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Mittwoch, den 29. September 2010

30.09.2010: Erfolgreiche Sonderausstellung "Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution" wird erweitert

Kategorie: Pressemitteilung

Anlässlich des 20. Jahrestages der Deutschen Einheit wird die seit Oktober 2009 im Museum in der „Runden Ecke“ erfolgreich präsentierte Sonderausstellung zur Friedlichen Revolution in Leipzig erweitert. Zentrale Voraussetzung für die Wiedervereinigung war der Demokratisierungsprozess, der sich unmittelbar an den Umbruch 1989 anschloss.

Die Schau beleuchtet am Beispiel Leipzigs verschiedene bisher noch wenig bekannte Themenbereiche, die bis heute fortwirken: Von den Umwelt- und Städtebauprojekten wie „Stoppt Cospuden“, „Pleiße ans Licht“ oder der Volksbaukonferenz bis hin zur Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur und dem Umgang mit den Stasi-Akten.

Beginnend im Januar 1990 werden die weiteren Montagsdemonstrationen und die Entwicklung zur ersten freien Volkskammerwahl der DDR am 18. März 1990 dargestellt. Gezeigt wird außerdem der Aufbau demokratischer Strukturen in der Stadt Leipzig verbunden mit den Kommunalwahlen am 6. Juni 1990, der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion sowie der Neugründung des Freistaates Sachsen.

Eingebettet wird die Ausstellung in die nationalen und internationalen Prozesse, die zur Deutschen Einheit führten. Die Einführung der D-Mark wird ebenso am Leipziger Beispiel dargestellt wie die Eröffnung des ersten Arbeitsamtes in den Räumen der ehemaligen Stasi-Bezirksverwaltung. Die Ausstellung zeigt schlaglichtartig sowohl Chancen als auch Probleme der rasanten Entwicklung, an deren Ende das wiedervereinigte Deutschland stand.

Die Erweiterung der Ausstellung wird am 30. September 2010 um 19.00 Uhr in der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ (ehemaliger Stasi-Kinosaal) eröffnet.

1990 bot einmalige Möglichkeiten gesellschaftlicher Mitgestaltung, alte „Kader“ nahmen aber auch großen Einfluss auf die Entwicklung

Die Sonderausstellung präsentiert eine Reihe neuer Fakten und bisher unbekannter Details. Sie zeigt sowohl die ungeheueren Chancen für selbstbestimmtes bürgerschaftliches Engagement aber auch den nach- wie vor großen Einfluss der Vertreter des alten Systems auf die Entwicklung.

Einmalige Möglichkeiten der gesellschaftlichen Mitgestaltung

Spätestens ab Januar 1990 begann die Phase des Aufbaus demokratischer Strukturen in der DDR. Diese Zeit bot einzigartige Möglichkeiten des Engagements und der Realisierung eigener Vorstellungen und Ideen. Anhand eindrücklicher Dokumente wird gezeigt wie sich Leipziger Bürger gegen den Verfall ihrer Stadt wehrten. Zahlreiche Umwelt- und Städtebauprojekte wie „Stoppt Cospuden“, „Pleiße ans Licht“ oder der Volksbaukonferenz wurden ins Leben gerufen und erfolgreich durchgesetzt.

Erfolgreich ostdeutsche Interessen in Fragen des Umgangs mit den Stasi-Akten gegenüber Bundesregierung durchgesetzt

Die Bundesregierung lehnte zunächst die gesetzliche Regelung der Volkskammer ab, wonach die Akten nicht vernichtet, dezentral gelagert und für die Aufarbeitung genutzt werden. Erst energische Proteste, in Leipzig, unter anderem mit Demonstrationen und einer Hungerstreikaktion, bewirkten jedoch die Berücksichtigung der Grundsätze des Volkskammergesetzes im Einigungsvertrag. Hier konnten Bürgerrechtler erfolgreich ostdeutsche Interessen in Bezug auf den Umgang mit den Stasi-Akten durchsetzten.

 

Alte Kader wollten Aufbau föderaler Strukturen bestimmen

Vertreter des alten Staatsapparates der Bezirke Leipzig, Dresden und Karl-Marx-Stadt bereiteten schon ab Februar 1990 die Bildung des Landes Sachsen vor. So wollten sie die regionalen Apparate in die künftige Landesverwaltung zu überführen. Bereist im April veröffentlichten die drei Vorsitzenden der Räte der Bezirke ihren Verfassungsentwurf in 30.000 Exemplaren. In „letzter Sekunde“ verhindern Bürgerrechtler, dass die „alten Kader“ den Aufbau des Landes maßgeblich bestimmten. Die Federführung lag nun bei einem Koordinierungsausschuss für die Bildung des Landes Sachsen.

Konflikte in Fragen der Vergangenheitsbewältigung mit der neuen Regierung de Maizière und ihrem Innenminister Diestel

Zahlreiche Konflikte kamen in Fragen der Vergangenheitsbewältigung auf. Vor allem Innenminister Peter-Michael Diestel setzte sich für eine Vernichtung von Stasiakten ein. Auch die Akten der Leipziger Spionageabteilung sollten im April zur Vernichtung nach Berlin abgegeben werden. Lediglich der Widerstand des Bürgerkomitee Leipzig verhinderte dies.

Die Aufarbeitung war auch auf kommunaler Ebene von großer Bedeutung. So setzte die neu gewählte Leipziger Stadtverordnetenversammlung bereits auf ihrer konstituierenden Sitzung einen Ausschuss zur Kontrolle der Auflösung des MfS und zur Überprüfung der Mitarbeiter der Stadtverwaltung ein.

Mitarbeiter der „Sicherheitsorgane“ wurden bewusst  bei der Stellenbesetzung der neuen Arbeitsämter bevorzugt

Bedrückend war 1990 für viele Leipziger der Weg zum neu eingerichteten Arbeitsamt, nicht zuletzt deswegen, weil sich dieses im Gebäude der ehemaligen Staatssicherheit befand. Behauptungen, dort ehemaligen „Bonzen“ und Stasi-Mitarbeiter gegenüber zu sitzen, wurden bisher meist als Gerüchte abgetan. Die Ausstellung deckt nun auf, dass es tatsächlich eine Vereinbarung zwischen Innenminister Peter-Michael Diestel und Sozialministerin Regine Hildebrandt gab, DDR-weit bei der Besetzung von Stellen im Arbeitsamt, auf Angehörige der Sicherheitsorgane zurückzugreifen.

 

Sonderausstellung „Leipzig auf dem Weg zur friedlichen Revolution“ erzählt seit dem 2. Oktober 2009 vom demokratischen Aufbruch des Jahres 1989

Die Sonderausstellung „Leipzig auf dem Weg zur friedlichen Revolution“ erzählt vom demokratischen Aufbruch des Jahres 1989 und blickt gleichzeitig zurück auf 40 Jahre Opposition und Widerstand und die deutsche Teilung. Dabei wird die Rolle der Kirche durchaus auch kritisch betrachtet. Bot sie Anfang der 1980er der Opposition einen gewissen Schutz, kam es Ende des Jahrzehnts bereits zu Konflikten zwischen Kirchenleitung und Basisgruppen. Demzufolge traten die Widerständler in den öffentlichen Raum.

Zahlreiche Aktionen der Bürgerrechtler, untermalt mit originalen Flugblättern, Demofotos und Plakaten, werden dem Besucher näher gebracht: Montagsdemonstrationen zur Leipziger Frühjahrs- und Herbstmesse, die Kommunalwahlen vom 7.Mai, das Straßenmusikfestival am 10. Juni, die entscheidende Montagsdemonstration am 9. Oktober und nicht zuletzt die Besetzung der Leipziger Stasi-Zentrale am 4. Dezember 1989 seien hier nur als Schlaglichter genannt. Die Gründung des Neuen Forums, das Entstehen der Runden Tische und schließlich die ersten freien Wahlen im Frühjahr 1990 bildeten bis jetzt den Abschluss der Schau.

Auch Oppositionsbewegungen in anderen sozialistischen Ländern werden im Zusammenhang mit dem Herbst ´89 thematisiert. Beispielsweise kaum bekannte Fotos der blutigen Niederschlagung der chinesischen Demokratiebewegung auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Juni 1989 machen die Angst vor der „Chinesischen Lösung“ noch einmal lebendig.

Am 30.09.2010, 19.00 Uhr:

Ausstellungseröffnung mit Podiumsdiskussion „Bundesland Sachsen wird wieder wachsen“

Die Wiedergründung Sachsens wurde bereits Ende 1989 neben dem Ruf nach Freiheit und Demokratie eine wichtige Forderung der Friedlichen Revolution und machte sich auch in den Parolen der Demonstranten bemerkbar, für die der Titel der Diskussion exemplarisch steht. Von der kommunalen Ebene in Leipzig ausgehend, sollen die Entwicklungen zur Neugründung des Freistaates Sachsen und der Deutschen Einheit in den Blick genommen werden. Welche Errungenschaften und Versäumnisse gab es? Welches Resümee kann man nach 20 Jahren ziehen?

Dr. Michael Richter, Historiker am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung und Verfasser des Buches „Die Bildung des Freistaates Sachsen“, Arnold Vaatz, Mitglied der Gruppe der 20 und als Vorsitzender des Koordinierungsausschusses zur Bildung des Landes Sachsen entscheidend an der Wiedervereinigung beteiligt und heute Mitglied des Deutschen Bundestages sowie Christian Scheibler, ehemaliges Mitglied des Runden Tisches des Bezirkes Leipzig, diskutieren über oben genannte Fragen.

Die Moderation übernimmt Prof. Dr. Günter Heydemann vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung.


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