Politische Steuerung

Getreu dem Motto „Jedes Urteil ist eine politische Tat“ (DDR-Generalstaatsanwalt Ernst Melsheimer) war die Justiz der DDR nicht unabhängig, sondern stand in Diensten der Staatsmacht. Dies galt insbesondere für die Verhängung der Todesstrafe, die im Lauf der Jahre unterschiedlichen propagandistischen und agitatorischen Zwecken dienen musste.

In den frühen Jahren der DDR, auch als „die wilden Jahre der Justizsteuerung“ bezeichnet, wurden die meisten Verfahren noch als Schauprozesse vor großer Öffentlichkeit geführt und breit propagandistisch ausgewertet. In dieser Zeit berichteten die DDR-Medien umfangreich in agitatorischer Absicht über die Verhandlungen, in denen „Spione“, „Agenten“, „Saboteure“ oder NS-Verbrecher zum Tode verurteilt wurden. Mit den Hinrichtungen sollten öffentliche Exempel statuiert werden, dass der neu gegründete Arbeiter- und Bauernstaat unnachsichtig gegenüber seinen „Feinden“ sei. Später wandelten sich die Intentionen: Todesurteile wurden hauptsächlich gegen Angehörige des MfS oder der Volkspolizei ausgesprochen; sie dienten der internen Disziplinierung. Dementsprechend wurde die Berichterstattung in den Medien zurückhaltender, bis ab der zweiten Hälfte der siebziger Jahre überhaupt keine Berichte mehr erscheinen. Die Prozesse fanden nur noch vor einer internen Öffentlichkeit aus Angehörigen der bewaffneten Organe statt, für die sie disziplinarischen Charakter haben sollten.

Todesurteile standen bereits vor Prozessbeginn fest und waren mit der SED-Führung abgestimmt. Dazu reichte die Staatsanwaltschaft den Vorschlag auf Verhängung der Todesstrafe beim Politbüro ein. Dieses nickte die Vorlage in der Regel ab: im Protokoll der Politbürositzungen ist dann üblicherweise nur die Zustimmung des Gremiums vermerkt, ohne dass das Wort „Todesstrafe“ überhaupt erwähnt wird. In den späteren Jahren war oft nicht einmal mehr das Politbüro involviert. Stattdessen trafen die SED-Chefs Walter Ulbricht bzw. Erich Honecker offenbar allein Entscheidungen über Leben oder Tod. War das MfS an den Ermittlungen beteiligt – was häufig vorkam – nahm dieses ebenfalls Einfluss auf das Urteil.

War das Urteil auf politischer Ebene festgelegt, wurde es an das zuständige Gericht durchgereicht. So genannte 1A-Richter und 1A-Staatsanwälte – penibel ausgewählte, regimekonforme Staatsdiener – sorgten dafür, dass die Prozesse streng nach Vorgabe abliefen. War das Todesurteil verhängt, hatten die Verurteilten die Möglichkeit, ein Gnadengesuch an den Präsidenten der DDR (später den Staatsrat, unter Vorsitz von Walter Ulbricht bzw. ab 1971 Erich Honecker) zu richten. Nach heutigen Erkenntnissen wurde etwa einem Drittel der Gnadengesuche stattgegeben.

Nach bisherigen Erkenntnissen waren in allen Prozessen justizfremde Institutionen an der Urteilsfindung beteiligt. Die SED-Führung hatte sich die totale Verfügung über diese Strafart bis zum Schluss vorbehalten. Selbst die Abschaffung im Jahr 1987 organisierte sie an geltendem Recht vorbei.