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Donnerstag, den 11. April 2002

Endstation Zelle - Bürgerkomitee öffnet Hinrichtungsstätte und zeigt Gefangenentransport

Kategorie: Pressemitteilung
Von: Bürgerkomitee Leipzig e.V.

Unter dem Titel "Verriegelte Zeit. Endstation Zelle - Strafe in der DDR als Maßnahme zum Machterhalt der SED" beteiligt sich die Gedenkstätte Museum in der "Runden Ecke" an der Dritten Leipziger Museumsnacht. Thematische Schwerpunkte werden diejenigen Arbeitsmethoden der Staatssicherheit sein, die darauf abzielten, mißliebige und unangepaßte Bürger aus dem "Weg zum Kommunismus" zu räumen. Schlimmstenfalls wurden solche "feindlich negativen Elemente" hinter Gitter gebracht - in der Regel nach einem politisch motivierten Prozess, dessen Ausgang von vorn herein feststand. Thematisiert wird auch die Todesstrafe als letzter Ausdruck größter Schwäche einer Diktatur.

Justizminister führt in ehemaliger Hinrichtungsstätte

Die ehemalige Haftanstalt in der Alfred-Kästner-Straße in Leipzig ist der Ort, an dem von Anfang der 60er Jahre bis zur Aufhebung der Todesstrafe 1987 die Todesurteile für die gesamte Deutsche Demokratische Republik vollstreckt wurden. Die Hinrichtungsstätte einschließlich des Zugangs über die Arndtstraße ist original erhalten geblieben und wird im Rahmen der Leipziger Museumsnacht durch das Bürgerkomitee erstmals einem großen Interessentenkreis zugänglich gemacht. Eine kleine Ausstellung wird über die Hintergründe der Todesstrafe in der DDR, speziell der Vollstreckung in Leipzig, informieren. Mitarbeiter der Gedenkstätte Museum in der "Runden Ecke" beantworten darüber hinaus die Fragen der Besucher. Der Sächsische Staatsminister der Justiz, Manfred Kolbe, in dessen Verantwortungsbereich das einstige Justizgebäude fällt, wird eine Zeit lang persönlich durch die authentischen Räume führen.

Sonderausstellung zum Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau

Die politische Haft gehört zu den dunkelsten Kapiteln des Justizunrechts in der DDR. Das Ministerium für Staatssicherheit unterhielt für vermeintliche Staatsfeinde eigene Untersuchungshaftanstalten (UHA). Die Leipziger UHA befand sich in der Beethovenstraße; sie konnte nach der Friedlichen Revolution nicht als Gedenkstätte erhalten werden. Der originalgetreue Nachbau einer Haftzelle mit authentischer Einrichtung befindet sich jedoch in der Gedenkstätte Museum in der "Runden Ecke". Sie wird während der Museumsnacht das Zentrum der Ausstellung "Stasi - Macht und Banalität" sein. Erläutert wird auch, wie man ins Visier des MfS und dadurch schlimmstenfalls in politische Haft gelangte.

Wie bereits Jugendliche in der DDR diszipliniert wurden, zeigt die Sonderausstellung "Auf Biegen und Brechen. Der geschlossene Jugendwerkhof Torgau", eine Leihgabe des Dokumentations- und Informationszentrums (DIZ) Torgau. In den Jugendwerkhof wurden 14- bis 18-jährige Kinder und Jugendliche aus anderen Einrichtungen der DDR-Jugendhilfe eingewiesen, wenn sie den Normen der "sozialistischen Persönlichkeitsentwicklung" nicht entsprachen. Die Ausstellung dokumentiert, wie die Einrichtung aus einem ehemaligen Gefängnisbau entstand, informiert über die Disziplinarbestimmungen, den festgeschriebenen Tagesablauf und das Strafsystem. Außerdem erzählt sie die Geschichte eines Jungen, der zweimal nach Torgau eingeliefert wurde. Mitarbeiter des DIZ werden zur Museumsnacht vor Ort sein und Fragen beantworten.

Lange Filmnacht mit Lesung im ehemaligen Kinosaal des MfS

Ergänzt werden die Ausstellungs- und Führungsangebote durch Filme und eine Lesung, die sich auf dokumentarische oder künstlerische Weise dem Thema Strafe und Haft in der DDR nähern. Darunter ist beispielsweise der Film "Verriegelte Zeit". Dessen Regisseurin, die ehemalige DEFA-Redakteurin Sibylle Schönemann, kam 1984 in politische Haft, weil sie einen Ausreiseantrag gestellt hatte. Nach dem Sturz des SED-Regimes ging sie 1990 mit der Kamera auf "Spurensuche", um den damals Verantwortlichen Fragen zu stellen, auf die ihr seinerzeit Antworten verweigert wurden. Ihr eigenes Schicksal arbeitete auch Gabriele Stötzer auf. Die ehemalige Insassin des Frauengefängnisses Hoheneck liest zur Museumsnacht aus ihrem autobiographischen Buch "Die bröckelnde Festung".

Der Gefangenentransportwagen auf dem Museumsgleis 24

Auf dem Museumsgleis des Leipziger Hauptbahnhof ist der einzige erhaltenen Gefangenensammeltransportwagen (GSTW) der DDR. Er wurde 1995 von ehemaligen Häftlingen gekauft und durch den Opfer-, Förder- und Dokumentationsverein Bautzen II betreut. Dieser sucht seither Möglichkeiten einer öffentlichen Präsentation. In ihm wurden auf dem Streckennetz der Deutschen Reichsbahn Häftlinge von einer Strafvollzugsanstalt in die andere verlegt. Der beschriebene Waggon, der weitgehend intakt geblieben ist, war dafür konstruiert, maximal 90 Häftlinge aufzunehmen. Die 18 Zellen im Inneren hatten eine Größe von 1 mal 1,34 Meter. In ihnen mussten je fünf Häftlinge zum Teil mehr als 24 Stunden ausharren. In Leipzig befand sich ein Schnittpunkt der verschiedenen Strecken des GSTW. Um die Häftlinge während des Halts unterbringen zu können, existierte im Bahnhof im Bereich des ehemaligen Posttunnels im hinteren Bereich der Bahnsteige ein speziell eingerichteter Zellentrakt.