Sie sind hier: Runde-Ecke-Leipzig.de / Presse

einzelne Meldung

Montag, den 16. Juli 2012

Vor 25 Jahren: Abschaffung der Todesstrafe in der DDR vor erstem deutsch-deutschem Gipfeltreffen

Kategorie: Pressemitteilung

Abschaffung zeigt willkürlichen Umgang der SED-Führung mit der Todesstrafe

Mit Verabschiedung eines Staatsratsbeschlusses am 17. Juli 1987 galt die Todesstrafe in der DDR als abgeschafft. Ihr Ende stand im Zusammenhang mit Erich Honeckers Visite in Bonn bei Helmut Kohl im September 1987. Honecker wollte dieses erste deutsch-deutsche Gipfeltreffen nutzen, um die internationale Anerkennung der DDR als eigenständigem Staat weiter auszubauen. Seinen Empfang wollte er als Ausweis der partnerschaftlichen Beziehungen zwischen zwei souveränen deutschen Staaten gewertet wissen. Die Abschaffung der Todesstrafe plante er als Zeichen des guten Willens und der Orientierung der DDR-Politik an völkerrechtlichen Vereinbarungen.

 

Laut DDR-Verfassung wäre zur Abschaffung der Todesstrafe ein Volkskammer-Beschluss nötig gewesen. Da dieser jedoch in der Kürze der Zeit nicht mehr herbeizuführen war, nutzte die SED eine Regelung in der DDR-Verfassung, laut der der Staatsrat Rechtsvorschriften in Form von Beschlüssen erlassen konnte. Dies hatte zwar keinerlei rechtliche Wirkung, diente der Staatsführung aber als Grundlage, offiziell das Ende der Todesstrafe zu verkünden. Die nötige Änderung des Strafgesetzbuches durch die Volkskammer kam erst Ende des Jahres 1987, lange nach dem Besuch Honeckers in der Bundesrepublik, zustande. So war die Abschaffung der Todesstrafe, mit der die fast 500-jährige Geschichte der Todesstrafe auf deutschem Boden endete, nach DDR-Recht verfassungswidrig gewesen.

 

 

Zentrale Hinrichtungsstätte befand sich fast 30 Jahre in Leipzig – heute betreut das Bürgerkomitee den historischen Ort

Während in der Bundesrepublik die Todesstrafe 1949 mit dem Grundgesetz abgeschafft wurde, hielt das SED-Regime an dieser letzten aller möglichen Strafen noch bis 1987 fest und richtete 1960 die zentrale Hinrichtungsstätte in Leipzig ein. In der Leipziger Südvorstadt wurden in einem streng abgetrennten Teil der Strafvollzugseinrichtung Alfred-Kästner-Straße alle im Land ausgesprochenen Todesurteile unter absoluter Geheimhaltung vollstreckt. Heutigen Erkenntnissen zufolge kamen hier 64 Menschen zu Tode.

In Leipzig fanden die Hinrichtungen zunächst mittels Guillotine statt. Ab 1968 wurden sie per unerwartetem Nahschuss ins Hinterhaupt vollzogen. Anwesend war jeweils nur ein kleiner Kreis eingeweihter Personen. Die Leichname brachte man zur Einäscherung ins Krematorium auf dem Leipziger Südfriedhof, wo sie anonym als „Anatomieleichen“ verzeichnet und beigesetzt wurden. Auch die Totenscheine wurden gefälscht, Leipzig kam als Sterbeort nirgends vor.

Neben so genannten „Staatsverbrechern“ wurden hier auch Mörder und Kriegsverbrecher hingerichtet. Doch unabhängig von der Schwere der individuellen Schuld hatten alle Hingerichteten eines gemeinsam: Sie wurden in Prozessen verurteilt, die rechtsstaatlichen Grundlagen widersprachen. Bis Anfang der 1960er Jahre entschied das SED-Politbüro über Todesurteile, später die Parteichefs Walter Ulbricht und Erich Honecker persönlich in Absprache mit Erich Mielke, dem Minister für Staatssicherheit. Die Gerichte verkamen zu Simulatoren der propagierten sozialistischen Gesetzlichkeit, die Urteile standen oft bereits im Vorfeld fest.

 

Von 1945 bis 1981 wurden nach aktuellem Forschungsstand in der SBZ/DDR 374 Todesurteile ausgesprochen, von denen man  209 vollstreckte. Hinzu kommen noch etwa 1.000 von sowjetischen Militärtribunalen zwischen 1950 und 1953 aus politischen Gründen zum Tode verurteilte und hingerichtete Deutsche. Bis 1952 fanden die Hinrichtungen in den Ländern der verurteilenden Gerichte statt, von 1952 bis 1956 zentral in Dresden, ab 1960 in Leipzig.

 

Hatten vollstreckte Todesurteile noch bis in 1950er hinein abschreckenden Charakter, so bemühte sich das SED-Regime zunehmend, Hinrichtungen nach außen zu verschleiern, fälschte also Todesort und Urkunde und setzte dabei ebenfalls geltendes DDR-Recht außer Kraft. Handlanger bei allen Hinrichtungen war die Staatssicherheit, die jeden Schritt von der Ermittlung bis zur Einäscherung kontrollierte.

 

 

Bürgerkomitee plant justizgeschichtlichen Erinnerungsort mit Dauerausstellung

Das Bürgerkomitee Leipzig e. V. als Träger der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ setzt sich seit Mitte der 1990er für

den Erhalt der ehemaligen zentralen Hinrichtungsstätte als Erinnerungsort ein. So erreichte der Verein, dass der ehemalige Hinrichtungsort nach dem Auszug der JVA im Jahr 2001 unter Denkmalschutz gestellt wurde.

 

Daneben engagiert sich der Verein auch für die Aufarbeitung der Todesstrafe in der DDR. Im Jahr 2002 übertrug das sächsische Kabinett dem Staatsministerium der Justiz die Aufgabe, diesen zeitgeschichtlichen Ort zu erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen sowie seine Geschichte zu erforschen und darzustellen. Daraufhin wurde das Bürgerkomitee vom Staatsministerium gebeten, eine Konzeption für die weitere Nutzung zu erarbeiten. Im Zusammenhang mit dieser Entscheidung entstand bereits im Vorfeld eine Werkausstellung, die über die Geschichte der Todesstrafe in der DDR informiert und bis heute in der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ zu sehen ist.

 

Zur Etablierung der ehemaligen zentralen Hinrichtungsstätte als justizgeschichtlichen Erinnerungsort an authentischer Stelle hat das Bürgerkomitee in den vergangenen Jahren immer wieder mit dem Justizministerium zusammengearbeitet, eine umfangreiche Dokumentation aufgebaut sowie konzeptionelle Vorarbeiten geleistet. Heute ist die Gedenkstätte auch zentraler Anlaufpunkt für die immer zahlreicher werdenden Anfragen zum Thema.

 

Derzeit ist die ehemalige zentrale Hinrichtungsstätte nur zwei Mal jährlich zur Leipziger Museumsnacht sowie zum Tag des offenen Denkmals für Besucher zugänglich. Dabei belegen die Besucherzahlen das herausragende öffentliche Interesse an der Vermittlung dieser Thematik: Im vergangenen Jahr kamen zu den beiden Öffnungstagen der ehemaligen Hinrichtungsstätte, an denen das Bürgerkomitee Führungen anbot, fast 1.800 Besucher.

 

Zum Erhalt des historischen Ortes, der sich baulich in einem sehr schlechten Zustand befindet, sowie für eine moderne Ausstellungsfläche ist die Unterstützung des Freistaates Sachsen und der Bundesrepublik Deutschland notwendig. Insbesondere der Freistaat als Besitzer der Liegenschaft, in der sich die Hinrichtungsstätte befindet, ist gefordert, sich für ihren Erhalt als bundesweites Mahnmal und einmaligem Lernort einzusetzen.

 

Für die weitere museale Erschließung hat das Bürgerkomitee mit zahlreichen Forschungen zum Thema und der Erarbeitung der Werkausstellung „Todesstrafe in der DDR – Hinrichtungen in Leipzig“ entscheidende Vorarbeit geleistet und steht in positiven Gesprächen mit dem Sächsischen Staatsministerium der Justiz. Das gemeinsame Ziel, dauerhaft einen justizgeschichtlichen Erinnerungsort zu etablieren, sollte in den kommenden Jahren verwirklicht werden. Dazu ist es vor allem notwendig, dass der Freistaat die für die Realisierung des Konzeptes notwendigen Mittel in den Doppelhaushalt 2013/14 einstellt, der derzeit verhandelt wird.

Pressemitteilung als pdf