Sie sind hier: Runde-Ecke-Leipzig.de

einzelne Meldung

vendredi, den 12. juillet 2002

Wichtiger Sieg für die Aufarbeitung

Categorie: Pressemitteilung
Auteur : Bürgerkomitee Leipzig e.V.

Der Bundesrat hat heute die vom Bundestag letzte Woche beschlossene Novellierung des Stasi-Unterlagen- Gesetzes (StUG) zur Kenntnis genommen. Damit hat eine "Koalition der Vernunft" eine ausgewogene Balance zwischen dem wichtigen Gut der Aufarbeitung und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte des Einzelnen gefunden. Die Interessen der Opfer sind im vorliegenden Gesetz weitestgehend geschützt.

Dennoch ergibt sich aus der über zehnjährigen Anwendungspraxis des StUG weiterer Novellierungsbedarf. Nach der Wahl ist der Bundestag aufgefordert sich dieses Problems anzunehmen. Das Bürgerkomitee Leipzig hat einen entsprechenden Novellierungsvorschlag vorgelegt.

Koalition der Vernunft setzte sich durch

Das Bürgerkomitee Leipzig begrüßt die Entscheidung des Bundesrates nachdrücklich. Einerseits wurde dadurch erreicht, daß auch nach dem Kohl-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts eine angemessene Aufarbeitung der zweiten deutschen Diktatur möglich ist. Andererseits wurde deutlich, daß auch unmittelbar vor den Bundestagswahlen eine sachgerechte Einigung zwischen den demokratischen Parteien möglich ist. Der Opferschutz ist durch diese Regelung - wie auch bisher - ausreichend gewährleistet.

Der Wortlaut des Gesetzes stellt sicher, dass bei der Abwägung über die Herausgabe von personenbezogenen Informationen für die Forschung und die Medien die Art der Informationserhebung berücksichtigt wird. Dadurch wurde das Verfahren der ohnehin vorgesehenen Abwägung zwischen den Persönlichkeitsrechten des Einzelnen und den Informationsrechten von Presse und Wissenschaft präzisiert.

Erbe der Friedlichen Revolution gerettet

Mit der heutigen Entscheidung wurde das Erbe der Friedlichen Revolution von 1989 gerettet. Die offenen Akten und die Aufarbeitung der SED-Diktatur in der DDR waren eine wichtige Bedingung dafür, dass die Friedliche Revolution 1989 auch tatsächlich friedlich blieb. Nicht umsonst wurde deshalb der Deutsche Bundestag im Einigungsvertrag dazu verpflichtet, ein entsprechendes Aufarbeitungsgesetz zu verabschieden. Die Aufarbeitung ist nicht abgeschlossen, sonder ist ein Prozess, der unsere Gesellschaft noch lange begleiten wird.

Nur offene Akten dienen dem Schutz der Opfer

Von den Gegnern der Novellierung wird schon wieder das Argument des Opferschutzes ins Feld geführt. Dieser Argumentation widersprechen wir ausdrücklich. Dem Schutz der Opfer dient es, wenn die Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes und die Mechanismen der SED-Diktatur umfassend aufgearbeitet werden. Ohne die offenen Akten und die publizierten Forschungsergebnisse wären Opfer der SED-Diktatur noch immer auf Mutmaßungen über die wahren Ursachen des ihnen zugefügten Leids angewiesen.

Novellierungsgegner mißbrauchen den Begriff des Opferschutzes

Die Benutzung des Opferbegriffes dient der Irreführung, wenn damit die Informationen über das dienstliche und offizielle Handeln von Funktions- und Amtsträgern sowie Personen der Zeitgeschichte gemeint ist. Alle Daten über den persönlichen und Intimbereich - also die Opferdaten - waren immer geschützt und bleiben es auch. Es ist geradezu grotesk, wenn das Verschließen der Akten über ehemalige Funktions- und Amtsträger der SED-Diktatur, also beispielsweise Richter, Staatsanwälte, Gefängnisleiter und all die anderen staatlichen Funktionäre mit "Opferschutz" begründet wird. Wer sind dann eigentlich die Täter?

Nach der Bundestagswahl ist eine weitere Überabeitung des StUG notwendig

Die jetzt verabschiedete Novellierung konnte nur zwei unaufschiebbare Probleme lösen. Es gibt aber weiteren Novellierungsbedarf, der sich aus der über zehnjährigen Anwendungspraxis des Gesetzes ergeben hat. Das Bürgerkomitee hat einen entsprechenden Novellierungsvorschlag erarbeitet. Umgehend nach der Bundestagswahl ist der neue Bundestag aufgefordert sich dieser Probleme anzunehmen.

So ist eine Regelung zur Verwendung von Daten Verstorbener unbedingt erforderlich. Ohne eine derartige Regelung kommt es beim BStU im Gegensatz zu Prinzipien des Archiv- und Persönlichkeitsrechts allein durch Zeitablauf nicht zu einer Erleichterung, sondern zu einer Erschwerung der Aktennutzung. Verstorbenen ein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zuzusprechen ist weder juristisch noch sachlich geboten.

Ebenfalls in Anlehnung an das Archivrecht wäre eine Streichung der Zweckbindung des § 32 StUG angebracht. Es ist mit den Grundsätzen freier Wissenschaft unvereinbar, da hier die wissenschaftliche Fragestellung auf den sehr engen Zweck der Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes beschränkt wird.