Sie sind hier: Runde-Ecke-Leipzig.de

einzelne Meldung

Friday, den 18. October 2002

Manfred Stolpe für neues Amt ungeeignet

Category: Pressemitteilung
By: Bürgerkomitee Leipzig e.V.

ERKLÄRUNG der Aufarbeitungsinitiativen und Opferverbände

Opferverbände und Aufarbeitungsinitiativen protestieren scharf gegen Berufung

zum Minister für Aufbau Ost

Die Berufung Manfred Stolpes zum zuständigen Minister für den Aufbau Ost ist ein verheerendes Signal für die politische Kultur in Deutschland. Dass ausgerechnet ein ehemaliger Inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit die neuen Bundesländer repräsentieren soll, ist ebenso absurd wie taktlos. Aufarbeitungsinitiativen und Opferverbände der Bundesrepublik verurteilen daher scharf die Entscheidung des Bundeskanzlers, Stolpe ins Kabinett zu holen.

Stolpe repräsentiert nur ein Prozent der Bevölkerung

Stolpe repräsentiert als ehemaliger Zuträger des DDR-Geheimdienstes keinesfalls die gesamte Bevölkerung der neuen Bundesländer, sondern allenfalls ein Prozent davon - jene Menschen nämlich, die wie er mit der Staatssicherheit zusammenarbeiteten und damit eine moralische Grenze überschritten. Für alle, die sich dem diktatorischen System widersetzten, ist die Berufung Stolpes ein Affront. Die Opferverbände und Aufarbeitungsinitiativen fühlen sich durch ihn in keiner Weise vertreten.

Zwar war Stolpe trotz seiner Vergangenheit jahrelang Ministerpräsident eines ostdeutschen Bundeslandes gewesen. Doch macht es einen Unterschied, ob er durch eine demokratische Wahl ein Amt erlangt, oder ob er - ohne dass die Bürger eine Möglichkeit zur Einflussnahme haben - in ein solches berufen wird. Im übrigen hat Stolpe bereits als Ministerpräsident kein sonderliches Interesse an der Aufarbeitung der SED-Diktatur gezeigt: Erinnert sei nur daran, dass Brandenburg als einziges der neuen Bundesländer keinen Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen besitzt.

Die Personalentscheidung des Bundeskanzlers ist auch deshalb nicht zu verstehen, weil mit Rolf Schwanitz bisher ein Politiker für den Aufbau Ost zuständig war, der sich bereits 1989 im Neuen Forum und der SDP engagierte. Statt ihn weiterzubeschäftigen, holt Schröder jetzt einen Politikrentner mit belasteter Vergangenheit wieder an den Kabinettstisch. Die Interessen der Opfer der SED-Diktatur werden nun noch weniger Berücksichtigung in der Bundespolitik finden.

Kanzler muss Personalentscheidung korrigieren

Abzusehen ist, dass Manfred Stolpe sich in seinem Amt wohl kaum der ehrlichen Auseinandersetzung mit der DDR-Vergangenheit und der Aufarbeitung verpflichtet fühlen dürfte. Diese Erkenntnis hat schon in der Vergangenheit prominente Politiker dazu bewogen, ihm die Zusammenarbeit aufzukündigen. Die geradlinige Bürgerrechtlerin Marianne Birthler beispielsweise, heute Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, legte 1992 ihren Posten als Ministerin für Bildung, Jugend und Sport im Brandenburger Kabinett nieder, weil sie nach dem Bekanntwerden von Stolpes Stasi-Kontakten nicht mehr in seinem Team arbeiten wollte. Bis heute wird Stolpes Karriere von seinen eigenen Parteikollegen skeptisch betrachtet. Der Kritik von Stephan Hilsberg, dem bisherigen parlamentarischen Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, schließen sich die Unterzeichner voll an: "Seine Berufung als neuer Bundesminister für den Aufbau Ost ist die große Rolle rückwärts.

Damit sitzt zum ersten Mal die 'Firma', also die Staatssicherheit, mit am Kabinettstisch derBundesrepublik". Stolpe ist für den ihm übertragenen Posten ungeeignet. Die Unterzeichner fordern daher Bundeskanzler Gerhard Schröder dringend auf, seine Personalentscheidung rückgänig zu machen, wenn ihm die innere Einheit Deutschlands im politischen wie im gesellschaftlichen Bereich tatsächlich am Herzen liegt.

Unterzeichner

Aufarbeitungsinitiative Deutschland (AID) e.V., Bärbel Bohley, Bundesverband und Landesverband Berlin-Brandenburg des Bunds Stalinistisch Verfolgter (BSV), Bürgerbüro Berlin e.V., Bürgerkomitee Sachsen-Anhalt e.V., Bürgerkomitee Leipzig e.V., Forum zur Aufklärung und Erneuerung e.V., Alex Latotzky (Autor), Spurensuche e.V., Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft

(UOKG), Konrad Weiß (Publizist)