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Freitag, den 13. März 2020

Justizopfer der SED-Diktatur und wie sie ihre Erinnerungen bewältigen – Buchvorstellungen, Gespräche und Konzerte am Wochenende 14./15. März 2020 in der Gedenkstätte Museum in der "Runden Ecke"

Kategorie: Pressemitteilung

Zum Abschluss der Lesereihe „Leipzig liest“ präsentiert die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ noch einmal insgesamt fünf Bücher. Zwei Publikationen befassen sich mit der Rolle und dem Wirken von Stasi-IM und dem Schaden, den sie bei Ihren Opfern angerichtet haben am Beispiel des einzigen Rechtsanwaltes der Opposition und des einzigen Gefängnispfarrers der DDR. Vorgestellt wird die Biographie der DDR-Schriftstellerin Christa Johannsen zwischen Anpassen und Verbergen sowie zwischen Aufmucken und unkonventionellem Lebensstil.

Am Samstagabend liest der ehemalige DDR-Häftling Gerhard Bause aus seinen Erinnerungen und Gedichte zur politischen Haft. Der DDR-Bürgerrechtler und Liedermacher Stephan Krawczyk präsentiert in einem Konzert seine neue CD „ÜberWunden“ auf der er Gedichte von Gerhard Bause vertont hat. Am Sonntag beschließt eine Matinee-Lesung mit Ines Geipel aus Ihrem aktuellen Buch „Umkämpfte Zone“ das Programm.

Wie immer werden die Buchvorstellungen über DDR-Biographien, Widerstand und Opposition von einer Diskussionsrunden und Gesprächen mit dem Publikum umrahmt. Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist frei.

Im Rahmen des Programms zu „Leipzig liest“ finden am Wochenende 14./15. März 2020 insgesamt vier Veranstaltungen in der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ statt, die sich mit der Aufarbeitung der SED-Diktatur und deren Auswirkungen bis heute auseinanderzusetzen. Die weiteren ursprünglich geplant gewesenen Lesungen und Buchvorstellungen müssen leider wegen Absage der Autoren oder Verlage ausfallen. Neben den Lesungen lädt die Gedenkstätte auch wieder zu verschiedenen Führungen und Rundgängen ein.

Jürgen Haase, Karl-Heinz Bomberg (Musik): „Die Anhörung“ (Sa. 12.00 Uhr)

Februar 1990, Erfurt: Wolfgang Schnur, designierter Ministerpräsident für die ersten freien Wahlen in der DDR, spricht zu 100.000 Menschen. Die Massen jubeln. Januar 2014, Berlin: Wolfgang Schnur, verarmt und krebskrank, stellt sich dem Journalisten Alexander Kobylinski zum ersten und einzigen Mal für ein Gespräch über sein Doppelleben als angesehener Oppositionellen-Anwalt und Stasi-Spitzen-Spitzel. Ein einmaliges Dokument deutsch-deutscher Geschichte und ein beispielloses Zeugnis der Funktionsweisen einer Diktatur! Das vierstündige Interview, auf dem Jürgen Haases Film „Der Fall Wolfgang Schnur – ein unmögliches Leben“ (2017) basiert, ist nun vollständig nachlesbar – ergänzt durch Stimmen vieler Zeitzeugen wie zum Beispiel Rainer Eppelmann.Karl-Heinz Bomberg, der 1984 wegen seiner Lieder inhaftiert wurde und dessen Strafverteidiger Wolfgang Schnur war, gibt eine knappe Einführung.

Marianne Subklew-Jeutner: „Schattenspiel“ (Sa. 14.00 Uhr)

Der Pfarrer Eckart Giebeler war von 1951 bis 1992 hauptamtlicher Gefängnisseelsorger in mehreren Haftanstalten der DDR – von 1953 bis 1989 der einzige. Er war in den 1950er Jahren von der Evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg zwar nicht ordiniert und beim DDR-Innenministerium angestellt, aber es war doch die Kirche, die ihn 1992 in Schutz nahm, als öffentlich und nachweislich bekannt wurde, dass er seit 1959 für das MfS spitzelte, als IM „Roland“. Giebeler war nicht nur in brandenburgischen Haftanstalten tätig, sondern auch in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Berlin. Im Zentrum des umfangreichen Buches „Schattenspiel. Pfarrer Eckart Giebeler zwischen Kirche, Staat und Stasi“ steht die Spitzeltätigkeit Giebelers für das MfS, die bereits vor 1989 vorgetragenen Verdächtigungen von ehemaligen politischen Häftlingen und die Auseinandersetzung der Landeskirche damit seit 1992.Das Buch spricht nicht nur ehemalige politische Häftlinge an. Es zeigt fast 30 Jahre nach der Wiedervereinigung auch die Schwierigkeiten der Kirche sich mit jenen Pfarrern auseinanderzusetzen, die mit dem MfS heimlich zusammenarbeiteten und dies auch noch nach eindeutigen Beweisen leugneten. Moderation: Rainer Potratz (Referent für Historische Forschung, Gedenkstätten und Öffentlichkeitsarbeit bei der Beauftragten des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur, LAkD)

Albrecht Franke: „Christa Johannsen – Ein erfundenes Leben“ (Sa. 18.00 Uhr)

Die Schriftstellerin Christa Johannsen (1914–1981) war in der DDR etabliert: mit zahlreichen Veröffentlichungen und diversen Auszeichnungen. Der Autor Albrecht Franke verfolgt ihren tragikomischen Lebenslauf zwischen Anpassen und Verbergen, aber ebenso zwischen Aufmucken und unkonventionellem Lebensstil. So entsteht nicht nur die Erzählung eines Lebens, sondern eine Geschichte der Literatur der DDR und Deutschlands. Die Schriftstellerin Christa Johannsen engagierte sich für eine Literatur ohne Bevormundung und den literarischen Nachwuchs, leitete „Zirkel schreibender Arbeiter“ und in den frühen 1970er Jahren die Gruppe „Junge Prosaisten“. Einer ihrer damaligen Schüler, Albrecht Franke, hat nun ihrem Leben nachgespürt und dabei festgestellt, dass er seine einstige Lehrerin überhaupt nicht kannte. Er stößt u.a. auf Texte aus der NS-Zeit, einen höchst zweifelhaften Doktortitel, politische Lobhudeleien in der DDR und unter Pseudonym veröffentlichte Gegenreden im Westen. Franke entwickelt eine ebenso ungewöhnliche wie typische Biografie des 20. Jahrhunderts.

Gerhard Bause, Stephan Krawczyk (Musik): Texte und Gedichte aus politischer Haft (Sa. 20.00 Uhr)

Der erste Protest im Eichsfeld. Was es für ein jung verheiratetes Ehepaar bedeutet, unter einer Diktatur der Willkür ausgesetzt, inhaftiert und verurteilt zu werden. Der DDR-Staat ließ, um die SED-Herrschaft nicht zu gefährden, Tausende von Andersdenkenden von der Stasi in politischen Gefängnissen und Zuchthäusern einsperren, misshandeln und psychisch quälen. Die Gedichte zeigen in beeindruckenden Bildern, die Zersetzung, den psychischen und physischen Terror, dem die Inhaftierten ausgesetzt waren, aber auch die nicht enden wollenden Schuldgefühle des Autors über die Mitinhaftierung seiner Frau.

Der DDR- Bürgerrechtler und Liedermacher Stephan Krawczyk präsentiert an diesem Abend erstmals seine neue CD „ÜberWunden“ mit den von ihm vertonten und arrangierten Gedichten von Gerhard Bause. Die Lieder zeigen beispielhaft wie hart und langwierig die Anstrengen sind, sich von traumatischen Erfahrungen zu befreien und sogar daran zu wachsen.

Sonntag, 15.03.2020 Matinée-Lesungen mit Ines Geipel: „Umkämpfte Zone“ (So. 11.00 Uhr)

Seit 2015 haben sich die politischen Koordinaten unseres Landes stark verändert – insbesondere im Osten Deutschlands. Was hat die breite Zustimmung zu Pegida, AfD und rechtsextremen Gedankengut ermöglicht und was hat das mit den Erfahrungen der SED-Diktatur sowie ihrer fehlenden Aufarbeitung zu tun? Ines Geipel folgt den politischen Mythenbildungen des DDR-Staates, seinen Schweigegeboten, Lügen und seinem Angstsystem, das alles ideologisch Unpassende harsch attackierte. Seriöse Vergangenheitsbewältigung konnte so nicht stattfinden, meint die Autorin. Vielmehr wurde eine gezielte Vergessenspolitik wirksam, beispielhaft sichtbar auch in der eigenen Familiengeschichte. Gemeinsam mit ihrem Bruder, den sie in seinen letzten Lebenswochen begleitete, steigt Ines Geipel in die „Krypta der Familie“ hinab und begibt sich so auf Spurensuche nach den Ursachen.

Begegnungen am authentischen Ort: Veranstaltungen im Stasi-Kinosaal und in ehemaligen Büros

Veranstaltungsort ist der ehemalige Stasi-Kinosaal, in dem auch die Ausstellung „Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“ gezeigt wird. Der Saal ist ein original erhaltenes Relikt der SED-Diktatur und damit ein Stück Zeitgeschichte. In dem repräsentativen Saal fanden vielfältige Veranstaltungen der Staatssicherheit statt, darunter offizielle Feiern anlässlich wichtiger Jahrestage, Schulungen und Dienstbesprechungen. Anlässlich des 40. Jahrestags der DDR ließ die Bezirksverwaltung den Kinosaal komplett renovieren und eine neue Bestuhlung anschaffen. Der Kinosaal steht heute unter Denkmalschutz und wird als authentischer Ort von der Gedenkstätte für Geschichtsvermittlung, politische Bildung und aktuelle Debatten genutzt.

Das gesamte Programm und aktuelle Veränderungen finden Sie nachstehend oder online auf der Museums-Website. Dort kann das Programm auch als PDF-Datei heruntergeladen werden: www.runde-ecke-leipzig.de. Der Eintritt zu allen Lesungen ist frei.

Die gesamte Veranstaltungsreihe entstand in Zusammenarbeit mit Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur bzw. der Stasi-Unterlagen, Forschungseinrichtungen, Opferverbänden, Gedenkstätten sowie Verlagen und findet in Kooperation und mit finanzieller Förderung des Sächsischen Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur statt.

Alle Veranstaltungen am Samstag, den 14. März 2020, im Überblick:

12.00 Uhr: BUCHPREMIERE UND ZEITZEUGENGESPRÄCH Fällt aufgrund der aktuellen Lage (Corona-Virus)aus.

Ariane Zabel

„Wie das Schicksal so spielt“ - Erinnerungen an politische Gefangenschaft

12.00 Uhr: MUSIKALISCHE LESUNG Achtung: Neue Uhrzeit

Dr. Jürgen Haase, Karl-Heinz Bomberg (Musik)

Die Anhörung

Wolfgang Schnurs Doppelleben als Stasi-Spitzel und Anwalt politisch Verfolgter. Ein Interview und Musik eines politischen Häftlings. Ort: Museum in der „Runden Ecke“ in der Ausstellung

14.00 Uhr: BUCHPRÄSENTATION UND GESPRÄCH

Marianne Subklew-Jeutner

Schattenspiel. Pfarrer Eckart Giebeler zwischen Kirche, Staat und Stasi


Es gab nur einen einzigen Gefängnisseelsorger in der DDR und der arbeitete als IM „Roland“ für die Stasi. Moderation: Rainer Potratz (Referent für Historische Forschung, Gedenkstätten und Öffentlichkeitsarbeit bei der Beauftragten des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur) Ort: Museum in der „Runden Ecke“ im ehemaligen Stasi-Kinosaal

14.00 Uhr FÜHRUNG Stadtrundgang: „Auf den Spuren der Friedlichen Revolution“

Stadtrundgang zu den Brennpunkten des Jahres 1989.

Treffpunkt: Hauptportal Nikolaikirche

15.00 Uhr FÜHRUNG Öffentliche Führung durch die Ausstellung „Stasi – Macht und Banalität“

Die Ausstellung informiert am originalen Ort über Geschichte, Struktur und Arbeitsweise des MfS.

Treffpunkt: Museum in der „Runden Ecke“, Eingang

16.00 Uhr: BUCHPRÄSENTATION UND GESPRÄCH Fällt aufgrund der aktuellen Lage (Corona-Virus)aus.

Petra Riemann

Die Stasi, der König und der Zimmermann

18.00 Uhr: BUCHVORSTELLUNG

Albrecht Franke

„Christa Johannsen – Ein erfundenes Leben“

Eine engagierte Schriftstellerin in der SED-Diktatur zwischen Anpassen, Verbergen und Aufmucken.

Ort: Museum in der „Runden Ecke“ im ehemaligen Stasi-Kinosaal

20.00 Uhr: LESUNG UND KONZERT

Gerhard Bause, Stephan Krawczyk

Ohne Ruhe rollte das Meer


Erinnerungen und Gedichte aus politischer Haft vertont und vorgetragen von Stephan Krawczyk. Die Gedichte zeigen in beeindruckenden Bildern, die Zersetzung, den psychischen und physischen Terror, dem die Inhaftierten ausgesetzt waren, aber auch die nicht enden wollenden Schuldgefühle des Autors über die Mitinhaftierung seiner Frau.

Ort: Museum in der „Runden Ecke“ im ehemaligen Stasi-Kinosaal

Alle Veranstaltungen am Sonntag, den 15. März 2020, im Überblick:

11.00 Uhr: MATINÉE-LESUNG UND GESPRÄCH

Ines Geipel

Umkämpfte Zone.

Mein Bruder, der Osten und der Hass. Was Pegida, AfD und Rechtsextremismus in Ostdeutschland mit den Erfahrungen der SED-Diktatur und fehlender Aufarbeitung zu tun hat.

Moderation: Tobias Hollitzer (Leiter der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“)

Ort: Museum in der „Runden Ecke“ im ehemaligen Stasi-Kinosaal