Hinrichtungen in Leipzig

War ein Todesurteil nach Ablehnung des Gnadengesuchs rechtskräftig geworden, löste der Generalstaatsanwalt der DDR bei der Verwaltung Strafvollzug des Ministeriums des Inneren die Vollstreckung aus. Die Bediensteten des Ministeriums, im speziellen die Deutsche Volkspolizei, waren dann für die Durchführung verantwortlich.

Ab 1954 existierten für die Vollstreckung der Todesurteile nach heutigem Wissen drei Dienstanweisungen, die Ablauf und Zuständigkeiten penibel regelten. Die letzte Anweisung stammt aus dem Jahr 1968 und ist eine gemeinsame des Ministers des Inneren (gleichzeitig Chef der Deutschen Volkspolizei) des Generalstaatsanwalts der DDR sowie des Ministers für Staatssicherheit. Bemerkenswert ist, dass das MfS offiziell in den Vollzug von Hinrichtungen gar nicht hätte involviert sein dürfen.

Bis 1967 wurden Todesurteile in Leipzig mit der Guillotine vollstreckt. Nach einer Änderung des Strafgesetzbuches richtete man ab 1968 mit einem „unerwarteten Nahschuss in das Hinterhaupt“ hin.

Die zum Tode Verurteilten wurden in den frühen Morgenstunden über den Eingang Arndtstraße in die Hinrichtungsräume gebracht. Die Vollstreckung fand anfangs 3.00 Uhr nachts, später dann gegen 10.00 Uhr am Vormittag statt. War der Verurteilte in Leipzig eingetroffen, wurde er zunächst in eine Verwahrzelle gebracht, wo man ihn über die bevorstehende Vollstreckung informierte. Dort konnte er auch einen Abschiedsbrief verfassen (der jedoch nach seinem Tod nicht abgesendet, sondern zu den Akten genommen wurde) und einen letzten Wunsch äußern (z. B. Speise, Getränk, Zigaretten). 15 Minuten vor der Hinrichtung wurde der Verurteilte mit auf dem Rücken gefesselten Händen zum Hinrichtungsraum gebracht. Dort wurde ihm die Vollstreckung des Todesurteils noch einmal angekündigt. Anwesend waren bei der Hinrichtung der Leiter der Strafvollzugseinrichtung, der zuständige Staatsanwalt, der Leiter des Haftkrankenhauses Leipzig-Meusdorf als Arzt, der Scharfrichter, zwei Gehilfen sowie in der Regel ein Offizier des MfS. Für die 70er und 80er Jahre ist inzwischen belegt, um welche konkreten Personen es sich bei diesen Amtsträgern handelte. Scharfrichter und Gehilfen waren Angestellte der Strafvollzugseinrichtung und wurden jeweils für die Hinrichtungen herangezogen.

Zur Vollstreckung des Todesurteils mittels Guillotine schnallten die beiden Scharfrichtergehilfen den Verurteilten auf ein bewegliches Brett, dass nach vorn geschoben werden konnte, bis sich das Genick unter dem Fallbeil befand. Das Fallbeil wurde anschließend entriegelt und trennte den Kopf vom Rumpf. Die Gehilfen ließen den Körper anschließend ausbluten, indem sie ihn an den Beinen nach oben hielten, und legten ihn anschließend zusammen mit dem Kopf in einen Sarg.

Bei der Vollstreckung mittels Genickschuss wartete der Scharfrichter bereits im Hinrichtungsraum, wenn die Gehilfen den Verurteilten hereinführten. Er trat unbemerkt von hinten an den Betreffenden heran und schoss diesem aus nächster Nähe ins Hinterhaupt. Auch hier wurde der Leichnam anschließend in einen Sarg gelegt, der am Vortrag im Krematorium gekauft und bar bezahlt worden war.

Die beiden Gehilfen vernagelten den Sarg und brachten diesen mit einem Barkas B1000 ins Krematorium auf dem Leipziger Südfriedhof. Er wurde nicht noch einmal geöffnet, sondern umgehend und unter Geheimhaltung verbrannt. Im Vorfeld wurde sichergestellt, dass sich kein uneingeweihtes Personal in der Einäscherungshalle befand. Nur die Namen der ersten in Leipzig Hingerichteten sind im Einäscherungsbuch des Krematoriums verzeichnet; später wurden die Leichname nur noch unter den Stichworten „Anatomie“ oder „Abfall“ registriert.

Ablauf und Umstände der Hinrichtungen unterlagen strengster Geheimhaltung. Auf den Totenscheinen waren Todesursache und –ort stets gefälscht. Angehörige erfuhren teilweise erst mit erheblicher Verzögerung vom Schicksal ihrer Familienmitglieder.