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  Newsletter Dezember 2013

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

 

wie immer im Dezember begehen wir den Jahrestag der friedlichen Besetzung der Leipziger Stasi-Zentrale im Winter 1989. Ausgehend von einer spannenden Diskussion, die in der Veranstaltung „‚So kann es nicht weitergehen!’ – Zur Neugründung der ostdeutschen Sozialdemokratie in Leipzig“ am 7. November 2013 angestoßen wurde und Thema auf dem SPD-Parteitag im November in Leipzig war, stellt das Bürgerkomitee die Frage „Wie viel SED steckt in der Linkspartei?“ Zu Vortrag und anschließender Diskussion mit Konrad Weiß, Uwe Müller und Tom Strohschneider laden wir Sie herzlich am Abend des 4. Dezember 2013 um 19.00 Uhr in den ehemaligen Stasi-Kinosaal der „Runden Ecke“ ein. Das Resümee zur vergangenen Veranstaltung finden Sie wie gewohnt in der Rubrik „Rückblick“.

 

Auch diesmal ist das Museum im Stasi-Bunker zwischen den Jahren am letzten Wochenende des Monats geöffnet. Besucher können jeweils von 13.00 bis 16.00 Uhr die ehemalige Ausweichführungsstelle der Leipziger Stasi-Zentrale besichtigen. Zudem werden zum letzten Mal die Sonderausstellung und ein Film zum 17. Juni 1953 präsentiert.

 

Das Museum in der „Runden Ecke“ hingegen ist vom 23. bis 26. Dezember sowie am 31. Dezember und 1. Januar geschlossen. Es finden keine Führungen und Stadtrundgänge statt. Zwischen den Jahren und wieder ab dem 2. Januar 2014 können Sie jedoch alle Ausstellungen besuchen und die öffentlichen Führungen wahrnehmen.

 

Wir freuen uns auf Ihren Besuch und wünschen Ihnen eine besinnliche Advents- und Weihnachtszeit.

 

Ihr Bürgerkomitee Leipzig e.V.

 

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INHALT

Wir laden ein

Rückblick

Aus dem Gästebuch

 

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WIR LADEN EIN

 

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4. DEZEMBER 2013, 9.00 UHR BIS 12.30 UHR: VERLEGUNG VON 23 STOLPERSTEINEN UND GEDENKVERANSTALTUNG

Bisher liegen 202 STOLPERSTEINE an 97 Orten in Leipzig. Jetzt folgen 23 weitere Steine zum Gedenken an Leipziger Bürger, die dem Nationalsozialismus zum Opfer fielen. Vor den ehemaligen Wohnorten ermordeter Mitbürger verlegt der Kölner Bildhauer Gunter Demnig diese Erinnerungsmale ebenerdig in den Gehweg.

Zur Verlegung der STOLPERSTEINE in Leipzig am 4. Dezember 2013 laden Sie alle an der Umsetzung des Vorhabens beteiligten Vereine recht herzlich ein.

 

9.00 Uhr Lützner Straße 16b

Friedrich Max Krause wurde aufgrund seiner gleichgeschlechtlichen Orientierung 1943 verurteilt. Er kam im Zuchthaus Bautzen ums Leben.

 

9.30 Uhr Waldstraße 61

Bereits 1933 emigrierten die Eheleute Wydra mit ihrem Sohn Osias nach Jugoslawien und bauten sich im heutigen Zagreb eine neue Existenz auf. 1943 wurden sie von der kroatischen Ustascha ermordet.

 

10.00 Uhr Ernst-Pinkert-Straße 9

Hier werden 12 Stolpersteine für Familie Bardfeld verlegt. Während sich vier der älteren Kinder retten konnten, fielen die anderen Familienmitglieder dem Rassenwahn der Nationalsozialisten zum Opfer.

 

10.45 Uhr Eutritzscher Straße 2 (ehem. – Ecke Berliner Straße)

Die junge jüdische Familie des Kinderarztes Michel Walltuch wurde 1942 in das Ghetto Belzyce bei Lublin deportiert. Nach ihrer Verschleppung aus Leipzig verliert sich ihre Spur.

 

11.30 Uhr Stadthaus – Burgplatz

Der wohnungslose Sinto Finanz Just Rose griff das nationalsozialistische System vor dem Leipziger Rathaus offen an und beschuldigte es der Diskriminierung. Daraufhin folgten seine Verhaftung und Ermordung im Konzentrationslager Buchenwald.

 

13.15 Uhr Oststraße 21 (ehem. Kinderklinik)

Gertrud Oltmanns war fünf Jahre alt, als sie aufgrund ihrer geistigen Behinderung unter dem Vorwand der besseren medizinischen Betreuung in die Leipziger Kinderklinik eingewiesen und umgebracht wurde. Von diesem Ort nahm die sogenannte Kinder-Euthanasie ihren Ausgang.

 

12.30 Uhr Lipsiusstraße 14

Gotthard Raimund Zimmermann stieß durch seine gleichgeschlechtliche Orientierung an die rassistischen Grenzen der NS-Diktatur. Unter den Nationalsozialisten mehrmals verhaftet kam er kurz vor Kriegsende im Konzentrationslager Mauthausen ums Leben.

 

Im Jahr 2006 hat sich eine Arbeitsgruppe konstituiert, die die Aktionen organisiert, interessierte Gruppen bei ihren Recherchen betreut, die Termine koordiniert, sich um den Internetauftritt sowie die Öffentlichkeitsarbeit kümmert und Kontakt zu Angehörigen und Hinterbliebenen hält. Zu den Vereinen, die das Projekt unterstützen, zählen das Archiv Bürgerbewegung Leipzig, der Bürgerverein Waldstraßenviertel, die Evangelische Jugend Leipzig, die Gedenkstätte für Zwangsarbeit in Leipzig, der Verein Haus Steinstraße und das Bürgerkomitee Leipzig e.V. Mit ihrer Arbeit haben diese Leipziger Vereine ganz unterschiedlicher Themensetzung seitdem das Projekt im kollektiven Bewusstsein der Stadt etabliert.

 

Weitergehende Informationen zu den einzelnen Schicksalen können Sie auf der Homepage www.stolpersteine-leipzig.de nachlesen.

 

 

4. DEZEMBER 2013, 19.00 Uhr, EHEM. STASI-KINOSAAL: VORTRAG UND DISKUSSION „WIE VIEL SED STECKT IN DER LINKSPARTEI?“

Am 9. Oktober 1989, dem Tag der entscheidenden Montagsdemonstration, schrieb ein mutiger Leipziger Bürger an eine Hauswand die Losung „SED und STASI sind bankrott“. Nur wenige Wochen später besetzten am 4. Dezember 1989 Montagsdemonstranten die Leipziger Stasi-Zentrale und entmachteten das Ministerium für Staatssicherheit und damit das „Schild und Schwert der Partei“. Die SED hatte ihre 40 Jahre währende Diktatur nur mit Hilfe dieser Geheimpolizei und deren menschenverachtenden Praktiken durchsetzen und sichern können, das war den Akteuren der Friedlichen Revolution 1989/90 bewusst.

 

„Wer hätte 1990 gedacht, dass unsere Partei die drittstärkste politische Kraft der Bundesrepublik wird?“, verkündete Gregor Gysi als Spitzenkandidat der Linkspartei am Abend der diesjährigen Bundestagswahl im September. Sowohl Bündnis 90/Die Grünen als auch die SPD schlossen für die nächste Wahl eine Koalition mit der SED-Nachfolgepartei „Die Linke“ nicht mehr grundsätzlich aus. 1994 hatte die SPD noch einen Unvereinbarkeitsbeschluss gefasst. Eine Stasi-Mitarbeit galt lange Zeit als Ausschlussgrund für öffentliche Ämter oder eine Regierungsbeteiligung. Die Partei „Die Linke“, die sich aus der „SED“ über die „SED/PDS“ zur „PDS“ und schließlich zur „LINKSPARTEI.PDS“ entwickelte, wird heute in der öffentlichen Debatte zunehmend als ernsthafter Partner wahrgenommen.

 

Ist „Die Linke“ in den zurückliegenden Jahren wirklich eine „normale“ Partei geworden und stimmt es, dass die Fokussierung auf die Stasi schuld daran sei, dass die SED als Hauptverantwortliche für jahrzehntelanges Unrecht aus dem Blick geraten ist? Diesen und anderen Fragen soll auf Einladung des Bürgerkomitee Leipzig e.V. anlässlich des 24. Jahrestages der Besetzung der Leipziger Stasi-Zentrale nachgegangen werden. Wir laden Sie sehr herzlich zum Podiumsgespräch mit dem Regisseur und DDR-Bürgerrechtler Konrad Weiß, dem Redakteur der „Welt“ Uwe Müller und Tom Strohschneider, Chefredakteur „Neues Deutschland“ in den ehemaligen Stasi-Kinosaal ein.

 

Begrüßung: Tobias Hollitzer (Leiter der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“)

Einführung: Konrad Weiß (Regisseur und DDR-Bürgerrechtler)

Moderation: Christhard Läpple (ZDF-Hauptstadtstudio)

 

 

28. & 29. DEZEMBER 2013, 13.00 BIS 16.00 UHR MUSEUM IM STASI-BUNKER IN MACHERN GEÖFFNET. BIS ENDE 2013 SONDERAUSSTELLUNG UND FILMPRÄSENTATION

Ständig Führungen. In dem 1969 bis 1972 erbauten Bunker hätte der Leiter der bezirklichen Geheimdienstzentrale, der Leipziger „Runden Ecke”, im „Ernstfall” zusammen mit 100 Offizieren seine Tätigkeit fortgesetzt. Zu besichtigen sind das 5,2 Hektar große, denkmalgeschützte Gesamtgelände mit allen erhaltenen Bauten und Anlagen sowie das komplette Bunkerinnere.

 

Die Sonderausstellung „Wir wollen freie Menschen sein“ zum Volksaufstand in der DDR vom 17. Juni 1953 ist letztmalig während der regulären Öffnungszeiten im Museum im Stasi-Bunker zu besichtigen. Die Ausstellung präsentiert auf 20 großformatigen Plakaten, wie sich der soziale Protest Berliner Bauarbeiter rasch zur politischen Manifestation entwickelte. In mehr als 700 Städten und Gemeinden, darunter auch in Mitteldeutschland, protestierten die Massen, wogegen sich die SED-Diktatur allein durch den Einsatz sowjetischer Truppen und Panzer zu helfen wusste. Die Texte lieferte der renommierte Historiker und Publizist Dr. Stefan Wolle. Bildikonen sowie unbekannte Fotos und Dokumente wurden aus 25 Archiven für die Ausstellung ausgewählt.

 

Auch der Dokumentarfilm „Die Direktive 1/67: Die Isolierungslager in der DDR“ wird im Museum im Stasi-Bunker im Dezember präsentiert. Nach dem Volksaufstand am 17. Juni 1953 entstand im Zuge der verschärften Sicherheitsvorkehrungen der Staatssicherheit als „Schild und Schwert der Partei“ die Direktive 1/67. Um jeden Preis wollte das DDR-Regime verhindern, erneut einem ähnlichen Aufstand wie 1953 gegenüber zu stehen. Der Film berichtet über den so genannten Vorbeugekomplex, mit dem die Kontrolle über die Bevölkerung der DDR auch im Ausnahmefall aufrechterhalten werden sollte. Mit Hilfe eines Kennziffernsystems wurde zwischen Verhaftung, Internierung, Isolierung und Überwachung von „feindlich-negativen“ Personen unterschieden. So waren 1988 in den durch die Stasi regelmäßig aktualisierten Listen 3.000 „feindlich-negative“ Bürger der DDR zur Festnahme registriert, weitere 11.000 sollten in Isolierungslager gesperrt und mehr als 70.000 Menschen besonders überwacht werden.

 

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RÜCKBLICK

 

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7. NOVEMBER 2013, 19.00 UHR, EHEM. STASI-KINOSAAL: VORTRAG UND ZEITZEUGENGESPRÄCH IN DER GEDENKSTÄTTE MUSEUM IN DER „RUNDEN ECKE“: „SO KANN ES NICHT WEITERGEHEN! – ZUR NEUGRÜNDUNG DER OSTDEUTSCHEN SOZIALDEMOKRATIE IN LEIPZIG“

„Eins sollten wir nicht aus den Augen verlieren: Den Mut des Neuanfangs.“ Nach diesem Schlusswort des Einführungvortrags von Dr. Mike Schmeitzner diskutierten im ehemaligen Stasi-Kinosaal der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ am 7. November 2013 um 19.00 Uhr die vier Zeitzeugen Andreas Bertram, Axel Dyck, Andreas Schurig und Gunter Weißgerber sowie etwa dreißig Gäste, unter denen viele SPD-Mitglieder waren, über den notwendigen Mut für die Umsetzung der Friedlichen Revolution und für die Gründung einer eigenständigen sozialdemokratischen Partei in der DDR (SDP) sowie deren Einordnung in die Ereignisse der Jahre 1989/90.

 

Nach der Begrüßung von Tobias Hollitzer, Leiter der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“, erläuterte Dr. Mike Schmeitzner vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung in Dresden in seinem Vortrag die Bedeutung Leipzigs für die Sozialdemokratie. Leipzig sei schon immer eine „Hochburg“ der sozialliberalen Partei aufgrund seiner „protestantisch[en], sowie liberal[en] und selbstbewusst[en]“ Prägung gewesen. 1848 entstand hier eine der ersten „Arbeiterverbrüderungen“ des Deutschen Bundes und 1863 wurde der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein gegründet. In Leipzig lebten und wirkten neben vielen anderen zum Beispiel die zentralen Figuren der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung August Bebel und Wilhelm Liebknecht. Leipzigs Bedeutung als das „Zentrum der deutschen Arbeiterbewegung schlechthin“ zeigte sich auch darin, dass die SPD 1932 im Wahlkreis Leipzig als einzigem im ganzen Deutschen Reich mit 32% ein höheres Wahlergebnis als die NSDAP erreichte. Nach dem Ende des Nationalsozialismus erhielt die SPD in der sowjetischen Besatzungszone ihr „Todesurteil“ durch die zwangsweise Vereinigung der KPD und SPD zur Sozialistischen Einheitspartei (SED). Die neuen kommunistischen Machthaber machten jede politische Betätigung als Sozialdemokrat unmöglich. Viele von ihnen flohen, andere wurden zu Haftstrafen oder zum Tode verurteilt.

 

Als in den 1970er und 1980er Jahren in der Bundesrepublik Willy Brandt mit seinem Motto „Mehr Demokratie wagen“ und Helmut Schmidt mit seinem Pragmatismus an die Macht kamen, habe sich auch das Interesse in der DDR an der Sozialdemokratie wieder gesteigert, nicht zuletzt aufgrund der bundesrepublikanischen Ostpolitik, die eine Annäherung beider deutscher Staaten bewirkte. Diese beiden „positiven Leitfiguren“ standen den Gründungsmitgliedern der ostdeutschen Sozialdemokratische Partei, die am 7. Oktober 1989 in Schwante bei Berlin gegründet wurde, vor Augen. Ihre Ziele waren die Errichtung rechtsstaatlicher Normen, ein Parteienpluralismus und soziale Marktwirtschaft, Gewaltenteilung sowie Versammlungs- und Pressefreiheit in der DDR. Durch die damit zwangsläufig einhergehende Infragestellung der SED und der „Ablehnung allen totalitären Denken und Handelns“, wandte sich die SDP offen gegen die SED-Diktatur und die inzwischen auch im Internet abrufbar sind. „Nicht Reformierung sondern Revolutionierung, nicht ‚Dritte-Wege-Romantik’, sondern parlamentarischer Rechtsstaat standen auf der Agenda.“, fasste Schmeitzner zusammen.

 

Im Anschluss an diesen informativen Vortrag über die SPD-Geschichte wurden Originalaufnahmen aus der Gründungssitzung des Leipziger Kreisverbandes der SDP vom 7. November 1989 in der Reformierten Kirche in Leipzig gezeigt, die Gunter Weißgerber zur Verfügung gestellt hatte und die inzwischen auch im Internet abrufbar sind (http://www.youtube.com/watch?v=cLz1WXGXWGU). Diese erste Sitzung verlief vor allem auch aufgrund der Unerfahrenheit ihrer Teilnehmer, zu denen unter anderem Andreas Schurig und Andreas Bertram gehörten, sichtlich chaotisch.

 

Anschließend diskutierten unter der Moderation von Tobias Hollitzer die Zeitzeugen und SDP-Gründungsmitglieder Andreas Bertram, Andreas Schurig und Gunter Weißgerber sowie Axel Dyck, der kurze Zeit nach ihrer Gründung in die SDP eingetreten war, über ihre Sicht auf die Friedliche Revolution, die Neugründung und ihren persönlichen Weg zur SDP. Bertram, heute evangelischer Pfarrer, war in der DDR das Abitur verwehrt worden, er hatte im kirchlichen Bereich gearbeitet und war über die Kirche zur SDP gelangt, um sich auch politisch zu engagieren. Schurig, seit 2004 Sächsischer Datenschutzbeauftragter, hatte zunächst in der Kirchengemeinde Leipzig-Lindenau mitgewirkt. Als er bei der Kommunalwahl im Mai 1989 während des Wahlgangs Wahlbetrug feststellte, war seine Entscheidung für sein politisches Engagement gefallen und er begann, sich in der Lokalpolitik zu beteiligen. Als Weißgerber im Westfernsehen von der Politik Brandts und Schmidts hörte, war sein dringlichster Wunsch ihrer Partei, der SPD, anzugehören. Weißgerber war 1989 Redner auf den Montagsdemonstrationen in Leipzig und zunächst im „Neuen Forum“ aktiv, doch für ihn war klar, „wenn’s ’ne SPD gibt, bin ich weg.“ Für ihn bot die SDP einen festen politischen Rahmen im Gegensatz zu anderen Gruppierungen und Parteien, die seiner Meinung nach keinen klaren Linien folgten.

Dyck war bis 1989 nach seinen eigenen Worten ein „angepasster, opportunistischer Bürger der DDR“ und erfuhr erst später eine „enorme Politisierung“. Heute sagt er von sich, er hätte „auch in einer anderen demokratischen Partei landen können“, entschied sich aber für die SDP durch verschiedene Treffen und intensive Gespräche mit Weißgerber und anderen.

 

Obwohl es Anfang 1989 noch „so illusorisch [war], eine sozialdemokratische Partei zu gründen“, reflektierte Schurig, wurde die Illusion bereits wenig später Realität. Das Vorhaben der Gründung einer neuen Partei war allerdings ein schwieriges Unterfangen. „Man war ständig in Bewegung, auch rückwärts und zu Fuß.“, erinnerte sich Bertram. Weißgerber hatte sich die Gründung damals wie „eine Parteiveranstaltung im Westfernsehen“ vorgestellt, doch auf den Originalaufnahmen wird deutlich, dass dem nicht so war. Vieles war „von Zufälligkeiten geprägt“, erinnerten sich die vier. Jeder, der sich meldete, wurde gebraucht und jede kleinste Büroerfahrung entschied, ob die jeweilige Person auf einer der zu besetzenden Positionen eingesetzt wurde. Zunächst kooperierte die SDP mit anderen Vereinen, wie dem „Neuen Forum“. Durch stetigen Mitgliederzuwachs jedoch wurde eine überregionale, d. h. kreis- bzw. bezirksweite Organisation der SDP in der DDR sowie eine inhaltlich fundierte Profilausprägung notwendig. Sämtliche Programmpunkte wurden damals oft ohne Ordnung und Priorität durchdekliniert, wie etwa Wirtschaft, Bildungssystem, Homo-Ehe. Hinsichtlich der Deutschen Einheit, konnte es nur in eine Richtung gehen, „weg von der DDR, so schnell wie möglich.“ – darin waren sich die Teilnehmer der SDP-Gründungssitzung einig.

 

„SDP – von der Stasi unterwandert?“ Diese Schlagzeile der Medien aus der Zeit der Neugründung der SDP belastete die Partei anfangs stark. Der „Umgang mit dieser SDP“ war für die Staatssicherheit der DDR von höchster Bedeutung, denn „das [war] die Frage der Spaltung der Arbeiterklasse“, so der erste und einzige DDR-Ministerpräsident Hans Modrow zu Generalleutnant Wolfgang Schwanitz 1989/90 bei dessen Amtseinführung als Leiter des Amts für Nationale Sicherheit, dem ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit. So wurden Anfang 1990 mehrere offizielle und inoffizielle Mitarbeiter entlarvt, darunter auch der erste Parteivorsitzende der SDP Ibrahim Böhme. Um die Aufnahme ehemaliger SED-Mitglieder wurde nach der Friedlichen Revolution und der deutschen Wiedervereinigung heftig diskutiert. Der Vorwurf lautete, die ostdeutsche SDP erfahre eine verdeckte Übernahme durch die SED. Daher wurden Parteimitgliedsübernahmen vorerst nicht erlaubt, da sie mit dem Selbstverständnis der SDP/SPD als demokratische Partei und als ehemaliger Kontrahent der SED nicht vereinbar waren. Auf die Frage aus dem Publikum, ob heute eine rot-rot-grüne Koalition eine Option wäre, drohten die SDP-Gründungsmitglieder, von denen ebenfalls viele im Publikum saßen, mit einem gemeinsamen Leipziger Gruppenparteiaustritt. Viele sehen bis heute die Partei „Die Linke“ als Nachfolger der SED. Schurig hob allerdings hervor, dass in den Reihen der heutigen Linken nun auch junge Abgeordnete ohne DDR-Hintergrund sitzen und man die Entwicklung dieser Partei in Bezug auf eine zukünftige Zusammenarbeit genau beobachten müsse.

 

Im Hinblick auf die Entwicklung der Demokratie nach 1989 bis heute waren sich die Zeitzeugen einig. Gunter Weißgerber ist „sehr zufrieden“ mit der heutigen funktionierenden Demokratie. Andreas Bertram betonte, dass das Engagement von damals auch heute gefragt sei. Andreas Schurig ist froh mehrere Seiten der Demokratie, gestern (1989/90) und heute, erleben zu dürfen. Axel Dyck ließ die Veranstaltung mit folgendem Schlusswort ausklingen: „Jede Zeit hat ihre Erscheinungen. Da, wo wir heute stehen, ist ein Mosaik aus den Steinen, die damals gelegt worden sind.“

 

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AUS DEM GÄSTEBUCH

 

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Mehrere tausend Menschen besuchen monatlich die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ mit dem Museum im Stasi-Bunker. Manche leben in Leipzig und kommen – häufig mit Gästen – immer wieder in die Ausstellung. Andere kommen von weit her zu Besuch in die Stadt und wollen hier sehen, wo und wie vormals das berüchtigte Ministerium für Staatssicherheit arbeitete.

Viele unserer Besucher hinterlassen eine Notiz im Gästebuch und schreiben hier ihre Eindrücke nieder, die sie in der Gedenkstätte gesammelt haben. Unter dieser Rubrik wollen wir monatlich einige dieser Einträge an Sie weitergeben.

 

EINTRÄGE AUS DER DAUERAUSSTELLUNG „STASI – MACHT UND BANALITÄT“

 

„Thank you for sharing this story!”

(Besucher am 2. November 2013)

 

„I was born in Yugoslavia so I felt I was strolling through my own country’s history Thank you for that journey. The audio guide is great, but more translations of the documents would’ve been even more helpful. I must say that for me it’s hard to imagine that in Croatia we have such a museum. In fact, I feel that we are still ashamed of our own history and we are not learning for the future.“

(Besucherin aus Kroatien am 3. November 2013)

 

„This museum is extraordinary, but also ‘ordinary’ – in the ‘Free World’ there is much covert information gathering, about which we know so little. Thank you for making this presentation of facts such a powerful experience! We must always be ‘awake and aware’ of the dangers of covert and overt dictatorship.“

(Besucher aus den USA am 6. November 2013)

 

„Für uns Deutsche interessant, ABER auch das Ausland ist an unserer Geschichte interessiert!!! Doch leider fehlt es an der englischen Übersetzung!“

(Besucher aus Leipzig, Hamburg und Lillehammer/Norwegen am 6. November 2013)

 

„Habe 1986–1990 an der KMU studiert. Wohne seit Studienabschluss in England. Hat lange gedauert, bis ich mich hergetraut habe. Jetzt muss ich das alles erst mal verdauen. Wird sicher ein interessanter Abend mit meinen Eltern. Danke, dass das alles nicht einfach in Vergessenheit gerät!“

(Besucher aus London am 12. November 2013)

 

„Gut, dass daran erinnert wird – damit es nicht in Vergessenheit gerät. Manchmal hat man schon jetzt den Eindruck, dass viele Menschen Freiheit nicht mehr zu schätzen wissen und dem Staat zu viel Macht geben wollen, mit der Hoffnung, daraus entstünde eine gerechtere Welt. Nicht der Staat ist in der Lage, das Leben zu verbessern, sondern jeder einzelne selbst, und der Staat darf in die Freiheit des Menschen nicht eingreifen, so lange es sich nicht um den Schutz vor Verbrechen handelt.“

(Besucher am 20. November 2013)

 

„Angesichts unserer Vergangenheit, die in Gedenkstätten wie dieser in Erinnerung gehalten wird, wäre es umso wichtiger, dass unseren heutigen Entscheidungsträgern – so die Bundeskanzlerin mit ihrer ostdeutschen Vergangenheit! – sich deutlich gegen die heutigen Überwachungen der Bürger durch Geheimdienste demokratischer Staaten aussprechen und diesem Tun Einhalt gebieten. Das können wir aus der Ausstellung in die Gegenwart mitnehmen.“

(Besucher aus Weimar am 23. November 2013)

 

 

EINTRÄGE AUS DER SONDERAUSSTELLUNG „LEIPZIG AUF DEM WEG ZUR FRIEDLICHEN REVOLUTION“

 

„Eine Ausstellung, die berührt und sehr nachdenklich macht. Das schöne Leipzig (und viele andere mittel-/ostdeutsche Städte) gäbe es so, wie sie heute wieder sind, nicht. Die Bürger der ehemaligen DDR haben das geschafft. DANKE DAFÜR! Eine Ausstellung, die Mut macht, sich für Freiheit und menschliche Grundwerte aktiv einzusetzen.“

(Besucher aus Delmenhorst und Oldenburg am 5. November 2013)

 

„Revolution! Könnte diese Ausstellung bitte durch das Land touren und in vielen zentralen Museen/Stätten gezeigt werden! Ich bin froh, dass es hier noch einen Ort des Erinnerns gibt…“

(Besucher am 16. November 2013)

 

„Opa Heinz, 87, hat doll mitdemonstriert und ohne ihn wären wir immer noch eingemauert! (Oma Renate hat ihn gezwungen, den kleinen Hasenfuss.) Ach wir waren alle Helden!“

(Besucher am 22. November 2013)

 

„Danke für diese gut recherchierte und gestaltete, wichtige und informative Ausstellung! „Keine Gewalt“, wir können noch heute dankbar sein für diesen Ruf und die Besonnenheit der Leipziger!“

(Besucher aus Weimar am 23. November 2013)


 



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Träger der Gedenkstätte
Museum in der „Runden Ecke“ mit dem Museum im Stasi-Bunker
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