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Mittwoch, den 24. März 2010

Affäre Altendorf: Beirat der BStU findet keine angmessenen Worte für das moralische Versagen des Direktors

Kategorie: Pressemitteilung

Am gestrigen Abend hat die Pressestelle der BStU eine einstimmig verabschiedete Erklärung des Beirates der Stasi-Unterlagen-Behörde zu dem in die Kritik geratenen Behördendirektor Hans Altendorf veröffentlicht. Der Beirat hat sich mit der Beurteilung des Falls offenkundig schwer getan und dem Direktor nur halbherzig das Vertrauen ausgesprochen. Zur Frage von Glaubwürdigkeit und Integrität des Stellvertreters von Marianne Birthler mochte sich der Beirat nicht äußern. Damit ist er dem von Kulturstaatsminister Neumann erteilten Auftrag nicht gerecht geworden. Zugleich kommt der Beirat in seiner Erklärung zu höchst fragwürdigen Beurteilungen.

Altendorf hat seine politische Vergangenheit wesentlich zu spät offengelegt

In der Sondersitzung des Beirats hat Altendorf eine persönliche Erklärung abgegeben. Darin nimmt er erstmals seit Amtsantritt vor neun Jahren zu seiner linksextremen Vergangenheit Stellung. Dies geschah erst unter dem Druck einer von Presseveröffentlichungen ausgelösten Debatte. Vorher hat der Direktor Anfragen von Journalisten, Historikern und Mitgliedern des BStU-Beirats stets abgeblockt oder bewusst unvollständig beantwortet. In der jetzigen Erklärung wirbt er in unerträglicher Weise um Verständnis, fordert Differenzierung und redet seine Verantwortung klein. Die langatmige Darstellung liest sich in weiten Teilen wie die Argumentation enttarnter Stasi-Mitarbeiter. Altendorf gibt dabei seine langjährige Tätigkeit als führender Funktionär in kommunistischen Tarnorganisationen in der alten Bundesrepublik zu. Dieses Eingeständnis kommt neun Jahre zu spät!

Der Direktor macht in der persönlichen Erklärung mehrfach deutlich, dass er das Problem des langen Verschweigens seiner Verstrickung bis heute nicht einmal im Ansatz verstanden hat. Der Verwaltungsjurist argumentiert rein formaljuristisch: Eine Pflicht zur Offenbarung habe im Rahmen eines rechtsstaatlichen Bewerbungsverfahrens nie bestanden. Mehr noch, er erklärt, auch heute sei er nicht verpflichtet diese Auskünfte zu geben. Er vergisst dabei, dass diese Argumentation für seine Tätigkeit in der Hamburger Schulbehörde oder anderswo im öffentlichen Dienst mit Sicherheit angewendet werden könnte, aber gerade für das Amt des Direktors der BStU nicht zutreffend ist.

Dass der Beirat dies Entlastungsstrategie Altendorfs lediglich mit der Formulierung abtut: „Es wäre allerdings aus heutiger Sicht besser gewesen, dass Herr Altendorf bereits bei seiner Einstellung im Jahr 2001 ein vollständiges Bild seiner Biografie und aller politischer Aktivitäten gezeichnet hätte“, ist beschämend und zeigt, dass sich der Beirat inzwischen offenbar vollständig in die Verdrängungslogik der BStU hat einpassen lassen.

Zweierlei Maßstab im Umgang mit politischen Biografien ist unerträglich

Die Stasi-Unterlagen-Behörde ist unter anderem eingerichtet worden, um eine offenen Umgang mit den politischen Biografien der im öffentlichen Dienst oder anderweit in herausragender Funktion tätigen Menschen zu erreichen. Tausende Ostdeutsche mussten in den zurückliegenden zwanzig Jahren aus dem öffentlichen Dienst ausscheiden, weil sie falsche Angaben zu ihrer Vergangenheit gemacht haben.

Nun wird ausgerechnet an den westdeutschen Beamten Altendorf ein anderer Maßstab angelegt. Sein jahrelanges Verschweigen und bewusstes Vertuschen wird hingenommen. Dieses Messen mit zweierlei Maß muss die Ostdeutschen empören und wird die leider oft empfundene Ungleichbehandlung weiter verstärken. Aufarbeitung im vereinigten Deutschland kann nur funktionieren, wenn alle gleichbehandelt werden.

Bewertung der Tätigkeit von Altendorf in kommunistischen Tarnorganisationen durch den Beirat ist falsch

Der Beirat erklärt zwar, das er „selbstverständlich der Meinung“ sei, dass „kommunistische Aktivitäten bei einem Direktor der BStU nicht akzeptiert werden könnten“, kommt aber zu dem Ergebnis, dass es bei Altendorf „für solche Belastungen […] keine Anhaltspunkte“ gäbe. Wie der Beirat zu dieser Einschätzung kommt, die allen bisher bekannten Fakten über die Gruppierungen in denen sich der Direktor einst bewegt hat widerspricht, wird sein Geheimnis bleiben.

Anders als der Beirat meint, gibt es sehr wohl Anhaltspunkte dafür, dass Altendorf vor dem Hintergrund seiner persönlichen Verstickung befangen ist, wenn es um die Aufklärung der Westarbeit des MfS und der SED geht. Die berechtigten Vorbehalte gegen die Person von Altendorf diffamiert der Beirat als verständliche „Erregung bei einigen Opfergruppen der SED-Diktatur“. Um den Direktor zu verteidigen ist sich der Beirat nicht zu schade, die Motive der Aufarbeitungsinitiativen und Opferverbände in dieser Weise zu diskreditieren. Die von Historikern und Politikern vielfältig vorgetragene Bedenken werden mit keinem Wort gewürdigt.

Beiratserklärung verhöhnt das Aufklärungsinteresse

In gänzlicher Verdrehung der Tatsachen schließt die Erklärung mit den Worten: „Der Beirat bedauert, dass die aktuelle Debatte die wichtige Arbeit der BStU zu beschädigen droht.“ Hier wird Ursache und Wirkung bewusst verdreht: Nicht die Debatte, sondern das Verhalten des Direktor hat dem Ansehen der Stasi-Unterlagen-Behörde schweren Schaden zugefügt. Diese „Haltet-den-Dieb-Argumentation“ ist unerträglich.

Auch Altendorf unterstellt in seiner persönlichen Erklärung, eine Kampagne gegen ihn selbst, die BStU und das Aufarbeitungsinteresse. Dieses Ablenkungsmanöver ist ebenso durchsichtig. Schon in den 1970er Jahren wies Altendorf Kritik an der Bündnispolitik mit Kommunisten als „bewusste Diffamierung aller demokratischen Kräfte an der Hochschule“ zurück. Bis heute nutzt er die gleichen Argumentationsmuster wie damals.

Beirat der BStU hat seine Selbstachtung verloren und der Integrität der Stasi-Unterlagen-Behörde einen Bärendienst erwiesen

Der Beirat der BStU hat mit dieser Erklärung seine Selbstachtung verloren. Bereits im Jahr 2001 musste er sich nach Medienberichten mit der politischen Vergangenheit von Altendorf auseinandersetzen. Damals hat der Direktor nur die bis dahin bekannt gewordenen Fakten eingeräumt und den Beirat teilweise getäuscht, wie das Beiratsmitglied Prof. Manfred Wilke in einem Positionspapier für die gestrige Sitzung darlegte. Das die Gremienmitglieder dies hingenommen haben, ist unbegreiflich.

Das auf Grund des jahrelangen Verschweigens von Altendorf nun eine Situation eingetreten ist, die dienstrechtliche Konsequenzen nicht mehr möglich machen ist bedauerlich, aber nicht zu ändern. Der Beirat hat in seiner Erklärung leider keine angemessenen und klaren Worte für das moralische Versagen des Direktors der BStU gefunden.

Für die künftige Glaubwürdigkeit und Integrität der Stasi-Unterlagen-Behörde ist der gestern im Beirat verabschiedete faule Kompromiss ein Bärendienst. Statt für Offenheit und Ehrlichkeit im Umgang mit Biografien einzutreten, hat der Beirat das Gegenteil gutgeheißen. Ein solcher Vorgang ist in der Geschichte der Aufarbeitungs-Behörde bisher ohne Beispiel.