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Donnerstag, den 02. Dezember 2010

"Täter haben ein Gesicht!" - Podiumsdiskussion zur Nennung von Stasi-Mitarbeitern zum Jahrestag der Leipziger Stasi-Besetzung

Kategorie: Pressemitteilung

Am 4. Dezember 2010, um 19.00 Uhr, diskutieren Vertreter aus Presse, Wissenschaft und Gesellschaft, warum Stasi-Mitarbeiter auch künftig öffentlich genannt werden sollen

Dürfen Menschen, die einmal als inoffizieller oder hauptamtlicher Stasi-Mitarbeiter einen Unrechtsstaat gestützt haben, heute anonym bleiben? Wie weit soll Aufarbeitung dabei gehen? Und was ist mit den Verfolgten der SED-Diktatur, die ein Recht auf Wiedergutmachung haben? An diesen Fragen erhitzte sich die öffentliche Debatte in den letzten Jahren immer wieder, obwohl im 1991 geschaffenen Stasi-Unterlagen-Gesetz das Recht der Täter, unerkannt zu bleiben, klar dem Recht der Verfolgten und der Öffentlichkeit, die Wahrheit zu erfahren, untergeordnet wurde.

Jedoch führen Klagen von ehemaligen Stasi-Offizieren und Inoffiziellen Mitarbeitern (IM) immer häufiger dazu, dass diese Regelung verwässert wird und zahlreiche Täter heute nicht mehr genannt werden. Die gerichtlichen Entscheidungen haben auch Einfluss auf die Veröffentlichungspraxis von Medien und Wissenschaft: Immer wieder verzichten Journalisten und Historiker auf die Nennung von Verantwortlichen aus Angst vor gerichtlicher Auseinandersetzung. Auch die Stasi-Unterlagenbehörde gibt Akten inzwischen zunehmend restriktiver heraus. Sowohl für die Opfer und die Arbeit der Gedenkstätten als auch für die demokratische Gesellschaft stellt dies ein Problem dar: Neben individueller Wiedergutmachung steht die Frage im Vordergrund, wie gesichtslos Aufarbeitung sein darf und wo der Schutz von persönlichen Daten über der Nennung derer steht, die die SED-Diktatur maßgeblich stützten.

Diese Problematik soll aus politischer, juristischer und historischer Sicht diskutiert werden. Fragen zur Gesetzeslage und deren Entwicklung sollen geklärt, Beispiele gerichtlicher Verhandlungen und der Umgang damit in der Öffentlichkeit erläutert werden.

Namhafte Experten in die „Runde Ecke eingeladen

Das Bürgerkomitee freut sich für diesen Abend eine Runde ausgewiesener Experten zu diesem Thema gewonnen zu haben. Eingangs wird der Medienrechtler und Anwalt Prof. Dr. Johannes Weberling über den aktuellen Stand und den Umgang mit Klagen ehemaliger Stasi-Mitarbeiter referieren.

Im Anschluss diskutiert er mit weiteren Experten: Der Welt-Redakteur Uwe Müller setzt sich seit 1990 in seiner journalistischen Arbeit intensiv für die Aufarbeitung ein und bringt diese Themen immer wieder auf die Tagesordnung. Tobias Hollitzer engagiert sich als Leiter der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ maßgeblich für die öffentliche Nennung von Funktions- und Amtsträgern in Gedenkstätten, Ausstellungen und Publikationen, denn nur so ist das Funktionieren der SED-Diktatur plastisch vermittelbar. Mit Joachim Förster, dem Leiter der Abteilung Auskunft bei der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, konnte das Bürgerkomitee einen Vertreter der Behörde gewinnen, die die Unterlagen herausgibt und dabei auch entscheidet, welche Namen überhaupt bekannt werden. Der Wissenschaftler Joachim Heinrich bereichert die Runde um die Sicht eines von der Staatssicherheit Verfolgten. Auf seiner Homepage www.stasi-in-erfurt.de hat er Namen von Stasi-IMs genannt, die er teilweise in seinen persönlichen Akten gefunden hatte und sah sich bald darauf mit Klagen konfrontiert. Moderiert wird das Podium vom Journalisten Christhard Läpple vom ZDF-Hauptstadtstudio, der in seinem Buch „Verrat verjährt nicht“ zahlreiche Verfolgte und Täter interviewte und die Problematik genau kennt.

 

Letzter offizieller Besuch von Michael Beleites, dem Sächsischen Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen in Leipzig – Nachfolge bisher ungeklärt

Der sächsische Landesbeauftragte Michael Beleites wird an diesem Abend zudem seinen letzten offiziellen Auftritt in Leipzig haben. Das Bürgerkomitee freut sich sehr den DDR-Bürgerrechtler und Umweltaktivisten für ein Grußwort zum 21. Jahrestag der Besetzung der Leipziger Stasi-Zentrale gewonnen zu haben. Beleites ist es in seiner 10jährigen Amtszeit gelungen, der Aufarbeitung der SED-Diktatur im Freistaat Sachsen wichtige Impulse zu geben. Er schuf die Basis für die Vernetzung der sächsischen Verfolgtengruppen und Aufarbeitungsinitiativen untereinander sowie mit den staatlichen Einrichtungen und der Politik. Dabei war er immer auch offen für kritische Meinungen und vermittelte in schwierigen Fragen.

Nicht zuletzt fand er auch immer deutliche Worte, wenn es um die Aufdeckung von SED-Unrecht, besonders die Enttarnung von Stasi-Mitarbeitern ging. Das Bürgerkomitee blickt zurück auf eine gute Zusammenarbeit mit Michael Beleites und hofft, dass seine wichtige Arbeit auf dem gleichen hohen Niveau fortgeführt wird.

Seine Amtszeit endet am 11. Dezember 2010. Leider hat der Sächsische Landtag bis heute keinen Nachfolger für dieses wichtige Amt benannt, wodurch eine sehr bedauerliche Vakanz entsteht. Dies ist unverständlich, da mit der Bürgerrechtlerin Freya Klier eine engagierte Persönlichkeit mit einer außerordentlich hohen fachlichen Kompetenz dieses Amt ausfüllen könnte. Klier hat sowohl das Vertrauen der Aufarbeitungsinitiativen als auch das der Verfolgtenverbände im Freistaat Sachsen. Gleichzeitig ist Klier eine Bürgerrechtlerin, deren Meinung auch bundesweit über Parteigrenzen hinweg gefragt ist und wahrgenommen wird. Die gebürtige Dresdnerin wäre somit die ideale Nachbesetzung für Michael Beleites.

 

4. Dezember 2010, 11.00 und 17.00 Uhr: Sonderführungen zum Jahrestag durch die die Sonderausstellung „Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“ im ehemaligen Stasi-Kinosaal

Am 4.12.1989 besetzten Leipziger Bürger im Zuge der Montagsdemonstration die Bezirksverwaltung für Staatssicherheit und legten die Arbeit der berüchtigten Geheimpolizei lahm. Noch in derselben Nacht gründete sich das Bürgerkomitee, das sich in den folgenden Monaten neben der Sicherung der Stasi-Akten auch um eine schnelle Aufarbeitung der SED-Diktatur bemühte.

Dieses spannende Kapitel deutscher Geschichte wird ebenso in der Sonderausstellung eindrucksvoll dargestellt wie weitere sechzehn rund um Friedliche Revolution und Deutsche Einheit. Die Sonderausstellung „Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“ ist seit Oktober 2009 im ehemaligen Stasi-Kinosaal zu sehen. Mit originalen Flugblättern, Demofotos, Plakaten und Dokumenten zeichnet sie die Entwicklung der Oppositionsgruppen nach und orientiert sich an den konkreten Aktionen des politischen Widerstandes in Leipzig im Jahr 1989, die zu Demokratie, der Deutschen Einheit und letztlich zu einem blockfreien Europa führten.

Zum Anlass des Jahrestages laden wir zu zwei Sonderführungen durch die Ausstellung ein. Die Besucher werden Neues über bisher wenig bekannte Themenbereiche erfahren und mit multimedialer Darstellung dem Geist der Zeit näher kommen.

Nähere Informationen erfahren Sie unter mail@runde-ecke-leipzig.de oder 0341/961

 

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