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Donnerstag, den 08. Oktober 2009

Die Plauen zugeschriebene Rolle als Ort der ersten Massendemonstration im Herbst 1989 entspricht nicht der historischen Wahrheit.

Kategorie: Pressemitteilung

In den letzten Tagen war in verschiedenen Tageszeitungen und Zeitschriften zu lesen, dass in Plauen am 7. Oktober 1989 die erste Massendemonstration des Herbstes 1989 stattgefunden habe und auch das erste Transparent gezeigt wurde. Dies entspricht nicht der historischen Wahrheit wenngleich Plauen eine wichtige und herausragende Rolle im Herbst 1989 spielte.

 

Im September 1989 wurden die Leipziger Montagsdemonstrationen zur Massenbewegung

Am 4. September 1989, fand nach der Sommerpause erstmals wieder das Friedensgebet statt. Der Staat hatte vergeblich versucht es zu verhindern oder zumindest zu verlegen. Im Anschluss versammelten sich auf dem Nikolaikirchhof ca. 1.000 Bürger und riefen in Richtung der zur Herbstmesse in der Stadt weilenden Kameras von ARD und ZDF „Wir wollen raus“. Leipziger Bürgerrechtler zeigten Transparente mit Aufschriften „Für ein freies Land mit offenen Grenzen“, dass sofort von Stasi-Leuten runtergerissen wurde. Die Bilder zeigten in Ost und West wie groß das Protestpotential in Leipzig inzwischen geworden war. An diesem Tag waren aber auch viele auf dem Nikolaikirchhof, die „Wir bleiben hier“ hier riefen. Mehre Hundert Ausreiser zogen unter dem Motte „Freie Fahrt nach Gießen“ zum Hauptbahnhof.

Eine Woche später rächten sich Staatssicherheit und Polizei für die Niederlage vor laufenden Westkameras in der Vorwoche. Erstmals wurden eine ganze Reihe von Leipziger Bürgerrechtlern nicht nur festgenommen, sondern auch zu mehrmonatigen Haftstrafen verurteilt. Dies hatte allerdings eine DDR-weiter Solidarisierungswelle zur Folge, selbst die Mahnwache in der Berliner Gethsemane-Kirche bezog sich anfangs auf die Leipziger Häftlinge. Die Proteste nahmen weiter zu. Und so beteiligten sich am 25. September 1989 zur ersten Montagsdemonstration auf dem Leipziger Innenstadtring mindestens 5.000 Bürger.

 

Am 2. Oktober 1989 fand in Leipzig die größte Massendemonstration seit dem 17. Juni 1953 statt

Eine Woche später, am Montag, dem 2. Oktober 1989 demonstrierten nach dem Friedensgebet, das an diesem Tag auch in der Reformierten Kirche stattfand, 20.000 Menschen friedlich auf dem Leipziger Ring. Erstmals wagten sie sich auch am Gebäude der Bezirksverwaltung der Staatssicherheit vorbei. Damit hatte die „Runde Ecke“ am Dittrichring nach fast 40 Jahren erstmals ihren Schrecken verloren. Nur wenige Meter später allerdings kesselte die Polizei erstmals mit Sonderausrüstung die an der Thomaskirche noch verbliebenen ca. 2.000 Demonstranten brutal ein und beendete die Demonstration. Es gab wieder Verhaftungen und Geldstrafen.

Dies war unbestritten zu diesem Zeitpunkt die größte Protestdemonstration in der DDR seit dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953.

 

Die Situation eskalierte Anfang Oktober DDR-weit

Mit der Schließung der Grenzen zur CSSR heizte die DDR-Führung die Situation weiter an. Die Züge mit den Botschaftsflüchtlingen die von Prag nach Hof über das Gebiet der DDR führen, brachten das Fass zum überlaufen. Überall entlang der Bahnstrecke kam es zu Protesten. Besonders in Dresden eskalierten die Auseinandersetzungen.

Anfang Oktober 1989 war die Bereitschaft, offen gegen das SED Politik der SED zu protestieren, in der DDR gestiegen. In zahlreichen Städten gingen Menschen auf die Straße. Auf die Massenproteste der Bevölkerung reagierten SED und Sicherheitskräfte mit zunehmender Gewalt und Repressionen. Am 7. Oktober 1989, dem 40. Jahrestag der DDR, eskalierte die Situation. In Arnstadt, Berlin, Dresden, Halle, Ilmenau, Karl-Marx-Stadt, Leipzig, Magdeburg, Plauen und Potsdam wurden an diesem Tag Massendemonstrationen gewaltsam aufgelöst. Es gab zahlreiche Verletzte. In Berlin wurden mehr als 700 Personen festgenommen, DDR-weit waren es über 3.000.

 

9. Oktober 1989 in Leipzig wurde zum Tag der Entscheidung

In der darauf folgenden Woche, am 9. Oktober, der als „Tag der Entscheidung“ in die jüngere deutsche Geschichte eingegangen ist, waren es bereits 70.000 Menschen, die friedlich für Freiheit und Menschenrechte demonstrierten. Dies war der Durchbruch der Friedlichen Revolution. Am 7. Oktober 1989, dem 40. Jahrestag der DDR, kam es in vielen Orten zu Protesten. Am nächsten Montag wollte die SED in Leipzig den „Spuk ein für alle mal beenden“. Zur Verhinderung bzw. gewaltsamen Auflösung der erwarteten Demonstration standen etwa 8.000 bewaffnete Sicherheitskräfte bereit, neben Polizei und Staatssicherheit auch Angehörige der Kampfgruppen und Soldaten der NVA. Die SED hatte auch den Einsatz von Schusswaffen offen angedroht. Um gewaltsame Auseinandersetzungen zu verhindern, appellierten Leipziger Bürgerrechtler mit Aufrufen an Demonstranten und Sicherheitskräfte, sich der Gewalt zu enthalten. Persönlichkeiten und auch Repräsentanten der SED riefen zur Besonnenheit auf. Trotz großer Ängste demonstrierten am 9. Oktober 1989 nach Friedensgebeten in vier Leipziger Kirchen mindestens 70.000 Bürger mit den Losungen „Keine Gewalt“ und „Wir sind das Volk“ gegen das SED-Regime. Tausende waren extra nach Leipzig gereist. Angesichts dieser Massen mussten sich die Sicherheitskräfte zurückziehen  Der friedliche Verlauf des 9. Oktober 1989 wurde als Sieg über die Staatsmacht empfunden.

 

Leipzig ist die Stadt der Friedlichen Revolution

Der 9. Oktober 1989 in Leipzig wird zu Recht als "Tag der Entscheidung" bezeichnet. An diesem Tag musste die schwerbewaffnete SED-Diktatur in Leipzig vor dem Mut und dem Veränderungswillen Zehntausender gewaltlos kapitulieren. Damit hatte die Friedliche Revolution gegen die SED-Diktatur gesiegt, wenn gleich dieser Sieg in den folgenden Wochen und Monaten verteidigt werden musste. Von diesem Tag an gingen in der ganzen DDR immer mehr Menschen auf die Straße und forderten Veränderung. Der 9. Oktober 1989 ist der "Tag der Friedlichen Revolution" und Leipzig die "Stadt der Friedlichen Revolution". Christoph Hein forderte am 4. November 1989 auf der großen Demonstration am Alexanderplatz in Berlin Leipzig den Beinamen "Heldenstadt" zu verleihen.

Aber es wahren bei weitem nicht die Leipziger allein. An diesem 9. Oktober kamen nach Wahrnehmung der Staatssicherheit mindestens 5.000 Menschen aus allen Teilen der DDR nach Leipzig, weil sie wussten, dass an diesem Tag eine Entscheidung fällt und Sie diese beeinflussen wollten. An der Marktkirche in Halle hing ein Transparent „Gewaltlos widerstehen – Schweigen für Leipzig“. Dort wurde an diesem Abend noch geprügelt und verhaftet während es in Leipzig friedlich blieb.

Und so war es dieser Ort und dieser Tag an dem die erste Freiheitsrevolution in Deutschland erfolgreich war. Historische Erinnerung braucht Symbole. So wie der 9. November 1989 in Berlin ganz selbstverständlich das Symbol für die Deutsche Einheit ist, so ist der 9. Oktober 1989 in Leipzig das Symbol für die erste erfolgreiche Freiheitsrevolution der Deutschen. Symbole fokussieren zwangsläufig. Und so wie die Mauer nicht nur in Berlin und nicht nur am 9. November überwunden wurde, so wurde selbstverständlich auch die Freiheit nicht nur in Leipzig und nicht nur am 9. Oktober errungen.

 

Sonderausstellung „Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“ in der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“

Die Sonderausstellung „Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“ erzählt vom demokratischen Aufbruch des Jahres 1989 und blickt gleichzeitig zurück auf 40 Jahre Opposition und Widerstand sowie die deutsche Teilung. Sie erinnert an die zahlreichen Protestaktionen der Leipziger Opposition, ohne die die großen Montagsdemonstrationen nicht möglich gewesen wären. Seit Anfang der 1980er Jahre engagierten sich Oppositionsgruppen besonders im kirchlichen Umfeld für Umweltschutz, Menschenrechte und Demokratie, da die Kirche einen gewissen Schutz vor der Willkür des SED-Regimes bot. Als es 1988 jedoch zu Konflikten zwischen Kirchenleitung und Teilen dieser Basisgruppen kam, traten diese verstärkt in den öffentlichen Raum und eroberten den Nikolaikirchhof als politische Bühne.

Die Ausstellung zeichnet anhand von Flugblättern, Plakaten und vielen Fotos die Entwicklung der Opposition nach und orientiert sich an den konkreten Aktionen des politischen Widerstandes in Leipzig im Jahr 1989: Die Montagsdemonstrationen zur Leipziger Frühjahrs- und Herbstmesse, die Demonstration für demokratische Grundrechte am 15. Januar, die Protest gegen die Fälschung der Kommunalwahlen vom 7.Mai, das Straßenmusikfestival am 10. Juni, die entscheidende Montagsdemonstration am 9. Oktober und nicht zuletzt die Besetzung der Leipziger Stasi-Zentrale am 4. Dezember 1989 seien hier nur als Schlaglichter genannt. Die Gründung des Neuen Forums, das Entstehen der Runden Tische und schließlich die ersten freien Wahlen im Frühjahr 1990 bilden den Abschluss der Schau. Auftakt zum Jubiläumsjahr 2009: Jahrestag der Demonstration für Demokratie am 15. Januar 1989 in Leipzig.

Die Sonderausstellung ist täglich geöffnet von 10.00 bis 18.00 Uhr und wird bis zum 30.04.2010 zu sehen sein.