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Freitag, den 13. April 2007

ARD muss endlich Fakten und Namen offen legen

Kategorie: Pressemitteilung

Neuer Aktenfund im Fall Hagen Boßdorf unterstreicht die Bedeutung rückhaltloser Aufklärung

Ein neuer Aktenfund in der Birthler-Behörde im Fall Hagen Boßdorf unterstreicht es wieder einmal: Die ARD sollte in Bezug auf
die Stasi-Vergangenheit von Mitarbeitern schleunigst die Karten auf den Tisch legen, und einen seit Jahren vorliegenden
Forschungsbericht zu diesem Thema endlich vollständig veröffentlichen. Eine Gruppe von Historikern des Forschungsverbundes
SED-Staat an der Freien Universität Berlin legte bereits Mitte 2004 eine ausführliche Untersuchung vor, die der Sender bisher
jedoch nur in einer Zusammenfassung für Journalisten freigegeben hat. Nun sei geplant, diese Studie nur anonymisiert zu
veröffentlichen.
Die Gebührenzahler haben ein Recht, die Ergebnisse dieses mit ihren Mitteln finanzierten Forschungsprojektes umfänglich,
vollständig und unter Nennung der Namen der Stasi-Mitarbeiter zur Kenntnis zu bekommen.

 

Neue Unterlagen belegen: Boßdorf war IM „Florian Werfer“ der DDR-Staatssicherheit

Die Personalie Hagen Boßdorfs ist erneut ein deutliches Argument für eine rückhaltlose Aufklärung der MfS-Vergangenheit vonARD-Journalisten. Weil aus den zunächst spärlich vorliegenden Akten nichts Handfestes zu beweisen war, stritt Boßdorf seineTätigkeit für die Auslandsspionage der Staatssicherheit ab: Er habe keine Aufträge erhalten, habe nur ein einziges mal überKommilitonen berichtet und den Decknamen „Florian“ niemals verwendet. Wie sich nun herausstellt, war dies alles schlichtgelogen, denn in der jetzt aufgefundenen Akte sind – wie die Tageszeitung „Die Welt“ heute online berichtet – konkreteAufträge des damaligen Journalistikstudenten für die Spionageabteilung des DDR-Sicherheitsapparates ebenso belegt, wie vonBoßdorf geschriebene und mit dem Decknamen „Florian“ unterzeichnete Berichte und eine Quittung für Geldleistungen zurRealisierung eines „operativen Auftrages“.

 

Nicht die Stasi-Akten lügen sondern die Inoffiziellen Mitarbeiter

Im Jahr 2002 tauchten in den Beständen der ehemaligen Leipziger Spionageabteilung eine Karteikarte mit Decknamen“ war undRegistriernummer auf und in der damals gerade entschlüsselten Datenbank „SIRAdiese Informationen ebenfalls erfasst.Hagen Boßdorf aber stritt alles ab und man glaubte ihm. Jahre später wurden bei der Aktenerschließung die Unterlagen der von Hagen Boßdorf bespitzelten Göttinger Studentin gefunden. Auch in Arbeitsplänen der Abteilung sowie in anderem administrativen Schriftgut war er verzeichnet. Selbst als die Akte des IM gefunden wurde, der den späteren IM „Florian Werfer“ für das MfS „tippte“, leugnete Boßdorf mit eidesstattlichen Versicherungen und Gegendarstellungen. Selbst sein damaliger Führungsoffizier wurde aufgeboten, um die aufgefunden Akten als Fälschung darzustellen.Die Geschichte zeigt exemplarisch, wie ehemalige Inoffizielle Mitarbeiter sich persönliche Aufarbeitung vorstellen: Nur das zugeben, was sich anhand von Akten unumstößlich beweisen lässt, alles andere vehement leugnen und darauf vertrauen, dass kein weiteres Beweismaterial zutage befördert wird. Oft muss zusätzlich die Mutmaßung herhalten, die MfS-Akten seien ohnehin reihenweise gefälscht. Allerdings belegt gerade die causa Boßdorf das Gegenteil, denn die Erkenntnisse aus dem neu ausgewerteten Material fügen sich passgenau in das bisher nur splitterhafte Bild ein.

 

BStU muss Aktenerschließung deutlich forcieren

So sind die neuen Informationen zu Hagen Boßdorf nicht nur ein Argument für die Veröffentlichung des eingangs erwähnten
Forschungsberichts, wozu das Bürgerkomitee die ARD-Intendanz nachdrücklich auffordert. Sie belegen auch, wie wichtig die
offenen Stasi-Akten bis heute sind, weil sich anhand dieser Quellen historische Wahrheiten ermitteln lassen, wo ohne sie der
Legendenbildung Tür und Tor geöffnet wäre. Die Aufarbeitung der Akten muss daher in der BStU auch in Zukunft höchste
Priorität haben, denn noch immer sind tausende Meter Akten unerschlossen. Fast 10.000 Säcke mit zerrissenen Akten harren
der Rekonstruktion.
In vielen anderen prominenten Fällen ist die Aktenlage bisher ähnlich: Es liegen nur Aktenbruchstücke vor, so dass die
Betreffenden bisher ihre Stasi-Kontakte erfolgreich verharmlosen konnten.


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