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Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

 

der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 hat sich 2013 zum 60. Mal gejährt. Zahlreiche Leipziger Zeitzeugen, Vertreter von Opferverbänden, Politiker und Interessierte nahmen am Montag, den 17. Juni 2013, in Leipzig neben der Gedenkfeier in der Straße des 17. Juni auch an den weiteren Veranstaltungen teil. In der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ stand der Vormittag im Zeichen des Austausches zwischen Schülern und Zeitzeugen. Den würdigen Abschluss dieses Tages bildete ein Podiumsgespräch mit Zeitzeugen zu ihren Erfahrungen an jenem ereignisreichen Tag vor 60 Jahren sowie ein kleiner Empfang, zu dem der Leipziger Oberbürgermeister und das Bürgerkomitee Leipzig eingeladen hatten. Am 19. Juni konnten wir die Historikerin Dr. Heidi Roth begrüßen, welche mit ihrem Vortrag noch einmal einen Überblick über die Entwicklungen des gescheiterten Volksaufstandes von 1953 in den drei sächsischen Großstädten gab.

 

Den Gedenkveranstaltungen folgten im Laufe der Woche in Zusammenarbeit mit dem Bachfest Leipzig zwei Konzertlesungen zu Neuer Musik in der DDR und ihrer Beeinflussung durch SED und Stasi. Verschiedene zeitgenössische Komponisten erzählten dabei von ihren persönlich empfundenen Zwängen und vom Ergreifen sich bietender Freiheiten in der DDR-Kulturpolitik. Unter der Rubrik „Rückblick“ finden Sie detaillierte Informationen über die Veranstaltungen jener Tage.

 

Am Dienstag, den 16. Juli 2013 wird der Kölner Künstler Gunter Demnig wieder Messingsteine, die so genannten Stolpersteine, vor der letzten selbst gewählten Wohnstätte von Opfern des Nationalsozialismus in Leipzig verlegen - 22 Steine an zehn verschiedenen Orten in der ganzen Stadt. Insgesamt wird in Leipzig dann mit 202 Steinen an 97 Orten den Opfern der NS-Zeit gedacht. Nähere Informationen finden Sie auf der Homepage www.stolpersteine-leipzig.de und in diesem Newsletter. Sie sind herzlich eingeladen, an diesem Ereignis teilzunehmen.

 

Im Juli werden für die Leipziger Schüler die Sommerferien beginnen. Darunter viele, die auch dieses Jahr wieder Inhaber des Ferienpasses sind. Die Teilnahme an den öffentlichen Führungen in der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ ist für Ferienpassbesitzer kostenlos. Neben einer Führung durch die Ausstellung zu Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution oder dem Stadtrundgang ist im Ferienpass ebenso das Museum im Stasi-Bunker in Machern vertreten. Sie sind herzlich eingeladen, diesen historischen Ort, der gleichzeitig bedrückend und faszinierend ist, zu besuchen. Auch im Juli ist der Bunker am letzten Wochenende zwischen 13.00 und 16.00 Uhr für Gäste geöffnet.

 

Eine angenehme Zeit und eine anregende Lektüre des Newsletters wünscht Ihnen bis dahin

 

Ihr Bürgerkomitee Leipzig e.V.

 

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INHALT

Wir laden ein

Rückblick

Aus dem Gästebuch

 

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WIR LADEN EIN

 

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16. JULI 2013, 9.30 UHR BIS 15.45 UHR: VERLEGUNG VON 22 STOLPERSTEINEN UND GEDENKVERANSTALTUNG

Bisher liegen 180 STOLPERSTEINE an 87 Orten in Leipzig. Jetzt werden 22 weitere Steine folgen. Vor den ehemaligen Wohnorten von den Nationalsozialisten ermordeter Mitbürger verlegt der Kölner Bildhauer Gunter Demnig diese Erinnerungsmale ebenerdig in den Gehweg.

Zur Verlegung der STOLPERSTEINE in Leipzig am 16. Juli 2013 laden Sie alle an der Umsetzung des Vorhabens beteiligten Vereine recht herzlich ein.

 

9.30 Uhr Eisenbahnstraße 97

Sora Sofie Schneider wurde im Januar 1942 nach Riga deportiert. Im dortigen Ghetto verliert sich ihre Spur.

 

10.00 Uhr Neustädter Straße 13

Während der Abschiebung polnischer Jüdinnen und Juden aus Leipzig kommt Fanny Mann am 28. Oktober 1938 ums Leben.

 

10.30 Uhr Reudnitzer Straße 2

Als polnischer Jude wurde Feiwisch Felix Kern nach Kriegsausbruch verhaftet und kam im Konzentrationslager Sachsenhausen ums Leben.

 

11.15 Uhr Humboldtstraße 23

Die gesamte 8-köpfige Familie Berger fiel dem Rassenwahn der Nationalsozialisten zum Opfer. Die sechs Kinder waren zwischen 3 und 10 Jahren alt.

 

12.00 Uhr Zentralstraße 11 (ehem. – Parkplatz)

Als Mitglied der „Freien Arbeiter Union Deutschlands“ (FAUD) widersetzte sich Arthur Holke bereits 1933 den neuen Machthabern. 1940 kam er im Konzentrationslager Buchenwald um.

 

13.15 Uhr Gustav-Mahler-Straße 1–3

Der Leipziger Unternehmer Walter Cramer war in das Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 involviert. Er wurde in Berlin-Plötzensee hingerichtet.

 

14.00 Uhr Tschaikowskistraße 4

Die beiden älteren Kinder der jüdischen Familie Altmann konnten nach Palästina fliehen. Die Eltern und die jüngste Tochter wurden 1938 nach Polen abgeschoben und nach der Besetzung ermordet.

 

14.30 Uhr Ranstädter Steinweg 49 (ehem. – Ecke Thomasiusstraße)

Auch die deutsche Staatsbürgerschaft schützte Arnold Hammerstein und seine Tochter Ester nicht vor dem Judenhass der Nationalsozialisten.

 

15.15 Uhr Großmannstraße 9

Milda Walther litt unter psychischen Problemen. Sie wurde 1944 binnen kürzester Zeit in Großschweidnitz zu Tode „gepflegt“ und damit ein Opfer der Euthanasie.

 

15.45 Uhr Zschochersche Straße 87

Der Jüdin Irma Rosenhein gelang es, ihre Tochter noch rechtzeitig außer Landes zu bringen. Sie selbst wurde 1942 nach Riga deportiert und im September 1943 ermordet.

 

Im Jahr 2006 hat sich eine Arbeitsgruppe konstituiert, die die Aktionen organisiert, interessierte Gruppen bei ihren Recherchen betreut, die Termine koordiniert, sich um den Internetauftritt sowie die Öffentlichkeitsarbeit kümmert und Kontakt zu Angehörigen und Hinterbliebenen hält. Zu den Vereinen, die das Projekt unterstützen, zählen das Archiv Bürgerbewegung Leipzig, der Bürgerverein Waldstraßenviertel, die Evangelische Jugend Leipzig, die Gedenkstätte für Zwangsarbeit in Leipzig, der Verein Haus Steinstraße und das Bürgerkomitee Leipzig e.V. Mit ihrer Arbeit haben diese Leipziger Vereine ganz unterschiedlicher Themensetzung seitdem das Projekt im kollektiven Bewusstsein der Stadt etabliert.

 

Weitergehende Informationen zu den einzelnen Schicksalen können Sie auf der Homepage www.stolpersteine-leipzig.de nachlesen.

 

 

27. & 28. JULI 2013, 13.00 BIS 16.00 UHR MUSEUM IM STASI-BUNKER IN MACHERN GEÖFFNET

Ständig Führungen. In dem 1969 bis 1972 erbauten Bunker hätte der Leiter der bezirklichen Geheimdienstzentrale, der Leipziger „Runden Ecke”, im „Ernstfall” zusammen mit 100 Offizieren seine Tätigkeit fortgesetzt. Zu besichtigen sind das 5,2 Hektar große, denkmalgeschützte Gesamtgelände mit allen erhaltenen Bauten und Anlagen sowie das komplette Bunkerinnere.

 

Der 17. Juni 1953 war Auslöser für die „innere Aufrüstung“ der DDR und führte nach dem „Tag X“, zum massiven Ausbau der Staatssicherheit als „Schild und Schwert“ der Partei, um einen weiteren Aufstand auszuschließen. Bereits einen Monat später erließ die SED-Führung eine „Geheime Anordnung zur Bildung von Einsatzleitungen“. Diesen Einsatzleitungen gehörten die Leiter von Polizei, Armee und Staatssicherheit sowie des jeweiligen örtlichen Rates an.

 

Für die Einsatzleitungen wurde ein verzweigtes Netz von Ausweichführungsstellen in Bunkern geschaffen, so auch der Bunker in Machern, in dem die Führungsriege der Leipziger Staatssicherheit auch im Ernstfall weiter handlungsfähig bleiben und den Machtanspruch der SED sichern sollte. Alle als „feindlich-negativ“ erfassten Personen sollten konsequent überwacht oder gar in Isolierungslager gesperrt werden. Die Stasi plante, diese zum Beispiel in Sportstadien, Messehallen oder Arbeiterunterkünften einzurichten. Für Leipzig sollte das Wohnlager III des VEB Braunkohleveredelungswerkes Espenhain als Isolierungslager genutzt werden. Mit einer immer aufwendigeren Ernstfallplanung wollten SED und Staatssicherheit ähnliche Situationen wie 1953 verhindern.

 

Anlässlich des Gedenkens an den Volksaufstand in der DDR am 17. Juni 1953 zeigt das Bürgerkomitee Leipzig e. V. im Museum im Stasi-Bunker in Kooperation mit der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur die Ausstellung „Wir wollen freie Menschen sein!“. Sie präsentiert auf 20 großformatigen Plakaten, wie sich der soziale Protest Berliner Bauarbeiter rasch zur politischen Manifestation entwickelte. In mehr als 700 Städten und Gemeinden, darunter auch in Mitteldeutschland, protestierten die Massen, wogegen sich die SED-Diktatur allein durch den Einsatz sowjetischer Truppen und Panzer zu helfen wusste. Die Texte lieferte der renommierte Historiker und Publizist Dr. Stefan Wolle. Bildikonen sowie unbekannte Fotos und Dokumente wurden aus 25 Archiven für die Ausstellung ausgewählt.

 

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RÜCKBLICK

 

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GEDENKFEIERLICHKEITEN FÜR DIE OPFER DES VOLKSAUFSTANDES VOM 17. JUNI 1953

„Wir wollen freie Menschen sein!“ – diese eindringliche Forderung des Volksaufstandes in der DDR vom 17. Juni 1953 bleibt als zentrale Reminiszenz der Veranstaltungen am und in den Tagen um den 60. Jahrestag in Leipzig. Gleichzeitig formuliert sich darin ein nach wie vor gültiger Anspruch, Demokratie zu wagen und für Freiheit zu kämpfen, den Werner Schulz in seiner Gedenkrede ebenfalls aufgriff. Den 60. Jahrestag dieses antitotalitären Aufbegehrens nahm das Bürgerkomitee Leipzig e. V. zum Anlass, Leipziger Bürgerinnen und Bürger, Schülerinnen und Schüler, Zeitzeugen und Angehörige der Opfer zu würdigem Gedenken einzuladen und die mutigen Menschen und ihren Einsatz zu ehren sowie über die Bedeutung dieses Aufstandes damals und heute ins Gespräch zu kommen.

 

Seit 1945 gab es Widerstand gegen die Errichtung einer kommunistischen Diktatur im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands, der seinen ersten Höhepunkt vor 60 Jahren fand. Vom 16. bis 21. Juni 1953 kam es in fast 700 Städten und Gemeinden der damaligen DDR zu Demonstrationen und Streiks von insgesamt mehr als einer Million Menschen. In Leipzig begannen die Arbeitsniederlegungen in einzelnen Betrieben – wie in Berlin – bereits am 16. Juni. In über 80 Betrieben streikten 27.000 Arbeiter und Angestellte. Was als spontaner, dezentraler Aufruhr begann, erschütterte die DDR in ihren Grundfesten. Das Regime musste sich zurückziehen und konnte gegen Abend nur durch Unterstützung der Roten Armee sein Überleben sichern.

 

17. JUNI 2013, SCHÜLERVERANSTALTUNGEN IN DER GEDENKSTÄTTE MUSEUM IN DER „RUNDEN ECKE“

Etwa 150 Schüler verschiedener Klassen aus vier Leipziger Schulen besuchten anlässlich des 60. Jahrestags die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“. Zum Auftakt wurde der Film „Wir wollen freie Menschen sein. Volksaufstand 1953“ von Freya Klier gezeigt. In Leipzig gingen in den Tagen um den 17. Juni 1953 mehrere Zehntausende auf die Straße. Der Film zeigt die Dynamik des Aufstandes in der sächsischen Großstadt und dessen Niederschlagung durch sowjetische Panzer. Im Mittelpunkt steht das Schicksal des 15-jährigen Paul Ochsenbauer, eines der jüngsten Todesopfer des Volksaufstandes. Einige Szenen des Films wurden im Hof der „Runden Ecke“ mit Requisiten aus der musealen Sammlung der Gedenkstätte gedreht. Im Anschluss erzählten vier Zeitzeugen von ihren persönlichen Erlebnissen an diesem Tag.

 

Gisela Moltke, die kurz vor dem 17. Juni 1953 von den Abiturprüfungen ausgeschlossen wurde, da sie keiner politischen Organisation angehörte und ihr Vater sich dem System offen widersetzte, erzählte von der euphorischen Stimmung, in der sich die Menschen an diesem Sommertag befanden. Da sich keiner ein Scheitern des Aufstandes vorstellen konnte, sah man überall strahlende Gesichter. Erst mit dem Eingreifen der sowjetischen Soldaten kippte die Stimmung von einer Sekunde auf die andere und schlug von Euphorie in Angst und Enttäuschung um. Als die Panzer vom Hauptbahnhof in Richtung Karl-Marx-Platz (dem heutigen Augustusplatz) fuhren, wurde auch auf Gisela Moltke geschossen, die ein Freund jedoch noch rechtzeitig zur Seite reißen konnte.

 

Auch Gerhard Hering, der damals gerade eingeschult worden war, hatte bis zum Eingreifen der sowjetischen Soldaten keine Angst, da diese zuvor kaum im Stadtbild aufgetaucht waren. Als die Panzer jedoch begannen in die Luft zu schießen, änderte sich die Stimmung auch bei ihm und seinem Vater. Diese Angst vor den sowjetischen Soldaten bzw. der Rache der politisch Verantwortlichen in der DDR begleitete ihn bis 1989. Die Demonstrationen im Herbst 1989 riefen bei ihm die Bilder von 1953 wieder hervor, weshalb er den 17. Juni 1953 und den 9. Oktober 1989 als Schlüsselerlebnisse seines Lebens bezeichnete.

 

Auch die Brüder Peter und Hans-Helmut Bickhardt, die beide 1953 in Leipzig Theologie studierten, sprachen von Parallelen zwischen 1953 und 1989. Sie erzählten, dass sie sowohl 1953 in Leipzig als auch 1989 in Berlin Versuche der Staatssicherheit beobachtet hätten, die Demonstranten in Gespräche und Diskussionen zu verwickeln, um so die Demonstrationszüge aufzuhalten oder aufzulösen. Den Erzählungen der Zeitzeugen folgten die Schüler gespannt. Insbesondere interessierte sie, wie diese die Stimmung unter den Demonstranten an diesem Tag empfanden und welche Auswirkungen dieser Tag auf deren weiteres Leben hatte.

 

Dass der 17. Juni 1953 das Leben aller Beteiligten stark beeinflusste, darin waren sich die Zeitzeugen einig. Sie stimmten ebenfalls darin überein, dass dieser Tag nicht in Vergessenheit geraten solle, auch wenn Frau Moltke Verständnis für das abnehmende Interesse an den Geschehnissen seitens der Jugend zeigte. Hans-Helmut Bickhardt plädierte dafür, den 17. Juni als Gedenktag in die Kalender aufzunehmen. Bestrebungen, die Erinnerung durch einen gesetzlichen Feiertag zu erhalten, bezeichnete Frau Moltke jedoch als „Unsinn“.

 

17. JUNI 2013, 15.00 UHR, STRAßE DES 17. JUNI 2, 04107 LEIPZIG: GEDENKFEIER MIT KRANZNIEDERLEGUNG

Der Tradition jährlichen Gedenkens an die Opfer des Aufstandes vom 17. Juni 1953 in Leipzig folgend, luden der Oberbürgermeister der Stadt Leipzig, Burkhard Jung, und das Bürgerkomitee Leipzig e.V. in Zusammenarbeit mit der Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS) in die gleichnamige Leipziger Straße, in der sich damals die Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit befand und mit Dieter Teich, der erste Tote des Aufstandes zu beklagen war. Neben Vertretern der VOS, Bürgerrechtlern, Zeitzeugen und Interessierten kamen zur Gedenkfeier auch Mitglieder verschiedener Fraktionen des Stadtrates und legten einen Kranz nieder. Musikalisch begleitet wurde die Veranstaltung von den Leipziger Blechbläsersolisten.

 

Sowohl Burkhard Jung als auch Tobias Hollitzer, der Leiter der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ stellten in ihren Grußworten die Verbindung des Volksaufstandes von 1953 zu anderen europäischen Freiheitsbewegungen wie 1956 in Ungarn, dem „Prager Frühling“ 1968 und der Solidarno??-Bewegung in Polen Anfang der 1980er Jahre bis hin zu den Revolutionen von 1989 her. Es war ein Gewissensprotest weiter Teile der Bevölkerung der DDR gegen das kommunistische Regime, der bis heute den oftmals zerbrechlichen, aber zentralen Wert von Demokratie für ein würdevolles Leben verdeutlicht. Die Erinnerung an die Ereignisse in den Tagen um und am 17. Juni 1953 unterstreiche den existenziellen Wert menschlicher Freiheit und Würde, deren Rückeroberung „unendlichen Mut und Kraft [kostet] wenn Sie einmal genommen wurde“, so Jung abschließend.

 

Die diesjährige Gedenkrede hielt der DDR-Bürgerrechtler und Europaabgeordnete Werner Schulz. Er sagte, mit der Entscheidung für den 3. Oktober als Tag der Deutschen Einheit sei der 17. Juni nach 1990 aus dem historischen Kalender verschwunden. In der Bundesrepublik bis 1990 zum gesetzlichen Feiertag und später zum nationalen Gedenktag erklärt, war er im Westen „in pflichtschuldiger Routine tot gefeiert“ worden. Die SED schlussfolgerte aus dem Aufstand, dass „nicht sein kann, was nicht sein darf“ und diffamierte ihn weithin erfolgreich bis in die Spätzeit der DDR als „faschistischen“ bzw. „konterrevolutionären Putschversuch“. Im Osten war er bereits bis 1989 ein„Nicht-Ereignis“ gewesen.

 

Dabei hatte „die Niederschlagung des Volksaufstandes und die sich anschließende Strafverfolgung […] vor aller Welt den diktatorischen Charakter des Systems sichtbar gemacht. Die drei Buchstaben DDR standen nicht mehr für eine demokratische Republik sondern für ein demagogisches Diktaturregime“, betonte Schulz in seiner Gedenkrede. Er erinnerte die beinah 250 Anwesenden an die Chance dieses Jubiläums – die Möglichkeit, einer gravierenden Geschichtsvergessenheit entgegenzuwirken. Mit dem Gedenken an das mutige und widerständige Verhalten, das die DDR-Bevölkerung gegen die SED-Diktatur 1953 erfasst hatte, stelle man „ein erstes Wetterleuchten am noch weiten Horizont der Freiheit und Einheit“ in den Mittelpunkt. Damit verbunden richtete Werner Schulz die Forderung an die Stadt und den Oberbürgermeister, der derzeitigen Randlage der Erinnerungsstätte für die Opfer des 17. Juni 1953 auf dem Leipziger Südfriedhof zu einem achtbareren Platz zu verhelfen.

 

Die Würdigung des Angedenkens der Opfer und der sich damals Auflehnenden verlange mehr als Kranzniederlegungen oder die Vergabe von Straßennamen. Wenn ernst genommen, erwachse aus dem stolzen Erbe des 17. Juni, so Werner Schulz, eine Verpflichtung und Verantwortung für den Freiheitskampf von Heute, die Bürgerrechte als Fundament einer freien Gesellschaft wahrzunehmen und zu verteidigen.

 

Eindringlich schilderte die damals 20-jährige Gisela Moltke zum Abschluss der Gedenkfeier ihre Erlebnisse am 17. Juni 1953 in Leipzig. Kurz zuvor vom Abitur ausgeschlossen, engagiert in der Jungen Gemeinde, begab sie sich mit einem Freund in die Innenstadt, erlebte die beginnende Aufruhr in der Harkortstraße, wo Volkspolizisten in die Menge schossen, sah den Trauerzug mit Dieter Teich an sich vorbeiziehen und entkam selbst nur knapp der mit sowjetischen Panzern zurückschlagenden Staatsgewalt und floh 1954 nach West-Berlin, wo sie bis heute lebt. Noch heute ist für sie die Euphorie unvergesslich, dass zumeist spontane Zusammenfinden so vieler Menschen trotz fehlender Telefonanschlüsse – die nur Bonzen und Ärzte hatten – sowie der Wille und der zuerst noch vorherrschende Glaube an einen erfolgreichen Ausgang der größtenteils gewaltlos demonstrierenden Menschen für Demokratie und deutsche Einheit.

 

17. JUNI 2013, 19.00 UHR, KINOSAAL: FILMVORFÜHRUNG UND ZEITZEUGENGESPRÄCH IN DER GEDENKSTÄTTE MUSEUM IN DER „RUNDEN ECKE“

Den Abschluss des Tages bildeten die Vorführung des Filmes „Wir wollen freie Menschen sein“ und ein Gespräch mit drei Zeitzeugen. Von allen Seiten wurde bestätigt, dass sich in den letzten zehn Jahren, trotz ihres zunehmend hohen Alters, mehr und mehr Zeitzeugen an die interessierte Öffentlichkeit wenden. Gab es zum 50. Jahrestag noch die Befürchtung, dass der 17. Juni 1953 in Vergessenheit geraten könnte, nimmt das Interesse der später Geborenen mittlerweile wieder zu. Die Gedenkstätte konnte an diesem Abend mehr als einhundert teils junge Gäste begrüßen. Ausdruck dieses neuen Interesses ist auch der Film von Freya Klier. Darin werden die historischen Ereignisse mit großer emotionaler Tiefe nachgestellt und durch verschiedene Zeitzeugenberichte historisch untermauert. Für die Zuschauer werden die Ereignisse so zu neuem Leben erweckt.

 

Nach diesem eindringlichen Auftakt kamen unter der Moderation des Leiters der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ die Zeitzeugen Brigitte Dienst, Heinz Strey und Traugott Schmitt zu Wort. Die Zuschauer bekamen dadurch die Möglichkeit, noch mehr über diesen ereignisreichen Tag zu erfahren. Den größten Bruch bedeutete der 17. Juni für Frau Dienst, deren Bruder, Paul Ochsenbauer, am 17. Juni 1953 als eines der jüngsten Opfer der Niederschlagung des Aufstandes umkam. Die genauen Umstände konnten bis heute nicht geklärt werden. Die Geschwister wurden stigmatisiert, da aus ihrer Familie ein „faschistischer Provokateur“ stamme. Durch das „Schicksal meines Bruders hat sich sehr viel geändert“ betonte Frau Dienst. Sie blieb stets auf sich allein gestellt und meisterte die Jahre in der DDR durch viel Kraft und innere Emigration.

 

Heinz Strey empfand den 17. Juni 1953 nicht als eine Zäsur, sondern betonte die Stetigkeit der Entwicklung der DDR hin zu einem Unrechtssystem. Er demonstrierte, ebenso wie viele Tausend andere Leipziger Arbeiter, mit seinen Kollegen an jenem Tag, wurde aber von der gelähmten und verängstigten „Staatsmacht“ nicht behelligt. Er konnte aber von einem Kollegen berichten, der infolge der Ereignisse seinen Posten bei der FDGB verlor, weil er auf der „falschen Seite“ für die Arbeiter einstand.

 

Der dritte Gast des Abends, Traugott Schmitt – damals Theologiestudent – berichtete von seiner Sorge, dass der Tag – trotz großer Ankündigungen im RIAS – doch „ganz normal“ verlaufen könnte. Der 17. Juni 1953 hatte für ihn wie jeder andere Werktag begonnen, da die Arbeiter erst zu ihren Betrieben fuhren, statt sofort im Stadtzentrum zu streiken. Er betonte besonders, dass die Hoffnung auf eine Überwindung der Diktatur, trotz des Scheiterns der Erhebung, nicht gestorben wäre und er die Ereignisse von 1989/90 als Befreiung erlebt hätte.

 

Herr Strey und Herr Schmitt betonten die allgemeine Friedlichkeit der Proteste und äußerten sich negativ über die Zerstörungswut einiger Demonstranten. Bezüglich der Beethovenstraße stimmten sie überein, dass es die Provokation der Staatsmacht war, die dort die Lage eskalieren ließ.

 

Nach den Redebeiträgen kamen noch weitere Zeitzeugen aus dem Publikum zu Wort, welche die Erlebnisse der Zeitzeugen weitgehend mit ihren Erfahrungen untermauern konnten. Die Zuhörer hatten die Chance, durch die persönlichen Erfahrungen der Beteiligten eine neue Perspektive auf die Ereignisse der schicksalhaften Tage im Juni 1953 zu erlangen.

 

Bei dem anschließenden kleinen Empfang zu dem der Leipziger Oberbürgermeister und das Bürgerkomitee Leipzig eingeladen hatten, fanden die Veranstaltungen zum 60. Jahrestag einen würdigen Abschluss und der Abend klang angenehm bei persönlichen Gesprächen aus.

 

19. JUNI 2013, 18.00 UHR KINOSAAL: „DER 17. JUNI 1953 IN SACHSEN.“ ÜBER ENTSTEHUNG UND VERLAUF DES VOLKSAUFSTANDES, VORTRAGSABEND MIT DR. HEIDI ROTH

Standen am 17. Juni 2013 die vielfältigen persönlichen Erlebnisse der Menschen im Mittelpunkt, so war es am 19. Juni ein informativer Überblick, der versuchte die einzelnen Fäden des Aufstandes miteinander zu verknüpfen. Die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ lud in Kooperation mit der Wilhelm-Külz-Stiftung die Historikerin Heidi Roth ein, die bei einem Vortragsabend die Geschehnisse des 17. Juni 1953 in den drei sächsischen Bezirken näher beleuchtete und miteinander verglich.

 

Zu Beginn stand eine Übersicht zu den offenen Fragen der Forschung zur Volkserhebung von 1953. Frau Roth bemerkte, dass es seit dem 50. Jahrestag kaum Fortschritte in der wissenschaftlichen Aufarbeitung gäbe, die Wahrnehmung in der breiten Öffentlichkeit dafür jedoch stetig zunehme. Doch besonders alltags- und sozialgeschichtliche Forschungsschwerpunkte seien bisher wenig beachtet worden. Zwar nutze man die Zeitzeugenberichte zur Untermauerung von bekannten Vorgängen, doch wurde das subjektive Erleben – ebenso wie individuelle biographische Entwicklungen – als solches kaum erforscht.

 

Darauf gab Heidi Roth ein Überblick über die Ereignisse auf dem Weg hin zum Kulminationspunkt „17. Juni 1953“ in den drei sächsischen Bezirken. Sie betonte dabei, dass der Aufstand weder eine Eigenheit Berlins, noch die Erhöhung der Arbeitsnormen ein zentraler Aspekt des Forderungskatalogs der Aufständischen gewesen sei. Vielmehr war es eine Vielzahl von Faktoren, die Unmut erzeugten. Zu nennen seien die schlechte Versorgungslage der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln oder die willkürliche Planungs- und Entscheidungspolitik der SED, die weitab der wirtschaftlichen Realität lag. Die Normerhöhung wäre schließlich der „Stein gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte“. Nach dieser allgemeinen Einführung konzentrierte sich der Vortrag auf den Vergleich und die Kontextualisierung der Geschehnisse in den drei sächsischen Bezirken Dresden, Leipzig und Karl-Marx-Stadt (vor dem 1. Mai 1953 Chemnitz).

 

Die Forscherin betonte, dass der Volksaufstand nicht in Berlin angefangen habe, sondern in Johanngeorgenstadt. Hier wurde bereits am 15. Juni gegen den geplanten Abriss der Altstadt demonstriert. Doch durch die Bedeutung der WISMUT und die Nähe zur Grenze wurde der Aufstand rasch niedergeschlagen – unterstützt von der Roten Armee, die die sowjetische Uranquelle verteidigen wollte. So war es am 17. Juni im Bezirk Karl-Marx-Stadt verhältnismäßig ruhig. Die Betriebe wurden kontrolliert, es herrschte bereits eine Ausgangssperre und ein Schießbefehl war ausgegeben. In den restlichen Bezirken sah es jedoch anders aus. In Leipzig wurden an diesem Tag besonders die Schwerpunktbetriebe bestreikt. Sie waren als Vorzeigebetriebe, die auch Reparationsgüter in die Sowjetunion liefern mussten, verhältnismäßig privilegiert. Sie spürten aber auch am stärksten den Widerspruch zwischen Parteiperspektive und Realität. Durch die Lage der Betriebe an den Rändern der Stadt, zogen immer wieder Demonstrations- und Streikzüge aus allen Richtungen in bzw. durch die Stadt. In Dresden hingegen kam es aufgrund der Zerstörung der Innenstadt und der ebenfalls peripheren Lage der Betriebe eher zu lokalen Demonstrationen. Im starken Kontrast dazu stehen Niesky und Görlitz. So wurde in Görlitz am 17. Juni 1953 bereits eine neue Verwaltung gewählt und alle SED-Organe abgesetzt. Dabei spielte die Frage der „Friedensgrenze“ zur Volksrepublik Polen für die Bevölkerung eine besondere Rolle, da in der geteilten Stadt eine große Zahl Vertriebene lebte. Gerade hier war am folgenden Tag die Reaktion des angegriffenen SED-Regimes erbittert und erfolgreich.

 

Heidi Roth entwarf in ihrem Vortrag ein vielschichtiges Bild der Ereignisse um den 17. Juni 1953 und ermöglichte den Zuhörern, die Zeitzeugenberichte der vorhergehenden Veranstaltungen in einen größeren geschichtlichen Kontext einzuordnen.

 

 

19. & 20. JUNI 2013, KINOSAAL: BACHFEST LEIPZIG, NEUE MUSIK UND STASI. DIE ÜBERWACHUNG DER AVANTGARDE!(?)

In Kooperation luden das Bachfest Leipzig, der Verein musica nova und das Bürgerkomitee Leipzig e. V unter dem Titel „Miteinander – Gegeneinander“ zu zwei besonderen Konzertlesungen in den ehemaligen Stasi-Kinosaal in der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ ein. Der Komponist und Pianist Steffen Schleiermacher hatte bisher kaum bekannte Stücke neuer Musik aus der Spätzeit der DDR und aus der Zeit kurz nach der Friedlichen Revolution zusammengestellt. Als Kontrastierung zur Musik lasen die Komponisten aus Stasiakten, Statuten, Gutachten und Kritiken.

 

Bei der Konzertlesung „Miteinander – Gegeneinander 1“ standen am 19. Juni Stücke der Komponisten Georg Katzer und Helmut Zapf auf dem Programm, die virtuos vom Sonar Quartett Berlin gespielt wurden. Zwischen den drei aufgeführten Werken wurden die beiden Künstler zu ihrem Wirken in der DDR und zu ihrem Verhältnis zur Kulturpolitik der DDR befragt.

 

Den Auftakt bildete Georg Katzer, der den überwiegenden Teil seiner Schaffenszeit in der DDR erlebt hat. Für ihn gab es eine deutliche Zäsur in seinem Werk. In der Frühphase seines Schaffens habe er eher klassische Arrangements – ganz im Sinne der Kulturpolitik der SED – bevorzugt. Durch den Kontakt zu zeitgenössischer Musik in Polen habe er sich in den 1970er Jahren der modernen Musik zugewandt. Seine frühe Orientierung sei durch seine Ausbildung und die ideologische Ausrichtung der Kulturszene in der DDR entstanden, während sein zweiter Schaffensprozess durch eine persönliche Öffnung hin zum internationalen Fortschritt geprägt worden sei. Er betonte aber auch, dass das Kontroll- und Zwangssystem in der DDR weniger „monolithisch“ gewesen wäre, als es sich nach außen hin darstellte. So habe es innerhalb der Kontrollgremien, z. B. im Komponistenverband, auch divergierende Ansichten gegeben, die der Komponist versuchen konnte, gegeneinander auszuspielen, um sein Werk durchzusetzen.

 

Der zweite Gast des Abends, Helmut Zapf, konnte dieses Verhalten bestätigen. Seiner Ansicht nach wären die Kontrollgremien weniger stark gewesen als oft vermutet. Er habe auf einem bereits „freigekämpften Feld“ wirken können, da seine älteren Kollegen vorher die größten ideologischen Auseinandersetzungen ausgefochten hatten. Widerständiges Verhalten habe er nicht praktizieren müssen, da er als Kirchenmusiker in einem gewissen Schutzraum arbeiten konnte. Die einzige große Schwierigkeit sei die Vertonung von staatskritischen Texten und deren Aufführung gewesen. Besonders die intransparenten Entscheidungen, was als staatskritisch eingeschätzt wurde, machte den Künstlern zu schaffen, wie beide Komponisten bestätigten. So war man stets gezwungen, sich einerseits kooperativ zu verhalten, andererseits aber auch heimlich und versteckt zu arbeiten – eine Interpretation des Titels der Abende „Miteinander – Gegeneinander“.

 

Durch die Konzertlesung „Miteinander – Gegeneinander 2“ führte am 20. Juni am Piano und im Gespräch mit Siegfried Thiele der Komponist Steffen Schleiermacher selbst. Zwischen den vorgetragenen Werken von Friedrich Goldmann, Reiner Bredemeyer und einem eigenen Werk verwies Schleiermacher auf die Funktion des DDR-Komponistenverbandes als Überwachungs-, Kontroll- und Reglementierungsgremium, dessen Statut eine eindeutige Einschwörung auf die Kulturpolitik der SED war. Keiner der Komponisten hätte es wohl gelesen, sonst hätten sie nicht unterschrieben – er selbst schloss sich mit ein – was aber nachteilige Konsequenzen gehabt hätte, so Schleiermacher. Er wolle aber unterschieden wissen zwischen den kulturpolitisch sehr rigiden 1960er und 1970er Jahren und den wesentlich ruhigeren 1980er Jahren, in denen er aktiv war.

 

Schleiermacher bestätigte die Aussagen des Vortages, dass die Problematik für die Stasi und die kulturpolitischen Institutionen vor allem im Text lag – von der Musik verstanden die Kontrolleure eher wenig. Über die Texte aber sahen sie die angestrebte Einheit von politischer Ideologie und Musik gefährdet, diese wurden nach ideologischen Gesichtspunkten beurteilt und abgenommen. Auch waren in den 1980er Jahren seines Wissens die meisten der Komponisten Mitglieder des Verbandes - bis auf einige Wenige, deren Schaffen auch freiberuflich möglich war. Er meinte, dass mit neuer Musik keine Revolution zu machen sei.

 

Im Gespräch mit Siegfried Thiele, dessen „Vier stille Stücke“ (1978) im Anschluss aufgeführt wurden, band Schleiermacher seinen ehemaligen Lehrmeister in einen Dialog über dessen Stasiakten ein. So erfuhr das Publikum, dass das folgende Stück ursprünglich den Titel „Übung im Verstummen“ trug – der dazugehörige Untertitel war rein technischer Natur und lautete „Vier Stücke für Violoncello und Klavier“. Nach der Veröffentlichung fehlte der eigentliche Titel gänzlich: das Verstummen schien, wenn auch nicht so gemeint, bereits verdächtig widerständig.

 

Weiterhin zeigten die Stasiakten über Thiele, dass seine privaten Auffassungen – dazu gehörte, mit seinen Studenten Literatur bei sich zu Hause zu lesen, die er für deren Gesamtbildung als wichtig erachtete – von der Staatssicherheit misstrauisch beobachtet wurden. Thiele war darüber hinaus sehr an Anthroposophie interessiert und lebte auch demgemäß – dies schien in der Bewertung, ob er zum Professor berufen werden könne, eine große Rolle zu spielen. Offensichtlich war seine Tochter in der Schule belauscht worden, die dort über die Weltanschauung ihres Vaters harmlos gespottet habe – er esse nur naturnahe Produkte, selbst am Weihnachtsbaum hingen nur Äpfel und Bienenwachskerzen. Letztendlich verhinderte dies jedoch nicht die Berufung.

 

Im Programmheft der Konzerte heißt es, dass bisher wenig zum Thema Staatssicherheit und Musik gearbeitet worden sei. Zwar würde sich bei der Beschäftigung mit diesem Thema die Musik nicht besser erschließen, aber der Kontext könne erhellt werden. Die in den beiden Konzertlesungen vorgestellten Komponisten haben sich schlussendlich mit dem System arrangiert – Georg Katzer war seit 1982 sogar Vizepräsident des DDR-Komponistenverbandes. Andere Komponisten von Werken neuer Musik waren heftigeren Repressionen des SED-Regimes ausgesetzt, wie bspw. Johannes Wallmann, der 1988 einen Ausreiseantrag in die Bundesrepublik gestellt hatte. Das Bürgerkomitee will auch weiterhin Veranstaltungen unterstützen, die neue Wege beschreiten und neue Themenfelder mit der Aufarbeitung der SED-Diktatur verknüpfen. Dafür, dass dies im Rahmen des diesjährigen Bachfestes gelungen ist, dankt das Bürgerkomitee Leipzig e.V. seinen Kooperationspartnern: dem Bachfest Leipzig und dem Verein musica nova.

 

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AUS DEM GÄSTEBUCH

 

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Mehrere tausend Menschen besuchen monatlich die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ mit dem Museum im Stasi-Bunker. Manche leben in Leipzig und kommen – häufig mit Gästen – immer wieder in die Ausstellung. Andere kommen von weit her zu Besuch in die Stadt und wollen hier sehen, wo und wie vormals das berüchtigte Ministerium für Staatssicherheit arbeitete.

 

Viele unserer Besucher hinterlassen eine Notiz im Gästebuch und schreiben hier ihre Eindrücke nieder, die sie in der Gedenkstätte gesammelt haben. Unter dieser Rubrik wollen wir monatlich einige dieser Einträge an Sie weitergeben.

 

EINTRÄGE AUS DER DAUERAUSSTELLUNG „STASI – MACHT UND BANALITÄT“

 

„Eine sehr gelungene und interessante Dokumentation und Ausstellung. Unvorstellbar, wie sich dieses System, so lange halten konnte. Schön, dass es friedlich beendet wurde und für uns ein schöner Teil Deutschlands zugänglich wurde.“

(Besucher aus Bayreuth am 1. Juni 2013)

 

„Just 24 years ago … keep the memory alive.“

(Besucher aus Italien am 5. Juni 2013)

 

„Very interesting! You cannot watch all the people all the time – it does not work!“

(Besucher aus England am 15. Juni 2013)

 

„Wir sind am 9. November 1989 um ca. 11 Uhr nach Bayern zu einer Geburtstagsfeier gefahren (mit Reisepass). Die Tochter war fünf Jahre alt und musste als „Pfand“ hier bleiben. Und abends war die Mauer auf – gut so!“

(Besucher aus Zwickau im Juni 2013)

 

„Unfassbare Einblicke bekommt man aus dieser Zeit. Viele furchtbare Dinge hab ich nicht gewusst. Man verlässt dieses Haus sehr nachdenklich.“

(Besucher aus Aachen am 26. Juni 2013)

 

EINTRÄGE AUS DER SONDERAUSSTELLUNG „LEIPZIG AUF DEM WEG ZUR FRIEDLICHEN REVOLUTION“

 

„Lange her, aber immer noch lebendig in den Köpfen.“

(Besucher am 12. Juni 2013)

 

„Erlebte Geschichte – eine wichtige Ausstellung! Ansehen!“

(Besucher am 19. Juni 2013)

 

„Die Leipziger waren wirklich sehr, sehr mutig. Danke für diese mutige Revolution!“

(Besucher aus Westdeutschland am 22. Juni 2013)

 

„Ich bin noch heute davon positiv berührt, dass unsere Einheit geklappt hat.

(Habe Wurzeln in Leipzig, bin durch die Teilung im Westen aufgewachsen.)“

(Besucher am 26. Juni 2013)

 

 

 


 



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Die Arbeit des Bürgerkomitees wird gefördert durch die Stiftung Sächsische Gedenkstätten aus Mitteln des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien auf der Grundlage eines Beschlusses des Deutschen Bundestages und des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst sowie durch die Stadt Leipzig und den Kulturraums Leipziger Raum.

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Bürgerkomitee Leipzig e.V.
für die Auflösung der ehemaligen Staatssicherheit (MfS)
Träger der Gedenkstätte
Museum in der „Runden Ecke“ mit dem Museum im Stasi-Bunker
Dittrichring 24, PSF 10 03 45, D-04003 Leipzig
Tel.: (0341) 9 61 24 43 * Fax: (0341) 9 61 24 99
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