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Freitag, den 18. August 2006

Museum im Stasi-Bunker feiert im September 10-jähriges Jubiläum

Kategorie: Pressemitteilung

Militärgeschichte mit Jugendlichen statt mit ehemaligen Genossen – Ausweichführungsstelle der Leipziger Stasi wird als einer der wenigen DDR-Bunker nicht von Alt-Militärs betrieben

Die Staatssicherheit zeigt wieder Präsenz. Traten die früheren MfS-Offiziere bisher – bis auf wenige Ausnahmen – bisher kaum öffentlich auf, scheuen sie sich inzwischen nicht, sich vor großem Publikum mit Name und Dienstgrad bemerkbar zu machen. Erst vor wenigen Wochen war es in der Gedenkstätte Hohenschönhausen zu einem Eklat gekommen, weil das Publikum einer Veranstaltung zu großen Teilen aus ehemaligen Genossen bestand, die das vermeintlich verzerrte Geschichtsbild über ihre Geheimpolizei gerade rücken wollten.

Neu ist, dass die Offiziere verstärkt das Licht der Öffentlichkeit suchen – hinter den Kulissen waren sie freilich schon länger aktiv und sind teilweise nie wirklich in den Ruhestand gegangen. So werden etwa frühere Bunkeranlagen der DDR, die heute Besuchern offen stehen, vornehmlich von alten Genossen geleitet. Im früheren Führungsbunker der Nationalen Volksarmee (NVA) in Sölichau ist es sogar der einstige Kommandant der Anlage, der Besucher durch das Bauwerk führt.

Dass die bewaffneten Organe der DDR in solchen Einrichtungen als glorreiche Verteidiger des Friedens und der sozialistischen Gemeinschaft dargestellt werden, versteht sich von selbst. Eine der wenigen Ausnahmen ist die ehemalige Ausweichführungsstelle (AfüSt) des Leipziger Stasi-Chefs. Die gut getarnte Anlage in Machern, etwa 30 Kilometer östlich der Messestadt, wird vom Bürgerkomitee Leipzig e. V. als Museum im Stasi-Bunker betrieben – seit genau zehn Jahren. Am Tag des offenen Denkmals 1996 öffnete die Einrichtung zum ersten Mal in Trägerschaft des Leipziger Vereins seine Tore für Interessenten. Diese können sich seitdem regelmäßig einmal im Monat über die Mobilmachungsplanung des MfS im Bezirk Leipzig informieren.

 

Festwochenende mit Führungen, Film und Literatur

Am 9. und 10. September 2006 lädt das Bürgerkomitee zu einem Festwochenende ins Museum im Stasi-Bunker ein, um das Jubiläum und gleichzeitig den Tag des offenen Denkmals zu feiern. Von 13.00 bis 18.00 Uhr können Gäste am Sonnabend an Führungen durch den Bunker und das Außengelände teilnehmen, eine Sonderausstellung besuchen, eine Filmdokumentation zu den Bunkeranlagen der DDR sehen und ihr Glück bei einem Quiz versuchen. Zum Abschluss des Tages lesen bei „Literatur am Lagerfeuer“ ab 19.30 Uhr junge Leipziger Autoren aus ihren Lyrik- und Prosawerken. Für Imbiss und Getränke ist während des gesamten Tages gesorgt. Von Leipzig aus fährt sowohl am Nachmittag als auch am Abend ein Shuttlebus nach Machern und wieder zurück.

Am Sonntag, dem Tag des offenen Denkmals, öffnet das Museum von 10.00 bis 18.00 Uhr. In dieser Zeit führen Mitarbeiter und ehrenamtliche Mitarbeiter durch den Bunker und über das weitläufige Außengelände. Ihre Premiere als Gruppenbegleiter erleben Leipziger Jugendliche, die sich momentan im Rahmen eines Schülerprojekts ins Thema einarbeiten und am Tag des offenen Denkmals erstmals vor Publikum stehen werden.

 

Kommandozentrale für den Ernstfall

Kern der einstigen Ausweichführungsstelle ist ein von 1969 bis 1972 gebauter Bunker. Im Spannungs- und Mobilmachungsfall hätte der Leipziger Stasi-Chef gemeinsam mit ca. 100 hauptamtlichen Mitarbeitern seinen Dienstsitz nach Machern verlagert. Die Anlage war ein heimlich geschaffener Komplex, durch den sich die Führungsriege des MfS ihren Machtanspruch auch im Fall eines Ausnahmezustands zu erhalten gedachte.

Im Dezember 1989, unmittelbar nach dem Ende des SED-Regimes in der DDR, wurde die AfüSt vom Pfarrer des Ortes Machern entdeckt. Bald darauf nahm sich das Bürgerkomitee Leipzig des Geländes an, erwirkte einen Denkmalstatus für die gesamte Anlage und konnte schließlich das Gelände vom damaligen Kreis Wurzen pachten. Dank des großen Engagements vieler ehrenamtlicher Helfer, die bis heute den Museumsbetrieb überhaupt erst ermöglichen, steht das Gelände seit zehn Jahren regelmäßig Besuchern offen.

Zu besichtigen sind heute das 5,2 Hektar große, denkmalgeschützte Gesamtgelände mit allen erhaltenen Bauten und Anlagen, sowie das 1.500 m2 umfassende Bunkerinnere. Im Rahmen von Führungen wird unter anderem vermittelt, wie die Versorgungssysteme funktionierten, wie DDR-weit Nachrichtenkontakte zustande gekommen wären und welche Überlebensstrategien sich die Staatssicherheit für einen Atomschlag entwickelt hatte. Eine Ausstellung gibt Einblick in die Mobilmachungsplanung im Bezirk Leipzig und die Einbindung der Ausweichführungsstelle in diese Vorbereitungen auf den „Tag X“. Sie dokumentiert die spezielle Aufgabe des MfS im Ernstfall – bis hin zur geplanten Einrichtung von Isolierungslagern für Oppositionelle.

 

Presserundfahrt zur Mobilmachungsplanung im Raum Leipzig

Bereits am Dienstag, dem 5. September, lädt das Bürgerkomitee zu einer Presserundfahrt zu den Schauplätzen der Mobilmachungsplanung im Leipziger Raum ein. Die Tour beginnt 11.00 Uhr am Museum in der „Runden Ecke“ und führt über die alte B6, die „Mobilmachungsroute“, nach Machern. Dort werden verschiedene Objekte angesteuert, die einzelnen Abteilungen der Staatssicherheit als Ausweichquartier und –arbeitsstätte gedient hätten: Gaststätten, Schulen, Privathäuser. Schlusspunkt ist eine Führung durch das Museum im Stasi-Bunker, wo auch die Möglichkeit zu Gesprächen und zum Fotografieren besteht. Die Tour endet nach etwa dreieinhalb Stunden wieder in Leipzig. Einladungen mit dem genauen Programm geht Ende August an die Redaktionen.