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Montag, den 30. August 2010

31.08.2010: 20 Jahre Gedenkstätte Museum in der "Runden Ecke" - Bürgerkomitee Leipzig zieht Bilanz

Kategorie: Pressemitteilung

Die Besetzung der Leipziger Stasi-Zentrale im Dezember 1989 und die Gründung des Museums

„Krumme Ecke, Schreckenhaus / Wann wird ein Museum draus?” Diese Frage stand auf einem Transparent von Leipziger Montagsdemonstranten, die während der Friedlichen Revolution 1989 für Demokratie und damit nicht zuletzt auch für die Auflösung der Staatssicherheit auf die Straße gingen. Schon bald sollte diese Forderung Wirklichkeit werden: Heute hängt die Losung in der ehemaligen Stasi-Bezirksverwaltung als Museumsstück in der Dauerausstellung „Stasi – Macht und Banalität“, die seit 20 Jahren über Struktur, Geschichte und Arbeitsweise des MfS informiert.

40 Jahre, bis 1989, war die „Runde Ecke“ Sinnbild für den Repressionsapparat der SED. Heute ist es ein Ort der Aufklärung und Mahnung. Bereits diese zwei Stadien des Gebäudes sind Beispiele für die wechselhafte Historie. 1913 erbaut von der Alten Leipziger Feuerversicherung, nutzte ab April 1945 die US-Armee die Räume. Kurz darauf übernahm die Rote Armee die Verwaltung der „Runde Ecke“. Mit der Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit am 2. Februar 1950 bezog die Dienststelle und spätere Bezirksverwaltung Leipzig das Gebäude und sicherte von hier aus die Durchsetzung der SED-Diktatur.

Am Vormittag des 4. Dezember 1989 besetzten Erfurter Bürger – als erste in der DDR – die dortige MfS-Bezirksverwaltung. Vorher war bekannt geworden, dass die Staatssicherheit in großem Umfang Akten vernichtete. Noch am Abend desselben Tages kontrollierten Bürger während der Montagsdemonstration auch die Leipziger Stasi-Zentrale. An diesem und den nächsten Tagen wurden alle Bezirksverwaltungen und viele Kreisdienststellen besetzt. Es bildeten sich Bürgerkomitees, die Strategien für die Sicherung der Akten und die kontrollierte Auflösung der Stasi entwickelten. Sie brachten die Abwicklung des MfS auf den Weg und organisierten eine öffentliche Kontrolle dieses Prozesses, einschließlich der Sicherung der Akten.

Das Bürgerkomitee Leipzig forderte neben der Auflösung der Staatssicherheit und der Sicherung der Akten von Anfang an auch die „politisch-historische Aufarbeitung der Tätigkeit des MfS“. Bereits im Frühjahr 1990 konzipierte es die DDR-weit erste Ausstellung, welche über die Struktur und Arbeitsweise der Staatssicherheit informierte. Die provisorische Exposition, die nur wenige Monate auf dem Sachsenplatz zu sehen sein sollte, stieß auf enorm hohes Interesse. Täglich kamen bis zu 3.000 Besucher.

Daher entschied das Bürgerkomitee die Ausstellung dauerhaft zu zeigen und fand in den Räumen der ehemaligen Bezirksverwaltung den wohl passendsten Ort dafür. Am 31.08.1990 wurde das Museum mit der Dauerausstellung „STASI – Macht und Banalität“ eröffnet. In den original erhaltenen Räumen der Stasi-Offiziere sind einmalige Dokumente und Exponate zu sehen: so etwa eine Kollermaschine zur Vernichtung von Akten, eine Anlage zum Abhören von Telefonaten, Geräte zum heimlichen Öffnen von Post und vieles mehr. Zudem verfügt das Museum heute mit etwa 40.000 Objekten über die umfangreichste und in ihrer Geschlossenheit einmalige Sammlung zum Thema Staatssicherheit.

20 Jahre Aufarbeitung in der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ – mit über 1,2 Millionen Besucher zieht das Bürgerkomitee eine positive Bilanz

Fortan setzte sich das Bürgerkomitee für die kontrollierte Auflösung der Staatsicherheit ein und beteiligte sich an politischen Diskursen, zum Beispiel am Entwicklungsprozess des Stasi-Unterlagen-Gesetzes. Ehrenamtliche Mitarbeiter erstellten ein Angebot, um die Besucher über den Aufbau und die Machenschaften des Geheimdienstes der SED aufzuklären. Seit dem Jahr 2000 konnte das Bürgerkomitee seine Arbeit mit fest angestellten Mitarbeitern, finanziert durch öffentliche Förderung, wesentlich professionalisieren. Daneben blieb das Engagement von Ehrenamtlichen weiterhin ein fester Bestandteil der Gedenkstättenarbeit. Dem Auftrag zur politischen Bildung kommt das Bürgerkomitee mit umfangreichen Programmen zur jährlichen Buchmesse und dem Kirchentag sowie mit zahlreichen Veranstaltungen nach.

Nach 20 Jahren kann man auf eine erfolg- und ereignisreiche Zeit zurückblicken. Das Bürgerkomitee als Träger der Gedenkstätte ist heute aus der bundespolitischen Aufarbeitungslandschaft nicht mehr weg zu denken. Das Interesse an der Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur in der DDR steigt stetig, was auch an den wachsenden Besucherzahlen deutlich wird. Mittlerweile zählt das Museum zu einem der am besten besuchten in Leipzig. 2008 begrüßte das Bürgerkomitee die millionste Besucherin und 2009 verzeichnete die Gedenkstätte ihren bisherigen Besucherrekord von über 125.000 Gästen. Darunter zählt das Museum auch viele namhafte Gäste. Zum Beispiel waren die beiden Bundespräsidenten Johannes Rau und Horst Köhler sowie der Kandidat Joachim Gauck zu Besuch in der Dauerausstellung und betonten die Wichtigkeit der Arbeit des Bürgerkomitees.

Gerade zum Doppeljubiläum 2009/2010 ist die Resonanz auf Veranstaltungen und die Sonderausstellung „Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“ besonders positiv. An einem so geschichtsträchtigen Ort wie die ehemalige Stasi-Zentrale „Runde Ecke“ – vor der sich eines der entscheidenden Kapitel der Friedlichen Revolution abspielte – kann in besonders guter Weise die Erinnerung an die Friedliche Revolution wach gehalten werden. Mit seiner Arbeit versucht das Bürgerkomitee den Wert von Freiheit und Demokratie zu stärken und Tendenzen von Ostalgie entgegenzuwirken.

Die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ vermittelt als einzige die Geschichte der Stasi am authentischen Ort einer Bezirksverwaltung und steht damit exemplarisch für diese Art der Aufarbeitung. Lediglich das Stasi-Museum im Haus 1 der Normannenstraße in Berlin betreibt eine Ausstellung an einem vergleichbaren Ort, hier wird jedoch die Ministeriumsebene der Stasi behandelt. In der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ wird die Struktur und Arbeitsweise des Geheimdienstes der SED dem Besucher auf der Bezirksebene präsentiert, wo die eigentliche flächendeckende Kontrolle der DDR-Bürger stattfand. Einzigartig ist außerdem, dass neben der ehemaligen Bezirksverwaltung auch die dazugehörige Ausweichführungsstelle als Museum im Stasi-Bunker in Machern dem Besucher zugänglich ist und so auch die Planungen für den so genannten „Ernstfall“ dargestellt werden.

Jubiläumsprogramm am 31.08.2010

Zum 20. Jahrestag seiner Gründung lädt das Museum in der „Runden Ecke“ am 31.08.2010 von 10.00 bis 16.00 Uhr stündlich zu kostenlosen Sonderführungen unter anderem mit Mitgliedern des Bürgerkomitee Leipzig e.V. durch die Dauerausstellung „Stasi – Macht und Banalität“ ein.

Um 19.00 Uhr widmet sich die Podiumsdiskussion „Stasi – Zwischen Repression und Alltag“ der Frage, inwieweit Staatssicherheit und alltägliches Leben in der DDR miteinander zusammenhingen. Nach einem Grußwort des ersten Bürgermeisters der Stadt Leipzig Andreas Müller diskutieren darüber Siegfried Reiprich (Stiftung Sächsische Gedenkstätten, Dresden), Stefan Wolle (DDR-Museum, Berlin), Hans-Joachim Stephan (DDR-Museum, Radebeul) und Tobias Hollitzer (Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“) untereinander und mit dem Publikum. Im Anschluss findet ein kleiner Stehempfang statt, an dem auch Vertreter der Stadt Leipzig teilnehmen werden.

Programm am 31. August 2010 im Überblick:

10.00 bis 16.00 Uhr: stündlich Sonderführungen durch die Dauerausstellung „Stasi – Macht und Banalität“

19.00 Uhr: Podiumsdiskussion „Stasi – Zwischen Repression und Alltag“ im ehemaligen Stasi-Kinosaal, anschließend Stehempfang.

Der Eintritt zu allen Programmpunkten ist frei. Während des ganzen Tages wird den Besuchern kostenlos Kaffee und Kuchen im ehemaligen Stasi-Kinosaal angeboten.

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