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Donnerstag, den 12. September 2002

Die Nikolaikirche als Ort des Protestes

Kategorie: Pressemitteilung
Von: Bürgerkomitee Leipzig e.V.

Erste Friedensgebete vor 20 Jahren - Wo die Leipziger Montagsdemonstrationen ihre Anfänge hatten Zündstoff bargen die Friedensgebete von der ersten Stunde an. Zu verschieden waren die Ansichten der gestaltenden Gruppen, der Kirche und des Staates über das Maß an Kritischem, das während der Gebete gepredigt werden durfte. Trotz aller Konflikte: Die Friedensgebete wurden zu einer festen Institution. Sie waren Ausgangspunkt der machtvollen Montagsdemonstrationen und sind so letztlich Motor der Friedlichen Revolution des Herbstes 1989 gewesen.

Im September 2002 jährt sich der Tag des ersten regelmäßigen Friedensgebetes zum 20. Mal. Für das Bürgerkomitee Leipzig e.V. sowie den Sächsischen Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (LStU) ist das Jubiläum Anlass, an diese Tradition zu erinnern. Sie laden am 16.09.2002 um 20.00 Uhr im Museum "Runde Ecke" zu einer Podiumsdiskussion mit Zeitzeugen aus den ersten Stunden der Friedensgebete ein. Die Veranstaltung wird unterstützt durch das Archiv Bürgerbewegung Leipzig und die BStU, Außenstelle Leipzig.

Regelmäßig stattfindende Gebete als Leipziger Besonderheit

Friedensgebete gehörten Anfang der 80er Jahre in vielen Orten der DDR und auch der Bundesrepublik zum Veranstaltungsprogramm der evangelischen Kirche. Sie waren zunächst eine Reaktion auf die massive atomare Aufrüstung der beiden Supermächte, die der Ostblock begonnen hatte. Auch die Gemeinden in Leipzig richteten alljährlich um den Buß- und Bettag herum eine Friedensdekade aus.

Bald aber gingen die Leipziger Gebete ihren eigenen Weg: Ab September 1982 fanden sie auch außerhalb der speziellen Dekade regelmäßig Montag für Montag statt. Sie waren über Jahre hinweg ein wichtiger Ort für verschiedene Friedens-, Umwelt- und Dritte-Welt-Gruppen, die nun eine Möglichkeit hatten, sich regelmäßig öffentlich zu äußern und untereinander Informationen auszutauschen.

Aus stillen Gebeten werden laute Proteste

Die SED-Führung proklamierte zwar gern und häufig den Frieden und unterstützte die Friedensbewegung in der Bundesrepublik. Eine unabhängige Friedensbewegung im eigenen Land aber wollte sie keineswegs zulassen. So wurden beispielsweise die Träger des Symbols "Schwerter zu Pflugscharen" von Polizei und Staatssicherheit mit allen Mitteln verfolgt.

Schon von Beginn an waren die Friedensgebete immer wieder auch Ausgangspunkt für öffentliche Protestaktionen, so beispielsweise die Kerzenaktion von 1983 auf dem Markt oder die Ausreisedemos der Jahre 1987 bis `89. Staat und Kirche führten daher bis zum Ende der DDR teils heftige Auseinandersetzungen über die Legitimität der Gebete.

Daraus ergaben sich wiederum Konflikte zwischen der Kirche und den oben genannten Gruppen, die sich an den oft auch gesellschafts- und staatskritischen Inhalten der Friedensgebete und deren Folgen für Kirchengemeinde und Kirchenleitung festmachten. Trotz all dieser Konflikte wurde das Friedensgebet Montag für Montag weitergeführt. Diese Regelmäßigkeit zeichnete die Leipziger Friedensgebete in besonderem Maße aus.

Zeitzeugen diskutieren über die Wurzeln der Gebete und deren Bedeutung für die Friedliche Revolution 1989

Im Rahmen der Veranstaltung des Bürgerkomitees und des LStU sollen vor allem die Ursprünge der Friedensgebete in den frühen 80er Jahren und deren Bedeutung für den kirchlichen und gesellschaftspolitischen Diskurs in Leipzig von Interesse sein. Dem 20jährigen Jubiläum der ersten regelmäßigen Friedensgebete wird am 16.09.2002 zunächst in einem Friedensgebet um 17.00 Uhr in der Nikolaikirche gedacht.

Im Museum in der "Runden Ecke" beginnt 20.00 Uhr die Veranstaltung im ehemaligen Kinosaal des MfS. Ein Einführungsvortrag von Tobias Hollitzer, BStU, Außenstelle Leipzig, wird den Auftakt zur anschließenden Podiumsdiskussion geben, in welcher vor allem Zeitzeugen zu Wort kommen. Gemeinsam mit dem Publikum werden die Podiumsteilnehmer darüber debattieren, wie die ersten Friedensgebete zustande kamen, welche durchaus konträren Vorstellungen vom Fortgang derselben existierten und welche der anfänglichen Pläne und Hoffnungen umgesetzt werden konnten. Zur Diskussion steht auch, welche Rolle die Friedensgebete als Ausgangspunkt der Massendemonstrationen des Herbstes ´89 spielten.