Sie sind hier: Runde-Ecke-Leipzig.de

einzelne Meldung

Friday, den 30. November 2007

Freiheit oder Sicherheit. Ist Deutschland auf dem Weg in den Überwachungsstaat?

Category: Pressemitteilung

Freiheit oder Sicherheit - werden das die großen Gegensätze sein, die das 21. Jahrhundert prägen? Unstrittig ist, dass eines auf Kosten des anderen geht - größtmögliche Freiheit und größtmögliche Sicherheit also nicht gleichzeitig zu haben sind. Doch welches der beiden so elementaren Rechtsgüter Vorrang hat und welches zurückstehen muss, an dieser Frage scheiden sich in der aktuellen Debatte die Geister.

 

Vortrag und Diskussion am 4. Dezember 2007, 19.30 Uhr im Museum in der „Runden Ecke“

Das Bürgerkomitee Leipzig beteiligt sich am 4. Dezember 2007, 18. Jahrestag der Besetzung der Leipziger Stasi-Zentrale an der aktuellen Debatte. Der Professor für öffentliches Recht Josef Isensee wird eine Einführung in das Thema aus rechtlicher Sicht geben.

Anschließend diskutieren Befürworter und Kritiker der neuen Sicherheitspolitik im ehemaligen Kinosaal der Leipziger Bezirksverwaltung für Staatssicherheit über die Frage, ob sich Deutschland aktuell auf dem Weg in eine Überwachungsgesellschaft befindet oder die geplanten bzw. schon umgesetzten Maßnahmen eine angemessene Reaktion auf die neue Bedrohung darstellen. Der parlamentarische Staatsekretär im Bundesinnenministerium, Dr. Christoph Bergner, verteidigt die neue Sicherheitspolitik von Innenminister Schäuble vehement und hat daher vor wenigen Tagen im Bundestag auch für das Telekommunikationsüberwachungs-Gesetz (TKÜ) gestimmt. Der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes, Michael Konken, hingegen begreift das von Bergner befürwortete Gesetz, dessen zentraler Bestandteil die Vorratsdatenspeicherung ist, als schweren Schlag gegen den „seriösen investigativen Journalismus“. Journalisten seien nun nicht mehr in der Lage, ihren Informanten lückenlosen Quellenschutz zu garantieren. Unterstützt wird Michael Konken vom sächsischen Datenschutzbeauftragten Andreas Schurig, denn für ihn stellt Datenschutz „die Lehre der Begrenzung der Neugier des Staates“ dar, und dient somit der Sicherung der „privaten Freiheitssphäre des Einzelnen“. Ebenfalls ein Kritiker der neuen Gesetze ist Dr. Kasten Rudolph, Innenpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen. „Die Panikmacher verderben die Freiheit“, meint er und wirft dem Bundesinnenminister vor, sich immer mehr von einer rechtsstaatlichen Terrorabwehr zu entfernen und setzt dagegen: „Der freiheitliche Rechtsstaat hat seine Prinzipien zu wahren. Das ist und bleibt das erste Gebot für eine erfolgreiche Abwehr von Extremismus und Terrorismus.“ Prof. Josef Isensee sieht von den Gesetzesvorhaben eher weniger Gefahren ausgehen, solange die Verwendungsmöglichkeiten durch den Staats darin eindeutig geregelt sind.

Die Veranstaltung, die 19.30 Uhr im ehemaligen Stasi-Kinosaal der Gedensktätte Museum in der „Runden Ecke“ beginnt, wird von Helmuth Frauendorfer moderiert, der als Journalist des ARD-Magazins „FAKT“ arbeitet.

 

„Stasi 2.0“–Ein zulässiger Vergleich?

Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 ist nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland die Sicherheitsgesetzgebung umfangreicher geworden, sodass der Staat immer stärker in die Privatsphäre der Bürger eingreift. Mautdatenerfassung, Onlineüberwachung, Vorratsdatenspeicherung und digitaler Fingerabdruck im Reisepass lauten die Stichworte. Die Meinungen der Bürger zu diesen Maßnahmen könnten differenzierter nicht sein. Während die einen in erster Linie ihre persönliche Sicherheit wachsen sehen, fürchten andere bereits einen neuen Überwachungsstaat.

Spätestens mit dem Einsatz von Geruchskonserven zur Absicherung des G8-Gipfels im Sommer dieses Jahres wurden Bezüge zu den Überwachungsmethoden der Staatssicherheit hergestellt. Inzwischen kursiert für die Vorschläge aus dem Bundesinnenministeriums die Bezeichnung „Stasi 2.0“, und der Bundesbeauftragte für den Datenschutz fragt in seinem jüngsten Buch besorgt, ob Deutschland sich auf dem Weg in den Überwachungsstaat befinde. Ob die neuen Sicherheitsgesetze eine Gefahr für die Demokratie darstellen, ob bald wieder eine flächendeckende Überwachung droht, oder dies nur notwendige Schritte zur Verteidigung der freiheitlichdemokratischen Grundordnung sind – Diesen Fragen will die Veranstaltung nachgehen.

Das eine Gleichsetzung der aktuellen Entwicklung mit der kommunistischen Geheimpolizei, dem Ministerium für Staatssicherheit, nicht funktioniert, sieht man allein schon daran, dass wir über die aktuelle Sicherheitspolitik offen und öffentlich diskutieren können. Dieser Vergleich bedeutet auch eine Bagatellisierung des Unrechtes, das im Namen der SED tausendfach durch die Stasi begangen wurde.

 

Der 4. Dezember 1989 – Die Bezirksverwaltung für Staatssicherheit wird besetzt

Jedes Jahr am 4. Dezember erinnert das Bürgerkomitee mit einer Veranstaltung an einen der Höhepunkte der Friedlichen Revolution in Leipzig: Am 04.12.1989 besetzten Bürger im Anschluss an eine Montagsdemonstration die Bezirksverwaltung für Staatssicherheit, in der auch nach Mauerfall und Grenzöffnung weiter gearbeitet wurde. Sie legten die Arbeit des MfS lahm und stoppten die seit Wochen laufende Aktenvernichtung. In der Folge wurde die kommunistische Geheimpolizei, die bis dahin zum Schutz der SED-Diktatur tief in die Privatsphäre der Menschen eingegriffen hatte aufgelöst. Überwachung und Bespitzelung sollten ein für alle mal der Vergangenheit angehören.

Noch in der Nacht zum 5. Dezember gründete sich das Bürgerkomitee, das in der Folge die Bezirksverwaltung auflöste und sich gleichzeitig als Mittler zur Öffentlichkeit verstand. Seit 1990 ist der Verein Träger der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“.

 

Das Programm am Jahrestag der Besetzung

 

Einführungsvortrag:

Prof. Josef Isensee, Professor für öffentliches Recht, Universität Bonn

 

Podiumsgespräch mit

Michael Konken, Vorsitzender des Deutschen Journalisten Verbandes

Andreas Schurig, sächsischer Datenschutzbeauftragter

Prof. Josef Isensee, Professor für öffentliches Recht, Universität Bonn

Dr. Christoph Bergner, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium des Inneren

Dr. Karsten Rudolph, Innenpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Nordrhein-Westfalen

 

Moderation:

Helmuth Frauendorfer, Journalist des ARD-Magazins „FAKT“