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Donnerstag, den 01. Februar 2007

Politischer Ostalgie-Aufguss

Kategorie: Pressemitteilung

Wolfgang Böhmers These vom gut gemeinten aber schlecht gemachten Kommunismus gehört ins Reich der Legenden

Gut gemeint, nur leider schlecht gelaufen – lassen sich 40 Jahre Diktatur in der DDR auf eine so banale Formel bringen? Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer scheint das zu glauben, äußert er doch in der gestrigen Ausgabe der Leipziger Volkszeitung: „Alles, was wir heute als Diktatur beklagen, ist Folge einer ursprünglich einmal gut gemeinten sozialen Absicht gewesen.“ Die DDR sei mit dem Ziel gegründet worden, eine möglichst große soziale Umverteilung zu organisieren.

 

Propagandalüge von sozialer Umverteilungsgerechtigkeit in der DDR längst widerlegt

Man sollte meinen, dass solcherlei Urteile nach 17 Jahren äußerst reger DDR-Forschung zumindest in aufgeklärten Kreisen längst ins Reich der Legenden verbannt sind. Schließlich gehört die Behauptung, das kommunistische System sei die Wiege sozialer Gerechtigkeit gewesen, zu den großen Propagandalügen der DDR. Sie ist von der Wissenschaft längst ad absurdum geführt worden, sodass es umso mehr verwirrt, sie nun aus dem Munde eines CDU-Politikers zu hören. Böhmer sollte seine Aussage schleunigst revidieren.

Schon unmittelbar nach Kriegsende ging es in der Sowjetischen Besatzungszone in erster Linie um die Errichtung einer kommunistischen Diktatur. Allein das berühmte Zitat von Wolfgang Leonhard, zur Gruppe Ulbricht gehörig, lässt keine Fragen offen: „Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand behalten.“ Bereits 1949 bei Gründung der DDR konnte daher mitnichten die Rede von einem Projekt für mehr soziale Gerechtigkeit sein, als dessen bedauerliche Begleiterscheinung ein paar diktatorische Züge in Kauf zu nehmen waren. Vielmehr musste die hehre Idee der Umverteilung als Alibi für Repression und Gewaltherrschaft herhalten. Es dürfte wohl kaum auf das Streben nach sozialer Gerechtigkeit zurückzuführen sein, dass allein in den Anfangsjahren der DDR Zehntausende inhaftiert wurden und Hunderte zu Tode kamen.

 

Bürgerkomitee fordert Ministerpräsident zu differenzierterer Ursachenforschung auf

Böhmers politischer Ostalgie-Aufguss zeigt, wie viel Aufklärungsarbeit auch heute noch im Bereich der politischen Bildung zu leisten ist. Er ist zudem gefährlich, weil er suggeriert, die kommunistische Idee sei eigentlich eine moralisch unbedenkliche Alternative zur Demokratie, die in der DDR und den anderen Ostblockstaaten nur ein wenig aus dem Ruder gelaufen lief.

Zweifellos ist es wichtig, nach den Gründen der heutigen Demokratieverdrossenheit zu suchen – allerdings nicht durch den Versuch, die Diktatur nachträglich zu verklären. Die Ursachen dürften weitaus komplexer und nicht allein historisch bedingt sein, sodass der sachsen-anhaltinische Ministerpräsident zu einem differenzierteren Blick aufgefordert ist. Nur dann ist auch die von ihm zu Recht geforderte differenzierte Betrachtung der DDR-Geschichte möglich.