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Dienstag, den 14. August 2001

Kein Respekt vor den Maueropfern - MDR lässt Ex-Spitzel über Gedenkfeiern berichten

Kategorie: Pressemitteilung
Von: Bürgerkomitee Leipzig e.V.

Der MDR hat aus der Stasi-Diskussion der vergangenen Monate offenbar nichts gelernt. Trotz zahlloser Mahnungen, das Thema ernsthaft aufzuarbeiten, überraschte er gestern abend seine Zuschauer mit einem Manöver, das der Glaubwürdigkeit des Senders weiteren Schaden zugefügt hat.

Politische Instinktlosigkeit

Ausgerechnet Sabine Hingst, ehemals GMS “Christine”, produzierte und sprach für das Nachrichtenmagazin mdr-aktuell den politischen Hauptbeitrag zum 40. Jahrestag des Mauerbaus. Thematisiert wurden darin auch die Proteste von Opferverbänden gegen die Kranzniederlegung der PDS an der Gedenkstätte Bernauer Straße. O-Ton Hingst: “Ein Vergessen darf es nicht geben, darin sind sich Opferverbände, CDU und SPD einig.”

Bereits am 6. August hatte der Mitteldeutsche Rundfunk bekannt gegeben, dass die bislang freigestellte Mitarbeiterin “in vollem Umfang” ihren Dienst als Leiterin des Berliner MDR-Büros wieder aufnehme. Die Redakteurin mit Stasi-Vergangenheit darf also nicht nur an medienpolitisch exponierter Stelle weiter wirken, sondern darüber hinaus Themen journalistisch bearbeiten, bei denen ehemaligen Inoffiziellen Mitarbeitern der Staatssicherheit mit gutem Recht Objektivität abgesprochen werden darf. Dass Intendant Udo Reiter solcherlei politische Taktlosigkeiten zulässt, grenzt an Unverschämtheit. Es spricht auch dafür, dass der Chef des Rundfunksenders trotz anderweitiger Beteuerungen an seiner verfehlten Personalpolitik festhält. Denn der Personalausschuss des MDR hatte die Beschäftigung von Frau Hingst als “nicht zumutbar” eingeschätzt.

Ex-Spitzel kehren zurück

Auch andere Redakteure, deren frühere Spitzeltätigkeit zu Jahresbeginn bekannt geworden war, kehren unbehelligt auf ihre Positionen zurück beziehungsweise haben diese nie verlassen. Zu ihnen gehört auch Udo Foth, Unterhaltungschef des MDR, und dass, obwohl er laut eines aktuellen Gerichtsurteils als vom MfS geführt bezeichnet werden darf. Medienberichten zufolge waren neue Unterlagen gefunden worden. Die bei Gericht vorgelegten Gutachten gehen davon aus, dass eine Totalfälschung der IM-Akte “extrem unwahrscheinlich” sei. Udo Reiter, der noch zu Beginn der Stasi-Debatte gebetsmühlenartig auf juristische Grundlagen für die Entlassung oder zumindest Versetzung von belasteten Mitarbeitern gepocht hatte, scheint das nicht anzufechten. Noch im März hatte er verkündet“Sollten wir uns von einem Mitarbeiter, der gravierend belastet ist, aus arbeitsrechtlichen Gründen nicht trennen können, dann wird er auf keinen Fall mehr dort eingesetzt, wo er unserer Glaubwürdigkeit schadet.”

Der Fall Michael Hametners schließlich offenbart das gesamte Dilemma, in das sich der Mitteldeutsche Rundfunk mit seiner nachlässigen Überprüfungspraxis selbst manövriert hat. Der MDR-Kultur-Redakteur, der vor seiner Enttarnung unter anderem enge Kontakte zu dem Schriftsteller und ehemaligen Stasi-Häftling Erich Loest pflegte, werde Stück für Stück zu seinen alten Aufgaben zurückkehren, ließ der Sender wissen. Da seine Tätigkeit für das MfS mehr als 25 Jahre zurückliege, könne er juristisch nicht mehr belangt werden. Doch dieses Argument hat erst aus heutiger Sicht Gültigkeit. Hätte der MDR schon die erste Überprüfung seiner Mitarbeiter zu Beginn der 90er Jahre ernst genommen, wären ihm heute im Fall Hametner nicht juristisch die Hände gebunden. Denn erst ´97 wurde das Stasi-Unterlagengesetz um einen Passus ergänzt, der vorsieht, dass IM-Tätigkeiten, die bis zum 31.12.1975 abgeschlossen waren, dem Arbeitgeber nicht mehr beauskunftet werden.

Objektivität bleibt auf der Strecke

Die lasche Prüfpraxis der frühen 90er Jahre hat den MDR in den vergangenen Monaten massiv in dieKritik gebracht und seine Glaubwürdigkeit nachhaltig erschüttert. Doch statt die vielen Mahnungen und Ratschläge – unter anderem von Experten wie den drei Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen in Mitteldeutschland – ernst zu nehmen, setzt der scheinbar beratungsresistente Intendant seine verfehlte Personalpolitik fort. Sein ständiges Lavieren ist dem Zuschauer und Gebührenzahler nicht länger zuzumuten. Reiter ist deshalb aufgefordert, die seit Monaten angekündigten Konsequenzen nun endlich zu ziehen. Denn Redakteure mit belastender Vergangenheit mögen leichter zu führen sein – objektiver Journalismus, der das Aushängeschild eines öffentlich-rechtlichen Senders sein sollte, ist mit ihnen jedoch nicht zu machen. Vor allem dann nicht, wenn sie wie in den genannten Fällen ihre frühere Tätigkeit verleugnen, verharmlosen oder erst auf öffentlichen Druck hin scheibchenweise eingestehen.