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Montag, den 23. September 2019

Vor 30 Jahren: Erste Montagsdemonstranten auf dem Ring – Vortrag und Zeitzeugengespräch am 25. September 2019 in den Promenaden Hauptbahnhof Leipzig

Kategorie: Pressemitteilung

Am Mittwoch vor 30 Jahren liefen die Montagsdemonstranten der Friedlichen Revolution im Jahr 1989 das erste Mal um den Ring, vorbei am Leipziger Hauptbahnhof. Da dieser ein zentraler Schauplatz der Revolution war, lädt das Bürgerkomitee Leipzig e.V. als Träger der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ in Zusammenarbeit mit den Promenaden Hauptbahnhof Leipzig zu einer Veranstaltung seiner Zeitzeugenreihe „Heute vor 30 Jahren: Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“ in den Bahnhof ein.

Am Mittwoch, den 25. September 2019, erzählen Zeitzeugen, wie sie u.a. das Friedensgebet an jenem Tag ausgestaltet haben und welche Sorgen sie beim Demonstrationszug vor einer Eskalation hatten. Beginn ist um 19.00 Uhr im Sächsischen Wartesaal (Obergeschoss, Zugang über Starbucks). Der Eintritt ist frei.

Aus Anlass des 30. Jahrestages der Friedlichen Revolution lädt das Bürgerkomitee Leipzig e.V. zu einer Gesprächsreihe mit Zeitzeugen ein. Im Mittelpunkt der Veranstaltungsreihe „Heute vor 30 Jahren – Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“ stehen herausragende Ereignisse des politischen Protestes in Leipzig, die zur Friedlichen Revolution, zum Sturz der SED-Diktatur und zu einem demokratischen Neuanfang führten. Ebenso wie der Beginn der Weimarer Republik 1919 und die Verabschiedung des Grundgesetzes 1949 in der Bundesrepublik ist die Friedliche Revolution von 1989 ein zentrales Datum der Demokratiegeschichte in Deutschland, dem wir uns wieder stärker bewusst werden sollten. Die mit ihr wiedererrungenen Werte – Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit – sind heute für ein gemeinsames Zusammenleben in Europa grundlegend und unveräußerlich.

Rückblick: Am 15. Januar 2019 befasste sich die Gesprächsreihe zu Beginn mit der ersten ungenehmigten Demonstration für demokratische Grundrechte am 15. Januar 1989 in Leipzig. An dieser hatten sich nach der Verteilung von über 4.000 Flugblättern etwa 500 Bürger beteiligt; 53 von ihnen sind festgenommen worden. Die nächste bedeutende öffentliche Protestaktion war am 13. März 1989, als mehr als 500 DDR-Bürger, vorwiegend Ausreisewillige, nach einem Friedensgebet in der Nikolaikirche auf die Straße gingen und bei ihren Protesten lautstark riefen: „Wir wollen raus! Wir wollen raus!“ Wegen der zur Messe anwesenden westlichen Journalisten griffen die Sicherheitskräfte nicht ein. Die Situation wurde durch die gefälschte Kommunalwahl am 7. Mai 1989 verschärft. Zur Absicherung dieser „Schein-Wahl“ hatte die Stasi die Aktion „Symbol“ vorbereitet, doch Oppositionsgruppen hatten, so auch in Leipzig, eine Kontrolle der öffentlichen Stimmenauszählung organisiert. Dadurch konnte der regelmäßige Wahlbetrug der SED erstmals nachgewiesen werden. Rund vier Wochen später, am 4. Juni 1989, folgte dann eine Aktion des politischen Protests gegen die Umweltzerstörung in der DDR. Die Route des Pleißepilgerweges verlief entlang des wegen seiner starken Verschmutzung unterirdisch kanalisierten Flusses, der Pleiße. Für die Teilnehmer des Protestzuges war der Pleißepilgerweg „Geländer für gesellschaftliche Veränderungen“. Eine Woche später wurde Leipzig erneut Zentrum der Opposition, als sich am 10. Juni 1989 Musiker aus der ganzen DDR zu einem verbotenen Straßenmusikfestival unter dem Motto „Für die Freiheit der Kunst“ trafen. Höhepunkt war dann der Kirchentag mit dem Statt-Kirchentag am 9. Juli 1989, an dem etwa 2500 Personen teilnahmen. In der Lukaskirche bei Pfarrer Christoph Wonneberger traf sich die Opposition aus der ganzen DDR und tauschte sich über die aktuelle Lage sowie über zukünftige Konzepte und Aktionen aus. Nach der Sommerpause kam es ab dem 4. September 1989 wieder regelmäßig im Anschluss an das Friedensgebet zu Demonstrationen und anderen Aktionen für die Genehmigung der ständigen Ausreise in die Bundesrepublik. Bei der Demonstration am 4. September 1989 war erstmals auch der Ruf „Wir bleiben hier!“ zu hören.

25. September 1989 – Erste Montagsdemonstration auf dem Ring

Immer mehr Menschen gingen im Laufe des Septembers zu den Friedensgebeten. Am 11. September 1989 waren es bereits weit über 1.000 Besucher, die sich beim Verlassen der Nikolaikirche mit dichten Polizeiketten konfrontiert sahen. Der Nikolaiplatz war hermetisch abgeriegelt. Polizei und Staatssicherheit führten 89 Personen zu, die teilweise bis zur Amnestie im Oktober in Haft bleiben mussten. Per Strafbefehl wurden Ordnungsstrafen bis zu 5.000 Mark ausgesprochen. Bereits eine Woche später, am 18. September 1989, war die Nikolaikirche zum Friedensgebet nahezu überfüllt. Wieder zog die Polizei in dichten Sperrketten um die Kirche auf und nahm erneut Verhaftungen vor.

Erich Honecker, der sich nach längerer Krankheit Ende September zum Dienst zurückmeldete, wies am 22. diesen Monats die 1. Sekretäre der SED-Bezirksleitungen fernschriftlich an, „dass diese feindlichen Aktionen im Keime erstickt werden müssen, dass keine Massenbasis dafür zugelassen“ werden dürfe. Außerdem sei Sorge dafür zu tragen, „dass die Organisatoren der konterrevolutionären Tätigkeit isoliert werden“.

Drei Tage später, am 25. September 1989, beteiligten sich an der Montagsdemonstration in Leipzig schon über 5.000 Menschen, die Reformen und die Zulassung des Neuen Forums forderten, das am gleichen Tag vom Ministerium des Innern verboten worden war. Pfarrer Christoph Wonneberger schloss seine Predigt mit den Worten: "Wir können auf Gewalt verzichten". Nach der Andacht strömten die Menschen nach draußen und sahen sich Polizeiketten gegenüber, die die Straßen zum Markt in der Innenstadt sperrten. So zog die Menge zum damaligen Karl-Marx-Platz (heute Augustusplatz), vereinigte sich mit den in den Nebenstraßen Wartenden und demonstrierte auf dem Leipziger Ring bis zum Konsument, heute „Höfe am Brühl“, ohne dass es zu einem Eingriff der Polizeikräfte kam.

Vor der "Runden Ecke", dem Gebäude der Staatssicherheit, kehrten die Demonstranten ohne äußeren Anlass um und liefen zurück zum Hauptbahnhof. Man wollte wohl einer möglichen Konfrontation mit der Stasi aus dem Weg gehen und Friedfertigkeit zeigen.

Zeitzeugen erzählen

Bei der Veranstaltungsreihe „Heute vor 30 Jahren: Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“ werden die jeweiligen Ereignisse aus dem Jahr 1989 und deren Hintergründe zunächst in einem einführenden Vortrag durch Tobias Hollitzer, Leiter der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“, beleuchtet. Im Anschluss kommen die Zeitzeugen Frank Richter, Frank Pörner und Selma Sievers unter der Moderation von Reinhard Bohse vom Bürgerkomitee Leipzig e.V. über das damalige Geschehen, aber auch über dessen Bedeutung für die heutige Gesellschaft miteinander und mit dem Publikum ins Gespräch.

So berichtet Frank Pörner, der damals in der Nikolaikirchgemeinde aktiv war, wie der Tag aus Sicht der Kirche war; Frank Richter, der im Arbeitskreis „Gerechtigkeit“ beteiligt war, erzählt, wie seine Gruppe das Friedensgebet am 25. September 1989 ausgestaltet hat, und Selma Sievers, die Witwe des verstorbenen Pfarrers Sievers aus der Reformierten Kirche, beschreibt, wie sie an jenem Abend mit ihrem Mann nach dem Friedensgebet dem Demonstrationszug über den Ring gefolgt ist, beide jedoch aus Angst vor einer Eskalation zur Reformierten Kirche liefen, um dort für die Demonstranten die schützenden Türen der Kirche zu öffnen.

Veranstaltungsort: Sächsischer Wartesaal in den Promenaden Hauptbahnhof Leipzig (Obergeschoss, Zugang über Starbucks), Willy-Brandt-Platz 7, 04109 Leipzig. Eintritt frei.

Der nächste Termin der Reihe ist der 2. Oktober 2019, als das erste Mal etwa 20.000 Demonstranten auf dem Ring waren und die Montagsdemonstrationen zur Massenbewegung wurden.

Besichtigung der Wanderausstellung zum Herbst ’89 bis 9. Oktober 2019 in den Promenaden

Interessierte können im Untergeschoss der Promenaden Hauptbahnhof Leipzig bis zum 9. Oktober 1989 auch Auszüge aus der in der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ in Leipzig präsentierten großen Ausstellung „Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“ ansehen. Anhand der Ausstellung wird deutlich, wie sich der politische Widerstand gegen das SED-Regime und der damit einhergehende demokratische Aufbruch in Leipzig entwickelt haben. Als Rundgang angelegt, führt die Präsentation an Originalschauplätze in der Leipziger Innenstadt und verdeutlicht durch den chronologischen Aufbau, wie aus den Protesten einzelner eine Massenbewegung entstand, die sowohl die SED-Diktatur in der DDR zum Einsturz brachte als auch den Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands ebnete. Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog mit dem Titel „Die Friedliche Revolution in Leipzig“ im Leipziger Universitätsverlag erschienen.

Die korrigierte Pressemitteilung als PDF-Datei.