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  Newsletter September 2009

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

 

in diesem Monat geht es in den Endspurt, bevor Anfang Oktober pünktlich zum 20-jährigen Jubiläum des Herbstes ´89 unsere Sonderausstellung „Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“ eröffnet werden wird, die vom demokratischen Aufbruch der Stadt vor 20 Jahren erzählt und nicht nur Besucher aus Leipzig zu spannenden neuen Entdeckungen einlädt.

 

Als Auftakt zum Jubiläum des Herbstes `89 geht es in der „Runden Ecke“ in gleich zwei Veranstaltungen um die Helden der Friedlichen Revolution. Am 7. September wieder das Montagsgespräch mit dem SPD-Politiker Gunter Weißgerber statt, am 29. September stellt der LVZ-Chefreporter Thomas Mayer seine Helden in einem Buch vor und diskutiert mit Zeitzeugen der Friedlichen Revolution.

 

Nicht zuletzt beteiligt sich das Bürgerkomitee wieder am jährlich stattfindenden Tag des offenen Denkmals und öffnet für Besucher Teile der ehemaligen Bezirksverwaltung, die sonst nicht zu besichtigen sind sowie die ehemalige zentrale Hinrichtungsstätte und das Museum im Stasi-Bunker in Machern. Ausführliche Informationen und Öffnungszeiten finden Sie in der Rubrik „Wir laden ein“.

 

Wir freuen uns auf Ihren Besuch und wünschen Ihnen zunächst viel Freude beim Lesen des Newsletters.

 

Ihr Bürgerkomitee Leipzig

 

 

 

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INHALT

Wir laden ein

Aus der Arbeit der Gedenkstätte

Rückblick

Aus dem Gästebuch

 

 

 

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WIR LADEN EIN

 

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7.SEPTEMBER 2009, 19.00 UHR

WIR SIND DAS VOLK!“ – MONTAGSGESPRÄCH IN DER „RUNDEN ECKE“ MIT GUNTER WEIßGERBER

20 Jahre nach der Friedlichen Revolution lädt das Bürgerkomitee Leipzig e. V. jeden ersten Montag im Monat zu einer Gesprächsreihe mit Zeitzeugen ein. Im Mittelpunkt stehen Einzelpersonen, die sich in besonderer Weise an der Friedlichen Revolution beteiligten und einen gleichermaßen außergewöhnlichen wie exemplarischen Lebensweg haben. Diesmal mit Gunter Weißgerber, Bürgerrechtler und Mitbegründer der Leipziger Sozialdemokratischen Partei, der sich bis heute als Bundestagsabgeordneter für die Aufarbeitung der SED-Diktatur engagiert.

 

1955 in Mildenau/Erzgebirge geboren, war er bereits in seiner Jugend eher sozialdemokratisch denn sozialistisch eingestellt. Er verweigerte den Wehrdienst mit der Waffe und arbeitete als Bausoldat, bevor er in Freiberg Bohringenieurwesen studieren konnte.

 

1989 wurde Weißgerber, der damals im Braunkohlewerk Borna bei Leipzig arbeitete, politisch aktiv. Nachdem er zunächst das Neue Forum unterstützt hatte, wurde er Gründungsmitglied der SDP (Sozialdemokratischen Partei in der DDR) Leipzig. Weißgerber war Mitglied der ersten und einzigen frei gewählten Volkskammer der DDR und wurde am 3. Oktober 1990 Mitglied des 12. Deutschen Bundestages. Auch bei den späteren Wahlen wurde sein Mandat immer wieder bestätigt.

 

Während seiner ersten Legislaturperiode war Gunter Weißgerber Mitglied der Enquetekommission zur Aufarbeitung der SED-Herrschaft in der DDR. Bis heute engagiert er sich für die Aufarbeitung der SED-Diktatur und setzt sich als Politiker intensiv für ein Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig ein.

 

Die Moderation haben Reinhard Bohse und Tobias Hollitzer

 

 

13. SEPTEMBER 2008

TAG DES OFFENEN DENKMALS

Am Tag des offenen Denkmals Mitte September laden wir an vier verschiedenen Schauplätzen zu Sonderführungen ein.

 

MUSEUM IN DER „RUNDEN ECKE“:

geöffnet 10.00 – 18.00 Uhr

15.00 Uhr: Öffentliche Führung durch die Dauerausstellung „Stasi – Macht und Banalität“

11.00 – 16.00 Uhr, jeweils zur halben und vollen Stunde: Sonderführungen unter dem Motto: „STASI INTERN. RUNDGANG DURCH DIE EHEMALIGE ZENTRALE DES MFS“ – VOM KELLER ZUM BODEN UND ANDEREN ORTEN DES (UN)HEIMLICHEN GEBÄUDEKOMPLEXES

 

Das Ministerium für Staatssicherheit ist längst abgewickelt, doch noch immer sind Teile der einstigen Arbeitsstellen des Geheimdienstes für die Öffentlichkeit unzugänglich. Am Tag des offenen Denkmals besteht die einmalige Möglichkeit, einen Blick in sonst verschlossene Räume und Gebäudeteile der „Runden Ecke“ zu werfen. In dem weitläufigen Komplex hatten bis 1989 das Ministerium für Staatssicherheit sowie die Bezirksdirektion der Volkspolizei ihren Sitz. Zu sehen sind unter anderem die so genannte „geschützte Unterkunft” im zweiten Kellergeschoss des Neubaus, die Führungsstelle für den Kriegsfall, das Notstromaggregat, die Kegelbahn im Saalbau und der Innenhof, auf dem sich einst die Matthäikirche befand.

 

EHEMALIGE ZENTRALE HINRICHTUNGSSTÄTTE DER DDR

Arndtstraße 48 (Südvorstadt)

geöffnet 11.00 – 15.00 Uhr

ständig Führungen durch die historischen Räume unter dem Titel „TODESSTRAFE IN DER DDR – HINRICHTUNGEN IN LEIPZIG“

 

Die ehemalige Haftanstalt in der Alfred-Kästner-Straße in Leipzig ist der Ort, an dem von 1960 bis zur Aufhebung der Todesstrafe 1987 die Todesurteile für die gesamte Deutsche Demokratische Republik vollstreckt wurden. Der Hinrichtungsraum ist bis heute erhalten geblieben. Der Themenbereich „Todesstrafe in der DDR”, dem insgesamt 160 Menschen zum Opfer fielen, ist heute weitgehend in Vergessenheit geraten. Über die Hintergründe der Todesstrafe, die bis 1981 vollstreckt wurde, wird nur in geringem Umfang informiert. Wenig bewusst ist auch, dass die Todesstrafe erst 1987 offiziell abgeschafft wurde. In Leipzig wurden nach heutigem Kenntnisstand 64 Menschen hingerichtet.

 

Während der Öffnungszeiten wird die Werksausstellung „Todesstrafe in der DDR – Hinrichtungen in Leipzig“ gezeigt.

 

STADTRUNDGANG „AUF DEN SPUREN DER FRIEDLICHEN REVOLUTION“

Treffpunkt: Hauptportal Nikolaikirche, 04109 Leipzig (Zentrum)

11.00 Uhr, Treffpunkt: Hauptportal Nikolaikirche

Führung zu den Brennpunkten des demokratischen Aufbruchs 1989 in Leipzig

 

Die DDR stand am 9. Oktober 1989 am Rande eines Bürgerkriegs. Die Namenslisten derjenigen Menschen, die in Internierungs- und Isolierungslager verbracht werden sollten, waren bereits aktualisiert. Dennoch verliefen sowohl der „Tag der Entscheidung“ als auch die folgenden Massendemonstrationen, die Besetzung der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit und die Auflösung desselben vollkommen gewaltfrei. Der Stadtrundgang beginnt an der Nikolaikirche, dem Ort der Montagsgebete, die entscheidend zum gewaltfreien Verlauf der Revolution beigetragen haben. Er führt weiterhin zu den Schauplätzen von oppositionellen und widerständischen Aktionen in Leipzig, die während des gesamten Jahres ´89 von verschiedenen Gruppen initiiert wurden.

 

MUSEUM IM STASI-BUNKER

Naherholungsgebiet Lübschützer Teiche, Flurstück 439, 04827 Machern

geöffnet 10.00 – 16.00 Uhr

Führungen durch den Bunker, die ehemalige Ausweichführungsstelle des Leiters der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Leipzig, mit originaler Einrichtung

Besuch des Außengeländes der ehemaligen Ausweichführungsstelle mit zahlreichen erhaltenen Anlagen; erschlossen durch Hinweistafeln

 

Im Naherholungsgebiet Lübschützer Teiche bei Machern liegt die einstige Ausweichführungsstelle (AfüSt) des Leiters der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Leipzig. Das Objekt war als eine Ferienanlage des VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Leipzig getarnt. Kern der Anlage ist der von 1968 bis 1972 gebaute Bunker. Im Spannungs- und Mobilmachungsfall hätte der Leipziger Stasi-Chef gemeinsam mit ca. 100 hauptamtlichen Mitarbeitern und zwei Verbindungsoffizieren des KGB (des sowjetischen Geheimdienstes) seinen Dienstsitz nach Machern verlagert. Die Ausweichführungsstelle war ein heimlich geschaffener Komplex, durch den sich die Führungsriege des MfS ihren Machtanspruch im Fall eines Ausnahmezustands zu erhalten gedachte. Im Rahmen von Führungen wird unter anderem vermittelt, wie die Versorgungssysteme funktionierten, wie DDR-weit Nachrichtenkontakte zustande gekommen wären und welche Überlebensstrategien sich die Staatssicherheit für einen Atomschlag entwickelt hatte. Eine Ausstellung gibt Einblick in die Mobilmachungsplanung im Bezirk Leipzig und die Einbindung der Ausweichführungsstelle in diese Vorbereitungen auf den „Tag X“. Sie dokumentiert die spezielle Aufgabe des MfS im Ernstfall – bis hin zur geplanten Einrichtung von Isolierungslagern für Oppositionelle.

 

 

29. SEPTEMBER 2009, 19.30 UHR

BUCHPRÄSENTATION „HELDEN DER FRIEDLICHEN REVOLUTION“ – 18 PORTRAITS VON WEGBEREITERN AUS LEIPZIG

MIT THOMAS MAYER, UWE SCHWABE, KATHRIN WALTHER UND CHRISTOPH WONNEBERGER

Leipzig Bekannte und unbekannte Persönlichkeiten waren es, die zum Gelingen der Friedlichen Revolution beigetragen haben. Thomas Mayer, Chefreporter der Leipziger Volkszeitung, hält schon fast vergessene Geschichten von Menschen fest, die zu den Wegbereitern der Friedlichen Revolution gehörten. Unter ihnen Christoph Wonneberger, der Koordinator der Leipziger Friedensgebete, Uwe Schwabe, dessen eigene Stasiakte heute im Dienstregal steht und Kathrin Walther, die 1989/90 die Initiative Frieden und Menschenrechte am Runden Tisch der Stadt und des Bezirkes Leipzig Die drei Persönlichkeiten werden von Ihren Erfahrungen 1989 berichten und darüber diskutieren. Im Anschluss an die Veranstaltung findet eine Signierstunde mit dem Autor statt.

 

Moderation: Michael Beleites (Sächsischer Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen)

 

In Kooperation mit der Evangelischen Verlagsanstalt

 

 

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AUS DER ARBEIT DER GEDENKSTÄTTE

 

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NEUES FREIWILLIGES SOZIALES JAHR BEGINNT

Am 1. September beginnt im Museum in der „Runden Ecke“ ein neues Freiwilliges Soziales Jahr Kultur. Bereits zum fünften Mal wird dieses Mal ein junger Mann ein Jahr lang das Team der Gedenkstätte verstärken. Er hat vor wenigen Wochen sein Abitur in Süddeutschland abgelegt und will nun in der „Runde Ecke“ mitarbeiten.

 

Das Freiwillige Soziale Jahr Kultur, organisiert von der Landesstelle für kulturelle Kinder- und Jugendbildung (LKJ) Sachsen, ermöglicht jungen Erwachsenen, den Kulturbetrieb hautnah kennen zu lernen und selbst mit zu gestalten. In Museen, Soziokulturellen Zentren, Musikschulen, Theatern und anderen Häusern sollen sie erfahren, was zur Kulturarbeit dazugehört – von Besucherservice bis Öffentlichkeitsarbeit, von Verwaltung bis Veranstaltungsmanagement. Ein Jahr lang sind sie dazu in den Betrieb ihrer Einsatzstellen eingebunden, lernen von den erfahrenen Kollegen und bringen im Gegenzug frischen Wind und neue Ideen ein.

 

Die Freiwilligen im Museum in der „Runden Ecke“ verstärken vor allem den Bereich Öffentlichkeitsarbeit, schreiben Texte für Homepage und Newsletter, kümmern sich um Werbematerial und unterstützen die Vorbereitung von Veranstaltungen. Außerdem widmen sie sich jeweils einem eigenständigen Projekt. Während die erste FSJ-Teilnehmerin Schülerführungen im Museum im Stasi-Bunker organisierte, forschte der zweite zum Thema Operative Psychologie der Staatssicherheit und gestaltete unter anderem zwei Ausstellungstafeln zu den perfiden Zersetzungsmethoden des MfS. Die dritte Freiwillige, veranstaltete einen Abend mit Literatur und Musik in der ehemaligen zentralen Hinrichtungsstätte der DDR. Die vierte Freiwillige übernahm die Organisation der Veranstaltungen zum Jahrestag der Stasi-Besetzung, der jedes Jahr von der Gedenkstätte am 4. Dezember begangen wird.

 

 

WORKCAMP IM MUSEUM IM STASI-BUNKER VOM 04.08. BIS 05.08.2009

In Kooperation mit der Gemeinde Engelsdorf organisierte die Gedenkstätte ein Workcamp mit Schülern und Studentnen aus Russland, Serbien, Tschechien und Kroatien. Fünf Tage lang arbeiteten sie auf dem Gelände des Museums im Stasi-Bunker. Unterstützt von ehrenamtlichen Helfern des Museums beseitigten die Jugendlichen Schrott und Bauschutt, entrosteten und strichen Tore.

 

Wichtig bei deren Arbeit war in diesem Jahr vor allem die Pflege einiger Wege, um die Außenbereiche für Besucher wieder komplett zugänglich zu machen.

 

 

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RÜCKBLICK

 

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3. AUGUST 2009, 19.00 UHR: „WIR SIND DAS VOLK!“ – MONTAGSGESPRÄCH IN DER „RUNDEN ECKE“ MIT WALTER CHRISTIAN STEINBACH

 

„Die DDR war ein totaler Irrtum der Geschichte. Diese Zeit hätte ich für mein Leben nicht gebraucht.“ So klar und eindeutig formulierte der Präsident der Landesdirektion Leipzig während des achten Montagsgespräches immer wieder seine Meinung zur SED-Diktatur. Über zwei Stunden erzählte der ehemalige Pastor und Mitbegründer des Christlichen Umweltseminars Rötha Walter Christian Steinbach von seinem Engagement vor und während der Friedlichen Revolution und von seiner Einstellung zu Demokratie und Rechtsstaat, die er heute als Politiker vertritt.

 

Etwas zurückhaltend beantwortete er manche Fragen der Moderatoren, die sich um sein Familienleben drehten. Walter Christian Steinbach, 1944 südlich von Leipzig geboren, wuchs in einem christlichen Elternhaus auf, auch wenn das später nicht der Grund für sein Theologiestudium war, wie er sagte. Der Diktatur wollten sich Steinbachs Eltern eigentlich 1953 durch eine Flucht in den Westen entziehen. Zuvor war der Betrieb der Familie enteignet und an einen „unfähigen“, jedenfalls fachfremden Parteigenossen übergeben worden. Nach dem 17. Juni 1953 wurde der Vater jedoch wieder als Leiter eingesetzt, so dass es „so weiter ging, wie vorher.“

 

Die Folgen des Braunkohletagebaus sollte Walter Christian Steinbach schon als Kind und Jugendlicher mitbekommen. Das Dorf südlich von Leipzig, in dem er mit seinen Eltern und Geschwistern lebte, fiel dem Braunkohletagebau zum Opfer und wurde abgebaggert. Für den damals 15-jährigen war der Umzug ins städtischere Markkleeberg allerdings nicht weiter tragisch. „Die alten Leute, die haben darunter gelitten, für die war es auch eine echte Tragödie, aber als Jugendlicher war man damals einfach froh, weg vom öden Dorf zu kommen.“ Er machte in Markkleeberg Abitur und studierte Mathe und Physik in Leipzig, wo er anschließend auch einen Lehrauftrag erhielt.

 

Das entscheidende Jahr für ihn war 1968: Die Sprengung der Leipziger Universitätskirche war ein sehr erschütterndes Erlebnis und brachte ihn schließlich zum Theologiestudium: „Da ist der Wunsch gewesen, etwas gegen diesen Staat zu tun, sich mit oppositionellen Ideen zu beschäftigen. Das ging meiner Meinung damals am Besten über die Theologie.“ Auch der Prager Frühling habe für die damals junge Generation eine Rolle gespielt und sei besonders in den Kirchen heiß diskutiert worden. Der so genannte Dritte Weg sei für Walter Christian Steinbach jedoch schon damals keine Option gewesen.

 

Nach dem Studium wurde er 1975 als Pfarrer nach Rötha versetzt, einer mitten im Braunkohlerevier gelegenen Kleinstadt südlich von Leipzig. Die katastrophale Umweltverschmutzung durch den Abbau der Braunkohle ließ Steinbach schließlich mit der Gründung eines Christlichen Umweltseminars aktiv werden. „Es hat allerdings schon drei Jahre gedauert, bis ich gemerkt habe, dass das so nicht mehr geht.“ Fast amüsiert bemerkte Steinbach noch am Rande: „In meiner Erinnerung haben wir das Seminar 1979, in meiner Stasi-Akte steht allerdings 1980, also glauben wir mal der Stasi.“ Das Umweltseminar verstand sich als Ökumene, die auch unabhängig vom Schutz der Kirche agieren wollte.

 

Es habe aber doch nicht zu den Grundaufgaben eines Pfarrers gehört, ein Christliches Umweltseminar zu gründen, so eine provokante Bemerkung der Moderatoren. Da ist ein wenig wie Don Camillo und Peppone gewesen, wo man sich die ganze Zeit selbst belauerte, so Steinbach. Zudem habe man in der DDR ja auch nicht die ganze Zeit auf den Barrikaden gestanden, sondern versucht, sich Freiräume zu schaffen. Manchmal habe man welche gefunden, manchmal nicht. Kleine Schritte seien der Anfang gewesen. „1978 haben wir von der Gemeinde aus angefangen, Bäume zu pflanzen und wurden zunächst als FDJ-Gruppe bezeichnet“, bemerkte Steinbach amüsiert. Nach zwei, drei Jahren pflanzte der Staat schließlich mit. Die Bepflanzungen waren dem CUR irgendwann nicht mehr genug: Anfang der 1980er schmuggelte Steinbach nach einem Besuch bei der Partnergemeinde in Holzminden eine Druckmaschine in die DDR. Indem er die Maschine mit dem nächsten Zug nachkommen ließ, wurde diese illegale Einfuhr auch nicht entdeckt. Auf der Druckmaschine seien für die Mitglieder Tonnen von grauer Literatur mit einem ganzheitlichen Ansatz vervielfältigt worden. „Das ging von Back- und Kochrezepten über die Kernaussagen Gorbatschows bis zur Umweltsituation im nahe gelegenen Tagebau Espenhain.“ Bei der Dokumentation dieser katastrophalen Umweltverschmutzung habe man sich eines Tricks bedient. Da die Veröffentlichung von Umweltdaten in der DDR nur bis 1978 erlaubt war, habe man den Jetzt-Zustand aus der Entwicklung der 1970er Jahre berechnet.

 

Wie es zu der DDR-weiten Aktion „1 Mark für Espenhain“ gekommen sei, wollten die Moderatoren wissen. Sie hätten am Anfang immer Eingaben an Honecker geschrieben und auch mit Vertretern der SED diskutiert. Doch ab Mitte der 1980er Jahre hat es darauf keine Reaktion mehr gegeben, so Steinbach. „Die DDR hatte intellektuell einfach keine Kraft mehr.“ Mitte der 1980er, als den Mitgliedern des CUR klar war, dass sich nichts ändern würde, wurde man frecher. „Gibt es eine Aktion die gerade noch legal ist?“ Das ist im CUR die Frage gewesen, so Steinbach. Da Geld- und Unterschriftensammlungen in der DDR verboten waren, überlegte sich Steinbach, dass 1 Mark ja noch kein nennenswerter Betrag und eine Quittungsunterschrift noch keine Sammlung. So entstand die DDR-weite Aktion „1 Mark für Espenhain“, die vor allem auch mit der Unterstützung eines Dresdner Kreises gelang.

 

„Als Pfarrer war es immer etwas einfacher, man konnte sich mehr erlauben, musste aber aufpassen, niemanden in Gefahr zu bringen“, so Steinbach zu seinem Engagement in den 1980er Jahren. 1989 wurde die Situation allerdings immer schwieriger. Die Arbeit des CUR konzentrierte sich auch sehr auf die Nikolaikirche, wo es unter anderem Friedensgebete abhielt. Auch am 9. Oktober 1989 war Steinbach dort beim Friedensgebet und nahm an der anschließenden Montagsdemonstration teil. „Es ist dabei schwer, die Dinge souverän zu betrachten, wir hatten aber wirklich das Gefühl, den wichtigsten Tag unseres Lebens zu erleben.“

 

Die Wiedervereinigung hätte er sich etwas später gewünscht, dennoch hält er sie für nötig, da er sich weder als Ost- noch West- sondern immer als Deutschen gesehen hätte. „Mit der Wiedervereinigung hat auch die alte Bundesrepublik aufgehört zu existieren.“ Aus welchen Visionen sei in den letzten 20 Jahren etwas geworden beziehungsweise nichts geworden, wollten die Moderatoren wissen. Steinbach hätte sich eine nicht ganz so rasche Auflösung der Runden Tische gewünscht, da ihm Partizipation bis heute ein wichtiges Anliegen ist. Für ihn ist die Mischung dieser vertikalen und der horizontalen Politik sehr wichtig für deren Gelingen. Doch Veränderungen seien heute eben schwerer herbei zu führen als vor 20 Jahren.

 

Kurz nach der Wiedervereinigung trat Steinbach zunächst in die SPD, anschließend in die CDU ein und wurde nach einer kurzen Zeit als Abgeordneter des Sächsischen Landtages 1991 zum Regierungspräsidenten der Landesdirektion Leipzig berufen. Ob es ihn dort nicht gestört habe, am Anfang mit so vielen DDR-Beamten, darunter auch Stasi-Leuten zusammen zu arbeiten, so eine Frage aus dem Publikum. Seines Wissens gibt es seit 1991 keine Stasi-Mitarbeiter in seiner Verwaltung mehr, lautete die Antwort Steinbachs.

 

Was aus der Aktion „1 Mark für Espenhain“ geworden sei, wollte zum Schluss eine Besucherin wissen. Damit wollte man etwas Symbolisches machen, so Steinbach. Das eingenommene Geld sei nach 1989 in eine Stiftung geflossen, die Projekte für den Leipziger Südraum unterstützt. So habe die Aktion „1 Mark für Espenhain“ bis heute ihre Wirkung entfalten können.

 

 

 

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AUS DEM GÄSTEBUCH

 

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Mehrere tausend Menschen besuchen monatlich die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ mit dem Museum im Stasi-Bunker. Manche leben in Leipzig und kommen – häufig mit Gästen – immer wieder in die Ausstellung. Andere kommen von weit her zu Besuch in die Stadt und wollen hier sehen, wo und wie vormals das berüchtigte Ministerium für Staatssicherheit arbeitete.

 

Viele unserer Besucher hinterlassen eine Notiz im Gästebuch und schreiben hier ihre Eindrücke nieder, die sie in der Gedenkstätte gesammelt haben. Unter dieser Rubrik wollen wir monatlich einige dieser Einträge an Sie weitergeben.

 

„Im Ausland (bzw. Frankreich) hat man keine Ahnung, dass die Methoden von der STASI genau so schlimm & unmenschlich waren, wie in einer Diktatur...Ich war mir nicht bewusst, wie furchtbar diese Zeit gewesen ist. Vielen Dank für die wahre Darstellung der damaligen Ereignisse.“

Eintrag einer Besucherin vom August 2009

 

„Das ist eine grundsätzlich überzeugende Ausstellung, lediglich der Raum mit dem thematischen Schwerpunkt (unserer Gruppe) ist zu simpel für uns. Marx und Engels müssen völlig anders gelesen und verstanden werden. Ein genaues Studium ermöglicht geschichtlich-philosophische Interpretation, die auch im Lichte der aktuellen Diskussion Anreize zur Diskussion liefert.“

Eintrag eines Doktors der Philosophie vom August 2009

 

„Very well organized museum plenty of information and exact depiction of the operations of Stasi. Please translate the information in English. Every foreign should learn about what happened within these walls... (perhaps they should learn German!)“

Eintrag eines Besuchers vom 07.08.2009

 

„Erschreckend und spannend zugleich! Leider gibt es diese Geheimdienste noch immer. Und was heutzutage möglich ist, um „seine“ Bürger auszuspionieren, möchte ich mir lieber nicht ausmalen.“

Eintrag einer Besucherin vom 11.08.2009

 

 


 



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Die Arbeit des Bürgerkomitees wird gefördert durch die Stiftung Sächsische Gedenkstätten aus Mitteln des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien auf der Grundlage eines Beschlusses des Deutschen Bundestages und des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst sowie durch die Stadt Leipzig und den Kulturraums Leipziger Raum.

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Bürgerkomitee Leipzig e.V.
für die Auflösung der ehemaligen Staatssicherheit (MfS)
Träger der Gedenkstätte
Museum in der „Runden Ecke“ mit dem Museum im Stasi-Bunker
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