Sie sind hier: Runde-Ecke-Leipzig.de / Presse

einzelne Meldung

Mittwoch, den 13. März 2013

Das Chemnitzer Kaßberggefängnis – Stasi-Untersuchungshaftanstalt und Freikaufgefängnis

Kategorie: Pressemitteilung

„Leipzig liest“ 2013 in der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“

Während des Literaturfestivals „Leipzig liest“ lädt auch die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ wieder zu zahlreichen Lesungen und Diskussionen ein, die sowohl im ehemaligen Stasi-Kinosaal als auch in den Räumen der Dauerausstellung stattfinden. In Zusammenarbeit mit namhaften Autoren, Experten und Zeitzeugen werden Themen wie die politische Haft in der DDR oder staatliche Eingriffe in privates und berufliches Leben durch die Stasi, kommunistische Diktaturen und deren Aufarbeitung im Mittelpunkt der 19 Veranstaltungen stehen.

Am 14. März 2013, 20.00 Uhr, Buchvorstellung: „Via Knast in den Westen. Das Kaßberggefängnis und seine Geschichte“

Die deutschen Diktaturen haben das Gefängnis auf dem Chemnitzer Kaßberg über das 20. Jahrhundert hinweg stark geprägt. Erbaut im Jahr 1886 als Königlich-Sächsische Gefangenenanstalt ist über seine genaue Nutzung und den Alltag der Häftlinge während Kaiserzeit und Weimarer Republik wenig bekannt. Während der NS-Zeit wurden auf dem Kaßberg unter anderem Juden und Regimegegner durch die Gestapo und den SS-Sicherheitsdienst inhaftiert und ermordet. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges nutzte die Sowjetische Besatzungsmacht das Gebäude als NKWD-Operativgefängnis. Nach der Übergabe an das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) Anfang der 1950er Jahre wurde auf dem Kaßberg die Untersuchungshaftanstalt (UHA) der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Karl-Marx-Stadt eingerichtet.

Die Stasi-UHA wurde ab Ende der 1960er Jahre auch zur Drehscheibe für den Häftlingsfreikauf. All jene, die die DDR im Zuge der „besonderen Bemühungen“ der Bundesrepublik aus DDR-Gefängnissen abschob, wurden zuvor in den Trakt B verlegt. Bis 1989 durchliefen ca. 33.0000 Häftlinge diesen Weg in die Freiheit. Der Jahrzehnte im Verborgenen ablaufende „staatsfreundliche Menschenhandel“ des SED-Regimes reduzierte die Menschen und ihre Schicksale einzig auf die Sach- und Devisenzahlungen der Bundesrepublik, die für die Wirtschaft der DDR lebenswichtig waren. Dies und der Umstand, dass so auch unbequeme Oppositionelle einfach „entsorgt“ werden konnten, machten den Freikauf mit seinen Hintergründen zu einem äußerst zwiespältigen und damit interessanten Thema der jüngeren deutsch-deutschen Geschichte.

Nach der Friedlichen Revolution 1989/90 wurde das Gefängnis bis 2011 durch die bundesdeutsche Justiz genutzt und entsprechend umgebaut. Als es vor zwei Jahren zum Verkauf stand, gründete sich ein Chemnitzer Verein und forderte die Einrichtung eines „Lern- und Gedenkortes Kaßberggefängnis“. Der Kaßberg war eine von 15 Untersuchungshaftanstalten, wie sie von der Staatssicherheit in jedem der damaligen DDR-Bezirke betrieben wurden. Die besondere und weit über Chemnitz hinausweisende Bedeutung des Ortes liegt in seiner Funktion als zentrales Freikaufgefängnis begründet.

Der neue Band der Schriftenreihe des LStU, erschienen bei der Evangelischen Verlagsanstalt, bietet erstmals eine Überblicksdarstellung zum historischen Ort, dem aktuellen Forschungsstand und lässt Betroffene, damalige Akteure sowie Historiker zu Wort kommen. Zur Bedeutung des Ortes als Freikaufgefängnis und MfS-UHA sowie die den Ort begleitenden erinnerungspolitischen Debatten diskutieren nach der Buchvorstellung unter der Moderation des Sächsischen Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen Lutz Rathenow, der Herausgeber und Vorsitzende des Vereins „Lern- und Gedenkort Kaßberggefängnis e. V.“ Clemens Heitmann, der Geschäftsführer der Stiftung Sächsische Gedenkstätten Siegfried Reiprich und der ehemalige MfS-U-Häftling Wolfgang Lötzsch.

 

Von staatlicher Repression der SED-Diktatur über absurde Bilder aus der Endzeit der DDR zum epischen Ausflug ins jugoslawische Kroatien:

Alle Veranstaltungen am Donnerstag, den 14. März 2013 im Überblick.

 

16.00 Uhr: BUCHPREMIERE
Laura Hottenrott
„Roter Stern. Wir folgen Deiner Spur.“
Umerziehung im Kombinat der Sonderheime (1964–1987)
Die Historikerin schildert Theorie und Praxis der „Umerziehung“ in den Sonderheimen der DDR-Jugendhilfe im Raum Berlin, in die als stark verhaltensauffällig geltende Kinder und Jugendliche eingewiesen wurden und kommt über dieses bisher wenig beachtete Kapitel der DDR-Geschichte mit dem Betroffenen Ralf Weber ins Gespräch.

Moderation: Lutz Rathenow
Ort: Museum in der „Runden Ecke“ im ehemaligen Stasi-Kinosaal

 

18.00 Uhr: BUCHVORSTELLUNG
Dietmar Riemann, Roman Grafe
Schöne Grüße aus der DDR.
Fotografien 1975–1989
Leere Schaufenster, Durchhalteparolen und ein ausgezehrtes Land: Dietmar Riemanns absurde Bilder begleitet von Texten Roman Grafes dokumentieren auf hohem Niveau den Alltag im letzten Jahrzehnt der DDR.

Ort: Museum in der „Runden Ecke“ im ehemaligen Stasi-Kinosaal

 

19.00 Uhr: BUCHVORSTELLUNG
Reiner David
Meine Akte. DDR 1969 bis 1975

Warum sich eine Geschichte ausdenken, wenn das Leben die ungewöhnlichsten Storys schreibt? Hunderte Seiten seiner persönlichen Akten der staatlichen Organe erlaubten Reiner David einen tiefen Blick in die Funktionsweise der DDR-Gesellschaft in den frühen 1970er Jahren. Deren Sprache kann man nicht neu erfinden, man muss sie zitieren. Die Abteilung Inneres stellte über ihn fest: „Ein Erziehungserfolg ist weder im Strafvollzug noch in Freiheit zu erwarten.“

Moderation: Ludwig Norz
Ort: Museum in der „Runden Ecke“ in der Ausstellung

 

20.00 Uhr: BUCHPREMIERE UND DISKUSSION
Nancy Aris, Clemens Heitmann (Hg.)
Via Knast in den Westen – Das Kaßberggefängnis und seine Geschichte

Der neue Band der Schriftenreihe des LStU bietet erstmals einen historischen Überblick zum Gefängnis auf dem Chemnitzer Kaßberg. Zur Bedeutung des Ortes als Freikaufgefängnis, MfS-Untersuchungshaftanstalt und den heutigen erinnerungspolitischen Debatten zum Kaßberg diskutieren der Herausgeber Clemens Heitmann mit Siegfried Reiprich (StSG) sowie dem ehemaligen MfS-U-Häftling Wolfgang Lötzsch.

Moderation: Lutz Rathenow
Ort: Museum in der „Runden Ecke“ im ehemaligen Stasi-Kinosaal

(In Kooperation mit dem LStU Sachsen, der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung und der Evangelischen Verlagsanstalt9

 

21.00 Uhr: BUCHVORSTELLUNG (KROATISCH/DEUTSCH)
Zoran Feric

Das Alter kam am 23. Mai gegen 11 Uhr

Die ehemalige Klasse eines Zagreber Gymnasiums trifft nach Jahren zusammen, um ihre Abiturfahrt auf einem Motorschiff zu wiederholen. In zahlreichen Rückblenden erzählt der Gynäkologe Tihomir Romar seine Lebensgeschichte. Ein Buch mit Leichtigkeit und Witz, das alle Seiten des Lebens streift und ein Sittenbild der goldenen Jugend des Tito-Jugoslawiens zeichnet. Ein tragisches Epos über die Liebe.

Moderation: Klaus Detlef Olof
Ort: Museum in der „Runden Ecke“ in der Ausstellung

Pressemitteilung als pdf