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  Newsletter April 2011

 

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

 

wie immer im April blicken wir zurück auf spannende Veranstaltungen im Rahmen des beliebten Lesefestivals „Leipzig liest“. Zu den 19 Buchpremieren, Diskussionen und Lesungen zu den Themen Kommunistische Diktatur, Staatssicherheit und Friedliche Revolution kamen über 800 Gäste. In unseren Veranstaltungsresümees unter der Rubrik „Rückblick“ finden Sie das Interessanteste zusammengefasst.

 

Am 18. April 2011 jährte sich die Befreiung Leipzigs durch die amerikanischen Truppen am Ende des Zweiten Weltkriegs zum 66. Mal. Zwei Monate, bis zum 2. Juli 1945 blieben die Amerikaner in der Stadt und bezogen in der „Runden Ecke“ ihr Quartier. In dieser kurzen Zeit begannen sie bereits demokratische Strukturen in Leipzig aufzubauen. In Erinnerung an diese kurze Zeit der Hoffnung, die mit dem Einmarsch der Roten Armee Anfang Juli jäh abbrach, wurde am 18.04.2011, um 11.00 Uhr eine Gedenktafel von Oberbürgermeister Burkhard Jung und US-Generalkonsulin Katherine Brucker an der „Runden Ecke“ eingeweiht. Das Bürgerkomitee hat die Stadt Leipzig bei den Vorbereitungen unterstützt und öffentlich Stellung bezogen. Weitere Informationen finden Sie in der Rubrik „Aus der der Arbeit der Gedenkstätte“.

 

Wir freuen uns auf Ihren Besuch und wünschen Ihnen eine interessante Lektüre unseres Buchmesse-Rückblicks.

 

Ihr Bürgerkomitee Leipzig

 

 

 

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INHALT

Aus der Arbeit der Gedenkstätte

Rückblick

Aus dem Gästebuch

 

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AUS DER ARBEIT DER GEDENKSTÄTTE

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18.APRIL 2011, 11.00 UHR: EINWEIHUNG DER GEDENKTAFEL ZUR BEFREIUNG LEIPZIGS DURCH DIE US-ARMEE 1945 UND AUSSTELLUNGSERÖFFNUNG

Am Abend des 18. April 1945 erreichten amerikanische Truppen der 2. und der 69. Infanteriedivision Leipzig und befreiten die Stadt kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges von der nationalsozialistischen Herrschaft. Die Amerikaner, die in der „Runden Ecke“ am Innenstadtring ihr Quartier bezogen, begannen sofort mit dem Neuaufbau demokratischer Strukturen, der jedoch nach wenigen Wochen mit der Übergabe Leipzigs an die Rote Armee am 2. Juli 1945 abgebrochen wurde. Nun begann die systematische Einführung einer kommunistischen Diktatur.

 

An diese oft in Vergessenheit geratenen ersten Wochen eines demokratischen Neuanfangs gilt es zu erinnern. So wurde am 18. April 2011, um 11.00, eine Gedenktafel durch Oberbürgermeister Burkhard Jung und US-Generalkonsulin Katherine Brucker an der „Runden Ecke“ eingeweiht.

 

Das Bürgerkomitee Leipzig e.V. begrüßt ausdrücklich die öffentliche Würdigung der Befreiung Leipzigs von der nationalsozialistischen Terrorherrschaft durch die US-Armee. Auch die Entscheidung für die "Runde Ecke" als Ort für die Gedenktafel findet volle und nachhaltige Unterstützung.

 

Am Vormittag des 18. April 2011 wurde die von Harald Alff gestaltete Gedenktafel durch Oberbürgermeister Burkhard Jung und US-Generalkonsulin Katherine Brucker an der „Runden Ecke“ offiziell eingeweiht. Der in deutsch und englisch zu lesende Text lautet: „Zu Ehren der Truppen der 2. und 69. Infanteriedivision der US-Armee, die Leipzig am 18. April 1945 von der nationalsozialistischen Diktatur befreiten. In diesem Gebäude befand sich bis Ende Juni 1945 die Militärregierung und das Hauptquartier des VII. US-Armee-Korps.“

 

In seiner Rede begrüßte Oberbürgermeister Burkhard Jung ausdrücklich den Stadtratsbeschluss zur Anbringung einer Gedenktafel. Mit der Einweihung werde nun endlich dem Tatbestand der Befreiung Leipzigs und dem sofortigen Aufbau demokratischer Strukturen Rechnung getragen, der in den letzten Jahrzehnten ignoriert wurde. Jung bedauerte, dass mit dem Einzug der Roten Armee Anfang Juli 1945 die Hoffnungen auf den Aufbau einer Demokratie im Keim erstickt wurden. Gerade das Gebäude der „Runden Ecke“, in dem die Stasi über Jahrzehnte ihren Sitz hatte, symbolisiere die Zerrissenheit dieser Zeit in besonderem Maße. Es sei fast ein Hohn, dass der sowjetische Repressionsapparat und später die Staatssicherheit im gleichen Gebäude Quartier bezogen, wie kurz zuvor die Befreier, so Jung.

 

Generalkonsulin Katherine Brucker erfüllte es mit Stolz für ihre Landsleute sprechen zu dürfen, die vor 66 Jahren Leipzig von der nationalsozialistischen Herrschaft befreiten. Die Schnelligkeit und der große Sinn für das Praktische, mit der die Amerikaner innerhalb weniger Wochen mit dem Aufbau demokratischer Strukturen begannen, sei Ausdruck für deren Optimismus. Die USA haben Deutschland zudem nie als bezwungenen Feind betrachtet, sondern immer auch als Partner. So habe man Westdeutschland beim Aufbau der Demokratie unterstützt und sei auch den Menschen in Ostdeutschland verbunden geblieben.

 

Im Anschluss an die Enthüllung lud die Stadt Leipzig die etwa 70 anwesenden Gäste zu einem kleinen Empfang im Museum in der „Runden Ecke“ ein. In den Räumen der Gedenkstätte konnte außerdem die Ausstellung „3 Tage im April“, konzipiert von der Fachstelle für Extremismus und Gewaltprävention der Stadt Leipzig, besichtigt werden, in der die Befreiung Leipzigs und des KZ-Außenlagers Abtnaundorf durch die Amerikaner eindrücklich dargestellt ist.

 

Der jetzt auf der Tafel stehende Text lässt jedoch wichtige Aspekte der Leipziger Stadtgeschichte außen vor und sagt weder deutlich, dass unter der amerikanischen Besatzung in Leipzig ein demokratischer Neuanfang begann, noch, dass mit der Übergabe der Stadt an die sowjetische Besatzungsmacht erneut eine Diktatur aufgebaut wurde. Die jetzige Formulierung des Tafeltextes hat leider Argumentations- und Vermittlungsmuster aus DDR-Zeiten aufgenommen. Die diesbezüglich vom Bürgerkomitee Leipzig e.V. immer wieder intern vorgebrachte Kritik wurde nicht gehört.

 

Das Bürgerkomitee geht nach wie vor davon aus, dass gerade an diesem Haus, in dem seit 1952 die Leipziger Bezirksverwaltung für Staatssicherheit ihren Dienstsitz hatte, auch die Bedeutung des Besatzungswechsels im Juli 1945 im Text der Gedenktafel deutlich angesprochen werden muss. In der Begründung zum Antrag im Leipziger Stadtrat ist ausdrücklich die Rede von "den amerikanischen Befreiern, die das Tor zu einem demokratischen Neuanfang öffneten". Mit der Übernahme der Stadt durch die Rote Armee wurde dieses Tor für weitere fast 45 Jahre wieder geschlossen. Ebenfalls ungenau ist das Datum "Ende Juni". Nach aktuellem Kenntnisstand wurde der Besatzungswechsel am 1. bzw. 2. Juli 1945 vollzogen. Dies sollte auch so geschrieben werden.

 

Spätestens zum 2. Juli 2011, dem Jahrestag des Besatzungswechsels muss dieses für die jüngste Geschichte der Stadt Leipzig derart bedeutsame Ereignis auch öffentlich Erwähnung finden. Es gibt in Leipzig zwar eine Kommandant-Trufanow-Straße, an die Befreiung von den Nazis durch die Amerikaner aber erinnert bis heute keine einzige Straße. So ist die heute der Öffentlichkeit übergebene Tafel ein wichtiger Schritt, dem allerdings nun umgehend weitere folgen müssen.

 

Weitere Informationen finden Sie in unserer Pressemitteilung unter www.runde-ecke-leipzig.de/presse/presseerklaerungen.html

 

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RÜCKBLICK

 

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17. – 20. MÄRZ 2011 BETEILIGUNG AN „LEIPZIG LIEST“

In diesem Jahr feierte „Leipzig liest“ sein 20-jähriges Jubiläum und fast genau so lange ist auch schon das Museum in der „Runden Ecke“ dabei. Seit 1993 begrüßten wir zu über 120 Veranstaltungen mehr als 8.000 Gäste. Mit 19 Buchpremieren, Lesungen und Diskussionen organisierte die Gedenkstätte in diesem Jahr so viele Veranstaltungen wie noch nie. Das zeigt, dass auch nach dem Doppeljubiläum von Friedlicher Revolution und Deutscher Einheit das publizistische Interesse an den Themen SED-Diktatur und deren friedlicher Überwindung ungebrochen zu sein scheint. Insgesamt begrüßten wir in diesen vier Tagen über 800 Besucher. Die anschließenden Resümees geben einen Einblick in die Vielfältigkeit dieser Aufarbeitung. Die meisten Neuerscheinungen sind noch auf dem Büchertisch der Gedenkstätte erhältlich

 

 

17.03.2011, 14.00 UHR, KINOSAAL

Buchvorstellung und Diskussion

MICHAEL BELEITES U. A. (HG.): KLASSENKAMPF GEGEN DIE BAUERN

Der Klassenkampf gegen die Bauern stellt bis heute einen wissenschaftlich wie medial kaum beachteten Aspekt der DDR-Geschichte dar. So lautete der Grundtenor der in der Buchvorstellung „Klassenkampf gegen die Bauern“ geführten Diskussion zwischen dem Mitherausgeber des Sammelbandes, dem ehemaligen sächsischen Landesbeauftragten für die Stasiunterlagen, Michael Beleites, dem Bauern und Mitautor Dr. Jörg Gerke, dem Zeitzeugen Dr. Manfred Probst sowie dem Historiker Dr. Jens Schöne, ebenfalls Mitautoren des Bandes. Vor einem sehr interessierten Publikum wurde bei der Kooperationsveranstaltung mit dem Metropol-Verlag der Frage nachgegangen, welche Auswirkungen die DDR-Landwirtschaftspolitik auf die heutige Agrarstruktur Ostdeutschlands hat und worin die Gründe für diese Entwicklung liegen.

 

Eingangs skizzierte der Historiker Dr. Jens Schöne die ideologischen Grundlagen der Bodenreform, des Kampfes gegen die Großbauern und der sich anschließenden Kollektivierung der Landwirtschaft. Walter Ulbricht und seine Mitstreiter, so Schöne, hielten sich eng an die Ausführungen Lenins, der, auf den Grundlagen von Marx und Engels, die Proletarisierung der Bauernschaft zum Ziel hatte. Dr. Manfred Probst erlebte die Kollektivierung des elterlichen Betriebes als Jugendlicher hautnah. Eindrücklich schilderte er, wie sein Vater zur „freiwilligen“ Übergabe des Bauernhofes an die LPG gezwungen wurde. Die Familie floh daraufhin Pfingsten 1960 über Westberlin in die Bundesrepublik.

 

Die Zwangskollektivierung sei ein zentraler Grund für den Mauerbau gewesen, so Schöne mit Blick auf die sich in jener Zeit rapide verschlechternde Versorgungslage infolge massenhafter Abwanderung von Bauern in den Westen. Dr. Jörg Gerke ging der Frage von Moderator Helmuth Frauendorfer nach, wie die Kollektivierung strukturell überhaupt funktionieren konnte. Dazu führte Gerke die Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB) sowie die „SED auf dem Lande“, die Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD), an, die Abgaben erzwangen sowie den Terror gegen Bauern schürten, die sich der Kollektivierung widersetzten.

 

Nach einer kurzen Beschreibung der Rolle der VdgB, dessen Funktionäre auch heute noch erheblichen Einfluss auf den Deutschen Bauernverband haben, wandte sich das Podium den Auswirkungen der SED-Politik auf die heutige Landwirtschaft zu. Michael Beleites hätte es nicht für möglich gehalten, dass die alten DDR-Agrarkader derartig großen Einfluss auf die ostdeutsche Landwirtschaftspolitik behalten konnten. Er kritisierte in diesem Zusammenhang die Rolle der Politik und der Medien, die kein Interesse an einer Aufarbeitung der bis heute nachwirkenden Folgen der SED-Politik auf die Landwirtschaft hätten. Dazu zitierte Helmuth Frauendorfer aus dem Buch von Dr. Jörg Gerke („Nehmt und Euch wird gegeben. Das ostdeutsche Agrarkartell“, AbL Bauernblatt 2008), nach dem die alten DDR-Agrarkader im Vergleich zu den anderen DDR-Eliten nach 1989 im besonderen Maße finanziell profitiert hätten. Dies würde besonders am vorhandenen „Herrschaftswissen“ liegen, welches es jenen Gruppen ermöglichte, Land zu „Spottpreisen“ von der Treuhand zu erwerben sowie das Vermögen der alten LPGen künstlich herunterzurechnen und sich damit am Genossenschaftsvermögen zu bereichern. Die Gründung neuer bäuerlicher Existenzen wurde indessen massiv behindert, so Gerke ergänzend. Hinzu trat, von der Regierung Kohl gestützt, die teilweise Enteignung von Erben aus dem Westen. Die Folge war und ist, dass ein Großteil der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Ostdeutschland in den Händen weniger Agrargroßbetriebe liegt und sich damit faktisch die alten DDR-Strukturen – inklusive der DDR- Altkader – auf dem Lande erhalten haben.

 

Förderlich für diese strukturelle Hinterlassenschaften der DDR sei auch die EU-Subventionspolitik, die Gelder nach der Größe des bewirtschafteten Landes verteilt. Michael Beleites spricht in diesem Zusammenhang von „diktaturbedingten Subventionsvorteilen“ in Ostdeutschland und bezeichnet die ostdeutschen LPG-Nachfolger damit als „Sieger der Geschichte“. Immerhin seien, so Gerke, den Großbetrieben zweistellige Euro-Milliardenbeträge zugeflossen. Gefördert wurde die Politik der Erhaltung großer Agrarflächen in Ostdeutschland auch durch Unterstützung westdeutscher Professoren, die so, im Gegensatz zu den traditionellen bäuerlichen Strukturen, eine effizientere Bewirtschaftung prognostizierten. Dr. Manfred Probst erläuterte ausführlich, dass genau das Gegenteil eintrat, da dies perspektivisch zu Raubbau (keine Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung) und Entwurzelung der Bauernschaft führt.

 

Wie sei es möglich gewesen, dass sich die alten Strukturen in die neue Zeit retten konnten, so eine Frage aus dem Publikum. Hierzu waren die Diskutanten unisono der Meinung, dass es hinsichtlich der Aufarbeitung dieses Themas an gesellschaftlichem Rückhalt fehle. Um diesem Problem entgegenzuwirken, sprach sich Dr. Jens Schöne für eine verstärkte Erforschung aus und lobte gleichzeitig das vorgestellte Buch für den gespannten Bogen zwischen historischer Betrachtung und den Auswirkungen auf die heutigen Strukturen. Dr. Jörg Gerke betonte, dass nur eine veränderte EU-Subventionspolitik sowie eine kritische Aufarbeitung der heutigen Strukturen, insbesondere durch die Medien, einen Wandel herbeiführen können. Moderator Helmuth Frauendorfer schloss die Runde mit der Feststellung, dass bei der Aufarbeitung des DDR-Unrechts vielfältige Aspekte zu beachten seien und die Erforschung der Kaderpolitik bis heute vernachlässigt wurde, was sich unter anderem in den konstatierten Entwicklungen auf dem ostdeutschen Lande widerspiegelt.

 

Literaturhinweis:

Beleites, Michael/ Graefe zu Baringdorf, Friedrich Wilhelm/ Grünbaum, Robert (Hg.): Klassenkampf gegen die Bauern – Die Zwangskollektivierung der ostdeutschen Landwirtschaft und ihre Folgen bis heute, Metropol-Verlag, Berlin 2010.

 

 

17.03.2011, 16.00 UHR, KINOSAAL

Buchvorstellung

FRANK BÖTTCHER, CORNELIA KLAUß: UNERKANNT DURCH FREUNDESLAND. ILLEGALE REISEN DURCH DAS SOWJETREICH

„Wo einem die Freiheit weggenommen wird, muss man sie sich einfach nehmen.“ Nach diesem Motto handelten junge Leute, die in den letzten beiden Jahrzehnten der SED-Diktatur ein Gesetzesschlupfloch ausnutzten, um auf eigene Faust „Unerkannt durch Freundesland” - auch „UdF“ genannt - die Sowjetunion zu bereisen. Von diesen illegalen Abenteuern zwischen dem Baltikum und dem Baikalsee erzählen über 20 Berichte in dem gleichnamigen Sammelband, herausgegeben vom Gründer des Lukas-Verlages, Frank Böttcher, und Cornelia Klauß, der am 17.03.2011, um 16.00 Uhr im Museum in der „Runden Ecke“ vorgestellt wurde. Von den über 60 Gästen meldete sich über die Hälfte bei der Frage, wer denn schon einmal in der Sowjetunion gewesen sei. Man war also in bester Gesellschaft.

 

Die Filmemacherin Cornelia Klauß, die 2006 eine Dokumentation über die illegalen Reisen durch die Sowjetunion herausbrachte, erzählte von der Entstehung des Bandes und dem Phänomen solcher Reisen. Neben dem UdF-Reisenden Frank Böttcher lasen anschließend auch die Bürgerrechtler Carlo Jordan und Michael Beleites aus ihren Beiträgen vor. Der Historiker Christian Halbrock beleuchtete in seinem Vortrag die Sicht der Staatssicherheit auf diese illegal Reisenden.

 

DDR-Bürger waren in ihrer Reisefreiheit immer stark eingeschränkt. Der Westen war sowieso tabu, zahlreiche Länder des Ostblocks konnten nur mit einem Visum bereist werden. Zugang in die Sowjetunion bekam man ab 1964 über ein Transitvisum, das zwei Tage gültig war, danach war der Aufenthalt im Land illegal und es musste immer darauf geachtet werden, nicht der Miliz oder Agenten des KGB in die Hände zu fallen. Ohne offizielle Aufenthaltsdokumente war es äußerst schwierig, an Hotelzimmer, Zugfahrkarten oder gar Flugtickets zu kommen. Eine gemeinsame Erfahrung aller Abenteurer war aber die große Gastfreundschaft, mit der sie von den Einheimischen empfangen, bewirtet und aufgenommen wurden und wie sich in einem totalitären Staat die persönliche Freiheit bewahren lässt. Vielen gelang es von der Sowjetunion aus sogar mit dem DDR-Sozialversicherungsausweis, der um ein Bild ergänzt einem Reisepass ähnelte, bis in die Mongolei oder gar China weiterzureisen.

 

Carlo Jordan hatte sicherlich die meisten Erlebnissen bei seinen zahlreichen Reisen durch die Sowjetunion gesammelt und es trotz mehrmaligen Reisesperren immer wieder geschafft, ein Transitvisum zu bekommen und sogar Freunde aus dem heutigen Litauen zu sich nach Berlin einzuladen. Von Jordan wurde auch Frank Böttcher zu einer UdF-Reise ermutigt und reiste illegal durch Tschetschenien, einem Land voller Sehenswürdigkeiten und einer großen Gastfreundlichkeit, das nach Jahren des Krieges heute leider nur noch für Zerstörung und Leid stünde.

 

Auch Michael Beleites wurde von Carlo Jordan auf die Idee gebracht nach Litauen zu fahren, wo er kulturelle und auch politische Erfahrungen machte. Aus dem Buch las der langjährige sächsische Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen einige Anekdoten, die zum Teil erheiternd waren, zum Teil aber auch nachdenklich machten. Von Kindesbeinen an naturkundlich interessiert, wollte er schon immer zu den großen Vogelzügen auf die Kurische Nehrung in Rossitten/Rybatschij und zum Grab Joachim Tiedemanns, des Begründers der ersten Vogelwarte. Am 9. Oktober 1989, während 70.000 in Leipzig bei der entscheidenden Montagsdemonstration auf die Straße gingen, stand er auf dem verwahrlosten deutschen Friedhof an dem immer noch gepflegten Grab.

 

Christian Halbrock berichtete schließlich vom Blick der Stasi auf die illegalen Reisen. Allgemein könne man feststellen, dass diese Problematik für das MfS nicht von allzu großem Interesse war, schließlich fand der illegale Aufenthalt im sozialistischen Ausland statt, so dass man die Kontrolle lieber den Behörden im großen Bruderstaat überließ. Während der Reiseverkehr in Hinsicht auf Fluchtpläne und Bibelschmuggel (das Aufdecken der Hintermänner brachte eine gewisse Anerkennung bei den SU-Behörden ein) einer sehr starken Überwachung unterlag, versuchte man nicht mit allen Mitteln die illegale Ausdehnung von Transitvisa zu verfolgen. Stasi-interne Dokumente belegen sogar, dass man diese Reisen als Mittel ansah, den Bürgern gerade so viel Freiheit zu gewähren, dass sich die Stimmung im Land nicht überhitzte. Nur im Einzelfall sah es die Staatssicherheit mitunter als zweckmäßig an, den Reiseverkehr dieser Art zu reglementieren. Dabei verfolgte man das Ziel, Oppositionelle zu maßregeln, in Oppositionsgruppen Missgunst zu säen oder Einzelne zu belohnen, nachdem sie in ihrem Sinne gehandelt haben. Diese systematische Ungleichheit in der Behandlung sei ein Zeichen für die fehlende Rechtsstaatlichkeit der DDR, so der Historiker, der als Oppositioneller nie reisen durfte.

 

Die Vorstellung des Buches bot somit nicht nur spannende Reiseberichte für alle Abenteurer unter den Zuhörern, sondern auch einen Einblick in das Denken und Handeln der Stasi, die in jedem Einzelfall auf den Machterhalt ihrer Partei bedacht war und die Bürger des eigenen Landes neben den Freiheiten der Meinungsäußerung, der Presse und des Glaubens auch der Freiheit der Reise beraubte.

 

Wie viele UdF-Reisende es denn gewesen seien, lautete eine Frage aus dem Publikum. Dazu gebe es nur Schätzungen von 4.000 bis 5.000, so Frank Böttcher. Man treffe jedenfalls immer wieder welche und teile die gleichen Erinnerungen. Neben Leuten aus der alternativen Szene hätten sich vor allem Bergsportler und Kirchenleute auf den Weg gemacht. Die unterschiedlichsten Erlebnisse fasst „Unerkannt durch Freundesland“ nun zusammen und ist sowohl Reise- als auch Erinnerungs- und Aufarbeitungsliteratur.

 

Literaturhinweis:

Böttcher, Frank/Clauß, Cornelia (Hg.): Unerkannt durch Freundesland. Illegale Reisen durch das Sowjetreich, Lukas-Verlag, Berlin 2010.

 

 

17.03.2011, 18.00 UHR, KINOSAAL

Buchpremiere

STEFAN WOLLE: AUFBRUCH NACH UTOPIA. ALLTAG UND HERRSCHAFT IN DER DDR 1961 -1971

Mit „Aufbruch nach Utopia“ stellte Stefan Wolle, Historiker und wissenschaftlicher Leiter des DDR-Museums Berlin, am 17.03.2011, um 18.00 Uhr, in Kooperation mit dem Ch. Links Verlag den zweiten Band seiner Trilogie zur Alltagsgeschichte der DDR im Museum in der „Runden Ecke“ vor. Nach dem ersten Teil der Reihe „Die heile Welt der Diktatur“, der in den Jahren 1971 bis 1989 handelt, knüpft Wolle mit dem zweiten Band an und bewegt sich „Vorwärts in die Vergangenheit“, in die Jahre 1961 bis 1971.

 

Die 1960er Jahre begannen mit einer „politischen und moralischen Katastrophe“ – dem Mauerbau. Das Regime sah sich gezwungen, sich einzumauern, damit ihm die Leute nicht wegliefen, so Wolle. Dadurch steigerten sich auch die Repressalien gegen das eigene Volk. Andererseits schwappte die Zukunftseuphorie der UdSSR, des „großen Bruders“, in die DDR über. Die SED wähnte sich nun durch den „antifaschistischen Schutzwall“ sicher. Die Propaganda war voller Heilsversprechungen: In den 1980er Jahren würde das Geld abgeschafft und die Mieten wegfallen, so einige Beispiele. Tiefgreifende ökonomische Veränderungen sollten die Wirtschaft der DDR stärken. Doch die Sowjetunion bremste schließlich diese Reformansätze. Die „ausufernde Jugendpolitik“ wurde unterbunden und „Jeans und lange Haare wurden verboten.“

 

Wolle kam in seiner Einführung auf das prägende 1968, dem Jahr des „Prager Frühlings“. In der damaligen Tschechoslowakei gingen die Reformen weiter, bis die Truppen des Warschauer Paktes am 20.8.1968 einmarschierten. Mit der Niederschlagung des Prager Frühlings zerschellten endgültig auch die Hoffnungen auf positive Veränderungen in der DDR.

 

Nach dem kurzen Abriss der wichtigsten Geschehnisse der 1960er Jahre las Wolle aus seinem Prolog, der von Umberto Ecos „Die geheimnisvolle Flamme der Königin Loana“ erzählt. In diesem Roman verliert der Protagonist sein autobiografisches Gedächtnis und versucht anhand von Zeitschriften, Kinderbüchern oder Schallplatten seine Kindheit und damit seine Lebensgeschichte zu rekonstruieren. Wie in Ecos Roman versucht auch Wolle aus der Perspektive des „Helden“, ein kleiner Junge, die Geschichte wiederzugeben. Er verbindet dabei seine eigenen Erinnerungen mit den gesellschaftlichen Umständen und erzählt mit Hilfe von Pionierlagererlebnissen oder Alfons Zitterbacke, wie der Alltag für einen Jungen im Alter von 10 bis 18 Jahren in der DDR aussah.

 

Als Zehnjähriger im Pionierferienlager „M.I. Kalinin“ im Sommer 1961 merkte er, „dass irgendetwas in der Luft lag.“ Die Erzieher waren aufgeregt, eine Erzieherin brach sogar in Tränen aus. Der Lagerleiter erklärte den Kindern, warum der Mauerbau „eine bitterliche Notwendigkeit gewesen war“, da Westdeutsche Unheil gebracht hätten.

 

Außerdem erinnerte sich der Junge an die Sputnikeuphorie. Als Juri Gagarin bereits im April 1961 als erster Mensch die Welt umkreiste „schienen die kühnsten Träume der Menschheit möglich“. Sein Bild galt fortan als Symbol für den Fortschritt. Wolles Held erinnerte sich: „Sputnik war damals alles“ – es gab Sputnik-Schulhefte und sogar Sputnikkugelschreiber. Wider des östlichen Freudentaumels gab es auch Spötter, die reimten: „Keinen Kaffee, keine Sahne und auf dem Mond die rote Fahne.“

 

Wolle erzählt ebenfalls in seinem Band von Kinderliteratur, beispielsweise vom kleinen Raumfahrthelden „Alfons Zittererbacke“. Neben Büchern thematisiert der Autor auch Filme, die im Leben des Jungen wichtig waren und ihn geprägt haben.

 

Am Ende der Buchpremiere wurde die Runde für das Publikum eröffnet. Auf die Frage nach der methodologischen Logik seines Buches, erklärte Wolle seine Vorgehensweise: „Aufbruch nach Utopia“ bilde aus Fragmenten von Erinnerungen aus Filmen, Literatur oder Akten ein Gesamtbild der Geschichte. Hinzu komme seine persönliche Erinnerung und Perspektive sowie das Anliegen, Geschichte mithilfe von Mitteln eines Romans zu schreiben. Eben aus der Sicht eines Zehnjährigen, der zur Zeit des Prager Frühlings bereits ein 18jähriger junger Mann geworden war.

 

Literaturhinweis:

Wolle, Stefan: Aufbruch nach Utopia. Alltag und Herrschaft in der DDR 1961 -1971, Ch. Links Verlag, Berlin 2011.

Wolle, Stefan: die heile Welt der Diktatur, Ch. Links Verlag, Berlin 2001.

 

 

17.03.2011, 19.00 UHR, AUSSTELLUNG

Serbienschwerpunkt

TODOR KULJIC: UMKÄMPFTE VERGANGENHEITEN - DIE KULTUR DER ERINNERUNG IM POSTJUGOSLAWISCHEN RAUM

„Die Kommunisten kämpfen gegen den eigenen Nationalismus, Chauvinisten kämpfen gegen den Nationalismus der Anderen“, so erklärte Todor Kuljic die Grundlage des sozialistischen Vielvölkerstaats unter Tito, wobei Kuljic Tito immer als multinationalen Herrscher sieht, nicht als Herrscher über verschiedene Nationen. Zum Serbienabend in der „Runden Ecke“ sprachen Todor Kujic, Autor des Buchs „Umkämpfte Vergangenheiten“, und Jörg Sundermeier vom Verbrecher-Verlag über die Erinnerungskultur der Balkanstaaten an die sozialistische Diktatur Titos, der über den Vielvölkerstaat Jugoslawien herrschte.

 

Todor Kuljic wurde 1949 in Zrenjanin/Serbien geboren. Als Soziologe und Professor der philosophischen Fakultät in Belgrad publizierte er mehrere Bücher, die sich thematisch mit der Erinnerungskultur, dem Faschismus und besonders mit der Person Titos auseinandersetzten. Sein Buch „Umkämpfte Vergangenheiten“ ist besonders für das deutsche Publikum ergänzt worden. Viele Fakten, die man hier nicht voraussetzen kann, wurden essayistisch hinzugefügt, so dass es diese Ausgabe in Serbien gar nicht gibt. In drei Teilen: Die Neubewertung der Vergangenheit, Kritische Erinnerungskultur und Erinnerung an das Verbrechen, versucht er ein Umdenken zu erreichen. Besonders provokant in seiner Heimat ist der letzte Teil, der sich mit Vorschlägen für Erinnerungspolitik direkt an die Gesellschaft wendet.

 

Nach der Einführung fragte Sundermeier Kuljic, wie er in seinen Anführungen vorgegangen sei. Er wollte vor allem zeigen, wie man sich im Gebiet des ehemaligen Jugoslawien an den Sozialismus und Tito erinnert, so Kuljic. Auch interessierte ihn die Rolle der Erinnerung der sozialistischen Diktatur im Bürgerkrieg der 1990er Jahre auf dem Balkan. Die Vergangenheit sei letztlich der Grund für den Genozid und den Nationalismus, der heute in allen Balkanstaaten vorherrsche. Die Vergangenheit des sozialistischen Jugoslawien würde heute kriminalisiert und geächtet. Er wollte diesen modernen und aggressiven Nationalismus aus einer anderen Perspektive betrachten und den Grund dafür in der Vergangenheit finden. Sein Buch sollte gegen die bipolare Erinnerungskultur der einzelnen Staaten, die die Täter nur im anderen Land sehen, protestieren. Er fühle sich, obwohl es den Staat nicht mehr gibt, als Jugoslawe.

 

„Gab es ein natürliches Jugoslawien oder war besonders das zweite Jugoslawien unter Tito von Anfang an eine Konstruktion am Reißbrett, ein ,Völkergefängnis´?“ Ein großer Versuch sei Jugoslawien gewesen, der nach dem Zweiten Weltkrieg nie hätte gelingen können und dem Tod geweiht gewesen sei. Es sei jedoch kein Kunstgebilde gewesen, sondern ein multinationaler Staat ohne führendes Volk. Dies sei eine gute Basis für einen funktionierenden Staat, so Kuljic. Auch das sich Tito immer als Jugoslawe fühlte und handelte, sprach für ein sozialistisches Jugoslawien.

 

Während seiner Arbeit habe er gemerkt, dass die Meinung eines Menschen über Tito ihm seine Identität zeige. So würden konservative Linke über Tito sagen, dass er ein autoritärer Herrscher war und gleichzeitig habe er viel für den Frieden auf dem Balkan gemacht. Die größten Gegner Titos waren und seien Chauvinisten, die unter seiner Herrschaft noch mehr gelitten haben als Liberale.

 

Jörg Sundermeier fragte, wie sich die Menschen an Tito heute erinnern, ob er popularisiert oder verdammt wird. Man müsse in drei Ebenen unterscheiden, meinte Kuljic. Die offizielle Ebene sehe Tito als negativen Helden, die wissenschaftliche Ebene, die Historiker schreiben über Tito, jedoch auch als negativen Helden. Die Historiker waren immer schon Vasallen, der herrschenden Macht, so seien alle Historiker nach dem Fall Titos zu „Antititoisten“ geworden. Beim durchschnittlichen Menschen, die Gruppe die Kuljic am meisten interessiert, ist Tito noch immer sehr populär. Es herrsche eine besondere Nostalgie, die man schon „Titostalgie“ nennen könne. Vor allem die armen Menschen erinnern sich an Tito als positiven Helden, was sie an ihre Kinder und Enkel weitergeben. So wachse eine generationsübergreifende romantische „Titostalgie“. Man könne allgemein sagen, dass sich verschiedene Schichten unterschiedlich an Tito erinnern, so Kujlic. In einigen Balkanstaaten, zum Beispiel in Mazedonien, gelte Tito als Staatsbegründer. Wie sich die Menschen dort erinnern, möchte Sundermeier wissen. Dort sei die Gesellschaft auch nationalistisch geprägt. Die Erinnerung an Tito sei geformt worden zu einer staatsgründenden Mythologie. Die Erinnerungen seien nicht authentisch.

 

Abschließend schlägt Kuljic in seinem Buch vor, dass die jeweiligen postjugoslawischen Staaten ein „Museum der Schande“ errichten sollen. Die heutigen Museen zeigten meist monumentale Geschichte. Man brauche ein Museum der Schande, wo die Staaten ihre eigene Schuld und Schandtaten präsentieren und so der Staat zu seinen eigenen Verbrechen stehe. Noch habe diese Idee keine Chance auf dem Balkan, da der Nationalismus normalisiert sei. Der Blick der Geschichte müsse sich ändern, da die Schuld bei allen liege.

 

Dem Publikum beantwortet Todor Kuljic noch spezielle Fragen nach dem Umgang Titos mit ehemaligen faschistischen Kämpfern aus dem Zweiten Weltkrieg. Auch seine eigene Meinung über Tito wurde thematisiert, wobei er zugab, zunächst „Antititoist“ gewesen zu sein, letztlich aber seine Meinung über ihn relativiert habe, gegensätzlich zum gesellschaftlichen Wandel in Serbien.

 

Literaturhinweis:

Kuljic, Todor: Umkämpfte Vergangenheiten. Die Kultur der Erinnerung im postjugoslawischen Raum, Verbrecher-Verlag, Berlin 2010.

 

 

17.03.2011, 20.00 UHR, KINOSAAL

Buchpremiere

STEFAN WELZK: LEIPZIG 1968. UNSER PROTEST GEGEN DIE KIRCHENSPRENGUNG UND SEINE FOLGEN

Die Sprengung der Leipziger Universitätskirche 1968 gilt bis heute als ein singulärer Akt kultureller Barbarei, als bedeutsames Beispiel des von der SED ausgeübten Unrechts und als Beschleuniger des Legitimitätsverlustes der herrschenden Staatspartei. Mit dem Buch vom Stefan Welzk, dem elften Band der Schriftenreihe des LStU Sachsen, herausgegeben bei der Evangelischen Verlagsanstalt, wurde in Kooperation mit beiden Häusern dieses Mal ein Thema mit einem starken stadtgeschichtlichen Bezug vorgestellt. Nach einführenden Worten des Gedenkstättenleiters des Museums in der „Runden Ecke“, Tobias Hollitzer, betonte die stellvertretende Sächsische Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Dr. Nancy Aris, den besonderen Wert des Buches von Stefan Welzk gegenüber den bereits zum Thema erschienenen Publikationen. Mehr als die bisherige Literatur werde die enge Verbindung zur Stadtgeschichte, die Darstellung von Kindheit und Jugend in der DDR, das Spannungsfeld zwischen Anpassung und Protest, ein wichtiger Teil der Geschichte der DDR-Opposition sowie die Folgen auf die heutigen Diskussionen im Buch verarbeitet.

 

Nachdem Bilder von der Universitätskirche im Vorfeld der Sprengung gezeigt wurden, begrüßte Moderator Sven Felix Kellerhoff die Fotografin jener Bilder, Gudrun Vogel, und den Buchautoren Stefan Welzk auf dem Podium. Gudrun Vogel erzählte ausführlich die Hintergründe der Fotoentstehung. Damals an der Karl-Marx-Universität beschäftigt, wurde sie von zwei Genossen abgeholt und musste Fotos von der Universitätskirche unmittelbar vor der Sprengung anfertigen. Nachdem sie ihren Unmut über die Aktion geäußert hatte, wurde sie während der Sprengung in die Dunkelkammer der Universität „gesperrt“. Die Fotos, die ein Kollege indes mit ihrer Privatkamera von der Sprengung anfertigte, fanden erst 1988 den Weg in die Öffentlichkeit.

 

Der Buchautor Stefan Welzk arbeitete während der Sprengung an der Akademie der Wissenschaften in Potsdam. Nach der Sprengung initiierte er während der Preisverleihung zum Bachfest gemeinsam mit seinen Freunden eine Protestaktion. Welzk beschreibt in seinem Buch die genauen Vorbereitungen und den Ablauf dieser Aktion. Das Transparent mit den Umrissen der Universitätskirche und den Worten „Wir fordern Wiederaufbau“ entrollte sich - ein umfunktionierter Wecker diente dabei als Auslöser - genau im richtigen Moment und verfehlte seine Wirkung nicht. Die Nachricht verbreitete sich rasch im ganzen Land. Stefan Welzk war indessen nicht bei der Veranstaltung anwesend, da man ihn in Potsdam vermuten sollte. Bereits im Vorfeld dieser Aktion plante Welzk seine Flucht in den Westen. Zunächst wollte er über die Ostsee schwimmen, wofür er schon trainierte, später erschien ihm und einem Freund die Flucht über Bulgarien in die Türkei mit einem Faltboot sicherer. Mit der Flucht wollte er sich gemeinsam mit seinem Freund der Verfolgung in der DDR entziehen.

 

Nach einer Lesung aus dem Abschnitt über die ca. 30 Stunden dauernde Flucht kam es zu der Frage, wie seine in der DDR verbliebenen Kameraden schließlich in das Visier der Stasi gerieten. Auslöser hierfür war ein Westberliner Student, der sein Vertrauen erschlich und den er in die geplante Flucht der anderen an der Plakataktion beteiligten Freunde in die Bundesrepublik einweihte. Jener verriet die Fluchtabsichten und ebenfalls die Aktion in Leipzig an das MfS. Die Stasi nahm 1970 die Ermittlungen nun wieder auf und verhaftete die an der Aktion Beteiligten, die noch in der DDR lebten. Es folgten langjährige Freiheitsstrafen. Stefan Welzk hatte indessen das Ziel, seine Freunde mit Hilfe der Bundesregierung freizukaufen. Diese wurden nach einer Amnestie aber in die DDR entlassen.

 

In der Diskussion mit dem Publikum wurde kurz die konträre Position Dietrich Kochs hinsichtlich der Vorbereitungen der Plakataktion vorgetragen. Stefan Welzk betonte, dass er nur die historische Wahrheit, insbesondere die Kulturbarbarei der SED und die politische Symbolik („ideologisches Exempel“) der Sprengung dokumentieren wolle. Dr. Annette Weidhas von der Evangelischen Verlagsanstalt bedankte sich anschließend bei Stefan Welzk für das bedeutende Buch. Die Veranstaltung endete mit den historischen Filmaufnahmen der Sprengung.

 

Literaturhinweis:

Welzk, Stefan: Leipzig 1968. Unser Protest gegen die Kirchensprengung und ihre Folgen, Schriftenreihe des LStU Sachsen, Bd. 11, Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2011.

 

 

18.03.2011, 14.00 UHR, KINOSAAL

Buchpremiere

ARVID SCHNAUER: ZUR ARBEIT DES ROSTOCKER GERECHTIGKEITSAUSSCHUSSES, TEIL 2: 1990-94

Als die Demokratie Beine bekam, war Arvid Schnauer mittendrin. Der heute 74-jährige Rostocker Pfarrer in Rente beteiligte sich 1989 an den Protesten zur Friedlichen Revolution und war Mitglied, später Vorsitzender, des Rostocker Gerechtigkeitsausschuss, der von 1989 und 1994 verschiedene Rehabilitierungsverfahren bearbeitete und sich so für die Aufarbeitung der SED-Diktatur einsetzte. Seine Erlebnisse aus der Zeit hat Schnauer aufgeschrieben und über die Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen Mecklenburg-Vorpommern herausgegeben. Marita Pagels-Heineking moderierte auch die Buchpremiere zum zweiten Teil von Schnauers Erinnerungen.

 

Wie er mit der doppelten Rolle des Zeitzeugen und Hobby-Historikers zurecht gekommen sei, fragte Pagels-Heineking Schnauer zu Beginn der Veranstaltung. Sachlich zu bleiben, sei in der Tat schwierig gewesen, so dass er sich das gleich von Anfang an abgewöhnt habe, so der Autor. Sein Anliegen sei es eher gewesen, eine Art Lesebuch zu verfassen, das den Jüngeren einen Eindruck der damaligen Zeit aus seiner Perspektive gibt.

 

Als 1989 auch in Rostock die Menschen auf die Straße gingen und sich die Kirchen mit Protestierenden füllten, versuchte die SED auf diesen Druck hin den Bürgern entgegen zu kommen, indem sie verschiedene thematische Foren schuf, unter anderem für Umwelt und Verkehr, Kultur und Demokratie. In dieser Phase kam die Idee eines Gerechtigkeitsausschusses auf, der den Auftrag erhalten sollte, Anfragen zur Rehabilitierung aufzunehmen und zu bearbeiten. Am 14. November 1989 hielt der Ausschuss seine erste Sitzung im Rostocker Rathaus ab und hatte 14 Mitglieder. Schnauer, der im Jahr zuvor Rathausverbot erhielt, weil er den SED-Oberbürgermeister beleidigt hatte, versuchte gleich von Anfang an drei wichtige Dinge zu ändern: Zum einen sollte der Gerechtigkeitsausschuss der Stadt unterstehen und nicht der Stadtverordnetenversammlung und nicht zuletzt sollte der Staatsanwalt, der sich zu Anfang in diesem Gremium befand, den Ausschuss verlassen. Zum Erstaunen aller wurden alle drei Forderungen akzeptiert.

 

Ob es große Diskrepanzen zwischen den von der SED geschickten Mitgliedern und Leuten wie Schnauer gegeben hätte, so eine weitere Frage von Frau Pagels-Heineking. Erstaunlicherweise erinnert sich Schnauer an nicht so viele, da „alle 14 Mitglieder ehrlichen Herzens waren und wirklich etwas verändern wollten.“ Allerdings sei es zu großen Meinungsverschiedenheiten und Austritten gekommen, als der Gerechtigkeitsausschuss sich 1991 kritisch zur IM-Tätigkeit des renommierten Mediziners Horst Klinkmann äußerte.

 

Der Gerechtigkeitsausschuss wurde in einer ersten Phase noch von der SED eingesetzt und hat seine Arbeit bereits im November 1989 aufgenommen. Aus der Fülle von Eingaben las Arvid Schnauer im weiteren Verlauf der Veranstaltung vor. „Diese spiegeln das ganze Spektrum dessen wider, was den Rostockern zwischen 1945 und 1989 an Ungerechtigkeit widerfahren ist“, so der Autor. Akzeptiert wurden nur Eingaben in schriftlicher Form, wovor viele Menschen zurück geschreckt seien, so Schnauer: „Die saßen dann aber manchmal bei uns im Büro und haben uns von dem Unrecht erzählt, das ihnen widerfahren ist. In manchen Fällen haben wir daraus auch eine schriftliche Eingabe machen können.“

 

Natürlich habe man auch mit der Staatssicherheit zu tun gehabt, die noch im November 1989 einen Maßnahmeplan entwickelte, um das Ministerium zu retten. Zum Schein wollte man sich demokratisch geben und hatte unter anderem vor, die eigenen Haushaltsmittel zu kürzen, die Privilegien der Stasi-Mitarbeiter abzuschaffen und sogar eine Bürgersprechstunde in der Stasi-Bezirksverwaltung einzuführen. Solche Dokumente, die die Absichten der Stasi enthüllten, seien auch heute nicht so häufig zu finden, bemerkte dazu Marita Pagels-Heineking.

 

Welche Möglichkeit hatte der Gerechtigkeitsausschuss überhaupt Aufarbeitung zu betreiben. Es habe zwei Phasen gegeben, so Schnauer. Bis zur Wiedervereinigung sei viel möglich gewesen, man konnte mehr Druck ausüben, manchmal habe allein schon der Name des Gerechtigkeitsausschusses Türen geöffnet. Nach der Wiedervereinigung habe der Gerechtigkeitsausschuss seine Arbeit fortgesetzt. Zahlreiche neue Gesetze machten es schwieriger, Menschen zu rehabilitieren. Außerdem konnten viele Fälle bis 1990/91 nicht abschließend bearbeitet werden. So schildert Schnauer den Fall eines Grenzsoldaten, der zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden war, weil er angeblich die Fluchtabsichten seines Kameraden nicht gemeldet hatte. Trotz mehrjähriger Bemühungen des Gerechtigkeitsausschusses, wurde dem Mann keine Rehabilitierung zuteil. Erst 1994 gelang unter der Mithilfe von Rechtsreferendaren ein positiver Ausgang für den Antragsteller. Ob ihm das als psychisch und physisch kranken Mann viel Freude gemacht habe, bezweifelt Schnauer jedoch.

 

Die Menschen hinter den Fällen zu sehen, die Akten zu öffnen und den Unrechtstaat aufzuarbeiten, war das Anliegen des Gerechtigkeitsausschusses. Schmerzlich habe er trotz mancher Erfolge feststellen müssen, dass diese Ziele zu hoch gesteckt waren, resümierte Schnauer.

 

Literaturhinweis:

Schnauer, Arvid: Zur Arbeit des Rostocker Gerechtigkeitsausschusses. Erinnerung, Notate, Dokumente, Teil 1: 1989/90, hrsg. von der LStU Mecklenburg-Vorpommern 2009.

Schnauer, Arvid: Zur Arbeit des Rostocker Gerechtigkeitsausschusses. Teil 2: 1989/90, hrsg. von der LStU Mecklenburg-Vorpommern 2011.

 

 

18.03.2011, 16.00 UHR, KINOSAAL

Buchvorstellung

FRANK JOESTEL (HG.): DIE DDR IM BLICK DER STASI 1988. DIE GEHEIMEN BERICHTE AN DIE SED-FÜHRUNG

Die Vorstellung des zweiten Bandes der auf 37 Bände angelegten Gesamtausgabe der geheimen Stasi-Berichte Erich Mielkes an die Berliner SED-Führung begann mit einer Überraschung. Erst fünf Tage im Amt, entschloss sich der neue Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, spontan an der Kooperationsveranstaltung zwischen dem Bürgerkomitee und dem Verlag Vandenhoeck und Ruprecht teilzunehmen. Zumal dieses Mammutprojekt, die kompletten Jahrgänge zwischen 1953 und 1989 zu publizieren, eines seiner Behörde ist und er in den Berichten des Jahres 1988 verschiedentlich benannt wurde.

 

So ergriff er nach kurzer Begrüßung das Wort, sprach über den Stellenwert von Aufarbeitung in der Gesellschaft, für die Gesellschaft. Seine Grundthese: Aufarbeitung hat die Gesellschaft zu leisten, also wir alle. Der Staat, nach welchem viele in diesem Zusammenhang fragen, ist dabei lediglich Dienstleister und kann Rahmenbedingungen schaffen. Nutzen müssen diese Wissenschaftler, die Forschungsanträge stellen, Journalisten, die Geschichten recherchieren. Jahn sieht erst durch Aufarbeitung, also die Erforschung und Offenlegung der Strukturen totalitärer Systeme, wie es die DDR und die Staatssicherheit waren, die Chance, wirklich aus der Geschichte zu lernen. Sie kann damit auch „Schule der Demokratie“ sein. Insofern ist Aufarbeitung, wie oft behauptet, keineswegs nur der Blick zurück, sondern eben auch der Blick nach vorn. „Ich freue mich an einem Ort der gesellschaftlichen Aufarbeitung zu sein, die mir besonders wichtig ist. Der Staat sollte nur dort einspringen, wo die Gesellschaft noch nicht so weit ist.“ betonte Roland Jahn.

 

Daniela Münkel, Professorin an der Universität Hannover und als Projektleiterin bei der BStU in der Abteilung Bildung und Forschung maßgeblich an der Edition dieser Reihe beteiligt, fasste im Anschluss kurz zusammen, weshalb diese Publikation so wichtig ist. Die Berichte der ZAIG (Zentrale Auswertungs- und Informations- Gruppe) des MfS lägen vollständig von Juni 1953 bis Dezember 1989 vor. Mit dieser einzigartigen Quelle, die die Art der Informationsbeschaffung des MfS und die Weiterleitung an die SED-Führung über fast die gesamte Existenz der DDR abdeckt, werde bestimmt zu einem Standardwerk der DDR-Geschichte. Die Planung: zwei Bände pro Jahr. Die Jahrgänge 1976 und 1988 wurden bereits über den Verlag Vandenhoeck und Ruprecht, der sich ebenfalls an der Buchvorstellung beteiligte, veröffentlicht. Der Jahrgang 1961 erscheint aus Anlass des 50. Jahrestages des Mauerbaus, im Juni 2011. Jeder Band erscheint inklusive einer CD-ROM mit sämtlichen Dokumenten. Diese werden nach Ablauf eines Jahres in einer Datenbank im Internet veröffentlicht.

 

Inhaltlich legten die Stasi-Offiziere der SED-Leitung 1988 ein recht schonungsloses Bild der DDR dar, so Münkel, welches von maroder Wirtschaft bis Zwangsumtausch kaum Themen auslasse. Im Zentrum der Berichterstattung stand aber die erstarkende Opposition, deren Verbindungen untereinander und ihre Westkontakte. Am deutlichsten werde dies im Anschluss an die Luxemburg/Liebknecht-Demonstration im Januar 1988 in Ost-Berlin, bei der zahlreiche DDR-Bürgerrechtler verhaftet wurden. Aber auch die zunehmende Ausreisewelle wurde thematisiert. In insgesamt 24 allgemeinen Stimmungsberichten an die SED-Führung werden rund einem Viertel der Adressaten Handlungsoptionen nahe gelegt.

 

Nach der inhaltlichen Einführung diskutierten Daniela Münkel und Roland Jahn unter der Moderation von Gedenkstättenleiter Tobias Hollitzer über die Relevanz dieser Dokumente. Frau Münkel vertrat dabei die bereits angesprochene These, dass die Stasi, indem sich ihre Berichte nur an die Obersten der SED- und Staatsführung richteten, im Falle der Luxemburg-Liebknecht-Demo etwa gab es nur fünf Adressaten, praktisch nichts beschönigen musste und so ein realistisches Bild der DDR-Diktatur gezeichnet würde. Dies mache die Quellen so einmalig.

 

Münkels Sichtweise setzt Roland Jahn seine eigene, entgegen. Als der Jenaer Oppositionelle 1983 aus der DDR zwangsausgebürgert wurde, setzte er sein Engagement sogleich in Westdeutschland fort, kämpfte von dort aus als Journalist gegen die Diktatur an und blieb so im Visier des MfS. Zunächst zitierte er aus seiner eigenen Stasi-Akte: „Er sammelt so viele Informationen, die kann er gar nicht alle für sich gebrauchen.“ Was heute Lacher im Publikum und auf dem Podium auslöst, hatte 1988 einen ernsten Hintergrund. Die Stasi versuchte, ihm feindliche Agententätigkeit für westdeutsche und amerikanische Geheimdienste nachzuweisen.

 

Jahn betonte, dass zu den Berichten der Stasi die Erlebnisse und Eindrücke der Betroffenen, der Zeitzeugen kommen müssten. Erst dann könne sich ein Bild ergeben. Er formulierte es in einem gewichtigen Satz: „Man dürfe die Deutungshoheit über die DDR-Geschichte nicht ausschließlich den Dokumenten überlassen.“

 

Auf die konkrete Frage, ob denn die SED-Spitze über diese Berichte die Lage 1988/89 habe realistisch einschätzen können, antwortete Frau Münkel, dass durch die ausführliche Berichterstattung die Situation nachvollziehbar war, aber die entstehende Dynamik nicht absehbar war. „In die Zukunft weisend war dies nicht, aber man wusste schon, was los war.“ Man dürfe aber diese Berichterstattung nicht losgelöst von den jeweiligen Ereignissen in dieser Zeit sehen. Und zwar von Ereignissen, die allein in ihrer Zahl viel reichhaltiger waren, als sie in den Berichten der Stasi Erwähnung finden konnten. Worauf sich am Ende der Veranstaltung die meisten Zuhörer und die auf dem Podium Sitzenden einigen konnten, dass „die geheimen Berichte der Stasi an die SED-Führung“ in den Kontext der jeweiligen Zeit gestellt werden müssten.

 

Auch wenn einige Antworten offen blieben, so sei die Editionsreihe in der Lage, wie Jahn es formulierte, einen Denkanstoß zu geben. Ein Standardwerk, wie es sich Frau Münkel wünsche, können die Stasi-Berichte jedoch nicht werden, so Jahn. Wenn aber, nach dem Verständnis des neuen Chefs der Stasi-Unterlagenbehörde, aus dem Zusammenkommen von Zeitzeugenberichten und Dokumenten und deren gemeinsamer Veröffentlichung sich Aufarbeitung ergibt, so leiste diese Veröffentlichung einen, nicht unwesentlichen, Beitrag dafür.

 

Literaturhinweis:

Joestel, Frank (Hg.): Die DDR im Blick der Stasi 1988. Die geheimen Berichte an die SED-Führung, Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2010.

 

 

18.03.2011, 18.00 UHR, KINOSAAL

Fotoausstellung und Buchpremiere

DIRK VOGEL: GESICHTER DER FRIEDLICHEN REVOLUTION

„Kunst kann nun mal nicht demokratisch sein“, so beschrieb Dirk Vogel seine Arbeit als Fotograf und erklärte damit sein Projekt, dass vor allem künstlerische Fotografien in den Mittelpunkt stelle. In dem Band „Gesichter der Friedlichen Revolution“, der am 18.03.2011, um 18.00 Uhr seine Buchpremiere in der „Runden Ecke“ hatte, belichtet der Dortmunder Fotograf 63 ehemalige Bürgerrechtler. Gemeinsam mit der Robert-Havemann-Gesellschaft, die bei dieser Veranstaltung mit dem Bürgerkomitee kooperierte, setzte er seine Idee um und besuchte die Helden von vor 20 Jahren. Auf dem Podium saßen Olaf Weißbach, Geschäftsführer der Robert-Havemann-Gesellschaft, Christoph Wonneberger, ein Portraitierter, Reinhard Bohse, der die Moderation übernahm und natürlich der Fotograf Dirk Vogel.

 

Stellvertretend für den Projektleiter Tom Sello erklärte Olaf Weißbach die Arbeit der Robert-Havemann-Gesellschaft als zivilgesellschaftliche Initiative, die die Geschichte von Opposition und Widerstand gegen die kommunistische Diktatur der Öffentlichkeit präsentieren. So sei auch die Zusammenarbeit mit Dirk Vogel entstanden, Aufnahmen von DDR-Bürgerrechtlern in einem Bildband herauszugeben, der die Menschen von damals, wie auch ihren Werdegang und ihr heutiges Leben zeigt. Ganz besonders an diesem Projekt sei, dass das künstlerische Bild im Vordergrund stehe und dieses nur mit einem kurzen Bibliogramm zu der Person ergänzt wurde. Für die Robert-Havemann-Gesellschaft sei es die erste Herausgabe dieser Art, so Weißbach.

 

In seiner Zeit bei der Bundeswehr 1989 kam Vogel, der 1969 in Lüdenscheid geboren wurde, erstmals in Kontakt mit Ostdeutschen, die über die Grenze geflohen waren. Den Anstoß zum Buch gab letztlich ein Bericht, der erzählte, wie ehemalige Stasi-Mitarbeiter sich in Führungen in der Gedenkstätte Hohenschönhausen schlichen und dort gegen die Aufarbeitungsarbeit hetzten. Er habe schon immer Interesse an Menschengruppen gehabt, die er gar nicht kannte, so beschäftigte er sich vorher bereits mit Religionen und verschiedenen Volksgruppen. Nun waren es die Bürgerrechtler der ehemaligen DDR, die sein Interesse weckten.

 

Zwei Drittel der Personen würde er kennen, „als wenn die ganze Familie zusammen wäre“, so empfindet Wonneberger den neu erschienen Bildband, in dem er, wie auch viele andere DDR-Bürgerrechtler, zu sehen ist. Komisch sei es nicht mehr, in Büchern zu erscheinen, doch würde der eine oder andere fehlen unter all den Bildern. So die Antwort auf Bohses Frage, welches Gefühl Wonneberger bei dieser Neuerscheinung hat.

 

Olaf Weißbach wurde daraufhin gefragt, wie die Personen ausgewählt wurden, die schließlich im Bildband und in der Ausstellung gezeigt werden. Er erklärte, dass eine Wahl zu treffen immer schwierig sei. Schließlich sollten Menschen aus der ganzen DDR portraitiert werden, die aus verschiedenen sozialen Milieus kamen. So sollte gezeigt werden, dass es nicht von Bedeutung war, welche geografische und gesellschaftliche Herkunft Menschen hatten, um für Freiheit und Demokratie zu kämpfen.

 

Mit einer Liste von Adressen begann die Arbeit von Dirk Vogel. Termine wurden gemacht und manch einer musste überredet werden, sich einmal in den Mittelpunkt zu stellen. Einen Zugang habe er immer schnell zu seinem Gegenüber finden können, erzählte Vogel. Wenig Distanz und direkte Kommunikation machten die Arbeit leichter und chrakterisierte den Umgang mit den ehemaligen DDR-Bürgerrechtlern. Fast jeder hatte sich in irgendeiner Weise auf den Fotografenbesuch vorbereitet. Mit einem persönlichen Gegenstand, bei einer bestimmten Tätigkeit oder einfach nur am Esstisch sitzend, so fotografierte Vogel seine Modelle.

 

„Hatten Sie beim Schlussergebnis einen Aha-Effekt oder ist es genauso geworden, wie Sie gedacht hatten oder doch ganz anders?“, fragte Reinhard Bohse Herrn Weißbach. Als die ersten Abzüge auf dem Tisch lagen, musste überlegt werden: „Was wollen die Abgebildeten und was wollen wir zeigen?“ so Weißbach. Die ersten Portraitierten seien in den Prozess mit eingestiegen, was sich im Nachhinein als kompliziert darstellte. Im Band sollte kein Passfoto oder Pressebild abgedruckt werden, sondern reflektierende Fotografien, die über Leben und Charakter der Person erzählen. Letztlich endschied Dirk Vogel als Künstler welches Bild erscheinen solle. Wobei die Havemann-Gesellschaft ganz auf die bisherigen Leistungen ihres Fotografen setzte. Sonst wäre das Buch nie fertig geworden.

 

Vogel erinnert sich an die Bescheidenheit seiner Modelle. Die Portraitierten sahen sich meist nicht als wichtig genug, um in einem Bildband zu erscheinen und dass mehr als drei Fotos gemacht wurden, verunsicherte doch viele. Was Vogel so zum ersten Mal erlebte. Sonst stoße er meist auf Menschen, die sich darstellen wollen.

 

Die dazugehörigen Texte wurden nicht von Dirk Vogel verfasst, sondern unabhängig von den Fotografien in Auftrag gegeben. Verschiedene Autoren, die oft einen Bezug zu der fotografierten Person haben, lieferten die Texte, erklärte Weißbach.

 

Aus dem Publikum kam die Frage, ob sich jemand gemeldet hätte, der meine, dass er in dem Band fehle, weil er auch dazu gehöre. Dies habe es nicht gegeben, erzählte Weißbach. Eher gab es Probleme, dass manche nicht mit einem anderen oder gar überhaupt im Band erscheinen wollten. Abschließend lud Reinhard Bohse ein, sich einen Teil der Ausstellung hier in Leipzig anzuschauen. Der andere Teil war wenige Tage zuvor in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen eröffnet worden.

 

Literaturhinweis:

Vogel, Dirk: Gesichter der Friedlichen Revolution, Robert-Havemann-Gesellschaft, Berlin 2011.

 

 

18.03.2011, 19.00 UHR, AUSSTELLUNG

Buchpremiere

HEIKE OTTO: BEIM LEBEN MEINER ENKEL. WIE EINE DDR-FLUCHT ZUM FAMILIENDRAMA WURDE

„Was treibt eine Sportjournalistin dazu, sich mit einem Fluchtthema aus dem tiefsten Thüringen zu beschäftigen?“, lautete die Frage des ZDF-Redakteurs und Moderators Christhard Läpple an Heike Otto, die ihr Buch „Beim Leben meiner Enkel – wie eine DDR-Flucht zum Familiendrama wurde“, in Kooperation mit dem Verlag Hoffmann und Campe, im Museum in der „Runden Ecke“ vorstellte. Am Rande sei dies ihre Familiengeschichte, so die Autorin, die aus Thüringen stammt und mit ihrem Buch nun ein Stück Zeitgeschichte aufgearbeitet hat.

 

Als sie herausfand, dass Jürgen, der Freund ihrer Schwester, den sie 1986 kennen lernte, zwei Jahre zuvor auf spektakuläre Weise mit seinem Bruder und einem Freund über die grüne Grenze aus der DDR geflohen war, dann drei Monate später aus Sehnsucht zu seiner damaligen Frau wieder zurückkehrte, von der Stasi verhaftet wurde und 15 Monate in Haft saß, wollte Otto der ganzen Geschichte mit all ihren Beteiligten auf die Spur kommen. Vor ein paar Jahren sei ihr das gelungen. Am Ende dieses schwierigen Projektes mit stundenlangen Gesprächen und Recherchen in der Stasi-Unterlagenbehörde sei sie froh, dass alle Familienmitglieder mit ihrem wirklichen Namen drin stehen. Bei dem Ergebnis gehe es ihr um Aufarbeitung und nicht darum „jemanden an den Pranger zu stellen“, so Otto.

 

Es geht vor allem um die Familie Resch: Die Mutter Helga stammt aus Mainz und zieht 1958 mit ihrem Mann in das thüringische Haselbach nahe der deutsch-deutschen Grenze. Nach dem Mauerbau sollte sie keine einzige Reisegenehmigung mehr für einen Besuch bei ihrer Familie im Westen bekommen und bis 1989 unter Beobachtung der Stasi stehen. Die Reschs richten sich ein, ziehen ihre beiden Söhne Jürgen und Roberto groß und bringen ihnen bei, sich „nicht gegen das System“ zu wenden. Jürgen heiratet Anfang der 1980er Jahre Kerstin, die aus einer systemtreuen Familie stammt. Bald darauf kommt ihr Sohn zur Welt. Roberto ist inzwischen mit Susanne verheiratet, einer sehr guten Freundin von Kerstin.

 

Die konkrete Idee „abzuhauen“ kommt den beiden jungen Männern, als Roberto zum Wehrdienst eingezogen werden soll. Zusammen mit seinem Freund Pieter planen sie die Flucht, die den drei sportlichen Männern im Winter 1984 über die schneebedeckte grüne Grenze auch gelingt. Die drei Ehefrauen sollten sich ahnungslos stellen und im Zuge der Familienzusammenführung bald nach Westdeutschland folgen, so der Plan.

 

Doch gleich am nächsten Tag werden die drei Frauen von der Stasi abgeholt und verhört. Hier beschreibt Heike Otto die Taktik der MfS-Offiziere, die „sofort nach dem schwächsten Glied in der Kette suchten und dies in Kerstin fanden“. Sie konnte man mit ihrem Kind erpressen und ihr schließlich das Geständnis entlocken, alle drei Frauen hätten die Fluchtabsichten ihrer Männer gekannt. Kerstin kam daraufhin unter Auflagen wieder frei, die beiden anderen Frauen nach ihrer Verurteilung sofort in das berüchtigte DDR-Frauengefängnis Hoheneck.

 

Während sich die Männer im Westen um die Freilassung ihrer Frauen bemühten, fasste Jürgen einen Plan „für den man einfach verrückt sein muss“, bemerkte Otto. Aus Sehnsucht und Unsicherheit darüber, ob seine Frau ihn nicht inzwischen für einen anderen verlassen hatte – die Ehe war schon zuvor in einer Krise – kam er auf demselben Weg heimlich wieder in die DDR zurück und meldete sich bei Kerstin. Kurz darauf wurde er von der Stasi verhaftet, musste in der U-Haft erfahren, dass sich seine Frau von ihm scheiden lässt und wurde zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, wovon er anderthalb Jahre absaß. Der Verdacht, Kerstin habe ihn bei seiner Rückkehr an die Stasi verraten, lag auf der Hand. Originaltöne aus den Interviews werden nun für das Publikum abgespielt. Man hört unter anderem Jürgens Frau Kerstin, die in starkem thüringischem Dialekt beim Leben ihrer Enkel schwört, dass sie Jürgen nach seiner Rückkehr nicht verraten habe.

 

Die Berichte über die psychische Folter und die schlimmen Haftbedingungen seien unglaublich, wenn man bedenkt, dass sich das ganze noch in den 1980ern abspielte, kommentierte Läpple und befragte Heike Otto, wie sie an die Geschichte herangegangen sei. „Ich habe zuerst die Gespräche mit allen Beteiligten geführt, was trotz anfänglicher Widerstände ganz gut funktioniert hat. Erst danach habe ich die Stasi-Akten einsehen können.“ Dies habe sich als glücklicher Zufall für die Geschichte erwiesen, da sie so unvoreingenommener an jede Person herangehen konnte. Beispielsweise Kerstin, die nach der Verhaftung Jürgens als Verräterin gegolten habe und die sich tatsächlich auch als IM verpflichtete. Aus den Akten sei dann auch ihre Notiz zu Jürgens Rückkehr hervorgegangen. Hätte Otto das vorher gewusst, so wäre sie Kerstin sicher anders begegnet.

 

Ob ihr Buch bei der Familie Resch etwas bewirkt habe, interessierte Läpple zum Schluss der Veranstaltung. „Einige Menschen reden wieder miteinander, was mich sehr freut.“ Für andere sei es tatsächlich gut gewesen, sich das, was passiert ist, von der Seele zu reden. „Niemand von denen war je in einer Therapie oder hat das mal für sich aufgearbeitet.“ Besonders dankbar ist Heike Otto ihrer Schwester, ohne die das Gespräch mit Jürgen so nie stattgefunden hätte. Letztlich erhoffe sie sich, dass Auszüge ihres Buches Eingang in den Schulunterricht finden, so Otto.

 

Literatuhinweis:

Otto, Heike: Beim Leben meiner Enkel. Wie eine DDR-Flucht zum Familiendrama wurde, Hoffmann und Campe, Hamburg 2011.

 

 

18.03.2011, 20.00 UHR, KINOSAAL

Podiumsdiskussion

DER BAU DER BERLINER MAUER UND DIE FOLGEN

Ein hochkarätig besetztes Podium konnten die Besucher der Diskussion anlässlich des Baus der Berliner Mauer, der sich in diesem Jahr zum 50. Mal jährt, erleben. Neben Moderator Sven Felix Kellerhoff (Geschichtsredakteur, Die Welt) diskutierten mit Dr. Axel Klausmeier, Direktor, sowie Dr. Maria Nooke, stellvertretende Direktorin der Stiftung Berliner Mauer und Dr. Hans-Hermann Hertle vom Zentrum für Zeithistorische Forschungen Potsdam ausgewiesene Experten über das Thema. Neben den historischen Hintergründen und den Folgen des Mauerbaus standen aktuelle Forschungsfragen zur Debatte.

 

Hans-Hermann Hertle schnitt dabei kurz die zwei aktuellen Sichtweisen zu den Voraussetzungen des Mauerbaus an. Hier stehen das Buch der amerikanischen Historikerin Hope M. Harrison („Ulbrichts Mauer“, Propyläen 2011) und die noch nicht erschienene Monografie von Manfred Wilke („Der Weg zur Mauer“, Links 2011) für zwei unterschiedliche Perspektiven. Während Harrison die besondere Position der DDR aufgrund der geografischen Lage betont und Walter Ulbricht sozusagen zum „Superalliierten“ macht, unterstreicht Wilke die herausragende Rolle der Sowjetunion in der Frage des Mauerbaus. Die SED konnte die Mauer nur mit Zustimmung des „großen Bruders“ bauen. Axel Klausmeier betonte, dass diese beiden Diskussionsansätze fruchtbar seien, da sie die Stellung der DDR im Unterschied zu anderen Ostblockstaaten hinterfragen. Hertle meinte hingegen zu dieser politikgeschichtlichen Kontroverse, dass die Verleger mit Blick auf die Publikationsfülle zum Thema an einer Zuspitzung interessiert seien und die Unterschiede beider Ansätze nicht so groß wären. In diesem Zusammenhang erläuterte er zusammenfassend die Vorgeschichte des Mauerbaus (Chruschtschow-Ultimatum, Three Essentials Kennedys). Der eigentliche Mauerbau begann, so Hertle, erst am 17./18. August 1961, da vorher nur Stacheldraht verlegt worden war. Klausmeier beschrieb anschließend die Arbeit der Gedenkstätte Stiftung Berliner Mauer und geplante Projekte. Allein im letzten Jahr besuchten rund eine halbe Million Menschen den erhaltenen Grenzstreifen und das Dokumentationszentrum Bernauer Straße in Berlin.

 

Das unter anderem von Maria Nooke herausgegebene Buch „Fluchtziel Freiheit“ (Links 2011) stand als nächste Neuerscheinung im Mittelpunkt der Diskussion. Es beschreibt die Fluchtbewegung nach dem Mauerbau, die Geschichte der über 60.000 Grenzgänger, insbesondere der 600 Studenten der Freien Universität Berlin sowie die verschiedenen Fluchtarten und Schleusungen im Anschluss an den 13. August 1961. Dr. Maria Nooke stellte, mit Blick auf die vorhandene Publikationsflut zum Thema, die neuen Aspekte des Buches heraus: Die Autoren griffen auf neues Quellenmaterial zurück, unter anderem auf den Nachlass des Fluchthelfers Bodo Köhler sowie auf Fluchtberichte, die Fluchthelfer 1961/62 zur verbesserten Planung der Hilfsaktionen aufgeschrieben haben und welche die besondere Atmosphäre der damaligen Zeit widerspiegeln. Das Buch will ebenso den oppositionellen Hintergrund der Fluchthelfer herausarbeiten. Auf die Frage von Kellerhoff, warum die Fluchthelfer so einen schlechten Ruf hätten, brachte Hertle hervor, dass es auch bewaffnete Helfer und damit in Verbindung stehende tote Grenzpolizisten gab sowie eine kommerzielle Entwicklung zu konstatieren war. Ersteres wurde von der DDR-Propaganda massiv ausgeschlachtet, unabhängig der tatsächlichen Begebenheiten, Letzteres war auch dem erhöhten Aufwand der Fluchtaktionen geschuldet. Hertle charakterisierte die Fluchthilfe als genuin politischen Widerstand. Es war zudem immer noch billiger als der „Exportschlager“ Freikauf über das politische Strafrecht, so der Potsdamer Historiker.

 

Mit dem Buch „Weltende – Die Ostseite der Berliner Mauer“ dokumentiert die Stiftung Berliner Mauer einen neuen bisher kaum bekannten Blick auf den „Eisernen Vorhang“. Das visuelle Bild der Mauer ist bisher nahezu ausschließlich vom Westen geprägt. Fotos aus Verstecken – Fotografieren der Grenzanlagen war streng verboten –, zum Teil verschwommen, beleuchten nun im Buch diese „neue“ Seite. Auf die Frage von Kellerhoff, ob die Betrachtung der deutsch-deutschen Grenze nicht zu sehr auf Berlin fixiert sei, entgegnet Klausmeier, dass die Berliner Mauer die „Spitze des Eisberges“ darstellte. Das Leid der Teilung hätte sich hier aufgrund der räumlichen Lage konzentriert. Die Ikonen der Teilung wie spektakuläre Fluchtversuche, bekannte Mauertote usw. fänden sich in der Hauptstadt. Zu der Frage, warum nur die Toten an der Berliner Mauer näher untersucht wurden („Die Todesopfer an der Berliner Mauer 1961-1989“, Links 2009), betonte das Podium, dass der Aufwand derartiger Untersuchungen sehr groß sei. Bereits die Erforschung nur für Berlin dauerte über drei Jahre. Die Diskussion schloss mit der Feststellung, dass besonders die Geschichte der Grenzanlagen außerhalb Berlins in der Zukunft verstärkt untersucht werden sollte.

 

Literaturhinweis:

Dollmann, Lydia/Nooke, Maria (Hg.): Fluchtziel Freiheit. Berichte von DDR-Flüchtlingen über die Situation nach dem Mauerbau, Ch. Links Verlag, Berlin 2011.

Hertle, Hans-Hermann, Nooke, Maria (Hg.): die Todesopfer an der Berliner Mauer 1961-1989. Ein biographisches Handbuch, Ch. Links Verlag, Berlin 2009.

Sälter, Gerhard/Schaller, Tina/Kaminsky, Anna (Hg.): Weltende – Die Ostseite der Berliner Mauer, Ch. Links Verlag, Berlin 2011

 

 

18.03.2011, 21.00 UHR, AUSSTELLUNG

Buchvorstellung

HANS-PETER SPITZNER: DIE NADEL IM OZEAN

Nicht die Nadel im Heuhaufen, wie es so sprichwörtlich heißt, habe er gefunden, sondern die Nadel im Ozean, betonte der Autor Hans-Peter Spitzner, als er tatsächlich im August 1989 nach zahllosen Versuchen einen amerikanischen GI fand, der ihm und seiner kleinen Tochter zur Flucht nach West-Berlin über den Check-Point Charlie verhalf. „So etwas Verrücktes kann doch nur ein Sachse machen.“ bemerkte der ZDF-Redakteur Christhard Läpple schmunzelnd, der die Lesung moderierte und begrüßte den Lehrer aus dem Vogtland vor einem interessierten und jungen Publikum. Spitzner, der mit seiner Frau und seiner Tochter angereist war, freute sich besonders, sein Buch in Kooperation mit dem FPW-Verlag in den Ausstellungsräumen des Museums in der „Runden Ecke“ vorstellen zu können und sprach sich für den Erhalt dieses authentischen Ortes aus.

 

Läpple eröffnete die Buchvorstellung mit der Frage, wie Spitzner dazu gekommen sei, seine Geschichte aufzuschreiben? „Ich habe immer wieder meinen Schülern davon erzählt, die mich auch dazu ermunterten, meine Erlebnisse schriftlich festzuhalten.“, antwortete der Autor. Eine längere Krankheit habe er schließlich dazu genutzt, die Beweggründe für seine Flucht aufzuschreiben. In der DDR habe er bis 1989, wie andere auch, ein normales Leben „unter komplizierten Umständen“ geführt. Hans-Peter Spitzner war nicht in der SED, arbeitete als Lehrer an einer Betriebsberufsschule, gründete eine Familie und verhielt sich als „Nicht-Genosse“ recht unauffällig.

 

1989 war jedoch das Jahr, das auch bei ihm alles veränderte. Auf einer Gewerkschaftsversammlung, wobei man in der DDR nie von einer Gewerkschaft sprechen konnte, wie in Demokratien üblich, so Spitzner, sollten Vorstände per „Wahl“ in ihren Ämtern bestätigt werden. Doch Spitzner wollte einmal von dem formal geheimen Wahlrecht und seinem Gewissen Gebrauch machen und keinen von Ihnen wählen und strich kurzerhand die gesamte Liste durch. Bei der öffentlichen Auszählung stockten die Wahlhelfer bei seinem Zettel zunächst etwas, verkündeten dann jedoch, die Stimme sei ungültig. Ungläubig reagierte daraufhin Hans-Peter Spitzner und bekannte sich zu seinem Votum mit der Frage, warum es denn nicht als Nein-Stimme gewertet worden sei, er habe dies mit dem Durchstreichen nämlich beabsichtigt. Dann hätte er aber sämtliche Kandidaten einzeln durchstreichen müssen, erhielt er als perfide Antwort.

 

Solche Reaktionen machten Spitzner natürlich wütend. Endgültig klar, dass es so nicht weiter gehen konnte, wurde ihm, als danach eines morgens die Staatssicherheit bei ihm vor der Tür stand und ihn zum Verhör mitnahm. Danach fing er an die Flucht zu planen. In der sozialistischen Jugendzeitung „Junge Welt“ hatte er den propagandistischen Artikel „Wenn die Taschen voll sind, geht es in den Westen“ über Angehörige der westlichen Alliierten gelesen, die nach einem Einkaufstripp in Ost-Berlin bei ihrer Rückkehr nach Westberlin nicht kontrolliert wurden und sich so, laut der Zeitung, die Taschen voll stopfen. Es sei fast schon ironisch, dass ihn gerade ein solcher Artikel auf einen Fluchtgedanken brachte, so Spitzner. Denn wenn in britischen, amerikanischen und französischen Kofferräumen Waren unbemerkt von Ost nach West kamen, so galt das sicher auch für Menschen.

 

In den Sommerferien 1989, als bereits die Ausreisewelle über Ungarn einsetzte, erhielt Hans-Peter Spitzners Frau Ingrid eine Einladung nach Österreich. In ihrer Abwesenheit wollte Spitzner selbst mit seiner 7-jährigen Tochter Peggy seinen Plan in die Tat umsetzen und fuhr nach Berlin. Spitzner las aus seinem wohl spannendsten Kapitel wie er zwei ganze Tage im August durch die Stadt lief und erfolglos Leute ansprach, ob sie ihn und seine Tochter mitnehmen könnten. Er saß am dritten Tag schon in seinem Wagen und wollte wieder zurück fahren, als hinter ihm ein Auto mit amerikanischem Kennzeichen hielt. Den Mut des Verzweifelten zusammen nehmend stieg Spitzner ein letztes Mal aus und sprach den darin sitzenden GI an. „Und dann sagte er einfach ‚Yes’!“, bemerkte Christhard Läpple, nicht ohne Staunen. „Ja, und genau das war die Nadel im Ozean, die ich fand,“ entgegnete Spitzner.

 

Nach der geglückten Flucht nahm Hans-Peter Spitzner Kontakt zu seiner Frau auf, die Familie zog anschließend nach Bayern und erlebte dort den Mauerfall. „Wie war das für Sie, den 9. November zu erleben, nachdem Sie im Sommer so viel riskiert hatten?“ Natürlich sei er das schon oft gefragt worden, so Spitzner und gibt die Antwort in seinem Buch. Vielleicht hätte er dann nicht die riskante Flucht auf sich genommen, doch war es an dem Abend eher die Freude, die überwog. Zu dem amerikanischen GI Eric Yaw, der ihn damals im Kofferraum mitnahm und die Familie in den Jahren darauf ein paar Mal besuchte, habe er übrigens seit kurzem wieder Kontakt. Ihm ist auch das Buch gewidmet.

 

Literaturhinweis:

Spitzner, Hans-Peter: Die Nadel im Ozean. Letzte Flucht am Checkpoint Charlie, FPW-Verlag, Freiberg 2010.

 

 

19.03.2011, 11.00 UHR, KINOSAAL

Matinée-Lesung

JUTTA VOIGT: WESTBESUCH

„Liebes Königskind, reicht der Kaffee noch oder soll ich wieder ein Kilo mitbringen?“, las Jutta Voigt aus ihrem Buch „Westbesuch“, erschienen im Aufbau-Verlag, das die Absurdität der deutsch-deutschen Beziehung einmal auf eine ganz andere Weise darstellt. Ganz besonders ist die Betrachtung beider deutscher Sitten gelungen, so berichtet sie später aus dem Westen: „Die haben bei uns bestellt, wie in einem Versandhaus.“

 

Zu Beginn stellte sich Jutta Voigt dem Publikum als Journalistin und Autorin vor. Für verschiedene Zeitungen arbeitete sie in der DDR, nach 1990 und schließlich auch im vereinten Deutschland, wobei sie sich nun als Buchautorin selbstständig gemacht hat. In ihrem Buch erklärt sie die beidseitige Bedeutung von Westbesuchen, die goldenen Seiten, wie auch die egoistischen. Vor allem las sie die heiteren Kapitel vor, da sie meint, dass man besser alleine nachdenklich sei und gemeinsam fröhlich.

 

Das Buch ist eine Montage beziehungsweise eine Collage, die aus Biografischem, aus Archivfunden und Recherchen sowie aus 24 Interviews essayistisch in Kapiteln vom gegenseitigen Wertschätzen der Ost- und Westdeutschen erzählt.

Im Vorwort beschreibt die Autorin die Bedeutung des „Westen“ für DDR-Bürger, die über die Besuche, die Bananen und die Pakete hinaus auch Kultur, Geschichte und Zeitgeist umfasste. „Der Westen als Traumziel“ philosophierte Voigt über die Vorstellung Westdeutschlands in der DDR. Mit heiteren Anekdoten beschreibt die Autorin Besuche von West in Ost und Ost in West, immer ein „ertragen und vertragen“. Immer in der Rolle des Ost-Westklischees: Geber und Nehmer.

 

„Komm ein bisschen mit nach Italien“, so heißt ein biografisches Kapitel, dass in der Zeit vor dem Mauerbau handelt. Wo das Leben zwischen BRD und DDR sich in den Parfümmarken und Gerüchen, den Obstsorten und Kleidungsmarken ausdrückte. Aber noch ist der Westen nicht hinter einer Mauer, sondern noch betretbar, doch durch die D-Mark schon entfernter. Sie erzählt von ihrer Bekannten Erika, die einen Italiener im Urlaub kennengelernt hat. Natürlich eine Westdeutsche. Tausende fahren in dieser Zeit in den Süden nach Italien, Spanien und Portugal. Für sie und ihre Mutter bleiben die italienischen Schlager. Erst Jahre später kann sie endlich mit einer Freundin selbst nach Italien fahren. Mit einer Flasche Wein erinnern sich die Frauen an ihre Sehnsucht, die Sehnsucht die in der DDR eingesperrt war und sich in den alten Schlagern ausdrückt.

 

Das nächste Kapitel spielt in Leipzig. Ein westdeutscher Großeinkäufer für Arbeitskleidung, Herr Wiese, war regelmäßiger Messegast bei der Familie Steiner. Das Kinderzimmer verwandelte sich so immer wieder in ein schickes Gästezimmer. Abends wollte der Gast unterhalten werden, wobei pünktliche Lieferzeiten und ostdeutsche Qualität dem Mann als Gesprächsgrundlage dienten. Ohne den Wunsch nach Westgeld hätte es wohl dieses Arrangement nie gegeben. Auch ein anderer Messebesucher wohnte gelegentlich bei der Familie. Die Bewirtung war auf höchstem Niveau: Orangensaft im Kristallglas und Lachs auf Meißner Porzellan, man wusste ja, dass Westdeutsche aller höchstes Niveau gewohnt waren. Der neue Gast war noch weniger beliebt, da dieser sein Westgeld mit seiner Freundin tauschte und das Ostgeld bei der Familie zurückließ.

 

In anderen allgemeinen Kapiteln betrachtet sie das Verhalten von Ost- und Wesdeutschen, wie sie ihre Rollen angenommen haben und welche Aufgaben der jeweilige hatte, wie sich die Menschen unterschiedlich verhielten und gelegentlich aus dem Rollenspiel ausbrachen. Mit viel Humor beschreibt Jutta Voigt beide Seiten. Ganz ohne Wertung, aber mit viel Gefühl gelingt ihr der Blick beider Seiten. Mit vielen Alltagsbildern zeichnet sie die Empfindungen des ungleichen Paars nach. All die Absurdität und Sonderbarkeit wird von ihr gezeigt und mit Feingefühl vermenschlicht.

 

Rohrbrüche als Grund für Westreisen wurden im nächsten Kapitel thematisiert. Eine Frau stellte den Antrag, ihre Mutter in Westberlin zu besuchen. Als Grund gab sie einen Rohrbruch in der Wohnung über ihrer Mutter an. Sie stünde jetzt im Dreck, keiner würde ihr helfen, sie hätte eine sehr kleine Rente und nur sie könne ihr helfen. Ihrem Antrag wurde stattgegeben. Ein Jahr später stellte ihr Mann eine Eingabe, um seine Tante in Westberlin zu besuchen. Grund: Ein Rohrbruch. Seine Eingabe wurde abgelehnt. Sechs Monate später schrieb der Mann eine neue Eingabe, diesmal um seine Mutter in Westberlin zu besuchen. Grund: Ein Rohrbuch. Dem Antrag wurde stattgegeben. So lernte das Ehepaar, dass Tanten offenbar unbeliebt und Mütter beliebt waren bei den Genossen.

 

Alle Geschichten würden der Wahrheit entsprechen, so Voigt auf eine Frage aus dem Publikum. Viele Besucher nutzen die Gelegenheit aus ihren eigenen Erfahrungen und Erinnerungen zu erzählen. So schloss die Buchvorstellung in einem netten Gesprächskreis, wobei viel gelacht wurde. Auch diene das Buch „Westbesuch“ der Erinnerung und zeige den Generationen des vereinten Deutschlands, wie es gewesen sei.

 

Literaturhinweis:

Voigt, Jutta: Westbesuch. Vom Leben in Zeiten der Sehnsucht, Aufbau-Verlag, 2. Aufl., Berlin 2011.

 

 

19.03.2011, 14.00 UHR, KINOSAAL

Buchpremiere

CHRISTIAN SACHSE: DER LETZTE SCHLIFF. JUGENDHILFE IN DER DDR IM DIENST DER DISZIPLINIERUNG VON KINDERN UND JUGENDLICHEN (1945-1989)

„Lange wurde die Aufarbeitung zu Kinderheimen in der DDR vernachlässigt.“ So beginnt ein Vorwort der Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen der ehemaligen DDR von Mecklenburg-Vorpommern, Marita Pagels-Heineking, in dem Buch „Der letzte Schliff“. Der Autor, Christian Sachse, Politikwissenschaftler und Theologe, beschäftigt sich in seinem Band mit diesem emotionalen und auch sehr aktuellen Thema und stellte in der „Runden Ecke“ das bereits 2010 erschienene Standardwerk vor. Moderiert wurde die Buchpräsentation und anschließende Diskussion von der Landesbeauftragten, die auch Herausgeberin ist.

 

Von ihr wurde die wissenschaftliche Publikation 2009 in Auftrag gegeben. Gründe dafür waren zum einen, dass eine Rehabilitierung der Opfer bisher nur erfolgen konnte, wenn nachweisbar politische Gründe zur Einweisung führten. Dies ist aufgrund des Forschungsstandes allerdings schwierig. Zum anderen reagieren Mitarbeiter von Ämtern und Krankenkassen auf die Probleme der Betroffenen oft mit Unverständnis, Ungläubigkeit und Intoleranz. Ehemalige Insassen von Spezialheimen, Sonderheimen und Jugendwerkhöfen werden kaum als Opfer verstanden. Die Publikation soll das wissenschaftliche Standardwerk zum Thema sein, welches sich mit Struktur und Entwicklung der Heime und den Folgen auseinander setzt und zur Lösung der dargelegten Probleme beitragen will.

 

Während seiner Recherche für das Buch, konnte Sachse in den zentralen Archiven die entsprechenden Unterlagen ausfindig machen, in denen die Einweisungsgründe der Insassen dokumentiert wurden. Er beleuchtet die geschichtlichen sowie rechtlichen Hintergründe der Jugendhilfe in der DDR und erläutert die Strukturen, die personelle und materielle Ausstattung, die Kapazitäten sowie die pädagogischen Ansätzen und Methoden. Dabei wird unter anderem deutlich, dass letztendlich die elterliche Fürsorge für ein Kind der staatlichen unterlag. Außerdem herrschte in den Jugendhilfeeinrichtungen ein Mangel an sozialpädagogisch ausgebildetem Personal. Ein großer Anteil der Erzieher und Mitarbeiter waren ehemalige Offiziere oder strafversetzte Lehrer. Dieses Personal erzwang durch physische und psychische Gewalt Anpassung und wollte die Kinder und Jugendlichen zu „sozialistischen Persönlichkeiten“ erziehen. Damit verursachten die Erzieher zum Teil schwere traumatische und psychische Störungen bei den Insassen. Neben der Folge einer beruflichen Benachteiligung fühlen sich die Opfer an den gesellschaftlichen Rand gedrängt, da sie enorme Schwierigkeiten in der Arbeitswelt sowie in sozialen Beziehungen hatten und haben.

 

Sachse verdeutlichte mit seinen Ausführungen die Notwendigkeit der Sensibilisierung des Themas in den Ämtern und Krankenkassen, damit den Opfern entsprechend geholfen werden kann.

 

In der darauffolgenden Diskussion wurde das Thema der Aufarbeitung der Jugendhilfe noch einmal angesprochen. Aus dem Publikum wurde die katastrophale juristische Aufarbeitung in den 90er Jahren kritisiert. Es kam zu Geldstrafen oder Versetzungen der Erzieher, aber zu keiner Entlassung. Sachse stimmte zu, die Verstrickung von Lehrern und Erziehern zur SED wurde nur sehr mangelhaft überprüft. In seinem Schlusswort bat er das Publikum, für die Rechte ehemaliger Insassen der Heime einzutreten, als Sprachrohr für sie zu fungieren und dieses Thema nicht zu tabuisieren.

 

Literaturhinweis:

Sachse, Christian: Der letzte Schliff. Jugendhilfe in der DDR im Dienst der Disziplinierung von Kindern und Jugendlichen (1945-1989), herausgegeben von der LStU Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin 2011.

 

 

19.03.2011, 15.30 UHR, KINOSAAL

Heftpremiere

HORCH & GUCK HEFT 71: SPERRGEBIET. GRENZFÄLLE NACH DEM MAUERBAU

Es ist schon fast Tradition, dass das Bürgerkomitee „15. Januar“ e.V. zur Leipziger Buchmesse mit dem jeweils neuen Vierteljahresheft der Zeitschrift zur Aufarbeitung der SED-Diktatur „Horch&Guck“ in der Gedenkstätte Museum in „Runden Ecke“ zu Gast ist. Dieses Jahr wurde Heft 71 mit dem Titel „Sperrgebiet. Grenzfälle nach dem Mauerbau“ vorgestellt. Die Autoren Stefan Appelius und Christian Halbrock informierten über die Beiträge im Heft unter der Moderation des leitenden Redakteurs Benn Roolf.

 

Roolf merkte eingangs an, dass es natürlich schon eine Vielzahl von Publikationen, wissenschaftliche oder belletristische, über die Mauer oder den Mauerbau gebe. Das Anliegen des Heftes sei es, Lücken zu schließen und Tabus über das Thema aufzudecken, etwa zu Toten an der Grenze oder wenig erforschten Fluchtwegen von DDR-Bürgern.

 

Halbrock gab zunächst die Grundrichtung der einschlägigen Literatur wieder. Die wissenschaftlichen Beiträge stimmten überein, dass der Mauerbau eine Zäsur sei, ja sogar als die eigentliche Staatsgründung der DDR dargestellt werde. Denn erst danach wurde sie als eigenständiger Staat, zumindest aus Sicht des Warschauer Paktes, gesehen. Horch&Guck prüfe unterdessen die Langzeitwirkungen des Jahres 1961. Er selbst lieferte einen Artikel über einen Schauprozess im Dezember 1961, bei dem ein Schauspieler engagiert wurde, um als angeblicher Hauptzeugen zwei „Verdächtige“ belasten sollte. Es habe 1961 viele solche Schauprozesse gegeben, an denen das Regime seine Macht demonstrierte. Dabei wurden die Gründe der Verhaftungen oft frei erfunden. Außerdem beschäftigte sich Halbrock mit verschiedenen Fällen von Denunziationen und stellt insgesamt fest, dass das Thema wenig aufgearbeitet ist.

 

Stefan Appelius forscht seit vielen Jahren über Flüchtlinge in Bulgarien. Dafür war er auch einige Zeit lang in Sofia. In seinem Artikel im Heft 71 schildert er einen Fall zweier DDR-Flüchtlinge an der bulgarischen Grenze. Es handelt sich um zwei Jugendliche, die am Grenzübergang angeschossen wurden und deren Fall ungeklärt blieb. Überraschend wäre für ihn der Widerstand der Bulgaren gewesen, Informationen über deutsche Grenztote heraus zu geben. Ihm fiel auch auf, dass die Landsleute sehr aufmerksam gewesen seien, denn sie meldeten alles, was ihnen verdächtig vorkam.

 

Moderator Roolf wechselte noch einmal das Thema und sprach die Verantwortung der Sowjetunion am Mauerbau an. Er richtete an Halbrock die Frage, ob denn der Anteil der SED am „antifaschistischen Schutzwall“ geschmälert werden müsse. Der Historiker antwortete zunächst diplomatisch, dass es eine Interessenüberlagerung beider Seiten gewesen wäre. Die Sowjets mussten der destabilisierten DDR massiv unter die Arme greifen, 1960 sogar mit Lebensmitteln. Auch die SED sah, „dass ihr der ganze Laden um die Ohren fliegt.“ Die Massenfluchtbewegung und die gescheiterte Kollektivierung der Bauern hätte sie gezwungen, die Notbremse zu ziehen. „Der Mauerbau drängte sich über weite Strecken auf.“

 

Als die Runde für das Publikum frei gegeben wurde, zeigten die Besucher großes Interesse an den DDR-Flüchtlingen in Bulgarien. Appelius berichtete von geglückten Fluchtversuchen sowie von professionellen Fluchthelfern, die wegen des Profits, aber auch aus ideellen Gründen gehandelt hatten.

 

Das Heft 71 der seit 1992 existierenden Zeitschrift „HORCH UND GUCK“ beleuchtete verschiedene Aspekte rund um den Mauerbau, die bisher wenig Beachtung fanden. Der Herausgeber Bürgerkomitee „15. Januar“ e.V. widmete sich anfänglich ausschließlich dem Ministerium für Staatssicherheit, hat jedoch inzwischen sein Themenspektrum erweitert: Von der SED-Diktatur bis hin zur DDR-Gesellschaft, deren Aufarbeitung sowie die damit in Zusammenhang stehenden Gegenwartsthemen. Daneben gilt ein besonderes Interesse der Aufarbeitung anderer kommunistischer Diktaturen. Die Zeitschrift ist eine politisch unabhängige und pluralistische, die insbesondere den Themen der früheren DDR-Bürgerbewegung Raum geben will.

 

Hinweis für weitere Informationen zur Zeitschrift und zum Abonnement:

www.horch-und-guck.info

 

 

19.03.2011, 17.00 UHR, KINOSAAL

Buchpremiere

THOMAS GROßBÖLTING, RÜDIGER SCHMIDT: DER TOD DES DIKTATORS

„Wir sind mit den Diktaturen noch nicht fertig“, so das Statement von Thomas Großbölting, Historiker und Mitherausgeber des Buchs „Der Tod des Diktators“. Auf der ganzen Welt gebe es noch Diktaturen. Anderswo, zum Beispiel in Europa kämpft man mit den Folgen der verschiedensten Diktaturen.

 

Siegfried Reiprich, Geschäftsführer der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, befragte Großbölting zu den Grundgedanken des Sammelbandes. Einer sei anfangs herausragend gewesen, so der Herausgeber: Diktaturen prägen die Gesellschaften immer sehr stark. Das sollte anhand von 15 Beiträgen zu unterschiedlichen Diktatoren untersucht werden. Im Vordergrund standen die Fragen, wie die Diktatur strukturiert war, welche Umstände den Bruch hervorbrachten und wie die Gesellschaft aus den Diktaturen lernte. Auch interessierte die Körpergeschichte der einzelnen Diktatoren. Die Autoren der Beiträge seien angehalten worden, darauf zu achten, wie der Diktator personalisiert gefeiert wurde, wie er zu Fall kam und wie das Volk mit dem Körper des Diktators nach dessen Tod umging. Auch die besondere Bindung der Bevölkerung an den Herrscher wurde untersucht und verschiedene Arten der charismatischen Herrschaft ausgemacht. Daraus gehe immer ein sehr starker Einschnitt des Denkens der Gesellschaft nach dem Ableben des Herrschers hervor.

 

Aus diesen Fakten wurden Essays, die in ihrer Vielzahl ein illustratives Bild wiedergeben und dem Leser verschiedenste Vorgänge offenbaren. So hoffe Großbölting, dass der Sammelband nicht nur als historisches Buch, sondern auch von anderen Interessierten angenommen wird. Auch die Auswahl der Diktatoren, die im Buch „Der Tod des Diktators“ erscheinen, soll Interesse wecken, denn nicht nur allbekannte wie Hitler, Stalin und Mussolini werden thematisiert.

 

Zwischen Moderator und Herausgeber entwickelte sich während der Buchvorstellung ein Gespräch, wobei die Frage, ob man scharfe Schnitte nach einer Diktatur brauche, im Mittelpunkt stand. „Aus moralischer und geschichtspolitische Sicht schon“, so Großbölting. Um einen differenzierteren Blick dafür zu bekommen, führte er das Beispiel Italien an. Nach italienischen Bild habe sich das Land 1945 selbst vom Faschismus befreit und die Grundlagen zur demokratischen Republik geschaffen, was nach Goßböltings Meinung eine Lüge sei, da das faschistische Lager im Norden beneso stark war wie die Resistenza im Süden des Landes. Diese Tatsache habe die junge Republik gänzlich verschwiegen. Auch der Umgang mit dem toten Diktator verdeutlicht die besondere Stellung Italiens: Mussolini war, ausgeschlossen von der Öffentlichkeit, von einer kleinen Gruppe der Resistenza und ohne Absprache mit den Alliierten hingerichtet und sein Leichnam anschließend zur Schau gestellt worden. Der Moderator räumte ein, dass es wegen dieser Vorgehensweise wieder nicht den benötigten Schnitt gegeben hätte. Ein rechtsstaatlicher Prozess, wie mit den Alliierten vereinbart, wäre besser gewesen.

 

Es wird deutlich, dass der Sammelband nicht nur „vertraute“ Diktatoren präsentiert, sondern auch Idi Amin, Pinochet, Saddam Hussein und Tito sowie viele andere. Das Aufblühen eines Personenkults sei gesellschaftsabhängig. Bei Stalin habe man eine wenig differenzierende russische Gesellschaft mit nur schwachen Strukturen als Basis gehabt, im Gegensatz zu Hitler in Deutschland, so Großbölting. Auch habe es in Russland schon eine Grundlage für autoritäre Herrschaft gegeben, aus diesem Grund nannte man Stalin auch den „Roten Zaren“. Besonders bezeichnend ist der Umgang Stalins mit seinen engsten Vertrauten in den letzten Jahren seiner Herrschaft. Seine größte Angst sei Verrat aus den eigenen Reihen gewesen.

 

Ob man den gesellschaftlichen Wandel beziehungsweise die Art des Diktaturzerfalls typisieren kann, wurde ebenfalls vom Publikum gefragt. Lange hätten die Herausgeber nachgedacht, ob man Typen festlegen könnte. Wichtig sei auch, ob es den Diktator allein gegeben hat oder eine Nachfolgeregelung durch eine Partei oder eine Erbfolge festgelegt wurde, so Großbölting. So habe Hitler nur bestimmt, dass die Gesetze des Reichsparteitages nicht geändert werden dürfen, andererseits stimmte Walther Ulbricht selbst für seine Abwahl und setzte damit die sozialistische Diktatur fort. Man müsse sehen, dass die 15 Essays nur wenig Gemeinsamkeiten haben, deshalb könne man von keinen Typen sprechen. Reiprich ergänzte, dass man schon untertscheiden könne zwischen militärisch aufgelöste Diktaturen und einen durch das Volk herbeigeführten Umbruch.

 

Was man lernen kann, ist, wie man mit Diktaturen umgeht und wie man Diktatoren bestraft, resümierte Thomas Großbölting und bezog damit auch die aktuelle Situation und die Ereignisse in Ägypten und Libyen mit ein.

 

Literaturhinweis:

Großbölting, Thomas/ Schmidt, Rüdiger (Hg.): Der Tod des Diktators. Ereignis und Erinnerung im 20. Jahrhundert, Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2011.

 

 

19.03.2011, 18.30 UHR, KINOSAAL

Buchvorstellung

URSULA BURKOWSKI: WEINEN IN DER DUNKELHEIT

Die Wiederauflage des Buches von Ursula Burkowski „Weinen in der Dunkelheit“, in dem sie ihre Erlebnisse in einem DDR-Heim aufarbeitet, und dessen Vorstellung im Rahmen einer Lesung im ehemaligen Stasi- Kinosaal geriet dann doch zur Premiere. Christian Sachse, der zuvor am gleichen Ort sein neues Standardwerk zur Jugendhilfe in der DDR „Der letzte Schliff“ vorgestellt hatte, wurde von Verlagsleiter und Kooperationspartner bei dieser Veranstaltung Dr. Norbert Jaron als Moderator begrüßt. Er habe schon viele Veranstaltungen mit der Autorin Ursula Burkowski erleben dürfen, aber noch keine mit dem ausgewiesenen Fachmann Christian Sachse.

 

Sachse bedankte sich für den „Fachmann“, wollte diesen aber zunächst zurückgestellt wissen. Fachfragen könne man später erörtern. Dieses Buch aber spreche für sich. Es sei keine Literatur, die sich in der U-Bahn nebenbei konsumieren ließe. Manchmal erkenne man die Tragik des Geschilderten nur zwischen den Zeilen. Ihm, Sachse, sei es fast zu nüchtern. Was zunächst nach einer Schwäche klingen mag stellte sich jedoch als die Stärke des Buches heraus. Weil dieser distanzierte Blick auf Geschehnisse bei Betroffenen selten zu finden sei.

 

Das schließt nicht aus, dass dieser „distanzierte Blick“ beim Lesen mehrerer Passagen aus dem Buch durch die Autorin dieser selbst wie auch dem Publikum sehr nahe geht. Etwa die Schilderung, wie sie mit fünf Jahren erfuhr, was Geburtstag ist. Dass es da einen Tag gibt, an dem sich „andere darüber freuen, dass ich geboren bin“. Und, als sie dies begriffen hatte, natürlich wissen wollte, wann denn ihrer sei. „Morgen!“ war die knappe, kalte Antwort.

 

Oder die Schilderung über das Glück, das sie empfand auf einer Fahrt nach Westberlin. Diese vollen Schaufenster. Und dann bekommt sie von der Bäckerin keinen Kuchen verkauft, weil sie ein Halstuch trägt: „Pioniere bekommen bei mir keinen Kuchen!“

 

Oder die Textstelle, in der sie von ihrer Freundin Antje erfährt, dass diese ein Kind bekommt. Vom Mann der eigenen Schwester, die sie an den Wochenenden besuchen durfte, missbraucht. Christian Sachse moderierte mit großer Kenntnis und Einfühlungsvermögen, stellt gezielte Fragen und aus den Antworten der Autorin entsteht ein Bild, was Heimerziehung in der DDR bedeutet haben mag: Konnten Erzieher Elternersatz sein? Nein, bei diesem strengen System von Belohnung und Bestrafung, von Demütigungen gehe dies nicht. Sie schildert, wie Einzelstrafe und Kollektivstrafe, von Erziehern verhängt, noch ihre Steigerung fanden in der vorauseilenden Bestrafung des Einzelnen durch das sog. Kollektiv. Einziges Mittel dagegen – man versucht, sich unsichtbar zu machen. Mit dem Ergebnis, dass sich keiner mehr an sie erinnert, trotz der 14 Jahre, die sie dort verbracht hat.

 

Glück – gab es solche Momente? Es sind ganz kleine Momente, die müsse man sich selbst suchen. Privatsphäre? Die gab es nur beim Weinen unter der Decke. Am Ende der Veranstaltung wollte Christian Sachse, der Fachmann, von Ursula Burkowski noch wissen, wie eine Gesellschaft mit Heimen umgehen solle, welche Form denn die richtige sei? Er bekam eine verblüffend einfache Antwort: „Nicht die Größe des Heimes ist entscheidend, sondern die Größe des Herzens.“

 

Literaturhinweis:

Burkowski, Ursula: Weinen in der Dunkelheit. Das Schicksal eines Heimkindes in der DDR, Neuausgabe, Jaron-Verlag, Berlin 2011.

 

 

19.03.2011, 19.00 UHR, AUSSTELLUNG

Serbienschwerpunkt

BORA COSIC: IM MINISTERIUM FÜR MAMAS ANGELEGENHEITEN

Gastland auf der Leipziger Buchmesse war in diesem Jahr Serbien und durch seine kommunistische Vergangenheit auch im Museum in der „Runden Ecke“, am authentischen Ort präsent. Neben der wissenschaftlichen Aufarbeitung stand dabei auch die belletristische Auseinandersetzung im Mittelpunkt. So konnte die Gedenkstätte am Samstag, den 19.03.2011, in Kooperation mit dem Folio-Verlag, den serbischen Schriftsteller Bora Cosic begrüßen, der seinen neuesten Roman „Im Ministerium für Mamas Angelegenheiten“ unter der Moderation des Zagreber Verlegers Nenad Popovic vorstellte. Dieser spielte gleich zu Beginn auf die beklemmende Atmosphäre in den authentisch erhaltenen Räumen der Stasi an, die für die beiden Intellektuellen jedoch auch gewohnt war. „Auf eine seltsame Art und Weise fühlen wir uns hier wie zuhause“ bemerkte Popovic ironisch.

Autobiographisch und gleichzeitig hochartistisch sei der neue Roman von Bora Cosic, der 1932 geboren wurde, in Belgrad aufwuchs und heute zu den bekanntesten serbischen Schriftstellern zählt. Über Jahrzehnte sei das Werk in einer Art „Work in progress“ entstanden. Mit dem kindlichen Blick beschreibt der Autor darin eine bürgerliche Familie am Ende des Zweiten Weltkriegs, als eine Welt zusammenbrach und jeder durch ganz unterschiedliche Gewerbe sehen musste, wo er bleibt.

„Statt der Befreiung kam das sozialistische Paradies“, in diesem Satz schwingt das Lachen mit, das einem im Halse stecken bleibt, wie beim Lesen dieses Romans. Die Ironie, der „dreifache Doppelboden“, das seien Cosics Stilmittel, der schon mit seinem Kultbuch „Die Rolle meiner Familie in der Weltrevolution“ einen mikroskopischen Blick auf die bürgerliche Welt und damit über die Jahre ein Riesengemälde seiner Zeit schuf. Die kindliche Perspektive nutzte er dabei um sich selbst zu retten vor dem Schrecken seiner Zeit.

 

„Für die Musik in der Sprache“ las Cosic, der selbst kein deutsch spricht, den Beginn des Kapitels „Die Russen als Gewerbe“ in der Originalversion vor. Nenad Popovic übernahm anschließend die Lesung der deutschen Übersetzung: In Belgrad gab es viele so genannte „weiße Russen“, die nach 1917 aus der Sowjetunion fliehen mussten und hier eine bevorzugte Zufluchtsstätte gefunden hatten. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit dem Einmarsch der Roten Armee „schien plötzlich das ganze Leben von den Russen abzuhängen“, der kindliche Charakter beschreibt russische Gräfinnen im Häkelwahn, Affären zwischen Russinnen und Serben, die seltsamen Angewohnheiten russischer Schulfreunde, einfahrende Panzer, unter die sich eines Tages die Mutter eines russischen Freundes legt… .„Es handelt sich hier um ein wirklich lustiges Buch, auch wenn es so unendlich traurig ist“, bemerkte Popovic und las noch weitere Geschichten von Gewerbetreibenden vor, stets knapp aber eindrucksvoll formuliert. Mit der surrealen Art die Realität zu beschreiben, das gehört zu den großen Stärken von Bora Cosic, so dass „die knapp zwanzig Euro bestens investiert sind“ beteuerte Popovic mit einem großen Augenzwinkern am Ende der Veranstaltung.

 

Literaturhinweis:

Cosic, Bora: Im Ministerium für Mamas Angelegenheiten, Folio-Verlag, Wien, Bozen 2011.

Cosic, Bora: Die Rolle meiner Familie in der Weltrevolution, 2. Aufl., Suhrkamp, Berlin 2002.

 

 

19.03.2011, 20.00 UHR, KINOSAAL

Buchvorstellung und Podiumsdiskussion

DIE DEUTSCHE EINHEIT: EINE BILANZ

Auch fünf Monate nach dem 20 jährigen Jubiläum der Deutschen Einheit scheint das Interesse an diesem Thema groß zu sein. Das zumindest bestätigen die zahlreich erschienen Besucher zu der Podiumsdiskussion am Samstagabend. Reinhard Bohse, 1989 Mitbegründer des Neuen Forums in Leipzig, moderierte die Runde mit Dr. Andreas Apelt, Bevollmächtigter des Vorstands Deutsche Gesellschaft e.V., Dr. Robert Grünbaum, stellvertretender Geschäftsführer der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, und Prof. Dr. Rainer Eckert, Direktor des Zeitgeschichtlichen Forums Leipzig. Das Bürgerkomitee freute sich dabei besonders mit dieser Veranstaltung die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft e.V. und hier vor allem mit dem Bildungswerk Sachsen fortsetzen zu können.

 

Nach einer Vorstellungsrunde der Referenten, stellten diese die Tätigkeiten ihrer Häuser vor und schilderten, womit sie sich zurzeit beschäftigten.

 

Zum Einstieg in die Diskussion fragte Reinhard Bohse Robert Grünbaum, Autor des Buches „Deutsche Einheit. Mythen und Legenden“, nach eben den Mythen und Legenden der Deutschen Einheit. Grünbaum hebt dabei die Rezeptionsgeschichte der Wiedervereinigung hervor und stellt fest, dass die Stationen zwischen dem Herbst 1989 und dem 9. Oktober 1990 wenig bekannt sind. Die Entstehung der Einheit und die Rolle der Übergangsregierung der DDR nach Egon Krenz wird in der öffentlichen Wahrnehmung nur im geringen Maße besprochen. Daneben gibt es auch Legenden, die immer wieder zur Sprache kommen. Beispielsweise, dass die „DDR vom Westen kolonialisiert worden“ sei oder die Treuhandanstalt wäre eine Erfindung des Westens, um den Osten „platt zu machen“. Solche Legenden lägen laut Grünbaum an den retrospektiven Betrachtungsweisen, je nach Interessen oder Empfinden. Wenn man heute unzufrieden ist, dann sehne man sich nach den alten Zeiten zurück. Dieser Aspekt wird in den Medien noch verstärkt.

 

Für Rainer Eckert ist eine der hartnäckigsten Legenden, dass der Umbruch des SED-Regimes eine „Wende“ war. Noch heute wehrt er sich vehement gegen diesen Begriff im Zusammenhang mit der Friedlichen Revolution, „bis zum letzten Atemzug“. Egon Krenz behauptete in seiner ersten Fernsehansprache, dass das Politbüro die „Wende“ eingeleitet hatte. Dies sei eine Lüge eines Politverbrechers. Auch wissenschaftlich gesehen lässt sich der Begriff nicht beschreiben. Außerdem verzerrt er die Eindeutigkeit der Geschehnisse – man würde die eigene Geschichte und die Bedeutung der Revolution damit verunglimpfen. Auch Grünbaum pflichtete dem bei und argumentierte mit dem spöttischen Gebrauch der „Wendehälse“ in den Jahren 1989/90.

 

Bilanz aus der Deutschen Einheit zieht auch die Publikation der Deutschen Gesellschaft e.V. „Aufbrüche und Umbrüche. 20 Jahre Deutsche Einheit – Zeitzeugen ziehen Bilanz“. Darin erzählen 26 Personen von ihrer Geschichte nach 1990, von ihrem Scheitern und ihren Erfolgen. Nachdem Apelt einige Fallbeispiele aus dem Band nannte, kam er nicht umhin von einer weiteren Legende der Deutschen Einheit zu erzählen. Die Behauptung, die DDR sei eine Wirtschaftsmacht gewesen, sei nicht tragbar. Die DDR war 1989 ein deindustrialisiertes Land, nur noch 1,5 % der gesamtdeutschen Produktion käme aus den neuen Bundesländern.

 

Nach der Abrechnung mit den Legenden stellte der Moderator die Frage nach den Erfolgen und Misserfolgen der Wiedervereinigung. Robert Grünbaum betonte zunächst die blühende Landschaft. Die Städte seien attraktiver geworden, die Umweltbilanz positiv und überhaupt die politischen – demokratischen – Verhältnisse seien ein Indiz für das Gelingen der Deutschen Einheit. Eckert hingegen wies auf die Misserfolge hin. Die ungleiche Arbeitslosigkeit in Ost und West seien noch immer ein riesiges Problem sowie die Abwanderung der jungen Leute. Negativ sei auch das fehlende politische Engagement, es sei kein Interesse da. Nicht zuletzt sei es eine Schande, dass es keine ostdeutsche Elite gebe. Nur wenige Ostdeutsche sind in Leitungsfunktionen tätig, wohingegen die meisten Leitungsfunktionen in Ostdeutschland von Westdeutschen besetzt worden wären. Auch der Einwand von Grünbaum, dass nach der Wiedervereinigung die staatlichen Ämter der DDR von politisch unbelasteten Menschen besetzt werden mussten und daher viele Westdeutsche in den ehemaligen Osten kamen, ließ Eckert nicht von seiner Meinung abbringen. Grünbaum wies darauf hin, dass es an der Zeit sei damit aufzuhören, in Ost und West zu denken. Es sei egal, woher die Leute kämen und an welche Universitäten die Studenten gingen.

 

Andreas Apelt zog auch lieber positive Bilanz und wies auf die wirtschaftliche Aufholjagd der östlichen Regionen hin. Natürlich wären diese nicht ohne die Hilfe des Westens gelungen, aber man solle den Vergleich mit den anderen postkommunistischen Ländern ziehen. Beispielsweise ist die ostdeutsche Wirtschaftsleistung dreimal so hoch wie die von Tschechien.

 

Zum Abschluss der Veranstaltung warf der Moderator noch das Thema „Einheitsdenkmal“ in die Runde. Apelt, Vertreter der Deutschen Gesellschaft e.V., betont die Bedeutung beider Denkmäler, in Berlin und in Leipzig. Jedoch hoffe er, dass die Berliner schneller als die Sachsen sind. Auf die Frage hin, warum die Debatte um das Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal so merkwürdig gelaufen sei, antwortete Eckert zunächst mit den politischen Gegebenheiten. Es wäre falsch gewesen, dass sich der Bundestag für Berlin entschieden hätte und keine gesamtdeutsche Angelegenheit daraus gemacht hätte. Jedoch ist die öffentliche Meinung jetzt positiver als am Anfang. Das Bürgerforum sei gut gelaufen und es bestehe zumindest die Chance ein schöneres Denkmal wie das geplante in Berlin zu bekommen.

 

Literaturhinweis:

Apelt, Andreas H. (Hg.): Aufbrüche und Umbrüche. 20 Jahre deutsche Einheit – Zeitzeugen ziehen Bilanz, Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 2010.

Apelt, Andreas H./ Grünbaum, Robert/ Gutzeit, Martin (Hg.): Der Weg zur Deutschen Einheit. Mythen und Legenden, Metropol-Verlag, Berlin 2010.

Eckert, Rainer: Die SED- Diktatur und Erinnerungsarbeit im vereinten Deutschland, Metropol-Verlag, Berlin 2011.

 

Weitere Informationen zur Deutschen Gesellschaft e.V. und zum Bildungswerk Sachsen:

www.deutsche-gesellschaft-ev.de

www.dg-bildungswerksachsen.org

 

 

20.03.2011, 11.00 UHR, KINOSAAL

Matinée-Lesung

REGINE MÖBIUS, EVA KARADI: DIE WENDE BEGANN AM BALATON

„Geografisch sind wir östlicher, emotional fühlen wir uns westlicher des Landes DDR. Genauer gesagt: freier.“ So wie viele Balaton-Urlauber aus der DDR empfand auch Regine Möbius, als sie als Fünfundzwanzigjährige bereits das dritte Mal an den „Plattensee“ reiste. Regine Möbius, stellvertretende Bundesvorsitzende des Verbandes für Schriftsteller und Mitherausgeberin neben Eva Karadi, und Christoph Kuhn, Hallenser Autor, stellten am 20.03.2011 in Kooperation mit Plöttner Verlag die Anthologie vor.

 

„Die Wende begann am Balaton“ umfasst 19 Beiträge von Schriftstellern und Historikern. Sie erzählen vom Freiheitsgefühl der Urlauber, vom do-it-yourself-Westen in Ungarn und spiegeln die Situation vor dem Mauerfall in Mittelosteuropa wider. Der Band wurde im Vorfeld bereits in der ungarischen Ausgabe der europäischen Kulturzeitschrift „Lettre“ veröffentlicht.

 

Regine Möbius leitete an diesem wunderschönen sonnigen Sonntag die letzte der 19 Veranstaltungen des Bürgerkomitees Leipzig zur Buchmesse mit Auszügen aus Ihrem Text, über ihre Ungarnreisen, ein. Sie liest von ihren Reisebegleitern im Zugabteil, den bunten Märkten, dem starken Kaffee und den noch stärkeren filterlosen schwarzen Zigaretten. Als 19 Jährige, erstmalig so weit weg von der eingemauerten Heimat, war sie beeindruckt von dem unbeschwerten Gefühl, vom Neuen in der Ferne. Wenn sie mit Leuten ins Gespräch kam, sagte sie nie, dass sie aus der DDR komme, sie sagte immer nur Leipzig. Einen Tag nach Ihrer Heimkehr von dieser ersten Reise an den „Plattensee“ marschierten die Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei ein. Die Autorin schämte sich, dass Soldaten der DDR dabei sein mussten. Sie begann umzudenken und suchte Gleichgesinnte.

 

Es folgten viele weitere Reisen nach Ungarn, später mit ihrem Mann und den zwei Töchtern. Immer wieder traf sie alte Bekannte, Westdeutsche aus Kiel etwa, die sich freuten einen günstigen Urlaub machen zu können. Sie tauschten Zeitschriften und fühlten sich frei. Später fand Möbius heraus, dass das ein Trugschluss war. In ihrer Stasi-Akte fand sie Berichte, in denen minutiös geschrieben steht, wann sie mit wem gesprochen und welche Zeitung sie gelesen hatte.

 

Dann kam Christoph Kuhn an die Reihe. Um einen Einblick in die wissenschaftliche Seite des Buches zu geben, las er aus dem Gespräch Václav Havels mit Adam Michnik, die sich über Gründe und Folgen des Prager Frühlings, über die Risse des kommunistischen Systems in Mittelosteuropa und die Nachwirkungen auf die postsowjetischen Gesellschaften unterhielten. Weiter liest Kuhn aus Karl Schlögels Text „Orte und Schichten der Erinnerung“, der sich mit den unterschiedlichen Erinnerungsformen der Europäer beschäftigt. Anhand der Ereignisse, die sich zwischen 1968 und 1989 in Europa ereigneten, skizziert er seine Sicht auf die Dinge und seine Erinnerungen, die sich im Zuge der gewandelten gesellschaftlichen Verhältnisse ebenfalls änderten. Der nächste Textauszug ist von Kriszta Slachta, die drei Monate lang IM-Berichte von Urlaubern am Balaton oder dort Angestellter gelesen hatte. Nach einigen Zitaten der Berichte, die belanglos und zugleich skurril wirken, schreibt sie darüber, wie sie selbst sich nach der Aktenrecherche verändert hatte – sie wurde misstrauischer. Die Erkenntnis, dass die DDR-Stasi das wohl beste Staatssicherheitssystem in den kommunistischen Ländern war, erklärt sie verständlich und ausführlich.

 

Zu guter Letzt schließt Kuhn mit einigen Auszügen aus einem Kommentar von Ágnes Heller zur Diskussionsrunde über Demokratiemüdigkeit.

 

Nach einer Stunde war die letzte Veranstaltung zum Lesefestival „Leipzig liest“ im Museum in der „Runden Ecke“ zu Ende und die 25 Besucher konnten mit heiteren und auch wissenschaftlich fundierten Anregungen über den Ursprung der Deutschen Einheit in den sonnigen Nachmittag gehen.

 

Literaturhinweis:

Möbius, Regine/ Karadi, Eva (Hg.): Die Wende begann am Balaton, Plöttner Verlag, Leipzig 2011

 

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AUS DER ARBEIT DER GEDENKSTÄTTE

 

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ÖFFENTLICHE FÜHRUNGEN DURCH DIE SONDERAUSSTELLUNG „LEIPZIG AUF DEM WEG ZUR FRIEDLICHEN REVOLUTION“

Im Herbst 1989 wurde Leipzig zur Stadt der Friedlichen Revolution, die zum Sturz der SED-Diktatur führte und den Weg zur Wiedervereinigung ebnete. Die Schau erzählt nun von den politischen Aktionen der Leipziger Opposition des Jahres 1989 und den bewegenden Montagsdemonstrationen bei denen tausende von Menschen friedlich zum Fall einer Diktatur beitrugen. Außerdem wird die demokratische Entwicklung des Jahres 1990 bis zur Wiedervereinigung am Leipziger Beispiel näher beleuchtet. Zahlreiche originale Objekte und Dokumente laden dabei zu spannenden, neuen Entdeckungen ein. Die Termine für öffentliche Führungen sind folgende:

 

Samstag, den 23. April & den 30. April jeweils 16.30 Uhr:

Treffpunkt: Museum in der „Runden Ecke“ ehemaliger Stasi-Kinosaal

 

Sonntag, den 24. April, um 11.00 Uhr:

Treffpunkt: Museum in der „Runden Ecke“ ehemaliger Stasi-Kinosaal

 

 

23. UND 24. APRIL, JEWEILS 13.00 BIS 16.00 UHR: MUSEUM IM STASI-BUNKER GEÖFFNET

Das letzte Wochenende im Monat, den 23. & 24. April, hat die ehemalige Ausweichführungsstelle in Machern geöffnet. In dem 1969 bis 1972 erbauten Bunker hätte der Leiter der bezirklichen Geheimdienstzentrale, der Leipziger „Runden Ecke”, im „Ernstfall” zusammen mit 100 Offizieren seine Tätigkeit fortgesetzt. Zu besichtigen sind das 5,2 Hektar große, denkmalgeschützte Gesamtgelände mit allen erhaltenen Bauten und Anlagen sowie das komplette Bunkerinnere.

 

 

VORSCHAU MUSEUMSNACHT: 7. MAI 2011, 18.00 BIS 1.00 UHR:„HEIMLICHE LIEBE“ – MUSEUMSNACHT IN LEIPZIG UND HALLE

Am 7. Mai findet die bereits dritte Doppelmuseumsnacht von Leipzig und Halle statt. Auch die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ beteiligt sich mit dem Museum im Stasi-Bunker und der ehemaligen zentralen Hinrichtungsstätte mit Sonderführungen und Filmen.

 

Weitere Informationen zum Gesamtprogramm und zu allen Veranstaltungen im Museum in der „Runden Ecke“:

www.halzigundleiple.de

www.runde-ecke-leipzig.de/termine/veranstaltungen.html

 

 

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AUS DEM GÄSTEBUCH

 

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Mehrere tausend Menschen besuchen monatlich die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ mit dem Museum im Stasi-Bunker. Manche leben in Leipzig und kommen – häufig mit Gästen – immer wieder in die Ausstellung. Andere kommen von weit her zu Besuch in die Stadt und wollen hier sehen, wo und wie vormals das berüchtigte Ministerium für Staatssicherheit arbeitete.

 

DAUERAUSSTELLUNG

 

Ein trauriges Kapitel deutscher Geschichte. Man kann es spüren, wenn man all die Dokumente sehen kann.

(Besucher aus Frankfurt/Main am 30.03.2011)

 

Bitte diese Gedenkstätte niemals schließen!

(Besucher am 27.03.2011)

 

Wissen, das endlich ans Tageslicht kommt. Das Museum gewährt tiefe Einblicke, die unter die Haut gehen. Danke für die umfassende Aufklärung dieser schrecklichen Zeit! (Besucherin, 14 Jahre, 26.03.2011)

 

Sehr interessant, so einen Einblick zu bekommen. Für „Wessis“ erstaunlich und beklemmend.

(Besucherin am 11.03.2011)

 

Es gibt bei allem, das angeblich gut war, keine Entschuldigung. Die kriminelle Energie des Systems hat überwogen. Diese Erinnerungen müssen aufrechterhalten werden.

P.S.: Hoffentlich wird daraus gelernt! Das Museum sollte unbedingt in der jetzigen Form erhalten werden.

(Besucher aus München am 21.03.2011)

 

 

SONDERAUSSTELLUNG

 

Die Ausstellung zeigt, was Menschen auch auf friedliche Weise erreichen können. Sie sollen uns ein gutes Beispiel sein.

(Besucher am 09.03.2011)

 

Ich finde die Ausstellung gut gemacht und hatte das Glück, einer Führung beizuwohnen. Ich bin der Meinung, dass die Ausstellung einen dauerhaften Platz in Leipzig finden sollte.

Nutzen Sie die Zeit, solange es noch Zeitzeugen gibt!

(Besucher am 06.03.2011)

 

Für mich ist dieses komplexe Thema zurzeit sehr interessant. Man erfährt viele Dinge, die man vorher noch nicht wusste. Da ich aufgrund einer Facharbeit extrem viel darüber raussuchen „musste“, hat es richtig viel Spaß gemacht.

Dank an die Organisatoren dieser Ausstellung!

(Besucher aus Markkleeberg am 12.03.2011)

 

Die Ausstellung ist sehr beeindruckend und berührend. Sehr gut gestaltet. Vielen Dank für diese Informationen. Leipzig, Heldenstadt.

(Besucherin aus Leverkusen im März 2011)

 


 



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Die Arbeit des Bürgerkomitees wird gefördert durch die Stiftung Sächsische Gedenkstätten aus Mitteln des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien auf der Grundlage eines Beschlusses des Deutschen Bundestages und des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst sowie durch die Stadt Leipzig und den Kulturraums Leipziger Raum.

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Bürgerkomitee Leipzig e.V.
für die Auflösung der ehemaligen Staatssicherheit (MfS)
Träger der Gedenkstätte
Museum in der „Runden Ecke“ mit dem Museum im Stasi-Bunker
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