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Donnerstag, den 07. Februar 2002

"Ende des Jahres wird die Sache jedenfalls beendet sein" Udo Reiter

Kategorie: Pressemitteilung
Von: Bürgerkomitee Leipzig e.V.

[Udo Reiter in einem Interview mit der FAZ vom 06.08.2002]

Der MDR hatte ein klares Versprechen gegeben: Alle festen und freien Mitarbeiter noch einmal auf eine mögliche Tätigkeit für die Staatssicherheit zu überprüfen, die Öffentlichkeit über die Ergebnisse zu informieren und die Konsequenzen zu ziehen. Heute vor genau einem Jahr war dem Intendanten Udo Reiter in einer Podiumsdiskussion des Bürgerkomitee Leipzig die Empörung eines 700-köpfigen Publikums über den laschen Umgang des Senders mit belasteten Mitarbeitern entgegengeschlagen. In der Folge kündigte Reiter rückhaltlose Aufklärung an.

"Es ist richtig, dass wir derzeit ein Stasi-Problem haben. Wir bemühen uns redlich, dieses Problem aufzuarbeiten und führen - auch wenn es für uns schmerzhaft ist - darüber nach innen und außen eine offene Diskussion." [Udo Reiter am 16.03.2001 in einem offenen Brief an den Leipziger CDU-Kreisvorsitzenden]

Die Ergebnisse der schmerzhaften Diskussion hat der MDR der Öffentlichkeit auch ein Jahr nach beschriebener Veranstaltung noch nicht vorgelegt. Konkrete Zahlen konnte die Mitteldeutsche Zeitung jüngst nur aus einem internen Papier zitieren. Der Prüfbericht, so ließ der Sender anschließend verlauten, solle im März dem Rundfunktrat vorgelegt werden. Von öffentlicher Bilanz kein Wort.

"Sie [die Glaubwürdigkeit des MDR] war in Gefahr. Aber durch unsere Maßnahmen haben wir bewiesen, dass wir nichts vertuschen wollen." [Udo Reiter am 22.03.2001 gegenüber der Sächsischen Zeitung]

Zahlreiche Entscheidungen des Senders legten in der Vergangenheit den Verdacht nahe, dass es der MDR mit der Aufarbeitung nicht ganz so ernst meint, wie er gern vorgibt. Oft hatte er nur auf starken öffentlichen Druck hin reagiert und war nach einer Weile wieder auf seinen alten Kurs des Probleme-Aussitzens zurückgerudert.

Bereits die erste Stasi-Überprüfung seiner Angestellten hatte der Sender nach völlig ungeeigneten Kriterien vorgenommen. So blieben ehemalige Inoffizielle Mitarbeiter des MfS beschäftigt, die im öffentlichen Dienst umgehend ihren Stuhl hätten räumen müssen. Im Herbst 2000 legten dann die ersten Medienberichte offen, was der Sender längst wusste: dass hochgradig belastete Mitarbeiter in seinen Diensten stehen, dank derer es der Staatssicherheit beispielsweise einst gelungen war “mehrere Feinde der DDR zu inhaftieren”. Auch auf diese Veröffentlichungen reagierte der Sender erst, als fast wöchentlich die Stasi-Vergangenheit immer neuer und häufig prominenter Redakteure bekannt wurde.

"Niemand hat den Rechtsanspruch, auf dem Bildschirm zu erscheinen oder vor dem Mikrophon zu sitzen. Da sind wir vielleicht heute strenger als früher." [Udo Reiter am 19.04.2001 gegenüber Super illu]

Ein Blick auf die Personalliste des MDR lässt nun befürchten, dass auch die zweite Überprüfung zur Farce geraten wird. Viele der einstigen MfS-Zuträger wirken wieder oder nach wie vor an exponierter Stelle:

Sabine Hingst, Udo Foth, Ingo Dubinski, Michael Hametner - um nur einige zu nennen. Taktvolle Zurück-haltung schien ihnen zunächst vom Intendanten nicht ans Herz gelegt worden zu sein. Dies zeigte sich einmal mehr, als im August des vergangenen Jahres Sabine Hingst für das Nachrichtenmagazin mdr-aktuell den politischen Hauptbeitrag zum 40. Jahrestag des Mauerbaus produzierte und sprach.

"Ich frage mich auch aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre: Welche Erkenntnis soll herauskommen aus diesen Aktenstudien und diesen Veröffentlichungen, die meist aus irgendeinem Interesse gemacht werden, entweder aus Sensationsinteresse oder weil man jemanden fertig machen will." [Udo Reiter am 05.12.2000 in der MDR-Kultur-Sendung “Täter als Opfer?”]

Dass die Debatte nicht aufgrund der Sensationsgier oder der Rachsucht einzelner seit so langer Zeit die Gemüter erhitzt, scheint Udo Reiter bis heute nicht klar geworden zu sein. Würde er die Argumente seiner Kritiker genauer prüfen, könnte er jedoch feststellen, dass es diesen um eine konsequente Auseinandersetzung mit der Vergangenheit geht. An deren Ende kann keine kollektive Amnestie stehen, sondern müssen Taten und Täter klar benannt werden. Nur auf dieser Grundlage ist ein für alle Seiten sauberer Neuanfang möglich.

Das Bürgerkomitee fordert den MDR-Intendanten daher auf, die Ergebnisse der zweiten Stasi-Überprüfung in einem durchsichtigen Verfahren zu veröffentlichen, genaue Zahlen zu nennen und personalrechtliche Konsequenzen zu ziehen. Nur mit dieser Ehrlichkeit, die der Sender bisher vermissen ließ, wird es möglich sein, den noch immer schwelenden Konflikt endgültig beizulegen.