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Montag, den 16. Januar 2006

Vom Privileg des Reisens - Das Kadersystem der DDR für Auslandsbesuche

Kategorie: Pressemitteilung
Von: Bürgerkomitee Leipzig e.V.

Buchvorstellung mit anschließender Diskussion am 19. Januar 2006 in der „Runden Ecke“

Nichts prägte die DDR mehr als ihre hermetisch abgeriegelten Grenzen. Um als DDR-Bürger legal ins „nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet“ reisen zu können, musste man entweder über enge Verwandte verfügen, das Rentenalter erreicht oder aber in seiner Personalakte den Vermerk „Reisekader“ stehen haben. Nur dann nämlich war es Wissenschaftlern oder Wirtschaftsfunktionären überhaupt möglich, eine Dienstreise ins westliche Ausland anzutreten. Wem das Grundrecht auf Reisefreiheit, das DDR-Bürgern grundsätzlich verwehrt war, auf diesem Wege als Sonderrecht wieder zuerkannt wurde, entschied ein strenges Auswahlverfahren. Dabei war weniger die fachliche Eignung als vielmehr unbedingte politische Loyalität, einschließlich eines generellen Verzichts auf private Westkontakte entscheidend. In Kreisen, in denen beruflicher Erfolg auch erheblich von internationalen Kontakten abhing, waren somit politischer Gehorsam und Anpassung einmal mehr ausschlaggebend für eine Karriere. Das Reisekadersystem trug damit zur Kontrolle und Disziplinierung der gesamten wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Elite in der DDR bei und schuf gezielt Abhängigkeitsverhältnisse unter den Privilegierten.

 

Wie das Reisekadersystem funktionierte, hat der Historiker Jens Niederhut in seinem bei der Schriftenreihe des Sächsischen Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen erschienenen Buch „Die Reisekader. Auswahl und Disziplinierung einer privilegierten Minderheit in der DDR.“ detailliert untersucht. Am Beispiel der TU Dresden und des VEB Carl-Zeiss-Jena analysiert er darin die Auswahl und Schulung der Reisekader ebenso wie den Einfluss der Staatssicherheit. Er geht auch den Fragen nach, welche Bedeutung die Reisekader in den Universitäten und Betrieben hatten und wie sie im Westen wahrgenommen wurden. Die Ergebnisse seiner sorgfältigen und umfassenden Recherche zum Thema präsentiert der Autor am Donnerstag, den 19. Januar 2006, erstmals dem Leipziger Publikum. Gemeinsam mit der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig und dem Sächsischen Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen lädt das Bürgerkomitee Leipzig e.V. zur Buchvorstellung mit anschließender Diskussion ein. Beginn der Veranstaltung ist 19.00 Uhr in der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ im ehemaligen Stasi-Kinosaal. Der Eintritt ist frei.

 

Autor und Diskussion

Jens Niederhut, 1975 in Berlin geboren, studierte in Marburg und an der Freien Universität Berlin Geschichte, Politikwissenschaft und Klassische Philologie. Der Historiker veröffentlichte bereits mehrere Arbeiten zur DDR-Geschichte. 2003 war er Stipendiat der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Derzeit promoviert er an der Universität zu Köln.

 

Mit Jens Niederhut diskutiert Steffen Reichert aus Halle. Der promovierte Historiker und Journalist hat sich in seiner Dissertation mit dem Einfluss des MfS auf die Universität Halle beschäftigt.


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