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Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

 

Religion, Herkunft, sexuellen Orientierung oder politischen Gesinnung – viel Gründe konnten in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur den Ausschlag dafür geben, dass Menschen praktisch über Nacht verschwanden, deportiert wurden und in Konzentrationslagern umkamen. Auch Hunderte Leipziger teilten dieses Schicksal; selbst ganze Familien gelten als verschollen. An diese Menschen soll nun ein Projekt erinnern, in dessen Rahmen „Stolpersteine“ in die Gehwege vor den ehemaligen Wohnhäusern der NS-Verfolgten eingelassen werden. Koordiniert wird das Projekt von einer Arbeitsgruppe aus Leipziger Vereinen, Jugendverbänden und Museen, darunter das Bürgerkomitee.

 

Die ersten elf Steine verlegt der Künstler Gunter Demnig am 03.04.2006. Ein Begleitprogramm, das sich über den gesamten Tag erstreckt, bildet den Rahmen für den Auftakt der Aktion. Näheres dazu lesen Sie im Punkt „Neues auf dem Gebiet der Aufarbeitung“. Zu der Projekteröffnung laden wir Sie sehr herzlich ein.

 

Zunächst hoffen wir auf Ihr Interesse für die Themen dieses Newsletters.

Ihr Bürgerkomitee Leipzig

 

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INHALT

Wir laden ein

Rückblick

Neues auf dem Gebiet der Aufarbeitung

Aus der Arbeit der Gedenkstätte

Aus dem Gästebuch

 

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WIR LADEN EIN

 

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6. MAI 2006, 19.00 – 01.00 UHR

SIEBENTE LEIPZIGER MUSEUMSNACHT UNTER DEM MOTTO „TRANSIT“

„Transit“ lautet das Motto der diesjährigen, siebenten Leipziger Museumsnacht. In deren Rahmen wird die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ wie in den vergangenen Jahren wieder bis spät nachts ihre Türen öffnen.

 

Den Titel „Transit“ aufgreifend wird das Bürgerkomitee in seiner Gedenkstätte wieder ausgewählte Objekte, die normalerweise im Magazin lagern, in den Mittelpunkt der Präsentation stellen. Vorgesehen sind unter anderem Informationen zur Abteilung VI, die für die Kontrolle des Reiseverkehrs zuständig war, sowie zur Passkontrolleinheit der Staatssicherheit. Im ehemaligen Stasi-Kinosaal läuft gleichzeitig eine lange Filmnacht mit selten gezeigten Stasi-Lehrfilmen beziehungsweise Spiel- und Dokumentarfilmen. Auch die ehemalige Hinrichtungsstätte in der Alfred-Kästner-Straße wird wieder geöffnet sein. Dort finden ständig Führungen durch die originalen Räume statt.

 

Das gesamte Programm finden Sie in unserem Mai-Newsletter sowie demnächst auf unserer Homepage.

 

 

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RÜCKBLICK

 

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16. – 19. MÄRZ 2006

„LEIPZIG LIEST“ IN DER „RUNDEN ECKE“

Sechs Buchpremieren, Lesungen, Diskussionen sowie eine Vernissage – das war der Beitrag der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ zum diesjährigen Literaturfestival „Leipzig liest“, das mit mehr als 1.800 Veranstaltungen in der gesamten Stadt aufwartete. 420 Menschen folgten dem Programm im ehemaligen Stasi-Kinosaal und lernten sowohl Belletristik als auch Sachbücher kennen. Zu vier der Veranstaltungen haben wir für Sie einen kurzen Rückblick zusammengestellt:

 

16. MÄRZ, 18.30 UHR – INGO SCHULZE: NEUE LEBEN

„Gorbi, Gorbi“, rufen die Leipziger Montagsdemonstranten am 02.10.1989, und „Stasi raus“ und „Schämt euch was“. Enrico Türmer marschiert mit und empfindet die Parolen-schreiende Menge doch als peinlich. Ob die Demonstrationen tatsächlich etwas ändern können? Und vor allem: „Was sollte ich, ein Schriftsteller, ohne Mauer?“

 

Enrico Türmer ist die Hauptfigur in Ingo Schulzes aktuellem Roman „Neue Leben“, den der Autor am 16.03.2006, zum Auftakt des Literaturfestes „Leipzig liest“ in der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ vorstellte. Nicht nur sein Protagonist, sondern auch der Schriftsteller selbst hatte 1989 mehrere Montagsdemos in Leipzig miterlebt. Auch in Sachen MfS-Auflösung war Ingo Schulze aktiv gewesen. An einem Adventssonntag im Dezember ´89, so erinnerte der damalige Altenburger sich zu Beginn der Veranstaltung, seien er und andere Aktive von Leipzig aus „angefordert“ worden, um bei der Besetzung und Auflösung der dortigen Bezirksverwaltung für Staatssicherheit zu helfen. „Der Geist des Gebäudes ist noch zu spüren“, meinte Schulze während der Lesung im ehemaligen Stasi-Kinosaal der „Runden Ecke“, die früher eben jene Bezirksverwaltung beherbergte.

 

In Briefform erzählt der Roman von Ingo Schulze, aus dem der Autor mehrere Passagen las, die Geschichte des Enrico Türmer, eines Theatermanns und heimlichen Schriftstellers, der schon als Kind von literarischem Dissidententum träumte. Nach dem Zusammenbruch der DDR verdingt er sich stattdessen bei einer neu gegründeten Zeitung. Während er den Kapitalismus für sich entdeckt und von den Abenteuern des Geschäftsmannes berichtet, trägt er die Schichten seines bisherigen Lebens ab. Dabei entsteht, wovon Türmer so lange geträumt hat: Der Roman seines Lebens, in dessen Facetten sich die Zeitgeschichte bricht und spiegelt. So wird die widersprüchliche Gestalt Türmers zur Allegorie für die Fragwürdigkeit der alten, aber auch der neuen Leben. Ergänzt werden die Briefe durch die Kommentare eines beflissenen Herausgebers, der Türmer aber immer häufiger ins Wort fällt und dabei nolens volens seine eigenen Interessen und Ambitionen preisgibt.

 

17.MÄRZ, 17.30 UHR – ROBERT ZAGOLLA: IM NAMEN DER WAHRHEIT

„Das Tabu Folter ist brüchig geworden“, lautet das Resümee von Robert Zagolla, der soeben einen umfangreichen Band zur Geschichte der Folter vorgelegt hat. Es werde, so der Autor während der Premiere seines Buches am 17.03.2006 in der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“, in politischen wie akademischen Kreisen wieder ernsthaft diskutiert, ob in bestimmten Fällen Gewalt angewendet werden dürfe, um Geständnisse zu erwirken.

 

Während der Premiereveranstaltung gab Robert Zagolla einen kurzen historischen Abriss der Folter, beginnend im Römischen Reich. Dort wurden die Rahmenbedingungen für Folter erstmals in Recht und Gesetz gefasst. Eine Hochzeit erlebte die Folter in der Frühen Neuzeit. Hier galt das Prinzip, dass Schwerverbrecher nur dann überführt werden konnten, wenn zwei glaubwürdige Zeugenaussagen vorlagen, oder wenn der Täter selbst geständig war. Da erstere Bedingung sich oft nicht erfüllen ließ, wurden Geständnisse häufig mit Gewalt erpresst. Dabei war die Anwendung der Folter keinesfalls willkürlich, sondern basierte auf einem präzise durchdachten und viel diskutierten System. Auch die Ausführung war streng reglementiert – was allerdings laut der Rechercheergebnisse Zagollas nicht davor schützte, dass immer wieder auch Unschuldige gefoltert wurden.

 

Im 18. Jahrhundert schaffte Friedrich der Große im Königreich Preußen – gegen massiven Widerstand in der eigenen Verwaltung – die Folter offiziell ab. Ein völliges Ende der gewaltsamen Erpressung von Geständnissen bedeutete dies freilich nicht. Oft wurden für ähnliche Methoden lediglich andere Gründe angegeben. Dies galt etwa für die Verabreichung von Prügel als Strafe für vermeintliche Lügen während eines Verhörs. Erst im 19. Jahrhundert, mit der Fortentwicklung kriminologischer Ermittlungsmethoden, wurde die Folter durch den Indizienbeweis abgelöst, bevor sie im Dritten Reich noch einmal für kurze Zeit gesetzlich legitimiert war.

 

In der folgenden Diskussion mit dem Autor und Volkmar Deile (Generalsekretär der dt. Sektion von amnesty international von 1990 – 99), moderiert von Ulrich Hopp (be.bra Verlag), stand vor allem die Frage im Mittelpunkt, ob Folter unter gewissen Voraussetzungen legitim sei. Das absolute Verbot von Folter sei seiner Meinung nach eine Grundvoraussetzung für einen Rechtsstaat, betonte Deile. Zwar sehe er in Deutschland momentan nicht die Gefahr, dass „ein bisschen Folter“ gesetzlich erlaubt werde; der Firnis über dem Tabu sei jedoch dünn geworden. Im viel diskutierten Fall „Daschner“ hätten sogar der Sächsische Justizminister Geert Mackenroth und Bundesjustizministerin Brigitte Zypries öffentlich Verständnis dafür geäußert, dass dem Entführer eines Kindes Gewalt angedroht worden sei.

 

Auch Robert Zagolla lehnte Folter ausdrücklich ab. Er verwies unter anderem darauf, dass es mit einem Bekenntnis zu einer gewaltsamen Erpressung wichtiger Geständnisse nicht getan sei. Auch die Umsetzung müsse dann geregelt werden. „Wenn man sich allerdings die aktuellen Debattenbeiträge in Zeitschriften ansieht, dann brechen diese genau dort ab, wo man eigentlich konkret werden müsste, also: Wie soll genau gefoltert werden? Mit welchen Mitteln und wie lange?“ erklärte der Autor. Diesem heiklen Thema wolle sich aber offenbar niemand nähern.

 

Waren sich die Diskutanten im Podium einig, dass Folter in einem Rechtsstaat strikt abzulehnen sei, gab es im Publikum auch gegenteilige Meinungen. Angesichts schwerer Gewaltverbrechen, so argumentierte ein Zuschauer, könne er durchaus verstehen, dass manche Opfer mit dem Gedanken an Folter durchaus sympathisieren würden.

 

17. MÄRZ, 19.30 UHR – HARALD SCHULTZE (HRSG.): „IHR ENDE SCHAUT AN…“ EVANGELISCHE MÄRTYRER DES 20. JAHRHUNDERTS

Acht Jahre Vorbereitungen und Recherchen lagen zwischen der ersten Idee für ein Buch zum Gedenken an deutsche evangelische Märtyrer des 20. Jahrhunderts und dessen Erscheinen. Premiere feierte der Band, der letztlich 500 Biografien und Einzelschicksale sowie eine Reihe von Fachaufsätzen umfasst, am 17.03.2006 in der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“. Im Rahmen des Literaturfestes „Leipzig liest“ präsentierten das Bürgerkomitee und die Evangelische Verlagsanstalt die Publikation erstmals der Öffentlichkeit.

 

Erschienen waren dazu 120 Gäste sowie zahlreiche Vertreter der evangelischen Kirche, die Anliegen und Genese des Buches schilderten. Die Festredner strichen heraus, dass es eine Forschung zu Märtyrern des 20. Jahrhunderts lange Jahre nicht gegeben habe, sodass einige wichtige Namen bereits wieder in Vergessenheit geraten seien. Anliegen der Publikation war es daher, „dem Vergessen entgegenzuwirken“ und „den Vorbildcharakter der betreffenden Personen herauszustellen“, wie es auch im Geleitwort zum Band heißt.

 

Wichtig war den Herausgebern, nicht nur namhafte und von Berufswegen dem Christentum verhaftete Personen aufzunehmen. Vielmehr sollten ausdrücklich auch das Schicksal von Laien, die um ihres Glaubens willen inhaftiert, gequält oder ermordet worden waren, dokumentiert werden. Eingang fanden Märtyrer aus dem gesamten 20. Jahrhundert, darunter Opfer sowohl der nationalsozialistischen als auch der kommunistischen Diktatur. Wenngleich es sich bei allen Personen um Deutsche handelte waren doch einige von ihnen auch im Ausland zu Tode gekommen, beispielsweise in der Nachkriegszeit in sowjetischer Gefangenschaft oder im Lateinamerika der 70er Jahre.

 

Mitherausgeber Harald Schultze erläuterte während der Veranstaltung, welch grundlegende Debatten die Bearbeiter des Buches teilweise um die Aufnahme bestimmter Personen geführt hätten. So stand beispielsweise die Frage im Raum, ob der sächsische Pfarrer Oskar Brüsewitz, der sich aus Protest gegen das kirchenfeindliche SED-Regime in der DDR selbst verbrannt hatte, genannt werden dürfe. Obwohl die Kirche eine Anerkennung als Märtyrer eindeutig abgelehnt hatten, entschlossen sich die Herausgeber schließlich, Brüsewitz´ Schicksal in ihrem Buch zu dokumentieren. Seine Selbstverbrennung, so urteilten sie, sei eine Form des Widerstands gegen die Verfolgung Gläubiger in der Diktatur gewesen.

 

Einen der im Buch beschriebenen Menschen stellte Folkert Ihmels, Oberlandeskirchenrat im Ruhestand, dem Buchmesse-Publikum näher vor. Er erzählte die Geschichte seines Bruders, Werner Ihmels, geboren 1926. Während seines Theologiestudiums in Leipzig wurde Ihmels 1947 von der sächsischen Landeskirche mit der Leitung der Evangelischen Verbindungsstelle bei der FDJ-Landesleitung betraut. Nachdem er jedoch erkannt hatte, dass es für Christen keinen Raum in der DDR-Jugendorganisation gab, wollte er Leipzig verlassen und sein Studium in Tübingen fortsetzen. Er wurde jedoch im Vorfeld vom sowjetischen Geheimdienst NKWD verhaftet und zusammen mit zwei Weggefährten zu langjährigen Arbeitslager-Strafen verurteilt. Werner Ihmels starb 1949 an einer Lungenembolie im sowjetischen Speziallager IV in Bautzen. Seine Geschwister erfuhren von seinem Tod offiziell erst 1995.

 

19. MÄRZ, 11.00 UHR – HEIDEMARIE HÄRTL (†): PUPPE IM SOMMER, vorgestellt von Ines Geipel

Die Literatur in der DDR war vielgesichtig – weit mehr, als sich aus den veröffentlichten Werken ablesen lässt. So manches Stück Prosa oder Lyrik wurde gar nicht erst publiziert, weil das SED-Regime den Autoren eine „feindlich-negative Grundhaltung“ attestierte.

 

Diese Werke vorm Vergessen zu schützen und nun nachträglich zu veröffentlichen, haben sich Ines Geipel und Joachim Walter mit ihrer Reihe „Literarische Gegenwelten. Das Archiv unterdrückter Literatur in der DDR“, erschienen bei der Büchergilde Gutenberg und gefördert durch die Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, zum Ziel gesetzt. Das neuste Buch in der auf 20 Bände angelegten Anthologie, Heidemarie Härtels „Puppe im Sommer“, stellte Ines Geipel am 19.03.2006 in der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ vor. Die Berliner Schauspielstudentin Manja Kuhl las Auszüge aus dem Roman, der „keine stringente Story“, aber dafür eine „große, reiche Wahrnehmungswelt“ (Geipel) aufweist.

 

Ines Geipel schilderte dem Publikum, wie die gebürtige Oelsnitzerin nach einer abgebrochenen Wasserbaulehre und einem ebenfalls vorzeitig beendeten Maschinenbaustudium ans Literaturinstitut Johannes R. Becher nach Leipzig kam. Mit ihm gemeinsam wurde sie 1970 wegen „unbotmäßiger Rede“ zwangsexmatrikuliert und von da an ständig überwacht. Die Staatssicherheit schreckte auch vor weit reichenden Zersetzungsmaßnahmen nicht zurück: Mehr als einmal wurde Gerd Neumann bei Spaziergängen von Unbekannten angegriffen und sogar zusammengeschlagen. Heidemarie Härtl war immer wieder zu Befragungen eingeladen; auch die Freunde des Paares wurden überwacht. Veröffentlichungen waren den beiden nicht erlaubt, doch entstand gerade in jener Zeit das Stück „Ohne aber“, vom Verlag nun unter dem Titel „Puppe im Sommer“ herausgegeben.

 

In den 80er Jahren hielten sich Gerd und Heidemarie Härtl im Rahmen eines Stipendiums mehrere Monate in der Bundesrepublik auf – und trennten sich nach der Rückkehr. Im Herbst ´89 verliebte sich die Autorin in Ibrahim Böhme, ohne damals freilich zu wissen, dass dieser in der DDR viele Jahre lang kritische Literatur verhindert hatte. Als sie später mit seiner Vergangenheit konfrontiert wurde, konnte Heidemarie Härtl den Schock nur mit psychologischer Hilfe verarbeiten. Nach langem Krebsleiden starb sie im November 1993 in Leipzig.

 

Den Nachlass Heidemarie Härtls hatte Ines Geipel vom Sohn der Schriftstellerin erhalten. Mit diesem und auch mit Freunden und Bekannten der Autorin habe sie sich während der Recherchen für die Edition des Bandes ausführliche Gespräche geführt, so die Herausgeberin. Momentan bereitet sie bereits die nächsten Bände der Reihe vor, und auch die folgende Neuerscheinung will sie wieder in der „Runden Ecke“ in Leipzig präsentieren. Dann zeigt die Gedenkstätte auch eine Wanderausstellung, die begleitend zu den bisherigen Veröffentlichungen entstand.

 

 

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NEUES AUF DEM GEBIET DER AUFARBEITUNG

 

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STOLPERN ÜBER DIE ERINNERUNG – DAS PROJEKT „STOLPERSTEINE“ IN LEIPZIG

Leipzig, Alexanderstraße 46: Hier lebte bis 1939 der jüdische Religionslehrer Isaak Prinz mit seiner Frau und ihren sechs Kindern. Im Juli des Jahres, kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkriegs, floh die Familie vor den Nazis nach Brüssel, wo eine weitere Tochter zur Welt kam. Doch das Asyl vermochte sie nur wenige Jahre zu schützen: Nachdem die Deutschen Belgien besetzt hatten, wurde die Familie nach Auschwitz deportiert. Alle neun Mitglieder gelten als verschollen und wurden 1945 für tot erklärt.

 

So wie Familie Prinz wurden während der NS-Diktatur Hunderte Leipziger in Konzentrationslager deportiert und dort ermordet. „Stolpersteine“ sollen die Erinnerung an sie wieder ins Gedächtnis rufen und wach halten. Koordiniert wird das Projekt von einer Arbeitsgruppe aus Leipziger Vereinen, Jugendverbänden und Museen. Der Leipziger Stadtrat unterstützt das Vorhaben und hat dazu bereits im Juni vergangenen Jahres einen Beschluss gefasst. Die Initiative dazu ging von der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen aus.

 

Anliegen des Projekts ist es, im öffentlichen Stadtraum, unmittelbar vor den früheren Wohnstätten von Opfern des Nationalsozialismus, auf deren Schicksal aufmerksam zu machen. Der Kölner Bildhauer Gunter Demnig, der ähnliche Projekte bereits in mehr als 50 anderen Städten betreut, fertigt dazu Betonsteine mit verankerter Messingplatte in einer Größe von 10x10x10 Zentimetern und lässt diese in die Gehwege vor den ehemaligen Wohnhäusern der Deportierten ein (www.stolpersteine.com). Neun Steine für die Familie Prinz in der Alexanderstraße gehören zu den ersten, die am 03.04.2006 in Leipzig verlegt werden. Erinnert wird außerdem an Beate Kranz, die in der Dresdner Straße 14 lebte, sowie an Hedwig Burgheim in der Wettiner Straße 9. Weitere Steine sollen in den kommenden Monaten und Jahren folgen.

 

Dafür braucht es bürgerschaftliches Engagement, braucht es die Unterstützung vieler Menschen. Zunächst müssen die Adressen von Bürgern der Stadt, die in Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert worden waren, recherchiert werden. Religionsgemeinschaften, Ämter und Forschungseinrichtungen helfen dabei. Demnächst werden sich außerdem Leipziger Jugendliche auf Spurensuche begeben und im Rahmen von Schüler- und Jugendprojekten des Hauses Steinstraße und des Evangelischen Jugendpfarramtes nach Wohnorten und biographischen Daten von Deportationsopfern recherchieren. Die ersten verlegten Stolpersteine sollen somit nur ein Anstoß für möglichst viele Leipziger sein, sich unmittelbar mit der Geschichte ehemaliger Mitbürger, vielleicht sogar Nachbarn, auseinanderzusetzen.

 

Jeder Stolperstein braucht außerdem einen Paten. Privatpersonen oder Vereine, Stiftung, Parteien etc. können das für die Herstellung und Verlegung nötige Geld (95 € pro Stein) spenden (Konto der Stadt Leipzig, Ktnr. 1010001350, BLZ 86055592, Sparkasse Leipzig, Zahlungsgrund 9.017.714.1/961). In die Messingtafel des Steins werden dann die Worte „Hier wohnte“ und darunter Name, Jahrgang und Schicksal der betreffenden Person eingestanzt. Solcherart unauslöschlich gemacht, erinnert die Schrift dauerhaft an Verfolgte des Nazi-Regimes, die aufgrund ihrer Herkunft, Religion, sexuellen Orientierung oder politischen Gesinnung ihr Leben verloren.

 

PROGRAMM zur Projekteröffnung am 03.04.2006

 

11.00 Uhr: Öffentlicher Diavortrag des Künstlers Gunter Demnig zur Intention und Entwicklung des Projekts „Stolpersteine“; Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“, ehemaliger Stasi-Kinosaal (Goerdelerring 20)

 

13.30 Uhr: Verlegung von 9 Steinen in der Alexanderstr. 46

 

Begrüßung: Michael Koelsch, Stadtrat, Bündnis 90/Die Grünen

 

Überleitung: Stephan Bickhardt, Evangelisches Jugendpfarramt

 

Festrede: Küf Kaufmann, Vorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinde

 

15.00 Uhr: Verlegung eines Steines in der Dresdner Str.14

 

15.45 Uhr: Verlegung eines Steines in der Wettiner Str.9

 

17.00 Uhr: Friedensgebet in der Nikolaikirche mit dem Künstler Gunter Demnig in der Nikolaikirche

 

18.00 Uhr: Podiumsdiskussion im Kapitelsaal der Nikolaikirche

 

 

ARBEITSGRUPPE „STOLPERSTEINE“ IN LEIPZIG

Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.

Bürgerkomitee Leipzig e.V.

Bürgerverein Waldstraßenviertel e.V.

Evangelische Jugend

Gedenkstätte für ehemalige ZwangsarbeiterInnen

Haus Steinstraße e.V.

 

Weitere Informationen erhalten Sie demnächst unter www.stolpersteine-leipzig.de. Dort können Sie Hinweise zu den verlegten Steinen sowie die Biografien der Opfer abrufen.

 

 

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AUS DER ARBEIT DER GEDENKSTÄTTE

 

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SONDERAUSSTELLUNG

„BILDER AUS DREI JAHRZEHNTEN. DAS LEBEN VOR DEM MAUERFALL – GEWENDET – UND DANACH“

Der Fotograf Harald Hauswald und der Schriftsteller Lutz Rathenow landeten im Jahre 2005 einen Überraschungserfolg: „Ost-Berlin“, das Remake jenes legendären Buches von 1987, das in der DDR verboten gewesen war und „wie kaum ein anderes das Lebensgefühl in der dahinbröckelnden DDR in Text und Bild einfängt“ (FAZ). In Rezensionen und auf Veranstaltungen zu „Ost-Berlin“ wurde immer wieder der Wunsch nach einem Nachfolgeband laut, der die Vor- mit der Nachwende-Zeit in Kontrast setzt. Diesen Band haben die beiden Autoren nun herausgegeben.

 

Ausgewählte Bilder aus dem Buch sind momentan in der Ausstellung „Bilder aus drei Jahrzehnten“ in der Gedenkstätte Museum in der "Runden Ecke" im ehemaligen Stasi-Kinosaal zu sehen.

 

Mit ausgewählten Aufnahmen spannt der Fotograf einen Bogen über 30 Jahre Geschichte in Ostdeutschland. Dem Betrachter bleibt es überlassen, Vertrautes zu erkennen und Anknüpfungspunkte zu seinen eigenen Erinnerungen und Erfahrungen zu finden.

 

Harald Hauswald, geboren 1954 in Radebeul, ist seit 1978 als freier Fotograf und lebt in Berlin. 1990 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der OST-KREUZ Fotoagentur. Er veröffentlichte Fotoreportagen in zahlreichen Magazinen wie „GEO“ und „Stern“.

 

Geöffnet täglich 10.00 – 18.00 Uhr

Eintritt frei

 

PROGRAMM ZUR FIFA-WELTMEISTERSCHAFT

Auch die „Runden Ecke“ bereitet sich auf die Fußball-Weltmeisterschaft vor. Leipzig gehört zu den Austragungsorten des Turniers und wird Gastgeber für fünf Spiele sein.

 

Wenn im Sommer 2006 Tausende Menschen aus dem In- und Ausland nach Deutschland und auch nach Leipzig kommen, werden viele sich an den demokratischen Aufbruch des Jahres 1989 erinnern. Sie werden die Gelegenheit nutzen wollen, die Brennpunkte der Friedlichen Revolution wahrzunehmen und sich vor Ort über die Geschehnisse von damals zu informieren. In Berlin wird die Überwindung des Mauerfalls im Mittelpunkt des Interesses stehen. Leipzig wurde weltbekannt durch die gewaltfreien, machtvollen Montagsdemonstrationen, die schließlich den Weg in die Freiheit ebneten. Zum „Tag der Entscheidung“ für Leipzig wie für das gesamte Land wurde der 9. Oktober 1989: 70.000 Menschen demonstrierten friedlich gegen das SED-Regime. Dieser Übermacht hatte der Staat nichts mehr entgegenzusetzen.

 

Die Veranstaltungen und Projekte der Gedenkstätte sind eingebettet in das vielfältige Begleitprogramm, das Leipziger Kultureinrichtungen in Kooperation mit der Stadt und dem WM-Büro unter dem Motto „Leipzig Fußball erleben“ zusammenstellen. Gemeinsam wollen die Organisatoren die Bewohner und Gäste der Stadt auf das Turnier einstimmen und ihnen gleichzeitig die kulturelle Vielfalt Leipzigs vor Augen führen.

 

Eine Reihe von Sonderveranstaltungen unter dem Titel „Fairplay im Abseits“ findet im Vorfeld des Turniers statt. Sie sollen die Leipziger und die Gäste der Stadt auf das Ereignis einstimmen. So ist im Mai jeweils montags eine Lesung bzw. ein Vortrag in den Ausstellungsräumen der Gedenkstätte vorgesehen. Jeweils freitags finden Diskussionen bzw. eine lange Filmnacht im ehemaligen Stasi-Kinosaal statt. Gezeigt wird beispielsweise der deutsch-deutsche Fußballwettkampf von 1974. In der Halbzeit wird mit Experten über die MfS-Aktion „Leder“ debattiert. Unter diesem Motto sicherte die Staatssicherheit das Spiel ab. Eine weitere Veranstaltung wird sich mit der Frage beschäftigen, wie politisch unbequemen Fußballern in der DDR ihre Karriere verstellt wurde. In der Zeit während des Turniers wird die Gedenkstätte dann länger geöffnet sein und ihr tägliches Angebot um Sonderrundgänge und –stadtführungen erweitern.

 

Hinweise zu allen Veranstaltungen können Sie ab Mitte April auf unserer Homepage abrufen. Selbstverständlich informieren wir Sie auch in den Newslettern der kommenden Monate.

 

ÖFFNUNGSZEITEN WÄHREND DER OSTERFEIERTAGE

Während der Osterfeiertage können Sie unsere Gedenkstätte im Rahmen der gewohnten Öffnungszeiten besuchen. Wir haben für Sie täglich von 10.00 bis 18.00 Uhr geöffnet. In dieser Zeit ist auch die Sonderausstellung „Bilder aus drei Jahrzehnten“ zu besichtigen. Täglich 15.00 Uhr laden wir Sie zu einer öffentlichen Führung durch die Dauerausstellung „Stasi – Macht und Banalität“ ein.

 

Am Sonnabend, dem 15.04.2006 findet wie gewohnt der Stadtrundgang „Auf den Spuren der Friedlichen Revolution“ statt. Treffpunkt ist 14.00 Uhr an der Nikolaikirche.

 

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AUS DEM GÄSTEBUCH

 

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Mehrere tausend Menschen besuchen monatlich die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ mit dem Museum im Stasi-Bunker. Manche leben in Leipzig und kommen – häufig mit Gästen – immer wieder in die Ausstellung. Andere kommen von weit her zu Besuch in die Stadt und wollen hier sehen, wo und wie vormals das berüchtigte Ministerium für Staatssicherheit arbeitete.

 

Viele unserer Besucher hinterlassen eine Notiz im Gästebuch und schreiben hier ihre Eindrücke nieder, die sie in der Gedenkstätte gesammelt haben. Unter dieser Rubrik wollen wir monatlich einige dieser Einträge an Sie weitergeben.

 

„Diese Ausstellung war sehr beeindruckend und bereichernd für mich. Hoffentlich werden viele die Gelegenheit wahrnehmen, sie zu sehen.“

Eintrag vom 28.02.2006

 

„Nichts vergessen! Aufbewahren für alle Zeit!“

Eintrag vom 01.03.2006

 

„Mir fehlen wirklich die Worte, um zu sagen, wie sehr mich die Ausstellung bewegt hat. Ich finde auch für uns, die Jugendlichen, ist diese Ausstellung interessant, denn sie gibt uns einen Einblick in die Vergangenheit. 1989, also in dem Jahr der Leipziger-Friedensdemos, war ich 1 Jahr alt. Hab also nicht wirklich viel mitbekommen… außerdem sollte die Ausstellung eine Mahnung sein, dass so etwas nicht noch mal passiert.“

Eintrag vom 20.03.2006

 

„Nahtloser Übergang von Gestapo zur Stasi. Nur die Farbe war anders – rot statt braun. Unrecht bleibt.“

Eintrag vom 25.03.2006

 

„Der reinste Horror!“

Eintrag vom 25.03.2006 von einem Besucher aus Wien

 


 



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Weitere Informationen erhalten Sie auf unserer Homepage.

Die Arbeit des Bürgerkomitees wird gefördert durch die Stiftung Sächsische Gedenkstätten aus Mitteln des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien auf der Grundlage eines Beschlusses des Deutschen Bundestages und des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst sowie durch die Stadt Leipzig und den Kulturraums Leipziger Raum.

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Bürgerkomitee Leipzig e.V.
für die Auflösung der ehemaligen Staatssicherheit (MfS)
Träger der Gedenkstätte
Museum in der „Runden Ecke“ mit dem Museum im Stasi-Bunker
Dittrichring 24, PSF 10 03 45, D-04003 Leipzig
Tel.: (0341) 9 61 24 43 * Fax: (0341) 9 61 24 99
http://www.runde-ecke-leipzig.de
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