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Donnerstag, den 30. November 2006

Das Leben der Anderen. Geschichtsaufarbeitung oder Kassenschlager?

Kategorie: Pressemitteilung

„Kultfilm“ oder „politische Ignoranz“? „Lebendige Geschichte“ oder „prophylaktische Exkulpierung wahrer Täter“? Die Kritiken für den Kinofilm „Das Leben der Anderen“ könnten kontroverser nicht sein und haben in der Regel nur eines gemeinsam: Sie bewegen sich im Bereich der Extreme. Kalt gelassen hat das Kinodebüt des jungen Regisseurs Florian Henckel von Donnersmarck also offenbar niemanden, nur streitet sich die Fachwelt in Wissenschaft, politischer Bildung und Erinnerungspolitik, ob es nun für die Aufarbeitung der SED-Diktatur besonders nützlich oder besonders abträglich ist. Differenzierte Bewertungen kommen immerhin zu dem Schluss, das Stasi-Drama sei „künstlerisch ein Meisterwerk - historisch ein Märchen“.

 

Film und Diskussion am 4. Dezember 2006 im Museum in der „Runden Ecke“

Das Bürgerkomitee Leipzig e.V. beteiligt sich anlässlich des 17. Jahrestages der Besetzung der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit am 4. Dezember 2006 mit der Vorführung des Films „Das Leben der Anderen“ sowie einer anschließenden Podiumsdiskussion an der aktuellen Debatte. Die Veranstaltung beginnt 18.30 Uhr. Wer den Film bereits gesehen hat und nur der Diskussion beiwohnen möchte, ist dazu ab etwa 20.00 Uhr eingeladen. Der Eintritt in den ehemaligen Stasi-Kinosaal ist frei.

Die Veranstaltung wird der Frage nachgehen, ob historische Ungereimtheiten den Spielfilm automatisch disqualifizieren oder er dennoch das Prädikat „pädagogisch wertvoll“ verdient und wesentlich zur Geschichtsbildung beiträgt. Anhand einzelner Filmszenen werden momentan Details aus der Arbeit des MfS debattiert, für die sich sonst außerhalb der Wissenschaftlerbüros wohl niemand interessiert hätte: Saß ein Stasi-Offizier, der einen Operativen Vorgang leitete, selbst an der Abhöranlage und tippte Berichte? Nein. War er dabei, wenn die Wohnung des Überwachten verwanzt wurde? Sehr unwahrscheinlich. Hat es je Fälle gegeben, in denen ein MfS-Ermittler seinem Opfer zur Seite sprang und klammheimlich Beweismittel verschwinden ließ - und wenn ja, hätte dies lediglich eine Strafversetzung zur Folge gehabt? Nichts dergleichen ist überliefert, hätte der Betreffende doch mit Untersuchungsverfahren und Haft rechnen müssen.

 

Deutscher Filmpreis und Oskar – „Das Leben der Anderen“ und sein gesellschaftlicher Wert

Während der Film zur Zeit allen Diskussionen und Kritiken zum Trotz reihenweise Wettbewerbe gewinnt und Nominierungen für den Europäischen Filmpreis und sogar den Oscar erhält, debattiert eine breite Öffentlichkeit seit Monaten darüber, wie die Tätigkeit des MfS aus heutiger Sicht zu bewerten sei. Solche Aufmerksamkeit für ein zunehmend stiefmütterlich behandeltes Thema geweckt zu haben, allein dafür gebührt dem Regisseur Dank. Ohne Zweifel hat er wesentlich dazu beigetragen, in Zeiten, in denen frühere MfS-Offiziere unverholen öffentlich auftreten, für die Opfer der Diktatur zu sensibilisieren.

Um die gesellschaftliche Wirkung des Films aus verschiedenen Perspektiven zu durchleuchten, sind zur Podiumsdiskussion Teilnehmer eingeladen, deren zum Teil gegensätzliche Sichtweisen eine facettenreiche und spannende Debatte versprechen. So wird einerseits die Meinung eines Beteiligten an der Filmproduktion zu hören sein, andererseits die kritische Perspektive eines Vertreters des Forschungsverbundes SED-Staat.

 

Der 4. Dezember 1989 – Die Bezirksverwaltung für Staatssicherheit wird besetzt

Jedes Jahr am 4. Dezember erinnert das Bürgerkomitee mit einer Veranstaltung an einen der Höhepunkte der Friedlichen Revolution in Leipzig: Am 04.12.1989 besetzten Bürger im Anschluss an eine Montagsdemonstration die Bezirksverwaltung für Staatssicherheit, in der auch nach Mauerfall und Grenzöffnung weiter gearbeitet wurde. Sie legten die Arbeit des MfS lahm und stoppten die seit Wochen laufende Aktenvernichtung. Noch in der Nacht zum 5. Dezember gründete sich das Bürgerkomitee, das in der Folge die Bezirksverwaltung auflöste und sich gleichzeitig als Mittler zur Öffentlichkeit verstand. Seit 1990 ist der Verein Träger der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“.

 

Film und Diskussion – Das Programm am Jahrestag der Besetzung

 

Filmvorführung

 

„Das Leben der Anderen“

Regie: Florian Henckel von Donnersmarck, Deutschland 2005

 

 

Podiumsgespräch mit

 

Tobias Hollitzer, Bürgerkomitee Leipzig e.V.

Klaus Spielhagen, Requisiteur des Films „Das Leben der Anderen“

Tobias Voigt, FU Berlin, Forschungsverbund SED-Staat

Konrad Weiß, Publizist, Filmemacher

Katrin Willmann, Bundeszentrale für politische Bildung

Christian Booß, Journalist, Berlin (Moderation)