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Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

 

im traditionell etwas ruhigeren November blickt das Bürgerkomitee auf den ereignisreichen Monat Oktober zurück, in dem wieder der 22. Jahrestag der Friedlichen Revolution rund um den 9. Oktober begangen wurde. In diesem Jahr lag der Fokus auf dem Nachbarland Polen, das mit der Solidarnoscbewegung wichtige Impulse für den friedlichen Umbruch in Europa setzte. Daher hielt auch der polnische Botschafter in Berlin Marek Prawda die diesjährige Rede zur Demokratie.

 

Ein weiterer Höhepunkt war wie jedes Jahr das Lichtfest, bei dem sich tausende Menschen auf dem Augustusplatz versammelten und der größten Montagsdemonstration vor 22 Jahren gedachten. Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite www.herbst89.de.

 

Dass es auch in Polen Solidaritätsbekundungen mit der DDR-Opposition gab, zeigten wir beim Vortrag „Solidarni z Nowym Forum“. Eine polnische Oppositionsgruppe protestierte in Krakau für die Zulassung des Neuen Forums und gegen die Berliner Mauer, in dem sie den Eingang des dortigen Kultur- und Inforationszentrums der DDR zumauerte. Am 21. Oktober diskutierten ausgewiesene Experten im Rahmen der Reihe „Geisteswissenschaft im Dialog“ unter dem Titel „Verschlusssache – streng geheim!“ über die Öffnung von Geheimdienstarchiven und den damit verbundenen Konsequenzen für Demokratien und Diktaturaufarbeitung. Resümees zu den beiden Veranstaltungen finden Sie unter „Rückblick“.

 

Wir würden uns freuen, wenn Sie uns wieder besuchen und wünschen Ihnen viel Vergnügen beim Lesen des Newsletters.

 

 

Ihr Bürgerkomitee Leipzig

 

 

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INHALT

Wir laden ein

Rückblick

Aus dem Gästebuch

 

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WIR LADEN EIN

 

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26. & 27.November 2011, 13.00 bis 16.00 Uhr Museum im Stasi-Bunker in Machern geöffnet

Ständig Führungen. Im Naherholungsgebiet Lübschützer Teiche bei Machern liegt die einstige Ausweichführungsstelle (AFüSt) des Leiters der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Leipzig. Das Objekt war als eine Ferienanlage des VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Leipzig getarnt. Kern der Anlage ist der von 1968 bis 1972 gebaute Bunker. Im Spannungs- und Mobilmachungsfall hätte der Leipziger Stasi-Chef gemeinsam mit ca. 100 hauptamtlichen Mitarbeitern und zwei Verbindungsoffizieren des KGB (des sowjetischen Geheimdienstes) seinen Dienstsitz nach Machern verlagert. Die Ausweichführungsstelle war ein heimlich geschaffener Komplex, durch den sich die Führungsriege des MfS ihren Machtanspruch im Fall eines Ausnahmezustands zu erhalten gedachte.

 

Zu besichtigen sind das 5,2 Hektar große, denkmalgeschützte Gesamtgelände mit allen erhaltenen Bauten und Anlagen, sowie das 1.500 Quadratmeter umfassende Bunkerinnere. Dokumentiert ist dabei auch die spezielle Aufgabe des MfS im Ernstfall – bis hin zur geplanten Einrichtung von Isolierungslagern für Oppositionelle.

 

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RÜCKBLICK

 

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MITTWOCH, 5. OKTOBER, 19:00 UHR, GEDENKSTÄTTE MUSEUM IN DER „RUNDEN ECKE“

Vortrag und Gespräch

„SOLIDARNI Z NOWYM FORUM“

Die Geschehnisse in der DDR und besonders in Leipzig überrollten im Herbst 89 die ganze Welt und stellten diese auf den Kopf. Doch was bekam man davon bei unserem direkten Nachbarn Polen mit? Zeigte sich die polnische Opposition solidarisch oder herrschte in Polen Angst vor einem wiedervereinigten Deutschland, das die ehemaligen Ostgebiete zurückfordern könnte.

 

Dass in Teilen der polnischen Opposition der Wunsch nach Freiheit für die DDR-Bürger und die Neugierde die Angst überwog, zeigte der eindrückliche Vortrag von Tobias Hollitzer, dem Leiter der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“. So hatte eine Gruppe polnischer Oppositioneller am 5. Oktober 1989 in Krakau das Kultur- und Inforationszentrum der DDR eingemauert, um für die Zulassung des Neuen Forums zu demonstrieren. Der Abend stand so ganz unter dem Motto „Solidarni z Nowym Forum“, Solidarität mit dem Neuen Forum. Die Bürgerbewegung stand synonym für die verschiedenen Gruppierungen und erlangte zunächst den höchsten Bekanntheitsgrad und Einfluss.

 

Bei den Recherchen nach Fotos der Friedlichen Revolution kam der Leiter der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ auch mit dem Leipziger Fotografen Harald Kirschner ins Gespräch. Kirschner war zu der Zeit der ersten großen Montagsdemonstrationen nicht in Leipzig, sondern in Krakau, wo er zum Glück Bilder dieser Solidaritätsaktion machen konnte. Acht Fotografien wurden nun 22 Jahre später das erste Mal der Öffentlichkeit vorgestellt. Sie zeigen das Kultur- und Inforationszentrum der DDR zugemauert und mit Transparenten behangen, die die Auflösung der DDR und das Niederreißen der Mauer forderten. Dieser Bilder wären bestimmt eine Genugtuung für jeden Ausreisewilligen und Oppositionellen in der DDR gewesen.

 

Tobias Hollitzer Interesse war durch diese Bilder geweckt. Er wollte mehr wissen. Wer waren diese Demonstranten? Warum veranstalteten sie die Demonstration und wie reagierte Das Regime? Nach einigen Recherchen konnte er Wojciech Pięciak ausfindig machen. Heute Journalist bei der Wochenzeitung „Tygodnik Powszechny“, damals Germanistikstudent und Mitorganisator der Demonstration. Pięciak konnte leider nicht persönlich nach Leipzig kommen, schickte jedoch seine sehr eindrücklichen Erinnerungen an das Museum, die an diesem Abend in Auszügen vorgetragen wurden.

 

Pięciak legte dar, wie sich das Verhältnis von Polen und Deutschland verändert hat. So sei es heute für seine Kinder Normalität, dass Polen und Deutschland in den gleichen westlichen Organisationen sind und wirtschaftliche und politische Partner in der EU sowie militärische in der Nato. Vor 22 Jahren wäre dies aber nicht so selbstverständlich gewesen. Eher hätte bei einer Mehrheit der Polen Angst vor den Deutschen geherrscht. Man hätte zwar die Berliner Mauer auch als „Monstrum“ betrachtet, mit der nicht nur die Ostdeutschen gefesselt, sondern auch die Polen an die Sowjetunion gebunden wurden. Dies noch einmal herauszustellen lag Pięciak besonders am Herzen um an das Klima zu erinnern in dem die Demonstration organisiert wurde.

 

Für ihn und seine Freunde aber gab es keine Gründe den Deutschen zu misstrauen. Einer aus der Gruppe hatte eine ostdeutsche Freundin, weswegen er sich besonders für die Geschehnisse in der DDR interessierte und auch das Neue Forum war den meisten ein Begriff. Man teilte also eher den Wunsch nach Freiheit als das gegenseitige Misstrauen, so Pięciak. In diesem Sinne war es ihm und seinen Freunden ein inneres Bedürfnis „irgendetwas zu tun“, irgendein Zeichen der Solidarität setzen.

 

Damals gab es in Krakau keine Botschaft der DDR, jedoch ein Kultur- und Informationszentrum. So beschloss man, dieses aus Protest zuzumauern. Man gründete eine Gruppe, „Solidarność Polsko-Niemiecka“-„Polnisch-Deutsche Solidarität“, schloss sich mit anderen oppositionellen Gruppen zusammen, malte Transparente, druckte und verteilte Flyer, und natürlich besorgte man Steine und Zement.

 

Die Reaktionen auf die Verteilung der Flugblätter waren sehr unterschiedlich. Vor allem Ältere fragten, ob sie denn nicht wüssten was Auschwitz sei, und dass ein wiedervereinigtes Deutschland eine Gefahr für die polnische Westgrenze wäre. Jüngere jedoch reagierten sehr positiv. Sie waren der Meinung die Mauer und überhaupt die ganze kommunistische DDR müsse weg.

 

So fanden sich auch mehrere hundert vornehmlich junge Menschen zu der Demonstration zusammen. Da viele nichts von der DDR wussten, beschloss die Gruppe Redebeiträge über das Leben in der DDR zu halten. Über das Gefangen sein im eigenen Land und über die Opposition dagegen. Als sie das Zentrum erreichten, konnten sie es ungestört zumauern. Die Angestellten flohen durch einen Hinterausgang. Auf der Demonstration sprach auch ein Ostberliner Aktivist seinen Dank für die polnische Solidarität aus, so Pięciak.

 

Im Anschluss an den Vortrag wurden zwei Filme der Demonstration gezeigt. Der Eine stammte von der polnischen Stasi, der andere wurde von den Aktivisten selbst gedreht. Die ausgelassene Menschenmenge, die man darauf sieht, hatte sichtlich Spaß am Zumauern, während die Mitarbeiter des Zentrums etwas überfordert am Fenster stehen und die Situation beobachten.

 

Nach den beiden kurzen Filme zitierte Hollitzer noch einmal Pięciak:„ Als ich etwa einen Monat später – genau: am Tage, nachdem die Berliner Mauer gestürzt worden war – die Berliner Gethsemanekirche besuchte, fand ich dort eine kleine Fotoausstellung mit Aufnahmen unserer Krakauer Demo. Daneben hatte jemand geschrieben: „Waren wir auch solidarisch mit den Polen, als es in Polen das Kriegsrecht gab?“.

 

Pięciak meinte, die Ostdeutschen zeigten tatsächlich wenig Solidarität, als 1981 im Nachbarland die Panzer rollten, jedoch tat dies auch ein Großteil der Polen nicht. Das änderte sich erst im Herbst 1989. Allmählich setzte sich die Erkenntnis durch, dass „Weg mit der Mauer!“ und „Freiheit für Deutsche aus der DDR!“ nicht nur einen menschlichen Aspekt habe, sondern dass die Freiheit der Deutschen auch im Interesse der Polen ist, weil es ohne ein freies, vereinigtes Deutschland auch kein freies Polen geben kann.

 

Der Vortrag zeigte, dass es in Deutschland und Polen durchaus Gruppierungen gab, die sich füreinander interessierten und sich nur für die Freiheit auf nationaler sondern auch auf europäischer Ebene einsetzten. Bis heute ist es wichtig, auch einen Blick über den Tellerrand zu wagen, wie beim diesjährigen Polenschwerpunkt auf dem Leipziger Lichtfest geschehen. Die Friedliche Revolution von 1989 führte letztlich nicht nur zu deutschen sondern auch zur europäischen Einheit, daran will die Initiative „Leipzig 9. Oktober 1989 - Tag der Friedlichen Revolution“ auch in den kommenden Jahren erinnern.

 

 

21. Oktober 2011, 17.00 Uhr, Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“

Podiumsdiskussion

Verschlussache – streng geheim! Geheimdienstakten und Geheimarchive

Am 4. Dezember 1989 besetzten die Bürger Leipzigs die Stasi-Bezirksverwaltung am Innenstadtring. Sie wurden damit Herr über einen riesigen Aktenberg, den die Stasi über sie in Jahrzehnten angelegt hat. Doch wie geht man mit diesem Material um, besonders in einer Zeit in der Täter und Opfer noch leben? Was bedeuten die Öffnungen ehemals geheimer Archive für die Erinnerungskultur einer Gesellschaft?

 

Um diese Fragen zu klären, lud die Leibniz-Gemeinschaft in Kooperation mit dem Bürgerkomitee und der Stiftung der Deutschen Geisteswissenschaftlichen Institute im Ausland (DGIA) zu einer Diskussion in die „Runde Ecke“ ein. Die Veranstaltung war Teil der Reihe „Geisteswissenschaft im Dialog“. Das Podium war hochkarätig besetzt. Es sprachen Prof. Dr. Manfred Bierwisch, Professor an der Humboldt Universität zu Berlin und Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften sowie Ehrenmitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, Prof. Dr. Nikolaus Katzer, Leiter des Deutschen Historischen Institut in Moskau, Dr. Lutz Klinkhammer, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Referent des Deutschen Historischen Instituts in Rom, Prof. Dr. Martin Sabrow, Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung in Potsdam sowie Professor an der Humboldt Universität zu Berlin, Prof. Dr. Andreas Wirsching, Leiter des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin. Die Moderation hatte Prof. Dr. Rainer Blasius, verantwortlicher Redakteur des Ressorts „Politische Bücher“ in der Politikredaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung inne.

 

Vor circa 70 Besuchern leitete Prof. Dr. Heinz Duchhardt, Stiftungsratsvorsitzender der Stiftung „DGIA“, den Abend ein. Und betonte, dass das Podium nicht nur aus Kennern der deutschen sondern auch der europäischen Archive besteht. Die Geheimakten stellen Historiker vor Probleme methodischer aber auch moralischer Natur. Die ideologische Ausrichtung der Ersteller der Akten muss beim Auswerten der Dokumente immer mit berücksichtigt werden. Hierzu sind intime Kenntnisse der institutionellen und kulturellen Gegebenheiten von Nöten, so Duchhardt. Eine Enthüllungsplattform wie „Wikileaks“, die Akten unkommentiert veröffentlicht ist daher für den Laien unbrauchbar und nur für den Historiker ein „Festmahl“.

 

Eine Einführung zum authentischen Ort gab der Leiter der Gedenkstätte und stellvertretende Vorsitzende des Bürgerkomitee Tobias Hollitzer. So gehörte der ehemalige Stasi-Kinosaal zur Bezirksverwaltung des Ministeriums für Staatssicherheit in Leipzig. Die letzte Veranstaltung der Stasi in diesen Räumlichkeiten war der Festakt zu „40 Jahre DDR“. Die darauffolgende Veranstaltung war eine Sondersitzung des Runden Tisches, in der es Anfang 1990 um den weiteren Umgang mit den Stasi-Akten ging. Es waren auch die Stasi-Akten die letzten Endes zur Besetzung führten. So zogen zwar die Leipziger Montagsdemonstrationen schon einige Zeit an der Bezirksverwaltung vorbei, doch erst als die Gerüchte um die Vernichtung der Akten nicht mehr verstummten, wurde das Gebäude am 4. Dezember. 1989 besetzt.

 

Der Moderator stellte im Anschluss das Podium vor und bat um die Statements der einzelnen Teilnehmer. Lutz Klinkhammer erläuterte seinen Standpunkt an der Geschichte der Öffnung des Vatikanischen Archives. So ermöglichte Papst Leo der XIII 1881 das Geheimarchiv für alle Menschen ungeachtet ihrer Konfession. Es steckte aber nicht der Wunsch nach freiem Zugang zum Wissen hinter diesem brillanten Schachzug, sondern politisches Kalkül. Die Kurie sei vorher immer stärker in Verruf geraten, so dass der Papst zeigen wollte, dass sie nichts zu verbergen habe.

 

Später wurde nur privilegierten Historikern Zugang zu den Archiven gewährt, die kommentierte Archivbände herausbringen sollten. Wie es zum Beispiel im faschistischen Italien der Fall war und auch heute ist der Trend dahingehend, dass nur ausgewählte Historiker auf die Quellen der Arkanbereiche zugreifen dürfen. „Ein allgemeiner Archivzugang, wie er von Papst Leo XIII. geschaffen wurde, ist daher auch heute – bei zunehmender Auftragsforschung – kein unwichtiges Postulat.“, so Klinkhammer.

 

Nikolaus Katzer hinterfragte daraufhin die Form der Archivöffnung in der Sowjetunion. So ist seit der Präsidentschaft Wladimir Putins der Archivzugang nur noch eingeschränkt möglich, jedoch war auch die kurze Phase der offenen Archive nach 1992 problematisch. Die Öffentlichkeit wurde mit eine riesigen Flut an neuen Quellen und Informationen zum Sowjet-Imperium überflutet, jedoch geschah dies oft in unkommentierten Ausgaben mit dem sowohl die Hochschullehrer als auch die Öffentlichkeit nichts anfangen konnten. Überhaupt seien die Akten nur zu verstehen, wenn sie durch die Kommentare und Eindrücke der Zeitzeugen ergänzt würden, so Katzer. Die reine Fokussierung auf die Archive bewirke dagegen eine Verengung des Geschichtsbildes.

 

Andreas Wirsching wies daraufhin, dass Transparenz zwar immer ein Maßstab für das Funktionieren einer Demokratie sei und auch angestrebt wird, jedoch sich auch eine Demokratie vorbehält Geheimakten zu haben. Geheimdienste, die das vor allem betrifft, würden im technischen Sinne teilweise ähnlich arbeiten. Abgesehen davon gebe es auch im privatwirtschaftlichen Bereich eine Sammelwut, die teilweise bis zum Erstellen von Bewegungsprofilen Einzelner reicht. Diese Spannungsfelder der Demokratie sollten von der Gesellschaft hinterfragt werden. „Das ist also auch ein Plädoyer dafür, sich mit der Geschichte der frühen BRD zu beschäftigen“, so Blasius.

 

Danach erläuterte mit Prof. Dr. Manfred Bierwisch als einziger Nicht-Historiker seinen Standpunkt. Er stellte die Frage ob der umfangreiche Zugang zu den Archiven dem friedlichen Zusammenleben der Gesellschaft förderlich ist, wenn die Betroffenen noch leben. Da Spannungsfelder nicht durch die Aufdeckung von Fehlverhalten sondern durch das vermutete Verdrängen entstehen, sei zum einen „Aufklärung im Zweifelsfall hilfreicher als Verdrängen“. Des Weiteren sei taktisches Kalkül und zulässige wie unzulässige Meinungsmache nicht auf die Verfügbarkeit von Geheimdienstakten begrenzt und ohne sie gegebenenfalls bösartiger. Außerdem stellt verantwortlicher Umgang immer die Qualität und Belastbarkeit der Dokumente in Rechnung, die ohne Berücksichtigung ihrer Entstehung nicht bewertbar sind. Und da sind die Akten (nicht nur der Stasi) oft selbst ungewollte Helfer: Ein Abhörprotokoll, in dem „Sergasmus“ steht statt „Sarkasmus“ belegt die Kompetenz des Abhörers.

 

Martin Sabrow stellte in seinem Statement zwar fest, dass in den letzten Jahrzehnten die Öffentlichkeit immer mehr auf die Öffnung von Archiven gedrängt hat, schränkte aber die Bedeutung dieses „Runs“ auf die Archive ein. So merkte er an, dass der Furor um die Archive vergessen macht, dass Geheimakten keinen erhöhten Aussagewert haben. Nur weil es in den Akten steht, muss es nicht wahr sein, beziehungsweise nicht höherwertig als ein Zeugenbericht. Des Weiteren stellt sich für ihn die Frage, ob es nicht auch für Historiker illegitimes Wissen gibt. Die Stasiakten zum Beispiel wurden nach westlichen Maßstäben illegal angesammelt, weswegen ein Zugriff der Historiker moralisch in Frage zu stellensei. Des Weiteren merkte er an, dass durch den ungleichen Akten Zugang ein Schiefbild in der Wissenschaft entstünde. Auf die ehemaligen sozialistischen Archive könne man Zugreifen auf die Westlichen nur eingeschränkt, dies ist aus wissenschaftlicher Sicht inakzeptabel.

 

In der anschließenden Diskussion wies Wirsching daraufhin, dass es einen Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur gebe. Für eine Diktatur sei der Geheimdienst elementar wichtig, während die Erforschung der westlichen Geheimdienste vor allem zu Tage brachte, dass diese für die Bewertung des Systems eher unerheblich seien.

 

Dies relativierte Lutz Klinkhammer. Die italienischen Geheimdienste hätten ebenfalls peinlichst genau die Bevölkerung ausspioniert und wären zumindest im technischen Sinne mit den sozialistischen Geheimdiensten zu vergleichen. Es gebe generell ein Bedürfnis nach dem Sammeln von Information, um gegebenenfalls zum Beispiel eine Desinformationskampangne starten zu können.

 

Prof. Dr. Bierwisch war es noch einmal wichtig darauf hinzuweisen, dass es einen Unterschied macht unter welchen Umständen die Archive geöffnet werden. Ob das System durch einen Zusammenbruch die Hoheit über die Akten verliert, oder ob es eine institutionelle Kontinuität gibt, wie es bei Akten der BRD der Fall sei.

 

Insgesamt waren sich alle Beteiligten einig, dass die auch die westdeutschen Geheimarchive geöffnet werden müssten, da es ansonsten zu einer Verschiebung des Geschichtsbildes kommen würde. Wobei Rainer Blasius dies einschränken musste, da es noch durchaus berechtigte Arkanbereiche in der Politik gibt. Er schloss dann auch die Veranstaltung mit einem Zitat, dass das Bundesarchivgesetz „der Retroperspektiven demokratischer Kontrolle des Regierungs- und Verwaltungshandelns der Bundesregierung und ihrer Dienststellen durch wissenschaftlicher Forschung“ dienen soll.

 

 

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AUS DEM GÄSTEBUCH

 

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Mehrere tausend Menschen besuchen monatlich die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ mit dem Museum im Stasi-Bunker. Manche leben in Leipzig und kommen – häufig mit Gästen – immer wieder in die Ausstellung. Andere kommen von weit her zu Besuch in die Stadt und wollen hier sehen, wo und wie vormals das berüchtigte Ministerium für Staatssicherheit arbeitete.

 

Viele unserer Besucher hinterlassen eine Notiz im Gästebuch und schreiben hier ihre Eindrücke nieder, die sie in der Gedenkstätte gesammelt haben. Unter dieser Rubrik wollen wir monatlich einige dieser Einträge an Sie weitergeben.

 

 

Einträge Aus der Dauerausstellung „Stasi - Macht und Banalität“

 

„Meine Gäste waren von den Exponaten und der Schilderung ihrer persönlichen Erlebnisse im Zusammenhang mit dem Herbst 1989 überaus beeindruckt. Der Besuch in Ihrem Museum hat Ihnen die Bedeutung der Stadt Leipzig für die deutsche Wiedervereinigung ein gutes Stück näher gebracht und damit unvergesslich gemacht.“

(Marion Eckertz-Höfer, Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts in einem Schreiben vom 12.10.2011 anlässlich eines Besuches der Präsidentinnen und Präsidenten der Oberverwaltungsgerichte / Verwaltungsgerichtshöfe der Länder)

 

 

„Auch in Parallelität zu meinem Besuchen des Stasi-Gefängnisses in Hohenschönhausen hat mich diese Ausstellung bewegt und angesprochen. Hier kann man, konnte ich meine Lücken im Geschichtswesen über die DDR/Stasi schließen. Das erfährt man in keinem Schulunterricht. Weiter so und viel Glück.“

(Besucher aus Braunschweig am 05.10.2011)

 

„Mir hat das Museum sehr gut gefallen. Es gab Einblicke in eine Zeit die ich nicht erlebt habe. Macht weiter so!“

(11-jährige Besucherin im Oktober 2011)

 

„Es ist noch heute bewegend und einfach nur gut, dass wir Freiheit in Frieden haben. Sie haben gerufen ‚Wir sind das Volk’ = Wir sind EIN Volk. Wir werden das nie vergessen.“

(Generalleutnant Roland Kather, Deutscher Militätvertreter in der NATO am 09.10.2011)

 

„’Leipziger Leute’ can be very proud of the huge effort break up for the freedom.“

(Generalleutnant Rolando Villazón, Spanische Armee, am 09.10.2011)

 

“Thank you for a very informative exhibition. My husband left Leipzig in 1958. We came to see his family in July ’89 and could feel the way things were, especially attending the church. It is good to come back!”

(Ehepaar aus Coffs Harbour, Australien, am 10.10.2011)

 

 

“Enorm spannend – ich bin beeindruckt und habe viel gelernt. Bitte so authentisch lassen, wie es ist, und nicht so schick herrichten wie das elegante Zeitgeschichtliche Forum!”

(Besucher aus Essen am 22.10.2011)

 

 

 

 

Einträge aus der Sonderausstellung „Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“

 

“Ich wollte nur ‘kurz durchgehen’ und sie hielt mich fest – eine so fein und historisch nah recherchierte Ausstellung, dass ich mich wieder auf dem Karl-Marx-Platz von montags Herbst 1989 befand. Das Gefühl des Aufbruchs und ‚dass etwas Großes’ passieren würde, werde ich nie vergessen. Es gehört zu meinem Leben, das wurde mir in der Ausstellung bewusst. Danke all jenen Menschen, die einen friedlichen Verlauf der Revolution ermöglicht haben!”

(Besucherin am 12.10.2011)

 

“Dies ist eine hochinteressante, zeitgeschichtliche Ausstellung! Toll!”

(Besucher aus Ulm im Oktober 2011)

 

 

“Eine wahre, interessante und bewegende Ausstellung, öffnet ein neues ‚Zeitfenster’ in meinem Bewusstsein. Gewaltfreiheit und Demokratiebewegung sind auch weiterhin wichtig!”

(Besucherin aus Hamburg am 10.10.2011)

 

 

“Die konkreten Erinnerungen müssen für nachfolgende Generationen erhalten bleiben. Danke allen mutigen Leipzigern!”

(Besucher vom Bodensee im Oktober 2011)

 


 



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Bürgerkomitee Leipzig e.V.
für die Auflösung der ehemaligen Staatssicherheit (MfS)
Träger der Gedenkstätte
Museum in der „Runden Ecke“ mit dem Museum im Stasi-Bunker
Dittrichring 24, PSF 10 03 45, D-04003 Leipzig
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