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Donnerstag, den 12. Juli 2007

Das Ende der Todesstrafe vor 20 Jahren - Veranstaltungen zum Jahrestag

Kategorie: Pressemitteilung

DDR schaffte Todesstrafe vor erstem deutsch-deutschem Gipfeltreffen ab

Am 17.07.1987 wurde in der DDR per Staatsratsbeschluss die Todesstrafe abgeschafft. Mit Veranstaltungen und Führungen erinnert das Bürgerkomitee im Juli 2007 an diesen historischen Termin. Die Urteile waren ab 1960 in der Leipziger Südvorstadt vollstreckt worden, wo sich die zentrale Hinrichtungsstätte der DDR befand.

Mit Verabschiedung eines Staatsratsbeschlusses am 17.07.1987 galt die Todesstrafe als abgeschafft. Ihr Ende stand im Zusammenhang mit Erich Honeckers Visite in Bonn bei Helmut Kohl im September 1987. Honecker wollte dieses erste deutschdeutsche Gipfeltreffen nutzen, um die internationale Anerkennung der DDR als eigenständigem Staat weiter auszubauen. Seinen Empfang wollte er als Ausweis der partnerschaftlichen Beziehungen zwischen zwei souveränen deutschen Staaten gewertet wissen. Die Abschaffung der Todesstrafe plante er als Zeichen des guten Willens und der Orientierung der DDR-Politik an völkerrechtlichen Vereinbarungen.

Laut DDR-Verfassung wäre zur Abschaffung der Todesstrafe ein Volkskammer-Beschluss nötig gewesen. Da dieser jedoch in der Kürze der Zeit nicht mehr herbeizuführen war, nutzte die SED eine Regelung in der DDR-Verfassung, laut der der Staatsrat Rechtsvorschriften in Form von Beschlüssen erlassen konnte. Im Gesetzblatt vom 17.07.1987 hieß es dann: „Der Staatsrat beschließt die Abschaffung der Todesstrafe in der DDR. Die dem entgegenstehenden gesetzlichen Bestimmungen sind ab sofort nicht mehr anzuwenden.

Dies hatte zwar keinerlei rechtliche Wirkung, diente der Staatsführung aber als Grundlage, offiziell das Ende der Todesstrafe zu verkünden. Die nötige Änderung des Strafgesetzbuches durch die Volkskammer kam erst Ende des Jahres 1987, lange nach dem Besuch Honeckers in der Bundesrepublik, zustande. So war die Abschaffung der Todesstrafe, mit der die fast 500-jährige Geschichte der Todesstrafe auf deutschem Boden endete, nach DDR-Recht verfassungswidrig gewesen.

 

Zentrale Hinrichtungsstätte befand sich fast 30 Jahre in Leipzig

In der Leipziger Südvorstadt befand sich ab 1960 die zentrale Hinrichtungsstätte der DDR. In einem streng abgetrennten Teil der Strafvollzugseinrichtung Alfred-Kästner-Straße wurden alle im Land ausgesprochenen Todesurteile unter absoluter Geheimhaltung vollstreckt. Heutigen Erkenntnissen zufolge kamen hier 64 Menschen zu Tode.

In Leipzig fanden die Hinrichtungen zunächst mittels Guillotine statt. Ab 1968 wurden sie per unerwartetem Nahschuss ins Hinterhaupt vollzogen. Anwesend war jeweils nur ein kleiner Kreis eingeweihter Personen. Die Leichname brachte man zur Einäscherung ins Krematorium auf dem Leipziger Südfriedhof, wo sie anonym als „Anatomieleichen“ verzeichnet und beigesetzt wurden.

Heute betreut das Bürgerkomitee Leipzig den historischen Ort und ist gemeinsam mit dem Sächsischen Staatsministerium der Justiz bemüht, hier dauerhaft einen Erinnerungsort zu schaffen. Derzeit informiert eine kleine Werksausstellung über die Todesstrafe in der DDR und die Hinrichtungen in Leipzig.

 

Film und Diskussion am 17.07.2007 im ehemaligen Stasi-Kinosaal

Unmittelbar am 20. Jahrestags der Abschaffung der Todesstrafe lädt das Museum in der „Runden Ecke“ zu einem Film- und Diskussionsabend ein. Die Teilnehmer debattieren über die historischen Hintergründe, die politische Instrumentalisierung, die juristische Aufarbeitung der Todesstrafe und die ganz persönlichen Folgen für das Leben der Angehörigen Hingerichteter.

In einem Einführungsvortrag wird Gerald Endres, Journalist und Dokumentarfilmer, zunächst über die historischen Hintergründe der Todesstrafe in der DDR referieren. Anschließend läuft der Film „Mit der ganzen Härte des Gesetzes – Todesstrafe in der DDR“ (2001, 45 min.), den Endres gemeinsam mit Ute Bönnen gedreht hat.

Anschließend diskutieren Gerald Endres, Christian Diedrich, Pfarrer und ehemaliger Bürgerrechtler, der in den 80er Jahren auf Ausstellungstafeln das Ende der Todesstrafe gefordert hatte, Gerald Hacke, kommissarischer Leiter der Gedenkstätte Münchner Platz in Dresden, wo sich von 1952 bis 1956 die zentrale Hinrichtungsstätte befunden hatte, Christoph Schaefgen, der sich als Leiter der Schwerpunktstaatsanwaltschaft II beim Landgericht Berlin umfassend mit Rechtsbeugung in der DDR befasst hat, und Sabine Kampf, die Witwe Dr. Werner Teskes, der 1981 als letzter in Leipzig hingerichtet worden war. Die Veranstaltung moderiert Tobias Hollitzer, der Leiter der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“.

 

Führungen durch die frühere Hinrichtungsstätte und Lange Filmnacht mit Preview am 21.07.2007

Die Räume der früheren zentralen Hinrichtungsstätte der DDR sind weitgehend authentisch erhalten. Am 21.07. können sie besichtigt werden. Dazu gibt es ansonsten nur während der Leipziger Museumsnacht und am Tag des offenen Denkmals Gelegenheit. Mitarbeiter des Museums in der „Runden Ecke“ führen durch die Räume und geben Erläuterungen zum Gebäude, zur Geschichte der Todesstrafe in der DDR, den rechtlichen Rahmenbedingungen, der politischen Instrumentalisierung und zum Ablauf der Hinrichtungen in Leipzig.

Am selben Abend läuft im Innenhof der ehemaligen Strafvollzugseinrichtung in der Alfred-Kästner-Straße (Zugang über Arndtstraße / Hinrichtungsstätte) ab 21.30 Uhr eine lange Filmnacht. Sie beginnt mit der Preview des Films „Unerwarteter Nahschuss“, einer bisher noch nicht gesendeten Folge der Krimiserie „SOKO Leipzig“. Die Geschichte spielt teilweise in der ehemaligen Hinrichtungsstätte, wo sich während einer Führung ein Mord ereignet. Dies ruft die Fahnder der SOKO auf den Plan, die zusammen mit dem Fall auch die Geschichte der Todesstrafe in der DDR aufrollen. Im Anschluss an die Preview sind Mitglieder des Serienteams zu einem Filmgespräch zu Gast.

Im weiteren Programm laufen die Filme „Henker – der Tod hat ein Gesicht“ über Scharfrichter in verschiedenen Ländern und politischen Systemen, darunter auch Hermann Lorenz, der die Hinrichtungen in Leipzig vollzog. Der Film enthält das einzige Interview, das Lorenz jemals gab. Abschließend zeigt das Bürgerkomitee die Spiegel TV-Sendung „Stasi-Morde“. Sie stammt aus dem September 1990 und basiert auf den ersten intensiven Recherchen zum Thema Todesstrafe in der DDR. Die ehemalige Hinrichtungsstätte in der Leipziger Südvorstadt war zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht bekannt.

Bei Regen findet die Filmnacht im Museum in der „Runden Ecke“, im ehemaligen Stasi-Kinosaal, statt und beginnt 22.00 Uhr.