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Mittwoch, den 07. Dezember 2005

Hagen Boßdorf konstruiert nicht vorhandenen Ost-West-Konflikt (Kopie 1)

Kategorie: Pressemitteilung

Vorwürfe gegen die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen demagogisch und unbegründet

Wer heute das Interview mit dem ARD-Journalisten Hagen Boßdorf in der Süddeutschen Zeitung liest, kann leicht zu dem Schluss kommen, es müsse irgendwo ein Handbuch „Wie leugne ich öffentlichkeitswirksam meine früheren MfS-Kontakte?“ existieren. Der Sportredakteur wurde laut Auskunft der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU) als Inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit geführt, und seine Abwehrargumente sind altbekannt: Die BStU sei ein „Jagdverein gegen Ostdeutsche“, und die Medien dichteten Boßdorf aus purer Sensationslust eine IM-Vergangenheit an.

Die Offensivtaktik, bei Stasi-Vorwürfen immer erst einmal der BStU und den berichtenden Journalisten unlautere Mittel vorzuwerfen, ist nicht neu und aus Hunderten ähnlichen Fällen in den vergangenen Jahren bekannt. Hagen Boßdorf konstruiert jedoch zusätzlich noch einen Ost-West-Konflikt, der in dieser Form nicht existiert und für die innere Einheit nicht eben förderlich sein dürfte: Die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, so unterstellt er, habe die Diskreditierung von Ostdeutschen zum Ziel.

Doch genau das Gegenteil ist der Fall. Die BStU ist ein Produkt des ostdeutschen Wunsches nach ehrlicher Aufarbeitung der diktatorischen Vergangenheit. Sie wurde – gegen den Willen der alten Bundesrepublik – von DDR-Bürgern mit Protesten, Demonstrationen und Hungerstreiks durchgesetzt, nachdem ein entsprechendes Gesetz der letzten frei gewählten Volkskammer nicht in den Einigungsvertrag aufgenommen worden war. Und deren Anliegen war es eben nicht, sämtliche Einwohner der DDR per se zu diskreditieren. Stattdessen sollten jene gerade einmal ein Prozent der Bevölkerung, die mit der Geheimpolizei der kommunistischen Diktatur zusammengearbeitet hatten, künftig aus Schlüsselpositionen des öffentlichen Lebens ferngehalten werden. Mit der publik gewordenen IM-Erfassung gehört Hagen Boßdorf offenbar zu jener Minderheit der DDR-Bürger.

 

Ehemalige DDR-Bürger dürfen nicht kollektiv für die Legitimierung von MfS-Mitarbeit in Anspruch genommen werden

Es ist daher unsittlich und demagogisch, wenn Boßdorf nun die Ostdeutschen in ihrer Gesamtheit in Anspruch nimmt, um die allein gegen ihn gerichteten Vorwürfe als Kollektivschelte zu verbrämen. So mancher Betroffene der SED-Diktatur wird sich durch diese Inanspruchnahme nicht nur gründlich missverstanden, sondern tief beleidigt fühlen. Hagen Boßdorf schlägt damit in dieselbe Kerbe wie der Bundestagsabgeordnete Gregor Gysi, der kürzlich die gescheiterte Wahl seines Fraktionskollegen Lothar Bisky ins Bundestags-Präsidium zum vermeintlichen Versuch der Ausgrenzung von Ostdeutschen aus dem politischen Leben stilisierte.

Die BStU stellt nach wie vor eine wichtige Institution zur Aufarbeitung der SED-Diktatur dar, und sie ist in den vergangenen Jahren bei der Herausgabe von Akten nicht etwa nachlässigerer, sondern vielmehr immer restriktiver verfahren. Dass Journalisten im Sinne der historischen und gesellschaftlichen Aufarbeitung in MfS-Unterlagen einsehen dürfen, ist im Stasi-Unterlagen-Gesetz unmissverständlich geregelt. Der Vorwurf einer „Koalition von Journalisten […] und der Birthler-Behörde“ ist daher völlig unbegründet. Wenn Medienvertreter Akten erhielten, die Hagen Boßdorf selbst nicht vorlagen, so wird er dafür schlicht keinen entsprechenden Antrag bei der BStU gestellt haben.

Der Öffentlichkeit hat Boßdorf immer nur das Unvermeidbare über seine IM-Erfassung preisgegeben. Selbst dabei handelte es sich nach Aktenlage scheinbar oft nur um Halbwahrheiten. Allein schon diese „Salami-Taktik“ (Süddeutsche Zeitung) lässt es äußerst fraglich erscheinen, ob der Journalist für die Tätigkeit an exponierter Stelle in einem öffentlich-rechtlichen Sender geeignet ist. Spätestens aber nach der Diffamierung der Aufarbeitungsbehörde BStU als „Jagdverein“ hat Boßdorf endgültig seine Glaubwürdigkeit verloren.