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Freitag, den 26. Juli 2002

Museum im Stasi-Bunker zieht Bilanz

Kategorie: Pressemitteilung
Von: Bürgerkomitee Leipzig e.V.
Einjähriges Projekt soll Grundlagen für weitere Arbeit schaffen

Sechs Jahre nach Beginn der regelmäßigen Öffnung zieht das Museum im Stasi-Bunker Machern Bilanz über das bisher Erreichte. Das Bürgerkomitee Leipzig e.V. als Träger der Einrichtung will im Rahmen eines einjährigen Projekts dokumentieren, wie sich das Museum am authentischen Ort mit seiner umfangreichen Sammlung entwickelt hat. Dazu ist erstmals ein Mitarbeiter fest angestellt. Unterstützt wird das Projekt von der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.

Forschung und Bestandsaufnahme

Seit 1996 ist das Bunkergelände - die ehemalige Ausweichführungsstelle (AFüSt) der Stasi im Bezirk Leipzig - regelmäßig für die Öffentlichkeit zugänglich. Seither haben fast 35.000 Interessierte das Museum, das Teil der Gedenkstätte Museum in der "Runden Ecke" in Leipzig ist, besucht. Aber auch außerhalb der Öffnungszeiten hat sich vieles getan. Dank des großen, oft ehrenamtlichen Engagements von Mitgliedern und Freunden des Bürgerkomitees war es möglich, den authentischen Ort zu erhalten und zahlreiche originale Einrichtungsgegenstände zu sichern beziehungsweise wiederzubeschaffen. Dies war umso nötiger, als dass Einbrecher den Bunker gründlich geplündert und teilweise zerstört hatten, bevor der Verein die gesamte Anlage 1993 pachten und 1995 einen Denkmalstatus für sie erwirken konnte.

Das Projekt soll nun Grundlagen für den weiteren Umgang mit der ehemaligen AFüSt, die heute ein einzigartiges Zeitzeugnis ist, schaffen. Das Bürgerkomitee verfolgt dabei mehrere Ziele. Erstens hat es bei der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen Einsicht in sämtliche Dokumente beantragt, die Aufschluss über die einstige Nutzung des Geländes sowie die technischen Anlagen geben. Von der Auswertung dieser Papiere erwartet sich der Verein zahlreiche neue Erkenntnisse darüber, wie die Ausweichführungsstelle im Ernstfall funktioniert hätte und wie sie in die Mobilmachungsplanung des Bezirks eingebunden war.

Zweitens werden die zahlreichen originalen Objekte, die der Verein in den vergangenen Jahren sichern oder wiederbeschaffen konnte, grob erfasst. Diese Dokumentation soll einen Überblick darüber geben, welche Objekte aus dem Macherner Bunker stammen, welche anderswo requiriert werden konnten und welche wichtigen Stücke möglicherweise noch fehlen. Sie ist gemeinsam mit den Aktenrecherchen auch Grundlage für eine spätere wissenschaftliche Inventarisierung. Drittens schließlich müssen die bisherigen Reparaturen, baulichen Veränderungen und Schäden am authentischen Ort dokumentiert werden. Nur so ist künftig ein verantwortungsvoller und wissenschaftlich abgesicherter Umgang mit dem Zeitzeugnis möglich.

Seriöse Aufarbeitung nur im Macherner Stasi-Bunker

Wichtigstes Anliegen des Projekts ist es, die einzige fast vollständig original erhaltene und eingerichtete Ausweichführungsstelle der Staatssicherheit dauerhaft zu bewahren. Das Museum soll auch künftig unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten die militärische Tätigkeit des MfS dokumentieren. Das Bürgerkomitee bietet damit die einzige Alternative zu Bunkermuseen mit rein technischem Schwerpunkt und Einrichtungen von zweifelhafter Objektivität in Bezug auf die DDR-Geschichte. Zu letzterer Gruppe zählt insbesondere der ehemalige Führungsbunker der Nationalen Volksarmee in Kossa/Söllichau. Dort hat heute wieder der ehemalige Komandant, nunmehr als Museumsbetreiber, das Sagen. Als Vereinsvorsitzender wirkt der letzte Leipziger Polizeichef aus DDR-Zeiten. Auch der ehemalige Führungsbunker des Nationalen Verteidigungsrates wird ausschließlich von ehemaligen NVA-Kadern betrieben.

Das Bürgerkomitee Leipzig e.V. betreibt im Gegensatz dazu mit seiner einmaligen Kombination aus ehemaliger Stasi-Bezirksverwaltung ("Runde Ecke" in Leipzig) und Ausweichführungsstelle einen Gedenk- und Erinnerungsort, an dem die Tätigkeit des MfS seriös aufgearbeitet wird. In diesem Sinne zeigt das Museum im Stasi-Bunker nicht nur, wie im Ernstfall 120 Offiziere aus der "Runden Ecke" in die AfüSt eingerückt wären, wie die Versorgungssysteme funktionierten oder wie DDR-weit Nachrichtenkontakte zustande gekommen wären. Es dokumentiert auch, wie sich die Führungsriege des MfS ihren Machtanspruch im Fall eines Ausnahmezustands zu erhalten und ihr konspiratives Tun gegen die eigene Bevölkerung weiterzuführen gedachte. Dazu zählen beispielsweise die Planungen zu den Isolierungslagern für tatsächliche und vermeintliche Regimegegner.