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Dienstag, den 16. September 2014

Interesse an Leipziger Orten der SED-Diktatur ist ungebrochen: Großer Besucherandrang zum Tag des offenen Denkmals

Kategorie: Pressemitteilung

Zum Tag des offenen Denkmals, am 14.09.2014, fanden die Sonderführungen in der „Runden Ecke“, im Stasi-Bunker bei Machern und in der Zentralen Hinrichtungsstätte der DDR wieder großen Zuspruch. Das Bürgerkomitee Leipzig e.V. zählte insgesamt fast 1.800 Besucher, von denen fast 1.200 die speziellen Angebote dieses Tages wahrnahmen. Besonders viele von ihnen interessierten sich für die Geschichte der letzten zentralen Hinrichtungsstätte der DDR, die nur zweimal im Jahr öffnet und tiefe Einblicke in ein dunkles Kapitel der DDR-Vergangenheit gibt.

Besucherinteresse zeigt erneut dringenden Bedarf an der Errichtung des Justizgeschichtlichen Erinnerungsortes „Ehemalige zentrale Hinrichtungsstätte der DDR“ in Leipzig

Von 11.00 Uhr bis 15.00 Uhr besichtigten insgesamt 605 Menschen die Räume der Zentralen Hinrichtungsstätte der DDR. Der Andrang bei den geführten Rundgängen war erneut so stark wie schon in den Vorjahren. Trotz Regens bildete sich wieder eine lange Schlange von Interessierten vor der ehemaligen Strafvollzugseinrichtung. Viele Besucher, darunter frühere Anwohner aber auch ehemalige Häftlinge, zeigten sich überrascht, dass in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft Menschen hingerichtet worden sind und dass es die Todesstrafe bis Ende der 1980er Jahre in der DDR überhaupt noch gab. Sie plädierten dafür, dass dieser bedeutsame Ort erhalten bleiben und häufiger zugänglich gemacht werden soll. Die Besucher haben sich regelrecht durch die Räume gedrängt. Das große Interesse zeigt, wie wichtig es ist, hier einen dauerhaften Erinnerungsort zu schaffen.

Das Konzept, dass das Bürgerkomitee Leipzig im Auftrag des Sächsischen Staatsministeriums für Justiz erarbeitet hat, liegt seit 2012 vor. Dazu haben Mitarbeiter der Gedenkstätte seit vielen Jahren die Geschichte des Ortes, die Abläufe der Hinrichtungen und die speziellen Hintergründe der jeweiligen Verurteilungen in aufwändiger Arbeit in den verschiedensten Archiven erforscht und dokumentiert. Das vorgelegte Konzept haben die Gremien der Stiftung Sächsische Gedenkstätten geprüft und zur Umsetzung empfohlen. Die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien hat nach Prüfung durch ein Expertengremium schon 2012 zugesagt, die Hälfte der Kosten zu übernehmen. Nun ist der Freistaat gefordert, endlich die notwendigen finanziellen Mittel für die Co-Finanzierung bereitzustellen.

Die Zentrale Hinrichtungsstätte der DDR befand sich ab 1960 in der Leipziger Südvorstadt. In einem streng abgetrennten Teil der Strafvollzugseinrichtung Alfred-Kästner-Straße wurden alle im Land ausgesprochenen Todesurteile unter absoluter Geheimhaltung vollstreckt. Zunächst fanden die Hinrichtungen mittels Guillotine statt; ab 1968 wurden sie per unerwartetem Nahschuss ins Hinterhaupt vollzogen. Anwesend war jeweils nur ein kleiner Kreis eingeweihter Personen. Die Leichname brachte man zur Einäscherung ins Krematorium auf dem Leipziger Südfriedhof, wo sie anonym als „Anatomieleichen“ verzeichnet wurden. Auch die Totenscheine wurden gefälscht, Leipzig kam als Sterbeort nirgends vor.

Neben so genannten „Staatsverbrechern“ wurden hier auch Mörder und Kriegsverbrecher hingerichtet. Doch unabhängig von der Schwere der individuellen Schuld hatten alle Hingerichteten eines gemeinsam: Sie wurden in Prozessen verurteilt, die rechtsstaatlichen Grundlagen widersprachen. Über Todesurteile entschied vor Beginn der Verhandlung das SED-Politbüro, bzw. die Parteichefs Walter Ulbricht und Erich Honecker persönlich in Absprache mit Erich Mielke, dem Minister für Staatssicherheit. Die Gerichte verkamen in vielen Fällen zu Simulatoren der propagierten sozialistischen Gesetzlichkeit, die Urteile standen oft bereits im Vorfeld fest.

Interessierte Besucher auch in der „Runden Ecke“ in Leipzig sowie im Stasi-Bunker in Machern

Auch in der „Runden Ecke“ und im Stasi-Bunker bei Machern nutzten wieder viele Besucher die seltene Gelegenheit, an Sonderführungen teilzunehmen. Abseits der Ausstellungsräume in der ehemaligen Stasi-Bezirksverwaltung konnten 237 Interessierte unter anderem den ABC-Schutzraum, das Dienstzimmer des ehemaligen Stasi-Chefs von Leipzig oder die stasieigene Kegelbahn im Keller des Saalbaus am Goerdelerring besichtigen. Diese Räume sind sonst nicht öffentlich zugänglich, ergänzen aber die Dauerausstellung in geradezu idealerweise. Auch die Dauerausstellung im Museum in der „Runden Ecke“ sowie die Ausstellung „Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“, waren mit weit über 500 Besuchern an diesem Tag außergewöhnlich gut besucht.

Im Stasi-Bunker in Machern erhielten insgesamt 299 Besucher während der regelmäßig angebotenen Führungen durch das unterirdische Museum Informationen über interessante Details zur Baugeschichte sowie die ausgeklügelte Versorgungs- und Nachrichtentechnik und die politischen Hintergründe, die den Bunkerbau begleiteten. Wie die Leipziger Staatssicherheit auch bei inneren Konflikten oder Kriegen den Machtanspruch der SED sichern wollte, war bei diesen Rundgängen durch den fast vollständig original erhaltenen Bunker ebenso zu erfahren. Das Außengelände mit all seinen ebenfalls original erhaltenen Bauten und Anlagen konnte mit Hilfe eines Beschilderungssystems selbständig besichtigt werden. Das 5,2 Hektar große, denkmalgeschützte Gelände in einem Waldstück am Rand des Naherholungsgebietes Lübschützer Teiche, etwa 30 km östlich von Leipzig, war ein heimlich geschaffener Komplex, durch den sich die Führungsriege des MfS ihren Machtanspruch im Fall eines Ausnahmezustands erhalten wollte. Im Spannungs- und Mobilmachungsfall hätte der Leipziger Stasi-Chef Manfred Hummitzsch mit seinem Stab, insgesamt etwa 100 hauptamtliche Mitarbeiter sowie Verbindungsoffiziere des sowjetischen Geheimdienstes KGB, seinen Dienstsitz aus der Bezirksverwaltung in der „Runden Ecke“ in den Bunker nach Machern verlagert.

Das Leipziger Bürgerkomitee als Träger der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ beschäftigt sich seit 1990 mit der Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit. Zusammen mit dem Museum im Stasi-Bunker erhält es bis heute eine einmalige Denkmals- und Gedenkstättenkombination, um auch 25 Jahre nach der Friedlichen Revolution das Funktionieren der SED-Diktatur begreifbar zu machen.