der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit. Sie zeigen unermessliches Verständnis für die Biographien der Täter und werfen gleichzeitig den Opfern "Unersättlichkeit" vor. In der Realität jedoch sind es gerade diese, die noch heute unter den Repressionen des DDR-Regimes zu leiden haben. Das große Interesse der Bevölkerung am Thema zeigt, dass wir auch im elften Jahr der Wiedervereinigung keinen Schlussstrich, sondern öffentliche Debatten benötigen.