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Mittwoch, den 08. Juni 2005

Stasi als Literaturarchiv? Franz Fühmanns Briefe in den Stasi-Akten

Kategorie: Pressemitteilung
Von: Bürgerkomitee Leipzig e.V.

Bürgerkomitee lädt am 10.06., 19.00 Uhr, zu Szenischer Lesung, Film und Diskussion ein

Im Land der „Druckgenehmigungsverfahren“ standen die Schriftsteller unter besonderer Beobachtung der Staatssicherheit. Franz Fühmann (1922 - 1984) war unter den DDR-Autoren einer jener, die für den Staat besonders suspekt waren, trat dieser doch immer wieder ein für die Freiheit des Wortes, der Dichtung und der Dichter. Von seinem solidarischen Einsatz für jene, die in diesem Land ungedruckt bleiben sollten, unter Repressalien zu leiden hatten oder das Land verlassen mussten, gibt es inzwischen vielfache Zeugnisse. Ab 1977 „bearbeitete“ die Staatssicherheit den Autor im Operativen Vorgang Filou „mit dem Ziel der Nachweisführung der Staatsfeindlichen Hetze.“

Dabei entstand ein Konvolut von Dokumenten, das sich – sieht man von moralischer Wertung ab – im Nachhinein auch als faszinierendes Archiv entpuppt. Die Stasi als Literaturarchiv? Auf jeden Fall ein, wenn auch im doppelten Sinne, ungeheurer Fundus für den historisch Interessierten, der unbedingt vollständig erhalten bleiben muss. Einen Einblick in die überlieferten Briefe und Schriftstücke gibt die Veranstaltung „Stasi als Literaturarchiv?“ am Freitag, dem 10.06.2005, in der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“, im ehemaligen Stasi-Kinosaal. Beginn ist 19.00 Uhr. Die Veranstaltung gehört zum Begleitprogramm der Sonderausstellung „Ein offenes Geheimnis – Post- und Telefonkontrolle in der DDR“, die noch bis zum 01.07.2005 zu sehen ist.

Einlass ist bereits ab 18.00 Uhr zur Besichtigung der Sonderausstellung zum ermäßigten Preis von 2 Euro (Eintritt in Ausstellung und Veranstaltung).

 

Geschichte einer 20-jährigen Überwachung

Der aus elf Akten mit 3644 Blatt bestehende Vorgang, den die Staatssicherheit über Fühmann angelegt hatte, wurde 1989, fünf Jahre nach dem Tod des Schriftstellers, geschlossen. Ziel der „Maßnahmepläne“ war es gewesen, „seine feindlich-negative Öffentlichkeitswirksamkeit einzuschränken und weitere feindliche Handlungen zu unterbinden.“ In den Akten finden sich Berichte über private und berufliche Kontakte, geplante oder durchgeführte Reisen, Treffen und Publikationen - und nicht zuletzt Briefe von und an Fühmann, Kopien handschriftlicher Texte, Manuskriptsendungen, die von der Staatssicherheit im Rahmen der Postkontrolle abgefangen wurden. Aber nicht nur private Briefe wurden ihres Postgeheimnisses beraubt, die Akten belegen auch, wie „offene Briefe“ nicht öffentlich werden durften.

Aus den Briefen Fühmanns ebenso wie aus den Antworten der staatlichen Stellen lesen am kommenden Freitag Olaf Becker und Manuel Krstanovic, Studenten der Leipziger Hochschule für Musik und Theater, Fachbereich Schauspiel. Der Germanist und Historiker Dr. Jürgen Krätzer, der sich jahrelang mit dem Leben und Werk Fühmanns beschäftigt hat, erläutert, wie die Schriftstücke des Autors in die Archive der Staatssicherheit gelangten und warum diese ihn mehr als 20 Jahre überwachte. Ein Filmausschnitt ergänzt die Veranstaltung.


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