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Saturday, den 11. January 2003

Gysi darf kein Meinungsmacher im öffentlich-rechtlichen Rundfunk werden

Category: Pressemitteilung
By: Bürgerkomitee Leipzig e.V.
Bürgerkomitee protestiert gegen Pläne des MDR und des Zeitgeschichtlichen Forums

Kaum dass der Mitteldeutsche Rundfunk die Überprüfung seiner Mitarbeiter auf eine frühere Stasi-Tätigkeit mehr schlecht als recht abgeschlossen hat, holt er sich nun ehemalige SED-Größen ins Programm. Gregor Gysi soll ab dem 20. Januar die politische Talkreihe "Gysi und Späth" moderieren. Damit erhält ausgerechnet der PDS-Politiker ein Podium, der nach 1989 maßgeblich darauf hinwirkte, dass sich die Staatspartei der totalitären DDR nicht auflöste, sondern unter neuem Namen bis heute weiterarbeitet.

Mitveranstalter ist das Zeitgeschichtliche Forum, das bereits in der Vergangenheit mehrfach mit politischen Instinktlosigkeiten glänzte. So bot es in jüngster Zeit sowohl Gysi als auch dem stellvertretenden Minister für Staatssicherheit, Markus Wolf, ein Podium und provozierte damit regelmäßig Widerspruch.

Das Bürgerkomitee protestiert scharf gegen die Pläne für die Talkreihe und fordert die Verantwortlichen auf, Gregor Gysi keine Plattform zu geben.

Veranstalter brechen gesellschaftlichen Konsens

Als 1989 Hunderttausende Menschen wesentlich von Leipzig aus die SED entmachteten und die Diktatur stürzten, war es eines der wichtigsten Anliegen der Demonstranten, dass die Angehörigen des Regimes künftig keine Stimme mehr haben sollten. Diese Forderung ist bisher als stiller gesellschaftlicher Konsens weitgehend unangetastet geblieben. MDR und Zeitgeschichtliches Forum planen nun, offenbar nur der Quote halber, dieses Tabu zu brechen. Die Rundfunkanstalt wird sich dafür erneut den Vorwurf der Ignoranz und des unseriösen Umgangs mit dem Erbe der SED-Diktatur gefallen lassen müssen. Der langjährige Frontmann der Partei, die aus den diktatorischen Machthabern der DDR hervorging und die sich noch heute außerhalb demokratischer Gepflogenheiten stellt, sollte in Deutschland auch 13 Jahre nach der Friedlichen Revolution nicht als Meinungsbildner in einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt auftreten dürfen. Verwiesen sei nur auf die zahlreichen totalitären Strömungen und Plattformen innerhalb der PDS oder das ambivalente Verhältnis der Partei zu zentralen Ereignissen der DDR-Geschichte wie dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953 oder dem Bau der Berliner Mauer.

MDR-Intendant bricht erneut sein Wort

Mit Gregor Gysi holt sich der Mitteldeutsche Rundfunk außerdem wissentlich einen Mann ins Haus, der nach Einschätzung des Immunitätsausschusses des Deutschen Bundestags mit dem Ministerium für Staatssicherheit zusammengearbeitet hat. Dies ist umso unverständlicher, als der Sender sich erst im Jahr 2001 durch die Debatte um Dutzende Angestellte, die als inoffizielle Mitarbeiter für die Stasi tätig gewesen waren, sein Ansehen dauerhaft ruinierte. Auch für die vergleichsweise große Zahl hoher Funktionäre des DDR-Rundfunks unter seinen Beschäftigten geriet der Mitteldeutsche Rundfunk in die Kritik.

Nun bricht der Intendant einmal mehr sein eigenes Wort, das er im August 2001 in einer Presseerklärung gab. Darin informierte er über eine Dienstanweisung, nach der kein Mitarbeiter mit früheren Stasi-Kontakten mehr "redaktionelle Beiträge verfasst, produziert oder vor Mikrofon oder Kamera spricht, die in Bezug zur Geschichte der ehemaligen DDR stehen oder sich mit Themen befassen, die in diesem Zusammenhang von besonderer politischer Brisanz sind."

SED-Größen dürfen in der Demokratie keine Stimme mehr haben

Der MDR sollte daher - unabhängig vom Urteil des Personalausschusses nach der Prüfung von Gysis Stasi-Akte - auf das geplante Format verzichten. Er würde damit nicht nur sich selbst vor weiterem Imageverlust schützen, sondern vor allem den gesellschaftlichen Konsenz darüber bewahren, dass die Stützen des diktatorischen DDR-Regimes in der demokratischen Gesellschaft keine Stimme mehr haben. Auch das Zeitgeschichtliche Forum, Teil der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, sollte sich wieder stärker auf seine ursprüngliche Aufgabe über Opposition und Widerstand gegen die Diktatur in der SBZ und DDR zu informieren, konzentrieren.