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  Newsletter Oktober 2010

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

 

der Jahrestag der Deutschen Einheit steht bevor und damit auch wieder interessante Filme, besondere Führungen und spannende Gespräche im Museum in der „Runden Ecke“. Auch an den Herbst ´89 zu erinnern, in dem tausende von Menschen für Freiheit und Demokratie auf die Straße gingen und zur friedlichen Überwindung einer Diktatur beitrugen, ist ein wesentliches Anliegen des Bürgerkomitees und Leipzigs als Stadt der Friedlichen Revolution.

 

Unser Veranstaltungsprogramm ist dabei wieder vielfältig: Am 2. Oktober zeigt der Regisseur Wolfgang Ettlich seinen Dokumentarfilm aus dem Jahr 1991 „Ausgerechnet Bananen“, der den Kampf einer ostdeutschen Familie in der freien Marktwirtschaft beschreibt. Am 4. Oktober ist der bekannte Publizist und Bürgerrechtler Konrad Weiß beim Montagsgespräch zu Gast und am 9. Oktober wird die erste Stele der permanenten Ausstellung „Orte der Friedlichen Revolution“ im Leipziger Stadtraum eingeweiht, am Abend öffnet die „Runde Ecke“ wieder ihre Türen zur langen Ausstellungsnacht.

 

Alle Termine und Informationen rund um die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit und zum Herbst ´89, erhalten Sie unter der Rubrik „Wir laden ein“.

 

Wir würden uns freuen, wenn Sie wieder mit uns feiern und wünschen Ihnen viel Vergnügen beim Lesen des Newsletters.

 

Ihr Bürgerkomitee Leipzig

 

 

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INHALT

Wir laden ein

Rückblick

Aus dem Gästebuch

 

 

 

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WIR LADEN EIN

 

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2. OKTOBER, 19.00 UHR, EHEMALIGER STASI-KINOSAAL

„AUSGERECHNET BANANEN. EIN DEUTSCH-DEUTSCHES WIRTSCHAFTSWUNDER“ – FILMVORFÜHRUNG UND GESPRÄCH

Im Rahmen von „Herbst ´89“ findet in Zusammenarbeit mit dem Sächsischen Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen ein Filmabend mit anschließendem Gespräch im Museum in der „Runden Ecke“ statt.

Der Dokumentarfilm „Ausgerechnet Bananen. Ein deutsch-deutsches Wirtschaftswunder“ des Regisseurs Wolfgang Ettlich beschäftigt sich mit dem Leben der Familie Schütze und deren Auseinandersetzungen mit der freien Marktwirtschaft. Dieses Zeitdokument deutsch-deutscher Geschichte zeigt Probleme und Anpassungen der Menschen in den neuen Bundesländern nach der Wiedervereinigung aus sehr persönlicher Sicht.

Im Anschluss an die Filmvorführung findet ein Gespräch mit dem Filmemacher und dem Ehepaar Schütze statt.

Moderation: Dr. Nancy Aris, LStU Sachsen

 

 

4. OKTOBER 2010, 19.00 UHR, EHEMALIGER STASI-KINOSAAL

„WIR SIND DAS VOLK“ – MONTAGSGESPRÄCH IN DER „RUNDEN ECKE“ MIT KONRAD WEIß

Zum Doppeljubiläum von Friedlicher Revolution und Deutscher Einheit lädt das Bürgerkomitee Leipzig e.V. jeden ersten Montag im Monat Akteure des Friedlichen Umbruchs von 1989/90 ein, die sich damals für Freiheit und Demokratie engagierten und einen gleichermaßen außergewöhnlichen wie exemplarischen Lebensweg haben. Diesmal ist der Publizist und Bürgerrechtler Konrad Weiß zu Gast.

 

„Dass Menschen die Kraft finden, sich nach jahrzehntelanger Unterdrückung selbst zu befreien,“ hält er für die wichtigste Errungenschaft der Friedlichen Revolution. Konrad Weiß hat 1989 als Mitbegründer der Bürgerbewegung Demokratie Jetzt aktiv am Friedlichen Umbruch mitgewirkt und ist bis heute eine gefragte Stimme zu den Ereignissen von vor 20 Jahren. Am 4.10.2010, um 19.00 Uhr wird der 22. Gast der Montagsgespräche von seinem Werdegang und seinem Engagement erzählen und sich den Fragen der Moderatoren Tobias Hollitzer und Reinhard Bohse stellen.

 

Konrad Weiß wurde 1942 im schlesischen Lauban geboren. Aufgewachsen in einer katholischen Familie in der Diaspora lernte er das DDR-Regime als ständigen Unrechtsstaat kennen. So wurde er beispielsweise nicht zur Erweiterten Oberschule zugelassen. Nach einer Ausbildung als Elektromonteur und dem Abitur an der Abendschule arbeitete er zunächst im Katholischen Seelsorgeamt Magdeburg, woran sich ein Studium an der Deutschen Hochschule für Filmkunst Potsdam-Babelsberg anschloss. Von 1969 bis 1990 war er als Regisseur im DEFA-Studio Berlin für Dokumentarfilme tätig, wo er verschiedenste Länder besuchen durfte.

 

Im September 1989 gehörte er zu den Begründern von Demokratie Jetzt, einer Bewegung gegen den Geist und die Praxis der Abgrenzung, dessen Sprecher er wurde. Er beteiligte sich an den Runden Tischen in Berlin und wurde Abgeordneter der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Von 1990 bis 1994 war er Mitglied des Deutschen Bundestages für Bündnis 90/Die Grünen.

 

Seit 1995 ist Weiß als freier Publizist tätig. Er ist unter anderem Mitglied des Bürgerbüro e.V. zur Aufarbeitung von Folgeschäden der SED-Diktatur, in der Katholischen Akademie Berlin und in der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Weiß steht für die Erinnerung an den Nationalsozialismus, sowie die Aufarbeitung der SED-Diktatur. Er plädiert dafür, dass möglichst viele Menschen selbst politische Verantwortung übernehmen Andererseits sieht er die Verantwortung der Mitbestimmung und die Bindung Deutschlands in der Europäischen Union sowie die Integration von Mittel- und Osteuropa als besonders wichtig an.

 

Moderation: Reinhard Bohse (Mitbegründer des Neuen Forums in Leipzig 1989) und Tobias Hollitzer (Leiter der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“)

 

 

9. OKTOBER 2010, 12.00 UHR, AUGUSTUSPLATZ (GEGENÜBER HAUPTPOST)

AUSSTELLUNGSERÖFFNUNG – ORTE DER FRIEDLICHEN REVOLUTION

Das Bürgerkomitee Leipzig e.V. eröffnet am 9. Oktober 2010 die Ausstellung „Orte der Friedlichen Revolution“. Das Projekt markiert ca. 20 „Orte der Friedlichen Revolution“ im Leipziger Stadtraum, an denen Aktionen stattfanden, die zum Sturz der SED-Diktatur und zum demokratischen Umbruch beitrugen: von der Demonstration für Bürger- und Menschenrechte im Januar 1989 über die Aufdeckung der Wahlfälschung im Mai 1989 bis zur entscheidenden Montagsdemonstration am 9. Oktober und der Besetzung der Leipziger Stasi-Zentrale.

 

Mit der Errichtung thematischer Stelen werden die Topographie und die zeitliche Entwicklung der Friedlichen Revolution erlebbar. Sie sollen an die Kraft der demokratischen Idee erinnern, die den Bürgern zur Selbstbefreiung von der Diktatur verhalf, und zeigen, dass sich Zivilcourage und Einsatz für einen freiheitlichen und demokratischen Staat lohnen. Die Leipziger und die Besucher der Stadt werden so mit einem wichtigen Kapitel der deutschen Geschichte konfrontiert und die besondere Rolle Leipzigs als Stadt der Friedlichen Revolution für den demokratischen Aufbruch 1989 eindrucksvoll präsentiert.

 

Zur Übergabe der ersten Stele am 9. Oktober 2010, 12.00 Uhr am Augustusplatz (gegenüber Hauptpost)

laden wir herzlich ein.

 

Grußwort von Markus Meckel, Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur

Dr. Johannes Beermann, Staatsminister und Chef der Sächsischen Staatskanzlei

Burkhard Jung, Oberbürgermeister der Stadt Leipzig

 

Das Projekt wird mit Mitteln der Stadt Leipzig, des Förderprogramms Friedliche Revolution und Deutsche Einheit des Freistaates Sachsen, der Stiftung Sächsische Gedenkstätten sowie der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur realisiert.

 

 

9. OKTOBER 1989 – TAG DER FRIEDLICHEN REVOLUTION

Wie schon in den vergangenen Jahren hat die Initiative „Tag der Friedlichen Revolution – Leipzig 9. Oktober 1989“ auch ein umfangreiches Programm zum als „Tag der Entscheidung“ in die jüngere Deutsche Geschichte eingegangenen 9. Oktober 1989 zusammengestellt, als 70.000 Menschen ihre Angst überwanden und friedlich für Freiheit und Demokratie demonstrierten. Die wichtigsten Programmpunkte finden Sie in diesem Newsletter, eine komplette Übersicht auf der Webseite www.herbst89.de

 

 

9. OKTOBER 2010, 11.00-18.00 UHR, NASCHMARKT

MARKT FÜR DEMOKRATIE

Die Feierlichkeiten zum Gedenken an die Friedliche Revolution nehmen engagierte Bürger zum Anlass, an die Wurzeln der Freiheitsbewegung vor 20 Jahren zu erinnern: Die Selbstbesinnung des mündigen Bürgers auf seine Kraft zur Veränderung, zur Demokratisierung der Gesellschaft, in der er lebt. Der Markt für Demokratie zeigt auf, dass jeder Bürger die Möglichkeit hat, die Gesellschaft mitzugestalten, sie jeden Tag demokratischer – menschlicher zu machen. Er zeigt, wie Bürgerbeteiligung an politischen Entscheidungen funktioniert und beweist, dass es sich lohnt, sich zu engagieren, weil Beharrlichkeit zum Ziel führt.

 

 

9. OKTOBER 17.00-18.00 UHR, NIKOLAIKIRCHE

FRIEDENSGEBET

„…das Netz ist zerrissen, und wir sind frei.“

Seit 1982 fanden regelmäßig Friedensgebete, organisiert von Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen, in der Nikolaikirche statt. Von hier gingen im September 1989 die Montagsdemonstrationen aus, nach denen sich am 9. Oktober 70.000 Menschen versammelten, um zu demonstrieren. Das traditionelle Friedensgebet findet auch in diesem Jahr zum Gedenken an die entscheidende Demonstration vom 9. Oktober 1989 statt.

 

Predigt: Pfarrer Bernhard Stief, Musik von Arvo Pärt: „Annum per annum“ K-G-C-S-A, Orgel: Nikolaikantor Jürgen Wolf.

 

 

9. OKTOBER 2010, NIKOLAIKIRCHE

REDE ZUR DEMOKRATIE VON PROF. DR. NORBERT LAMMERT

Die „Rede zur Demokratie“ in der Nikolaikirche gehört seit 2001 zu den Höhepunkten der Reihe „Herbst ´89“. Jeweils am 9. Oktober spricht ein Vertreter eines Verfassungsorganes der Bundesrepublik in der Kirche, die 1989 Schauplatz der Friedensgebete und Ausgangspunkt der Montagsdemonstrationen war. Zu den Rednern gehörten bereits der Bundespräsident, der Bundestagspräsident, der Bundesratspräsident und der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes. Am 9. Oktober spricht der Präsident des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. Norbert Lammert.

 

 

9. OKTOBER, 20.00 UHR-21.00 UHR, AUGUSTUSPLATZ

LICHTFEST

Die Bürger sind wie 1989 wieder die Hauptakteure. Beim Lichtfest ist der historische, authentische Ort der Aktionsraum: Wo im Herbst ´89 und besonders am 9. Oktober Tausende für Freiheit und Demokratie demonstrierten, lädt 2010 ein Kunst- und Bürgerprojekt zum Teilnehmen ein. Auf dem Programm stehen unter anderem eine Improvisation auf zwei Orgeln in der Leipziger Nikolaikirche und in der Berliner Reichtagskuppel, ein Laser-Performance und das Gestalten einer leuchtenden ´89 aus tausenden von Kerzen.

 

 

9. OKTOBER 2010, 20.00 UHR-23.00 UHR

„STASI – MACHT UND BANALITÄT“ UND „LEIPZIG AUF DEM WEG ZUR FRIEDLICHEN REVOLUTION“ – LANGE AUSSTELLUNGSNACHT; SONDERFÜHRUNGEN UND FILMVORFÜHRUNGEN

Anlässlich des Lichtfestes im Rahmen der Veranstaltungsreihe zum „Herbst ´89“ finden ständig Führungen durch die Sonderausstellung „Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“ mit ihrer Erweiterung um die Ereignisse nach der Friedlichen Revolution, wie die Deutsche Einheit, die Demokratisierung des Staates oder die Wirtschafts- und Währungsunion, sowie die Dauerausstellung „Stasi – Macht und Banalität“ statt. Zudem werden Filme zum 9. Oktober 1989 gezeigt.

 

 

12. OKTOBER 2010, 19.00-21.00 UHR, EHEMALIGER STASI-KINOSAAL

SEBASTIAN PFLUGBEIL (HRSG.): „AUFRECHT IM GEGENWIND – KINDER VON 89ERN ERINNERN SICH“ – BUCHVORSTELLUNG

Einen neuartigen und unabhängigen Zugang zu den Ereignissen um die Friedliche Revolution bietet die Befragung von Menschen, die damals Schulkinder oder Jugendliche waren. Für die 1989 politisch aktiven Eltern war oft gerade der Druck der DDR-Obrigkeit auf die Kinder ein wesentliches Motiv, auf die Straße zu gehen. Gleichzeitig führten die Aktivitäten der Eltern zu einem beträchtlichen Risiko für die Kinder. Wie sind sie mit dem politischen Druck in der Schule umgegangen, haben sie verstanden, weshalb ihre Eltern sich dem Staat entzogen und im Herbst 89 an die Öffentlichkeit gingen? Wie erlebten sie den Umbruch, die Treffen der Bürgerrechtler in ihren Wohnungen, die Vorbereitungen von Demonstrationen? Was haben sie von den Aktivitäten der Stasi mitbekommen? Die 25 sehr individuellen Porträts eröffnen eine überraschend neue Perspektive auf die Wendezeit und ihre Vorgeschichte.

 

Begrüßung: Tobias Hollitzer (Bürgerkomitee Leipzig e.V.)

Einführung: Dr. Sebastian Pflugbeil (Herausgeber)

Podium: Sebastian Pflugbeil, Katharina Köhler, Frauke Lietz, Katharina Pflugbeil, Alexander Schulz u. a.

Moderation: Michael Beleites (Sächsischer Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen)

 

 

Das Buch erscheint als Band 9 in der Schriftenreihe der Sächsischen Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen und wird von der Evangelischen Verlagsanstalt herausgegeben. Das Bürgerkomitee veranstaltet die Buchvorstellung in Kooperation mit beiden Institutionen.

 

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RÜCKBLICK

 

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6. SEPTEMER 2010, 19.00 UHR, EHEMALIGER STASI-KINOSAAL

„WIR SIND DAS VOLK“ – MONTAGSGESPRÄCH IN DER „RUNDEN ECKE“ MIT ROLAND QUESTER

Als „Land meiner Kindheit und Jugend, als Land, das mich den Widerspruch zwischen Schein und Sein gelehrt hat, als Land absurder öffentlicher Statements und Reden“ beschreibt Roland Quester die DDR im Vorfeld des 21. Montagsgespräches. Die beiden Moderatoren Reinhard Bohse und Tobias Hollitzer begrüßten wieder einen Gast, der sich an der Friedlichen Revolution beteiligt. Die Ausführungen des Gastes betrafen wie immer nicht vordergründig die politischen Ereignisse sondern die Biografie des Gastes.

 

Zu Anfang stellte Tobias Hollitzers die obligatorische Frage, wann erden Ausruf „Wir sind das Volk“ zum ersten Mal vernommen habe. Quester wusste nicht mehr das genaue Datum, doch war er sich bewusst, den Ruf zum ersten am Nikolaikirchhof bei einer Montagsdemonstration als Gegenruf zu „Wir wollen raus!“ gehört zu haben.

 

Nach dieser Einstiegsfrage folgten weitere zu Quester Leben und seiner Familie in der DDR. Auf eine Frage Bohses, beschreibt der Gast die Herkunft seines Nachnamens: Dieser komme aus dem Hugenottischen, obwohl seine Familie väterlicherseits aus Schlesien stamme. Seine Mutter kam aus Bad Liebenwerda, wo sich seine Eltern nach Ende des Krieges kennen lernten. Sie gingen nach Halle, wo der Vater Architektur studierte. Nach abgeschlossenem Studium zog die Familie nach Leipzig. Questers Mutter war stets zu Hause und kümmerte sich trotz des Abschlusses als Zahntechnikerin um die drei Kinder. Die Einschulung als „Mutti-Kind“ empfand der Gast nicht als schwierig. Er sei in die Vorschule gegangen, um sich an den Schulalltag zugewöhnen und kam sehr gut zurecht. Allerdings sei er „auffällig eingeschult“ worden: Die Kinder bauten zu Hause eine Bude auf einem Baum, wobei ihm ein Stein auf den Kopf fiel. Nach einem kurzen Aufenthalt im Krankenhaus erschien er mit einem Turban auf dem Kopf, was natürlich bei seinen Mitschülern Eindruck machte.

 

Roland Quester durfte, wie seine ältere Schwester nach der zehnten Klasse nicht auf die Erweiterte Oberschule wechseln, da seine Eltern als Intelligenz galten und sie zudem nicht in der FDJ sondern getauft waren. Sein jüngerer Bruder wurde später auf Grund sehr guter Leistungen zur EOS zugelassen, aber noch vor Beginn des Schuljahres wieder von der Schule verwiesen.

 

Tobias Hollitzer fragte nach seiner Stellung in der Schule, ob er ein „bunter Vogel“ gewesen sei. Er fühlte sich in seiner Klasse nie allein, da andere Themen als die Massenorganisationen als wichtig angesehen wurden.

 

Von häuslicher Seite sei er kritisch erzogen worden; es wurde Deutschlandfunk gehört und die Tagesschau gesehen, trotzdem sei sein Interesse für Politik während der Schulzeit gering gewesen. Dies änderte sich erst nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl. Da bemerkte er durch Informationen in den West-Medien, dass in der DDR verschwiegen und verharmlost wurde, da sich die Berichterstattung der Bundesrepublik in keiner Weise mit der der DDR deckte, „was überhaupt nicht mehr zusammenging.“

 

Nach Abschluss der schulischen Ausbildung war er sich über seinen beruflichen Werdegang nicht sicher, entschied sich dann für eine Ausbildung zum Tischler, dessen Berufsbild er durch seinen Vater, der ebenfalls gelernter Tischler war, und eine heimische Werkstatt kannte. Im Rahmen der Ausbildung bemerkte er, dass er in diesem Beruf keine Erfüllung finden würde. Trotzdem lernte er dort den Unterschied zwischen Schul- und Arbeitsalltag, die harte körperliche Arbeit, Präzision und Geduld. Nach dem Wehrdienst war Quester noch einmal für kurze Zeit als Tischler tätig, fühlte sich in dem Betrieb aber nicht wohl und beschloss, dort nicht weiter zu arbeiten. Danach verdiente er sich für kurze Zeit sein Geld als Modell in der Hochschule für Grafik und Buchkunst.

 

1986 trat er der AG Umweltschutz beim Jugendpfarramt bei, einer Gruppe, die sich zu dieser Zeit neu strukturierte und in der er zahlreiche Aufgaben wahrnahm. Quester war offiziell arbeitslos, aber die „Gruppe hat jeden Monat was in ein Körbchen gelegt.“

 

Auf die Frage von Bohse, was seine Motivation für das umweltpolitische Engagement gewesen sei, nannte der Gast mehrere Gründe: Die Situation in Leipzig, Schaumlagen auf Flüssen, schmutzige Luft, ein grauer Dunst über der Stadt, ließ selbst Kinder zu der Erkenntnis gelangen, dass „das nicht der Normalzustand ist.“ Auch ohne Fachkenntnisse wurde ihm klar, „hier wirst du einfach nur veralbert.“ Er sei „hineingewachsen, durch das, was man erlebt hat, durch diese Diskrepanzen“ zwischen politischen Erklärungen und der realen Situation.

 

Zur Demonstration am 1. Mai 1986 ging einer mit einem Transparent mit der Aufschrift „Atomkraft – Nein danke!“, worauf ihm und seinem Freund sofort dieses entrissen wurde und beide abgeführt und lange verhört wurden.

Er beschäftigte sich in der Umweltgruppe mit stadtökologischen Fragen, pflanzte Bäume und beobachtete eine Mülldeponie, zu der Leipzigs gesamter Müll gebracht wurde. Um Erkenntnisse und Arbeitserfolge zu veröffentlichen wurde die Samisdat-Zeitschrift „Streiflichter“ DDR-weit herausgegeben. 1988 begannen sie, die „Grünen Abende“ wiederzubeleben, Informationsveranstaltungen zu bestimmten ökologischen und politischen Themen. Da die Nikolai –sowie die Thomaskirche keine offenen Türen für diese Veranstaltung hatten, war Quester sehr dankbar, diese „große tolle Reihe“ in der Reformierten Kirche durchzuführen. Seine Arbeitslosigkeit wurde geduldet und stellte für ihn sogar einen Vorteil dar: Ihm konnte kein Berufsverbot erteilt werden.

 

Sein Blick auf die DDR wurde im Laufe der Zeit immer politischer und er hätte gerne den Slogan „Arbeiter mit, plane mit, regiere mit!“ ernst genommen. Die Situation war aber anders: „Mitarbeit ok, mitplanen schon gar nicht und mitregieren war ja das Allerletzte.“

 

Welche Rolle für ihn die Friedensgebete gespielt hätten, wollte Hollitzer wissen. Für Quester persönlich seien sie weniger bedeutend gewesen, da er sich nie als echtes Kirchenmitglied ansah. Deshalb habe er nicht an den Gebeten teilgenommen, für die Arbeit der Gruppe seien sie aber sehr wichtig gewesen.

Als spannend und aufregend empfand er diese Zeit, in der es „brodelte.“ Als störend sah er an, dass Montagsdemonstrationen sowie Friedensgebete stark von Ausreisewilligen geprägt waren – er wollte in seiner Heimat bleiben und diese verändern. Somit empfand er den Ausspruch „Wir sind das Volk“ als etwas sehr positives, da er den Willen zu Umwälzungen zeigte.

 

Seine Umweltgruppe und er wollten eigenverantwortliche Umweltarbeit leisten und so gründeten sie zu der Zeit als auch das Neue Forum oder Demokratie Jetzt entstanden, den Ökolöwen. Sie waren bei allen Runden Tischen und auch im Haus der Demokratie dabei und konnten sich, da sie erst einmal die Vereinsbasis organisieren wollten, nicht an der Gründung der Partei Die Grünen beteiligen. Der Ökolöwe engagierte sich beispielsweise stark bezüglich des Tagebaus Cospuden, der Einführung von Tempo 30-Zonen in Wohngebieten oder der Neugründung der Stadtwerke.

 

1994 ist Roland Quester „in den Stadtrat reingerutscht.“ Die Grünen fragten ihn, ob sie ihn als Kandidaten aufstellen könnten und er willigte ein, in der Annahme nicht gewählt zu werden. „Ich schlage die Zeitung auf, sehe meinen Namen und denke, das ist falsch gedruckt“, sagte Quester bezüglich seiner Wahl in den Leipziger Stadtrat. Da er von vielen Menschen bewusst gewählt wurde, musste er sich dieser neuen Aufgabe, mit der „man was bewegen kann“, stellen.

Demokratie erfordere Mitmachen und er verweist auf Vaclav Havel, der der Auffassung war, dass Politik den Glauben das Richtige zu tun einschließen müsse. Es werde sowohl von Bürgern erwartet, dass sie sich eingehend informieren, als auch von Politikern, dass sie sich nach gründlicher Prüfung und Überlegung entscheiden würden. Diese Aufgabe nehme er gerne wahr und halte sie in einer parlamentarischen Demokratie für entscheidend.

 

Die Veränderungen nach 1989 seien gravierend gewesen. Die „demokratische Entwicklung“ sei zudem mit der Verantwortung auf politischer Seite verbunden, dem entgegenzuwirken, dass Menschen das Gefühl bekommen, nichts verändern und bewegen zu können. Als schwierig sehe er die Kopplung von Politik und Medien an und die oftmals anzutreffende Ausrichtung politischer Entscheidungen an medialer Berichterstattung. So sei seine Anfangszeit als Stadtrat schwierig und mühselig gewesen und er sei oft verzweifelt – trotzdem lohne sich die Arbeit.

 

Nach einer abschließenden Fragerunde durch die Besucher wurde ein spannendes und aufschlussreiches 21. Montagsgespräch beendet.

 

 

12. SEPTEMBER 2010, 10.00 UHR-16.00 UHR

TAG DES OFFENEN DENKMALS

Auch in diesem Jahr beteiligte sich die Gedenkstätte an dem Tag des offenen Denkmals, der zahlreichen Besuchern die Auswahlmöglichkeit zwischen vier verschiedenen Orten bot.

In der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ fanden in der Zeit von 10.00 Uhr bis 16.00 Uhr halbstündlich Führungen zum Thema „Stasi intern. Rundgang durch die ehemalige Zentrale des MfS“ - Vom Keller zum Boden und anderen Orten des (un)heimlichen Gebäudekomplexes statt. Dabei erhielten die Besucher Einblicke in sonst nicht zugängliche Räumlichkeiten der ehemaligen Bezirksverwaltung des Ministeriums für Staatssicherheit. So wurden die zahlreichen Besuchen unter anderem zu den geschützten Unterkünften, der Führungsstelle für den Kriegsfall, zu der Kegelbahn und der Klingertreppe, die 1978 von der Staatssicherheit abgetragen und 2010 wieder errichtet wurde, geführt.

 

Die ehemalige zentrale Hinrichtungsstätte der DDR hatte von 11.00 bis 15.00 Uhr geöffnet. Dort fanden ständig Führungen unter dem Motto „Todesstrafe in der DDR – Hinrichtungen in Leipzig“ statt, an denen 525 interessierte Besucher teilnahmen, so viele wie noch nie .

Die ehemalige Haftanstalt in der Alfred-Kästner-Straße in Leipzig ist der Ort, an dem von 1960 bis zur Aufhebung der Todesstrafe 1987 die Todesurteile für die gesamte Deutsche Demokratische Republik vollstreckt wurden. Der Hinrichtungsraum ist bis heute erhalten geblieben. Der Themenbereich „Todesstrafe in der DDR”, dem insgesamt 160 Menschen zum Opfer fielen, ist heute weitgehend in Vergessenheit geraten. Über die Hintergründe der Todesstrafe, die bis 1981 vollstreckt wurde, wird nur in geringem Umfang informiert. Wenig bewusst ist auch, dass die Todesstrafe erst 1987 offiziell abgeschafft wurde. In Leipzig wurden nach heutigem Kenntnisstand 64 Menschen hingerichtet.

Um 11.00 Uhr fand der Stadtrundgang „Auf den Spuren der Friedlichen Revolution“ beginnend an der Nikolaikirche, dem Ausgangsort der Montagsdemonstrationen, die sich aus den dort stattfindenden Friedensgebeten entwickelten, statt. Der Stadtrundgang begann an der Nikolaikirche, dem Ort der Montagsgebete, die entscheidend zum gewaltfreien Verlauf der Revolution beigetragen haben. Er führte weiterhin zu den Schauplätzen von oppositionellen und widerständischen Aktionen in Leipzig, die während des gesamten Jahres ´89 von verschiedenen Gruppen initiiert wurden.

 

Zudem fanden im Museum im Stasi-Bunker in der Zeit von 10.00 Uhr-16.00 Uhr Führungen durch die Ausweichführungsstelle des Leiters der Stasi-Bezirksverwaltung, Manfred Hummitzsch, mit originaler Einrichtung.

Im Rahmen von Führungen wurde unter anderem vermittelt, wie die Versorgungssysteme funktionierten, wie DDR-weit Nachrichtenkontakte zustande gekommen wären und welche Überlebensstrategien sich die Staatssicherheit für einen Atomschlag entwickelt hatte. Eine Ausstellung gibt Einblick in die Mobilmachungsplanung im Bezirk Leipzig und die Einbindung der Ausweichführungsstelle in diese Vorbereitungen auf den „Tag X“. Sie dokumentiert die spezielle Aufgabe des MfS im Ernstfall – bis hin zur geplanten Einrichtung von Isolierungslagern für Oppositionelle.

 

 

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AUS DEM GÄSTEBUCH

 

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Mehrere tausend Menschen besuchen monatlich die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ mit dem Museum im Stasi-Bunker. Manche leben in Leipzig und kommen – häufig mit Gästen – immer wieder in die Ausstellung. Andere kommen von weit her zu Besuch in die Stadt und wollen hier sehen, wo und wie vormals das berüchtigte Ministerium für Staatssicherheit arbeitete.

 

Viele unserer Besucher hinterlassen eine Notiz im Gästebuch und schreiben hier ihre Eindrücke nieder, die sie in der Gedenkstätte gesammelt haben. Unter dieser Rubrik wollen wir monatlich einige dieser Einträge an Sie weitergeben.

 

 

„Die Eindrücke gehen unter die Haut.“

(Besucher der Dauerausstellung am 02.09.2010)

 

„Vielen Dank für die Zusammenstellung und die Aufrechterhaltung unserer Geschichte. Es ist so important, daß wir nichts davon vergessen.“

(Besucher der Dauerausstellung aus den USA - geboren in Karl-Marx-Stadt - am 02.09.2010)

 

„Eine bemerkenswert sorgfältige Ausstellung. Ich wünsche Ihnen mehr interessierte Besucher, die sich ebenso betreffen lassen wie ich, die ich die politische Entwicklung seinerzeit aus „sicherer Entfernung“ in Süddeutschland erlebt habe.“

(Besucher der Sonderausstellung am 05.09.2010)

 

„Für uns ist es unfassbar, was hier gezeigt. Ich selbst stamme aus Leipzig und bin seit 20 Jahren in Hessen verheiratet. Trotzdem weiß man nicht, was man sagen soll.“

(Besucher der Dauerausstellung am 10.09.2010)

 

„Wir erlebten eine ausgesprochen interessante Führung durch die Ausstellung mit ergreifenden Exponaten. Vieles ist eigentlich unvorstellbar. Danke für die sachkundigen und teils ergreifenden Erläuterungen.

(Besucher der Dauerausstellung am 12.09.2010)

 

 

 

 

„Die – selbst erlebte – Geschichte wird so lebendig erhalten. Sehr gut gemacht! Weiterhin viel Erfolg!“

(Besucher der Sonderausstellung am 13.09.2010)

 

„Es ist beklemmend zu sehen, wie Menschen durch totalitäres Macht-Gehabe bedrängt werden. Und es ist ermutigend zu sehen, dass sich doch einige (mit Erfolg) dagegen wehren.

(Besucher der Sonderausstellung am 13. 09.2010)

 

„Wir sind sehr beeindruckt von dieser Ausstellung! Sie ist umfassend, aufklärend und in der Aufmachung leicht verständlich. Schade, daß es nur eine zeitlich begrenzte Sonderausstellung ist; es sollte eine Dauerausstellung sein und vor allem der Jugend nahe gebracht werden.“

(Besucher der Sonderausstellung am 15.09.2010)

 

„Congratulations to Leipzig on your 21st anniversary of freedom. Remember all your hard work and what it was for. The free world is still proud of you today.”

(Besucher aus den USA der Sonderausstellung am 16.09.2010)

 

 


 



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Träger der Gedenkstätte
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