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Donnerstag, den 23. Juni 2016

Führungen durch die ehemalige zentrale Hinrichtungsstätte der DDR anlässlich des 35. Jahrestages der letzten Hinrichtung am 26. Juni 2016

Kategorie: Pressemitteilung

Am 26. Juni 2016 jährt sich die letzte bisher bekannte Hinrichtung der DDR, die in der ehemaligen zentralen Hinrichtungsstätte der DDR vollzogen wurde, zum 35. Mal. Um an diesen Tag zu erinnern, bietet das Bürgerkomitee Leipzig zusätzliche Führungen an. Von 11.00 bis 16.00 Uhr können Interessierte die historischen Räume sowie die Werksausstellung „Todesstrafe in der DDR – Hinrichtungen in Leipzig“ besichtigen.

Von 1945 bis 1981 wurden nach aktuellem Forschungsstand in der SBZ und späteren DDR 374 Todesurteile ausgesprochen, von denen man 209 vollstreckte. Hinzu kommen noch die von sowjetischen Militärtribunalen zwischen 1945 und 1947 etwa 3.500 sowie zwischen 1950 und 1953 etwa 1.000 hingerichteten Deutschen. Bis 1952 fanden die Hinrichtungen in den Ländern der verurteilenden Gerichte statt. Nach der Abschaffung der Länder sowie der Bildung von Kreisen und Bezirken nach sowjetischem Vorbild wurden von 1952 bis 1956 alle Todesurteile zentral in Dresden vollstreckt. Ab 1960 wurden dann in der Leipziger Südvorstadt, in einem streng abgetrennten Teil der Strafvollzugseinrichtung Alfred-Kästner-Straße alle in der DDR zum Tode Verurteilten unter absoluter Geheimhaltung hingerichtet. Im Jahr 1968 ersetzte der „unerwartete Nahschuss in das Hinterhaupt“ das Fallbeil als Hinrichtungsart. Nach bisheriger Erkenntnis fand die letzte Hinrichtung am 26. Juni 1981 statt.

Am 26. Juni 1981 wurde der MfS-Hauptmann Werner Teske getötet – Letzte bisher bekannte Hinrichtung in der DDR war Justizmord


Das Verfahren gegen Werner Teske kann als exemplarisch für den Missbrauch der Justiz in der SED-Diktatur und hier insbesondere der Todesstrafe gelten. Werner Teske, anfangs ein überzeugter Kommunist, wurde 1969 als Mitarbeiter der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) eingestellt. Ursprünglich wollte der promovierte Wirtschaftswissenschaftler eine wissenschaftliche Laufbahn einschlagen, entschied sich jedoch zunächst für das MfS. Aus Frust darüber, dass er in der dortigen Spionageabteilung seine Karrierepläne nicht umsetzen konnte, plante Werner Teske nach Westdeutschland zu fliehen und begann, wichtige Dienstunterlagen mit nach Hause zu nehmen. Fluchtmöglichkeiten nutzte er jedoch nicht und hatte seine Pläne auch schon verworfen, als im Zusammenhang mit einer Korruptionsuntersuchung die dienstlichen Unterlagen bei ihm zu Hause gefunden und er verhaftet wurde. Nach tagelangen „Aussprachen“ gestand er seine früheren Fluchtpläne, die sein Todesurteil besiegeln sollten. Nach der spektakulären Flucht des Top-Agenten Werner Stiller, ein ehemaliger Arbeitskollege Teskes in der HVA, im Jahr 1979 nach Westdeutschland ordnete MfS-Minister Mielke höchstpersönlich und in Absprache mit Erich Honecker die Höchststrafe gegen Teske als interne Abschreckungsmaßnahme an.

In einem präzise geplanten Geheimprozess mit MfS-gesteuerten Richtern, Staatsanwälten und einem Inoffiziellen Mitarbeiter als Rechtsanwalt wurde Teske vor ausgewählten Stasi-Offizieren wegen „vorbereiteter und vollendeter Spionage im besonders schweren Fall in Tateinheit mit vorbereiteter Fahnenflucht im schweren Fall“ auftragsgemäß unter dauernder Aberkennung der staatsbürgerlichen Rechte vom Militärstrafsenat des Obersten Gerichtes der DDR in Berlin am 10. Juni 1981 zum Tode verurteilt. Unter strenger Geheimhaltung in einen abgeschirmten Nebentrakt der Strafvollzugsanstalt in Leipzig wurde er per „unerwarteten Nahschuss in das Hinterhaupt“ am 26. Juni 1981 getötet. Teske war der letzte der insgesamt 64 bisher bekannten in Leipzig von 1960 bis 1981 hingerichteten Menschen. Die Geschichte der Todesstrafe in der DDR ging aber erst mit deren Streichung aus dem Strafgesetzbuch im Dezember 1987 zu Ende.

Nach der Hinrichtung wurde Teske anonym als „Anatomieleiche“ im Krematorium des Leipziger Südfriedhofes eingeäschert und seine Urne namenlos verscharrt. Todesursache und Sterbeort wurden gefälscht, damit keine Rückschlüsse auf Leipzig als Hinrichtungsort gezogen werden konnten. Angeblich verstarb er in Stendal. Die Angehörigen erfuhren erst nach 1989 von den genauen Umständen seines Todes.

Nach der Wiedervereinigung fand immerhin ein juristische Aufarbeitung des Falles statt: Einer der Richter und der anklageführende Staatsanwalt wurden vom Landgericht Berlin im Jahr 1998 wegen Totschlags und Rechtsbeugung zu vier Jahren Haft verurteilt. Die beantragte und ausgesprochene Todesstrafe stand in einem krassen Missverhältnis zur Schuld des damaligen Angeklagten und war damit selbst nach DDR-Recht rechtswidrig, so das Landgericht in seiner Urteilsbegründung.

Hinrichtungsstätte ist einmaliges Zeugnis der SED-gesteuerten DDR-Justizgeschichte

Die ehemalige zentrale Hinrichtungsstätte der DDR in der Alfred-Kästner-Straße ist ein einmaliges Zeugnis der SED-gesteuerten DDR-Justizgeschichte. Dort wurden die letzten Todesurteile auf deutschem Boden nach der über 450-jährigen Geschichte der ununterbrochenen Anwendung der Todesstrafe vollstreckt. Die Verfahren, die den 64 bisher bekannten Hinrichtungen in Leipzig zugrunde lagen, waren unabhängig vom eigentlichen Tatvorwurf, der direkten politischen Steuerung der SED-Spitze unterworfen. Urteile standen nicht selten, dies ergibt sich aus einer Analyse zahlreicher Gerichts-, Stasi- und SED-Akten, bereits vor der Eröffnung der Hauptverhandlung fest.

Dieser Ort in der Leipziger Südvorstadt steht, also wie kaum ein zweiter in Deutschland, für ein besonderes Kapitel der jüngsten deutschen Geschichte. Bisher sind die Räumlichkeiten aber lediglich an zwei Öffnungstagen im Jahr im Rahmen der Museumsnacht und zum Tag des offenen Denkmals zugänglich. Dabei belegen die Besucherzahlen das herausragende öffentliche Interesse an der Vermittlung dieser Thematik: Allein zur Museumsnacht Halle-Leipzig 2016 besuchten knapp 1.000 Besucher die ehemalige zentrale Hinrichtungsstätte. Mit dem Anbringen einer Gedenktafel am Eingang der ehemaligen Hinrichtungsstätte hat sich die Stadt Leipzig 2007 zu diesem Teil ihrer Geschichte bekannt.

Ehemalige zentrale Hinrichtungsstätte der DDR soll justizgeschichtlicher Erinnerungsort werden

Das Bürgerkomitee Leipzig e. V. als Träger der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ setzt sich seit Mitte der 1990er für den Erhalt der ehemaligen zentralen Hinrichtungsstätte als Erinnerungsort ein. So erreichte der Verein, dass die noch original erhaltenen Räumlichkeiten nach dem Auszug der Justizvollzugsanstalt im Jahr 2001 unter Denkmalschutz gestellt wurde. Daneben engagiert sich der Verein auch für die Aufarbeitung der Todesstrafe in der DDR. Im Jahr 2002 beschloss das Sächsische Kabinett, diesen zeitgeschichtlichen Ort zu erhalten, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen sowie seine Geschichte zu erforschen und darzustellen. Daraufhin wurde das Bürgerkomitee vom Sächsischen Staatsministerium der Justiz beauftragt, die Geschichte zu erforschen und eine Konzeption für die weitere Nutzung zu erarbeiten.

Insbesondere durch die Förderung eines entsprechenden Forschungsprojektes durch die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien (BKM) konnten umfangreiche Recherchen in den verschiedensten Archiven durchgeführt werden, in dessen Ergebnis das Bürgerkomitee Leipzig e.V. im Jahr 2012 ein Konzept zum Erhalt der zentralen Hinrichtungsstätte der DDR als justizgeschichtlichen Erinnerungsort erstellte und die hierfür notwendigen Mittel beim Bund beantragte. Die Expertenkommission beim Beauftragten für Kultur und Medien hat das vorliegende Konzept im Herbst 2012 geprüft und die Umsetzung empfohlen. Daraufhin hat BKM eine hälftige Förderung zugesagt. Auch die Gremien der Stiftung Sächsische Gedenkstätten haben dieses Konzept inhaltlich geprüft und seine Umsetzung empfohlen.

Freistaat Sachsen muss endlich eine sichere Finanzierungszusage geben

Dennoch fehlt noch immer die klare Zusage des Freistaats Sachsen für die hälftige Mitfinanzierung dieses wichtigen Erinnerungsortes. Im Rahmen des Projektes sollen sowohl die original erhaltenen Räume restauriert als auch die notwendige Fläche für eine entsprechende Ausstellung geschaffen werden, die ebenfalls innerhalb dieses Projektes inhaltlich erarbeitet und hergestellt werden soll. Damit die Arbeiten wie nun vorgesehen im nächsten Jahr beginnen können, muss der Freistaat Sachsen innerhalb der nächsten Tage endlich die dringend notwendige Finanzierungszusage ebenso geben, wie funktionierende Vereinbarungen zur Umsetzung des Projektes sowie zum späteren Betrieb des Erinnerungsortes mit dem Bürgerkomitee Leipzig e.V. schließen.

Dann könnte – in Umsetzung des Kabinettsbeschlusses von 2001 – fast zwanzig Jahre später 2021 wirklich die Eröffnung des justizgeschichtlichen Erinnerungsortes „Ehemalige zentrale Hinrichtungsstätte der DDR“ mit einer entsprechenden Ausstellung stattfinden.