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 Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

 

in den vergangenen zwei Monaten bot das Bürgerkomitee seinen Gästen wieder ein informatives Programm. Einen Rückblick auf die Veranstaltungen vom Mai und Juni finden Sie in dieser Newsletterausgabe. Zugleich möchten wir Sie auf unsere kommenden Veranstaltungen hinweisen.

 

Im Rahmen der Gesprächsreihe „Heute vor 30 Jahren“ erinnert das Bürgerkomitee Leipzig e.V. am Dienstag, den 9. Juli 2019, an den Kirchentag, den Statt-Kirchentag und die Demonstration für Demokratie während des Kirchentages am 9. Juli 1989. Der Kirchentag der Evangelischen Landeskirche Sachsen fand im Jahr 1989 vom 6. bis 9. Juli in Leipzig statt. Die Veranstalter verzichteten aufgrund staatlichen Drucks weitgehend auf politische Fragen. Dennoch thematisierten Teilnehmer und Besucher des offiziellen Kirchentages wiederholt politische Probleme und forderten Veränderungen in der DDR. Während der Abschlussveranstaltung auf der Galopprennbahn Scheibenholz protestierten Leipziger Bürgerrechtler gegen das Massaker auf der friedlichen Demokratiebewegung in China und die Fälschung der Kommunalwahl. Da sie mit ihrem Transparent nicht auf die Bühne gelassen wurden, verließen sie das Gelände. Immer mehr Besucher des Kirchentages schlossen sich dem Protest an. Schließlich zogen über 1.000 Personen in Richtung Innenstadt. Die Sicherheitskräfte griffen vorerst nicht ein, am Floßplatz jedoch entrissen Stasi-Mitarbeiter den Demonstranten das Transparent und zerrten es in eine Straßenbahn. Polizeiketten versperrten den weiteren Weg. Die Aktion endete mit einer spontanen Andacht in der Peterskirche. Der Eintritt zur Veranstaltung im ehemaligen Stasi-Kinosaal ist frei.

 

Am Wochenende vom 27. und 28. Juli 2019 hat das Museum im Stasi-Bunker bei Machern jeweils von 13.00 bis 16.00 Uhr geöffnet. Zu besichtigen sind dabei das über fünf Hektar große, denkmalgeschützte Gesamtgelände sowie das komplette Bunkerinnere. Besucher erfahren hier u.a., wie die Stasi auch im Ernstfall die SED-Diktatur sichern wollte.

 

Wir freuen uns, Sie in der Gedenkstätte begrüßen zu dürfen und wünschen Ihnen spannende Veranstaltungen sowie interessante Gespräche.

 

Ihr Bürgerkomitee Leipzig e.V.

 

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INHALT

 

WIR LADEN EIN
STÄNDIGE ANGEBOTE
AUS DER ARBEIT DER GEDENKSTÄTTE
RÜCKBLICK
AUS DEM GÄSTEBUCH

 

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WIR LADEN EIN

 

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DIENSTAG, 9. JULI 2019, 19.00 UHR: VERANSTALTUNGSREIHE „HEUTE VOR 30 JAHREN: LEIPZIG AUF DEM WEG ZUR FRIEDLICHEN REVOLUTION“ IM EHEMALIGEN STASI-KINOSAAL DER GEDENKSTÄTTE MUSEUM IN DER „RUNDEN ECKE“: KIRCHENTAG, STATT-KIRCHENTAG UND DIE DEMONSTRATION FÜR DEMOKRATIE.
Vom 6. bis 9. Juli 1989 fand in Leipzig der Kirchentag der Evangelischen Landeskirche Sachsen statt, den die staatlichen Stellen mit großem Aufwand versuchten zu sichern. So erließ die Stasi eigens für diese vier Tage einen 13-seitigen Maßnahmeplan mit dem Decknamen „Aktion Kongress 89“. Auf staatlichen Druck hin grenzten die Veranstalter politische Themen und somit politisch engagierte Gruppen aus.
Die Leipziger Basisgruppen fanden in der Lukaskirche bei Pfarrer Christoph Wonneberger ein Podium, der hier den Statt-Kirchentag organisierte, an dem etwa 2.500 Personen teilnahmen. Hier traf sich die Opposition fast aus der ganzen DDR und tauschte sich über die aktuelle Lage sowie über zukünftige Konzepte und Aktionen aus. Auch auf den offiziellen Kirchentagsveranstaltungen thematisierten Teilnehmer und Besucher wiederholt politische Probleme und forderten Veränderungen in der DDR.
Nach dem Abschlussgottesdienst des offiziellen Kirchentages an der Leipziger Rennbahn bildete sich spontan eine Demonstration gegen den Wahlbetrug und für die Demokratie sowie gegen das Massaker an den friedlichen Protesten in China vom 4. Juni 1989. Auf dem Weg in Richtung Innenstadt entrissen Stasi-Mitarbeiter den Demonstranten die Transparente und flüchteten in eine Straßenbahn. In der Peterskirche fand die Aktion mit einer Andacht ihren Abschluss.
Nach einem Vortrag zu den historischen Ereignissen und der Vorführung von zeitgenössischem Filmmaterial kommen Zeitzeugen über das damalige Geschehen und dessen Bedeutung für die heutige Gesellschaft miteinander und mit dem Publikum ins Gespräch.
Veranstaltungsort: ehem. Stasi-Kinosaal. Eintritt: frei.

 

SAMSTAG, 27. JULI 2019, - SONNTAG, 28. JULI 2019, 13.00 – 16.00 UHR: MUSEUM IM STASI-BUNKER BEI MACHERN GEÖFFNET
In dem 1969 bis 1972 erbauten Bunker hätte der Leiter der bezirklichen Geheimdienstzentrale, der Leipziger „Runden Ecke“, im Ernstfall zusammen mit 100 Offizieren seine Tätigkeit fortgesetzt. Zu besichtigen sind das über fünf Hektar große, denkmalgeschützte Gesamtgelände mit allen erhaltenen Bauten und Anlagen sowie das komplette Bunkerinnere. Eine Ausstellung gibt Einblick in die zentral geregelte Mobilmachungsplanung und dokumentiert die spezielle Aufgabe des MfS im Ernstfall – bis hin zur geplanten Einrichtung von Isolierungslagern für Oppositionelle.
Des Weiteren wird für Interessierte die Plakatausstellung der Stiftung Aufarbeitung zur SED-Diktatur „Wir wollen freie Menschen sein! Der DDR-Volksaufstand vom 17. JULI 1953“ präsentiert. Über 65 Jahre nach dem ersten anti-diktatorischen Massenaufstand in der DDR zeigt die Ausstellung die Geschichte des Volksaufstandes.

 

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STÄNDIGE ANGEBOTE

 

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MONTAG BIS SONNTAG, 10.00 UHR BIS 18.00 UHR, EHEMALIGER STASI-KINOSAAL:
AUSSTELLUNG - LEIPZIG AUF DEM WEG ZUR FRIEDLICHEN REVOLUTION
Der gewaltfreie Demonstrationszug von weit mehr als 70.000 Menschen auf dem Leipziger Innenstadtring am 9. Oktober 1989 wurde als Entscheidung für eine Friedliche Revolution und als Sieg über das SED-Regime empfunden. Die Ausstellung im ehemaligen Stasi-Kinosaal informiert über das Wirken der Leipziger Opposition, die bereits seit Beginn der 1980er Jahre vor allem aus dem kirchlichen Umfeld heraus kontroverse Themen anzusprechen wagte. Die Aktionen des politischen Widerstandes in Leipzig sowie die Ereignisse, die zur Friedlichen Revolution und zur Neugründung des Freistaates Sachsen sowie zur Deutschen Einheit in einem zusammenwachsenden Europa führten, werden nachgezeichnet. Auch wird ein Blick auf ost-mitteleuropäische Nachbarn und deren Engagement für Freiheit und Demokratie geworfen.
Öffentliche Führungen finden jeden Freitag und Samstag, jeweils um 16.30 Uhr, statt. Für Gruppen sind auf Anfrage auch außerhalb dieser Zeiten Führungen möglich.

 

MONTAG BIS SONNTAG, 10.00 UHR BIS 18.00 UHR, MUSEUM IN DER „RUNDEN ECKE“:
AUSSTELLUNG - STASI – MACHT UND BANALITÄT
Seit 1990 bietet das Museum in der „Runden Ecke“ in den Originalräumen des Ministeriums für Staatssicherheit die Möglichkeit, Zeitgeschichte in authentischer Umgebung nachzuvollziehen. Zahlreiche, zum Teil einzigartige Ausstellungsstücke, darunter Überwachungstechnik, eine Maskierungswerkstatt oder eine Kollermaschine zur Vernichtung von Akten, verdeutlichen, wie die SED ihren Überwachungsstaat aufbaute und die Menschen ihrer demokratischen Grundrechte beraubte. Dabei soll auch bewusst werden, wie bedeutsam die Errungenschaften der Friedlichen Revo-lution - Freiheit, Rechtsstaat und Demokratie - bis heute sind.
Die öffentliche Führung findet täglich um 15.00 Uhr statt. Für Gruppen sind auf Anfrage auch außerhalb dieser Zeiten Führungen möglich. Audioguides sind in acht Sprachen erhältlich (Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Niederländisch, Polnisch und Arabisch).

 

MONTAG BIS SONNTAG, 10.00 UHR BIS 18.00 UHR, MUSEUM IN DER „RUNDEN ECKE“, FOYER:
SONDERAUSSTELLUNG - ZWEI MAL BEFREIT? LEIPZIG UNTER AMERIKANISCHER UND SOWJETISCHER BESATZUNG 1945
Die Kabinettausstellung im Foyer des Museums in der „Runden Ecke“ thematisiert die amerikanische Besatzung und den beginnenden Aufbau demokratischer Strukturen sowie den Besatzungswechsel und den Beginn der neuen kommunistischen Diktatur sowjetischen Vorbilds nach dem Ende des zweiten Weltkrieges. Hierbei war die „Runde Ecke“ von zentraler Bedeutung. Seit dem 18. JULI 1945 war das Gebäude Hauptquartier der US-Armee und kurzzeitig auch Sitz der US-Militärregierung gewesen, bevor es nach dem Besatzungswechsel am 2. Juli 1945 durch die sowjetische Militäradministration (SMA) genutzt wurde.

 

JEDEN SAMSTAG, 14.00 UHR, HAUPTPORTAL NIKOLAIKIRCHE:
STADTRUNDGANG - AUF DEN SPUREN DER FRIEDLICHEN REVOLUTION
Herbst ’89: Die Bilder von den Friedensgebeten in der Nikolaikirche, den Montagsdemonstrationen auf dem Innenstadtring und der Besetzung der Leipziger Stasi-Zentrale gingen um die Welt. Die Chronik des Herbstes ’89 begann in Leipzig aber nicht erst mit den Demonstrationen im September und Oktober. Der geführte Stadtrundgang erinnert an markanten Punkten der Leipziger Innenstadt an die historische Entwicklung des Jahres 1989. Zeitgeschichte wird am Ort des Geschehens lebendig und nachvollziehbar. Treffpunkt: Hauptportal Nikolaikirche. Für Gruppen sind auf An-frage auch außerhalb dieser Zeiten Führungen möglich.

 

JEDEN DIENSTAG, 16.00 UHR, MUSEUM IN DER „RUNDEN ECKE“, FOYER:
GELÄNDERUNDGANG „STASI INTERN“ – HINTER DEN KULISSEN DER „RUNDEN ECKE“
Um den Besuchern das gewaltige Ausmaß des einst einschüchternden Ortes der Diktatur ausführlicher zu vermitteln, bietet die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ einen besonderen Haus- und Geländerundgang an, genannt „Stasi intern“. Dabei können Besucher sonst nicht zugängliche Räume – abseits der Ausstellungsräume – sehen und die Dimension des Gebäudes und die historischen Ereignisse am Ort besser miteinander verknüpfen. Bei dem Rundgang wird auch über die mögliche Entwicklung des Areals gesprochen, das zu einem „Forum für Freiheit und Bürgerrechte“ weiterentwickelt werden soll.
Vom Keller bis zum Boden können u.a. die verbunkerten Schutzräume im zweiten Kellergeschoss für den Kriegsfall, der Wartebereich der Stasi-eigenen Poliklinik oder die Kegelbahn des MfS besichtigt werden. Auch Überreste der Aktenvernichtung sind zu entdecken. Teilnehmerzahl begrenzt.

 

SAMSTAG UND SONNTAG, 29. UND 30. JULI 2019, 13.00 BIS 16.00 UHR:
MUSEUM IM STASI-BUNKER IN MACHERN
In dem 1969 bis 1972 erbauten Bunker hätte der Leiter der bezirklichen Geheimdienstzentrale, der Leipziger „Runden Ecke“, im Ernstfall zusammen mit 100 Offizieren seine Tätigkeit fortgesetzt. Zu besichtigen sind das über fünf Hektar große, denkmalgeschützte Gesamtgelände mit allen erhaltenen Bauten und Anlagen sowie das komplette Bunkerinnere. Eine Ausstellung gibt Einblick in die zentral geregelte Mobilmachungsplanung und dokumentiert die spezielle Aufgabe des MfS im Ernstfall – bis hin zur geplanten Einrichtung von Isolierungslagern für Oppositionelle.

 

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AUS DER ARBEIT DER GEDENKSTÄTTE

 

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DIE GEDENKSTÄTTE MUSEUM IN DER „RUNDEN ECKE“ PRÄSENTIERTE IHRE ARABISCHSPRACHIGEN ANGEBOTE AM 3. MAI 2019 AUF DER 12. INTEGRATIONSMESSE DER STADT LEIPZIG
Bereits zum dritten Mal nahm die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ am Freitag, den 3. Mai 2019, an der nunmehr 12. Leipziger Integrationsmesse teil. Von 10.00 bis 15.00 Uhr informierten sich zahlreiche Besucher in der Kongresshalle am Leipziger Zoo über Möglichkeiten für Ausbildung und Arbeit sowie Kultur und Freizeit. Unter den Leipziger Vereinen, Organisationen, Initiativen und Unternehmen aus der Region war auch die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ vor Ort, die ihre mehrsprachigen historisch-politischen Bildungsangebote und insbesondere jene in arabischer Sprache präsentierte. Diese konnten teils auch auf der Messe getestet werden. Beispielsweise wurden die beiden Museums-Apps „Leipzig ‘89“ zur Entwicklung der Friedlichen Revolution in der Messestadt sowie „Leipzig 1953“ zum Verlauf des ersten Volksaustandes in Leipzig vorgeführt. Ansichtsexemplare der deutsch-arabischsprachigen Präsentation zur Bewerbung der Open-Air-Ausstellung „Orte der Friedlichen Revolution“ und der arabischsprachigen Ausstellung der Bundesstiftung Aufarbeitung zur Deutschen Einheit lagen ebenfalls aus. Beide Schauen können bei der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ kostenfrei ausgeliehen werden.

 

TOBIAS HOLLITZER NAHM AN EINER VERANSTALTUNG DER KONRAD-ADENAUER-STIFTUNG IM PAULINUM TEIL
Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck war am Sonntag, den 5. Mai 2019, an der Universität Leipzig zu Besuch. Anlass für seinen Auftritt bei der Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung war ein Podiumsgespräch unter dem Titel „Vom Mut, nicht wegzusehen – Zur gefälschten Kommunalwahl am 7. Mai 1989“, bei dem er in Anwesenheit von mehr als 500 Besuchern eine Rede hielt und anschließend gemeinsam mit Michael Kretschmer, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, und mehreren Zeitzeugen diskutierte. Gauck sprach über die „Freiheit ‘89“ und würdigte die Zivilcourage und die „innere Selbstermächtigung“ der Menschen. Ministerpräsident Kretschmer sagte unter anderem: „Der Blick zurück erinnert daran, dass wirklich freie und demokratische Wahlen nichts Selbstverständliches sind. Wir alle gemeinsam sind aufgerufen, die damals erkämpften demokratischen Werde zu schützen und zu verteidigen.“ Unter den Zeitzeugen war auch Tobias Hollitzer (53). Der Leiter der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ befasst sich seit Jahren mit der Aufklärungsarbeit über Macht und Ohnmacht der Staatssicherheit. Im Mai 1989 war er ebenfalls zur Wahl aufgerufen. Die Benachrichtigung dafür steckte er daheim hinter den Spiegel. Als er am Wahltag das Wahllokal in der damaligen 43. POS namens Walter Ulbricht betrat, war es bewusst erst nach 18.00 Uhr, um die Auszählung zu überwachen. Landesweit verfolgten und überwachten Oppositionelle, wie Hollitzer, die Auszählung. Sie nahmen dabei ihr demokratisches Recht in Anspruch und konnten so erstmals nachweisen, dass das am Abend von Egon Krenz als Leiter der Zentralen Wahlkommission verkündete Ergebnis mit 98,85 Prozent Ja-Stimmen für die Kandidaten der Einheitsliste eine Lüge war. Auch Hausherrin und Rektorin der Universität Leipzig, Beate Schücking, sprach zu den Besuchern und beschrieb die angepasste Rolle der Bildungseinrichtungen, die der Umbruch nach 1990 besonders hart traf. Sowohl Ministerpräsident Kretschmer als auch der ehemalige Bundespräsident Gauck nutzten ihre Worte zudem als Appell an die Bevölkerung, insbesondere an die Jugend, und so sagte Gauck: „Kunde sein kann jeder, Bürger sein, das will eingeübt sein.“

 

STOLPERSTEINVERLEGUNG AM 13. MAI 2019 IN LEIPZIG
Am Montag, den 13. Mai 2019, wurden 32 neue Stolpersteine für die Opfer des Nationalsozialismus verlegt. Zu den Opfern zählten vor allem Juden, aber auch Homosexuelle, Behinderte und Menschen, die nicht die Ideologie des NS-Regimes teilten, oder andere oppositionelle Gruppen wie Sozialdemokraten.
Die Verlegungen begannen um 9.00 Uhr am Dorotheenplatz in Leipzig. Anwesend waren fast 70 Personen, darunter einige Schulklassen und Stadträte. Es wurde vor Allem den Schülerinnen und Schülern der Oberschule am Adler gedankt, die sich intensiv mit diesem Thema befasst und die biographischen Recherchen erledigt haben, aber auch allen anderen für ihr Kommen und Mitwirken. Eine Abiturientin sagte: „Ein Mensch ist nur vergessen, wenn sein Name vergessen wird. (…) Nur durch das Erinnern kann der Nationalsozialismus und das Vergessen an diese Taten bekämpft werden.“ Bei der zweiten Verlegung um 9:45 Uhr in der Gustav-Adolf-Straße waren fast 40 Personen anwesend, darunter auch Angehörige der Familie Gutter. Ein Enkel sprach das Totengebet für seine Verwandten, die bis heute kein offizielles Begräbnis erhalten haben, und ein Urenkel begleitete das Gedenken musikalisch. In einer Rede hieß es: „Es ist schwer jemanden zu vergessen, der dir etwas nahe gebracht hat.“ Im Anschluss folgten weitere Verlegungen an sieben Orten. Die jüdische Großfamilie Kalter mit ehemals 26 Familienmitgliedern in Leipzig, die während des Holocausts aus Deutschland vertrieben und in Konzentrationslagern umgebracht worden sind, ehrte man allein mit sechs weiteren Verlegungen, nachdem bereits im Jahr 2017 zwei Steine für die Eltern in Leipzig verlegt worden sind.

 

EINE SCHULISCHE PROJEKTGRUPPE ZU BESUCH IM MUSEUM
Am Dienstag, den 22. Mai 2019, waren Schüler aus dem Gymnasium Glauchau, das über ein naturwissenschaftliches Profil verfügt, in der Ausstellung „Stasi – Macht und Banalität“ zu Besuch. Die Schülerinnen und Schüler aus vier verschiedenen Klassen entwickeln ein Projekt über das Zusammenleben in der Gesellschaft. Die Zehntklässler bekamen dafür Zettel mit verschiedenen Fragen, die sie während ihres Besuchs beantworten sollten. Außerdem nutzten sie das bildungspädagogische Angebot „Schüler führen Schüler“ der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“, bei dem die Jugendlichen nach einer Ausstellungsführung selbst zum Gruppenbegleiter werden.

 

HOCHKARÄTIGE AUSLÄNDISCHE SPEZIALISTEN BEI BESUCH IN DER „RUNDEN ECKE“
Das Institut für Auslandsbeziehung aus Stuttgart ist eine der führenden Mittlerorganisationen Deutschlands, die Themenreisen für hochkarätige ausländische Fachjournalisten, Historiker, Gedenkstättenvertreter und Bildungsexperten konzipiert und organisiert. Diesmal wurden 20 Personen aus Ost-Europa und Zentral-Asien nach Deutschland eingeladen. Am Freitag, den 7. Juni 2019, besuchten sie die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“, um sich mit dem Thema „Deutschlands Umgang mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts“ auseinanderzusetzen. Den auslän-dischen Gästen wurden der Verein Bürgerkomitee Leipzig e. V. sowie die Ausstellungskonzepte der Gedenkstätte präsentiert. Danach kam Gedenkstättenleiter Tobias Hollitzer mit der Delegation ins Gespräch. Der Besuch ermöglichte Informationen, Kontakte und Diskussionen zu Deutschlands selbstreflexivem Umgang mit Geschichte sowie aktuellen Herausforderungen.

 

OPFER DES STALINISMUS UND DER SED-DIKTATUR NUTZEN BERATUNGSANGEBOT
Durch eine Kooperation der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ mit dem Landesverband Sachsen der Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS) können Menschen, die in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR aus politischen Gründen verfolgt worden sind, seit September 2017 regelmäßig in den Räumen der Gedenkstätte mit VOS-Mitarbeitern sprechen. Diese beraten zu den gesetzlichen Grundlagen, zur beruflichen, strafrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung sowie zu Wiedergutmachungsleistungen, Opferrenten und -pensionen. Auch berieten sie zu dem im März 2019 beschlossenen sächsischen Härtefallfond des Sächsischen Landtages, der die bundesweit geltende Regelung des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes ergänzt und der jedes Jahr bis zum Ende der ersten Jahreshälfte beantragt werden kann. Formulare lagen vor Ort aus, so dass die Hilfesuchenden auch beim Ausfüllen der Anträge unterstützt oder ihnen mit Informationen zu anderen Angeboten von juristischer, psychologischer und sozialer Hilfe, Betreuung und Beratung weitergeholfen werden konnte. Gefördert wird das Beratungsangebot der VOS aus Mitteln des Sächsischen Landtages. Nachdem das Beratungsangebot im April, Mai und Juni 2019 jeden zweiten Mittwoch im Monat von 11.00 bis 14.00 Uhr stattfand, wird es im Sommer pausieren. Neue Termine ab September 2019 werden rechtzeitig bekannt gegeben.

 

STUDIENREISENDE AUS DEN USA LERNTEN DIE JÜNGSTE DEUTSCHE GESCHICHTE KENNEN
Eine Studienreise für Sozialkundelehrerinnen und -lehrer aus den USA wurde diesen Sommer von Goethe-Institut organisiert. Zweck der Reise war es, ausgewählten Lehrerinnen und Bildungsexperten ein lebendiges und vielschichtiges Bild unseres Landes zu vermitteln, welches in den dortigen Schulunterricht einbezogen werden kann. Ein Schwerpunkt des Aufenthaltes war es, einen Einblick in das Bildungssystem zu erhalten und verschiedene Schulmodelle kennenzulernen. Am Donnerstag, den 27. Juni 2019, nahmen 17 Teilnehmer am Stadtrundgang „Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“ der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ teil. Danach führten sie ein Zeitzeugengespräch.

 

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RÜCKBLICK

 

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GESPRÄCHSREIHE „HEUTE VOR 30 JAHREN – LEIPZIG AUF DEM WEG ZUR FRIEDLICHEN REVOLUTION“: TEIL 3 AM 7. MAI 2019 ZUR FÄLSCHUNG DER KOMMUNALWAHL
Aus Anlass des 30. Jahrestages der Friedlichen Revolution lädt das Bürgerkomitee Leipzig e.V. im Jahr 2019 zu einer mehrteiligen Gesprächsreihe mit Zeitzeugen ein. Im Mittelpunkt der Veranstaltungsreihe „Heute vor 30 Jahren – Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“ stehen herausragende Ereignisse des politischen Protestes in Leipzig, die zur Friedlichen Revolution, zum Sturz der SED-Diktatur und zu einem demokratischen Neuanfang führten. Ebenso wie der Beginn der Weimarer Republik 1919 und die Verabschiedung des Grundgesetzes 1949 in der Bundesrepublik ist die Friedliche Revolution von 1989 ein zentrales Datum der Demokratiegeschichte in Deutschland, dem wir uns wieder stärker bewusst werden sollten. Die mit ihr wiedererrungenen Werte – Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit – sind heute für ein gemeinsames Zusammenleben in Europa grundlegend und unveräußerlich.
Die im Januar 2019 begonnene Gesprächsreihe befasste sich am 7. Mai 2019 mit der Fälschung der Kommunalwahl am 7. Mai 1989 in Leipzig. An diesem Tag vor 30 Jahren fand die von der SED mit großem agitatorischen Aufwand vorbereitete Kommunalwahl statt. Den reibungslosen Ablauf dieser „Scheinwahl“ versuchte die Staatssicherheit mit der Aktion „Symbol“ abzusichern. Auf Flugblättern hatten Leipziger Bürgerrechtler alle Nichtwähler aufgerufen, ihre Wahlberechtigungsscheine demonstrativ in einer Urne auf dem Markt zu sammeln. Volkspolizei und Stasi verhafteten am Wahltag 76 Personen und verhörten sie bis in die Morgenstunden. Verschiedene Oppositionsgruppen organisierten daraufhin, wie in vielen anderen Städten, auch in Leipzig eine Kontrolle der Stimmenauszählung. Im Abgleich mit den veröffentlichten Ergebnissen gelang es erstmals, den von der SED organisierten Wahlbetrug nachzuweisen – in der Stadt Leipzig hatten „nur“ 90,16 Prozent statt der offiziell verkündeten 96,86 Prozent für den Wahlvorschlag der SED-dominierten „Nationalen Front“ gestimmt. Alle Einsprüche gegen das Wahlergebnis und Strafanzeigen liefen ins Leere. Auch für viele bis dahin systemloyale Bürger brach die Illusion vom „Rechtsstaat DDR“ zusammen.
Um den Besuchern mehr über die Ereignisse dieses Tages sowie deren Hintergründe mitzuteilen, leitete Gedenkstättenleiter Tobias Hollitzer die Veranstaltung am Dienstag, den 7. Mai 2019, um 19.00 Uhr mit einem Vortrag ein. Im Anschluss kamen Zeitzeugen über das damalige Geschehen, aber auch dessen Bedeutung für die heutige Gesellschaft miteinander und mit dem Publikum ins Gespräch.
Ein Akteur war Arno Nietzschke. Er war 1989 in einer kirchlichen Basis-Gruppe aktiv und besprach mit dieser, zur Wahl zu gehen und den dortigen Ablauf zu beobachten. „Für mich war die Wahl bloß eine Farce. Mir war klar, dass das Gesamtergebnis nicht stimmen wird.“ An der Stimmauszählung wurde er jedoch am 7. Mai 1989 gewaltsam gehindert, wie er weiter erzählte, einige Gruppenmitglieder wurden sogar festgenommen.
Jürgen Tallig war Mitbegründer der Gruppe „Neues Denken“. Im Gespräch sagte er: „Wir haben uns als Gruppierung des DDR-Kulturbundes im ‚Klub der Intelligenz‘ mit den Reformen in der Sowjetunion auseinandergesetzt. Wir wollten feststellen, wie wir Ähnliches auch bei uns machen könnten. Und der erste Schritt war, das absurde Wahlsystem zu kontrollieren.“
Auch der dritte Zeitzeuge der Gesprächsrunde, Frank Pörner, ist überzeugt gewesen, dass das Geschehene am 7. Mai 1989 kein plötzliches Ergebnis war. Ihm stimmte Christian Schulze, Verwaltungsleiter in der Kirchengemeinde in Lindenau und seit 1990 Mitglied des Leipziger Stadtrates, zu. An dem Tag vor 30 Jahren war er selbst mit seinen beiden Kindern bei der Wahl. Als sie zurück nach Hause kamen, stand vor seiner Tür ein Mann vom Sicherheitsdienst, der ihn nicht hereinlassen wollte. Stattdessen musste er mitkommen und seine Beteiligung an einer Oppositionsgruppe erklären.
Aus dem Kreis der Besucher berichtete auch Matthias Müller, wie er den Tag der Kommunalwahl erlebte. Er selbst war zu jener Zeit schon in Haft und hörte nur Gerüchte über die geplante Kontrolle der Kommunalwahl. Über ähnliche Festnahmen am Wahltag berichteten auch andere Anwesende im Saal.

 

SAMSTAG, 11. MAI 2019, 12. MUSEUMSNACHT HALLE-LEIPZIG
Rund 2.900 Besucher begrüßte das Bürgerkomitee Leipzig e.V. zur diesjährigen Hallenser und Leipziger Museumsnacht am 11. Mai 2019 an seinen drei Standorten: der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ am Leipziger Innenstadtring, der ehemaligen zentralen Hinrichtungsstätte der DDR in der Leipziger Südvorstadt und dem Museum im Stasi-Bunker in Machern, der einstigen Ausweichführungsstelle der Leipziger Bezirksverwaltung für Staatssicherheit. Die Besucher erwartete ein spannendes und vielfältiges Rahmenprogramm. Sie informierten sich an den au-thentisch erhaltenen Orten der SED-Diktatur über Repressionen und Unterdrückung in der DDR, dessen Ausmaß erst nach der Friedlichen Revolution deutlich wurde.
In der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ konnten interessierte von 18.00 bis 24.00 Uhr in der Ausstellung „Stasi – Macht und Banalität“ an speziellen Stationen wie „Stasi – Knast statt Freiheit“ und „Getreu der Ideologie der Tscheka: Die Stasi als bewaffnete Geheimpolizei“ detaillierte Informationen, beispielsweise zur Arbeitsweise und zur Organisation der Geheimpolizei, erhalten. Die bereitstehenden Gruppenbegleiter erzählten unter anderem auch über politische Häftlinge in der DDR, die zum Beispiel wegen versuchter Republikflucht oder beim Transit durch die DDR mit Freiheitsberaubung bestraft worden sind. Außerdem wurde das von einer Praktikantin erarbeitete Quiz „Von der Stasi-Repression zur Überwindung der SED-Diktatur“ angeboten, bei dem die Besucher Freikarten für die Sonderführung „Stasi intern. Hinter den Kulissen der ‚Runden Ecke‘“ gewinnen konnten.
Auch die Programmpunkte im ehemaligen Stasi-Kinosaal der Gedenkstätte zogen ein breites Publikum an. Höhepunkte waren die Vorführung des Stasi-Schulungsfilms „Wer ist wer? Über die Zusammenarbeit mit IM Eva“, der einst nur Stasi-Mitarbeitern gezeigt wurde, der Vortrag „Die konspirative Arbeit der Stasi-IM“, bei dem der IM-Experte Prof. Dr. Helmut Müller-Enbergs über die Tätigkeit Inoffizieller Stasi-Mitarbeiter sprach, und die Filmvorführungen von TV-Journalist Peter Wensierski, der Kurzfilme über Tabu-Themen in der DDR vorführte, darunter zum Thema Suizid.
Viele Besucher fuhren auch zum etwa 20 Kilometer entfernt gelegenen Museum im Stasi-Bunker in Machern, um das heute zur Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ gehörende rund 5,2 Hektar große Gesamtgelände der ehemaligen Ausweichführungsstelle des Chefs der Leipziger Stasi-Zentrale mit allen erhaltenen Bauten und Anlagen sowie des 1.500 Quadratmeter umfassende Bunkerinnere zu besichtigen. In ständigen Führungen gaben die Gedenkstättenmitarbeiter Auskunft über die Funktion der Versorgungssysteme oder die Überlebensstrategien der Stasi im Falle eines Atomschlages.
Über 800 Besucher nutzten schließlich die seltene Gelegenheit, im Rahmen von Führungen die ehemalige Zentrale Hinrichtungsstätte der DDR in der Leipziger Südvorstadt zu besichtigen. Der historische Ort ist lediglich zur Museumsnacht im Mai und zum Tag des offenen Denkmals im September geöffnet. An diesem Ort wurden bis 1987 insgesamt 64 von DDR-Gerichten zum Tode verurteilte Menschen hingerichtet. In den Führungen erhielten die Besucher einen Eindruck über die damaligen Vollstreckungsabläufe. Da die Räume der letzten Hinrichtungsstätte auf deutschem Boden bis heute weitgehend authentisch erhalten sind, blieben die Besucher in der Ermahnung zurück, mit welcher Willkür Justiz in der DDR geschaffen und umgesetzt wurde.

 

SONNTAG, 19. MAI 2019, INTERNATIONALER MUSEUMSTAG
Der 42. Internationale Museumstag stand unter dem Motto „Netzwerk Museum: Neue Wege, neue Besucher“. Die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ beteiligte sich am Sonntag, den 19. Mai 2019, ebenfalls daran und bot mit ihrem Rundgang „Stasi intern“ ungewöhnliche Wege durch die ehemalige Leipziger Stasi-Zentrale, einen Stadtrundgang „Auf den Spuren der Friedlichen Revolution“ in Leipzig sowie eine kombinierte Führung mit Zeitzeugen durch beide Ausstellungen der Gedenkstätte. Dadurch konnten die Teilnehmer beispielsweise beim Rundgang „Stasi intern“ mehr über die wechselhafte Geschichte dieses wichtigen, architektonischen Zeitzeugnisses für Diktatur, Revolution und Demokratie im 20. Jahrhundert erfahren. Abseits der Ausstellungsräume erkundeten sie sonst nicht zugängliche Räume und Gebäudeteile und konnten so die Dimension des SED-Unterdrückungsapparates und die historischen Ereignisse am Ort besser miteinander verknüpfen. Vom Keller bis zum Boden besichtigten sie viele original erhaltene Räumlichkeiten der Stasi-Bezirksverwaltung, darunter die verbunkerten Schutzräume im zweiten Kellergeschoss für den Kriegsfall, der Wartebereich der Stasi-eigenen Poliklinik oder die Kegelbahn des MfS. Auch über die Vorgeschichte und die mögliche Entwicklung des Areals wurde gesprochen, das zu einem „Forum für Freiheit und Bürgerrechte“ weiterentwickelt werden soll.
Im ehemaligen Stasi-Kinosaal präsentierte Peter Wensierski Filmbeiträge, von denen manche nie veröffentlicht worden waren. Es waren Beiträge, die der TV-Journalist Ende der 1980er Jahre und zu Beginn der 1990er Jahre für das ARD-Politmagazin „Kontraste“ gedreht hatte. Die Veranstaltung war in vier Blöcke geteilt, bei dem er über verschiedene Aspekte der DDR-Geschichte berichtete. Ein Thema war die Umweltzerstörung in der DDR. Beim Anschauen der Videoaufnahmen fragten die Besucher beispielsweise, wie kompliziert es war, als West-Journalist Informationen in der DDR zu bekommen oder wie die Umweltverschmutzung war. Weniserski nahm sich Zeit für die Fragen und erklärte beispielsweise, dass in der DDR alles genehmigungspflichtig gewesen sei, er für Artikel schriftliche Anträge bei entsprechenden Behörden stellen musste und, wenn überhaupt, erst Tage später eine Antwort bekam.

 

GESPRÄCHSREIHE „HEUTE VOR 30 JAHREN – LEIPZIG AUF DEM WEG ZUR FRIEDLICHEN REVOLUTION“: TEIL 4 AM 4. JUNI 2019 ZUM PLEIßEPILGERWEG ALS POLITISCHEN PROTEST GEGEN DIE UMWELTZERSTÖRUNG
Beim vierten Teil der Gesprächsreihe rückte der 4. Juni 1989 in den Mittelpunkt: An jenem Tag hatten Mitglieder kirchlicher Umweltgruppen als „Arbeitskreis Weltumwelttag (AKW)“ die Veranstaltung „Eine Hoffnung lernt gehen – Pleißepilgerweg 1989“ organisiert, deren Route entlang des wegen seiner starken Verschmutzung unterirdisch kanalisierten Flusses verlief. Die verrohrte Pleiße, die am Naturkundemuseum wieder verdreckt ans Tageslicht kam, war ihnen ausdrücklich „Geländer für gesellschaftliche Veränderungen“.
Zu Beginn der Veranstaltung erfuhren die Besucher in einem Vortrag von Gedenkstättenleiter Tobias Hollitzer und der Vorführung von zeitgenössischem Filmmaterial mehr über die Umweltpolitik und die Entwicklung des Protestes. Denn eigentlich war die Umweltgesetzgebung der DDR vorbildlich, doch wurden die Ansprüche in der Praxis nie erfüllt. Leipzig war die am stärksten belastete Großstadt der DDR. Eine öffentliche Diskussion über die augenscheinlichen Missstände unterband der SED-Staat und erklärte alle Daten über den Zustand der Umwelt stattdessen zum Staatsgeheimnis. Die Behörden verboten deshalb auch den als kirchliche Veranstaltung angemeldeten Pilgerweg am 4. Juni 1989 und stellten potentielle Teilnehmer unter Hausarrest. Den Umweltgottesdienst in der Paul-Gerhardt-Kirche in Leipzig-Connewitz konnten sie hingegen nicht verhindern. Einige der etwa 1000 Besucher versuchten danach auf der geplanten Route des Pilgerweges in die Leipziger Innenstadt zu gelangen, um dort den Abschlussgottesdienst in der Reformierten Kirche zu besuchen. Sicherheitskräfte drängten sie ab und nahmen 83 Personen fest. An dem Abschlussgottesdienst nahmen über 400 Menschen teil.
Gedenkstättenleiter Tobias Hollitzer war einer der Protagonisten vom 4. Juni 1989 und sowohl beim Christlichen Umweltseminar in Rötha als auch in der Arbeitsgruppe „Umweltschutz“ beim Leipziger Jugendpfarramt aktiv. Er sagte, dass die Aktion an der verrohrten Pleiße „eine Metapher für die Informationspolitik der DDR [war], die die Wahrheit über die Umweltsituation im Land geheim halten“ wollte. Gemeinsam mit anderen wollte er jedoch, dass die Gesellschaft über den katastrophalen Zustand der Region informiert werde. Das in der Veranstaltung gezeigte Filmmaterial verdeutliche die Umweltverschmutzung in Leipzig und der Region deutlich. Das Dorf Mölbis bei Rötha, direkt hinter der Braunkohlenschwelerei Espenhain gelegen, war ein weiteres Beispiel dafür.
Zur Vorbereitung des Pleißepilgerwegs hatten sich verschiedene Mitglieder Leipziger Umweltgruppen zur Arbeitsgruppe „Weltumwelttag (AKW)“ zusammengeschlossen und wurden von Pfarrer Klaus Kaden unterstützt, der auch auf dem Podium anwesend war. Im Dezember 1987 hatte er sein Amt als Leipziger Jugendpfarrer angetreten, ohne zu ahnen, welche Herausforderungen in der Vermittlung zwischen der Gruppe und dem Staat bzw. der Polizei auf ihn zukommen würden. Besonders war er erstaunt darüber, wie kaputt die schöne Stadt Leipzig war, aber auch, was hier für engagierte und fachkompetente Menschen aktiv waren, die schon so viele Fakten über die Umweltverschmutzung zusammengetragen hatten.
Um trotz der staatlichen Geheimhaltungsordnung Daten und Informationen über den ökologischen Zustand der Pleiße zu veröffentlichen, stellte der Arbeitskreis „Weltumwelttag“ das Heft „Die Pleiße“ her. An der Heftproduktion war auch Dietmar Motzer beteiligt, der ausgebildeter Mediengestalter ist und seit 1988 als Mitarbeiter im Landesjugendpfarramt bereits verschiedene Publikationen für die Kirche hergestellt hatte. Pfarrer Kaden bat ihn um Mithilfe, woraufhin er gemeinsam mit Tobias Hollitzer und anderen über 1.000 Exemplare des Heftes für den Pleißepilgerweg am 4. Juni 1989 mit einer Wachsmatritzenmaschiene hergestellt hatte. Erarbeitet wurde auch eine Ausstellung, die später in der Reformierten Kirche zu sehen war. Bei der Vorbereitung dieser Materialien, aber auch der eigentlichen Veranstaltung war Tobias Hollitzer beeindruckt, wie viele Menschen, die keinen Bezug zu Oppositionsgruppen hatten, bereit waren, sich an der Aktion zu beteiligen. „Es war nicht ungefährlich, wenn man beispielsweise in einem DDR-Betrieb Matritzen für den Druck beschrieb“, sagte Hollitzer.
Am eigentlichen Veranstaltungstag des Pleißepilgerwegs fuhr Pfarrer Kaden die Ausstellung mit seinem Trabbi zunächst in die Reformierte Kirche. Danach folgte mit der Arbeitsgruppe eine Vorbesprechung, um Ablauf und Reden abzustimmen, aber auch um zu beten. „Wir waren schließlich nicht nur in Stasi-, sondern auch in Gotteshand“, so Pfarrer Kaden.
Unter denen, die den Pleißemarsch miterlebt hatten, war auch Michael Fischer, der heute als Maler Fischer-Art bekannt ist, und damals als junger 20-Jähriger an zahlreichen Aktionen beteiligt war. Zum Beispiel entfernte er in den Dörfern Espenhain und Möbius die Ortsschilder und tauschte sie gegen Bilder mit Skeleten aus, weil in jenen Orten die Umweltverschmutzung besonders groß war. Als Freigeist schüchterten ihn die Verhaftungen der Stasi auch nicht ein. Bei den Demonstrationen kettete er sich meist an sein Fahrrad, so auch am 4. Juni 1989, weshalb er nach seiner Erzählung der einzig verhaftete Demonstrant mit Fahrrad war. Gefährlich waren all diese Aktionen dennoch: So hat Tobias Hollitzer einen Zettel von der Stasi an seiner Wohnungstür vorgefunden, auf dem stand: „Wir kriegen dich doch!“ Die wichtigste Botschaft, die diese Aktion mit sich brachte, war, dass die Bürgerrechtler feststellen konnten, dass die Stasi Angst vor ihnen hatte, so Pfarrer Kaden.
Bei dem Gespräch meldete sich aus dem Saal auch der Sohn des Theologen Prof. Kurt Nowak zu Wort, der damals an der Karl-Marx-Universität arbeitete. Er berichtete, wie es nach der Demonstration am 4. Juni 1989 weiterging: „Weil mein Vater trotz staatlicher Interventionen in der Paul-Gebhardt-Kirche die Andacht gehalten hatte, drohte auch mir Vergeltung. Ich besuchte zu jener Zeit die Erweiterte Oberschule. Wenig später rief der Schuldirektor mich und drei weitere Schüler auf. Er teilte uns mit, dass unsere schulischen Leistungen angeblich nicht den Schulnormen entsprechen und wir deshalb von der Schule fliegen.“ Dies hätte das Aus für Abitur und Studium bedeutet. Den Eltern gelang es jedoch, dass die Schüler an der Schule bleiben konnten, indem sie ihre politischen Kontakte zur SED-Bezirksleitung nutzten, so der Besucher weiter. Ab Ende September 1989 durfte er die EOS wieder besuchen.

 

GESPRÄCHSREIHE „HEUTE VOR 30 JAHREN – LEIPZIG AUF DEM WEG ZUR FRIEDLICHEN REVOLUTION“: TEIL 5 AM 10. JUNI 2019 ZUM STRAßENMUSIKFESTIVAL FÜR DIE FREIHEIT DER KUNST
Die fünfte Veranstaltung der Reihe „Heute vor 30 Jahren“ wurde passend zum Thema „Straßenmusikfestival für die Freiheit der Kunst“ musikalisch eingeleitet. Frank Nowicky, langjähriger Leiter der LeipzigerBigBand, spielte ab 18.45 Uhr Saxophon vor dem Gebäudeeingang des ehemaligen Stasi-Kinosaals der „Runden Ecke“. Frank Nowicky musizierte vor 30 Jahren bereits als Student im Sommer 1989 als Auftakt für eine BiG-Veranstaltung (Begegnung im Gewandhaus) vor dem Gewandhaus.
Zu Beginn der Veranstaltung am Montag, den 10. Juni 2019, um 19.00 Uhr informierte Gedenkstättenleiter Tobias Hollitzer die Besucher in einem Vortrag über die historischen Ereignisse und deren Hintergründe. So hatten am 10. Juni 1989 Leipziger Oppositionsgruppen ein Straßenmusikfestival organisiert, um ein Zeichen für die Freiheit der Kunst zu setzen, denn das öffentliche Musizieren ohne staatliche Genehmigung war in der DDR strafbar. Das Festival wurde deshalb von den staatlichen Stellen verboten. Trotzdem trafen in Leipzig am 10. Juni 1989 viele Musiker aus der ganzen DDR zusammen und spielten zur Freude der Passanten bis in die Mittagsstunden in der Innenstadt. Gegen 12.00 Uhr fuhr die Volkspolizei vor und lud die Musiker samt ihrer Instrumente, aber auch Unbeteiligte, gewaltsam auf LKWs. Die Festnahmen dauerten bis zum Nachmittag an. Kurz vor Beginn der Motette des Thomanerchores wurden am Nachmittag fast alle noch auf freiem Fuß befindlichen Musiker vor der Thomaskirche am Bachdenkmal ein-gekesselt und ebenfalls verhaftet. Von den 84 Festgenommenen kamen 53 nicht aus dem Bezirk Leipzig, was die SED zusätzlich beunruhigte. Bei vielen Zeugen lösten die Übergriffe von Volkspolizei und Stasi Entsetzen und Unverständnis aus. Es kam bis zum Abend zu spontanen Solidaritätsaktionen. Gewandhaus-Kapellmeiser Kurt Masur thematisierte die brutalen Verhaftungen und die Ordnungsstrafen von insgesamt 8.450 Mark in einer offiziellen Veranstaltung des Gewandhauses am 28. August 1989, die er dem Thema „Straßenmusik gestern – heute – morgen“ gewidmet hatte.
Beim Zeitzeugengespräch war auch Jochen Lässig anwesend, der einer der Hauptorganisatoren des Straßenmusikfestivals war. „Die Idee entstand in der Passage“, ein halbes Jahr vor dem Festival, so Jochen Lässig. Hier musizierte er mit einigen Freunden, wurde dann aber durch die Polizei aufgefordert, aufzuhören. Viele Passanten erhoben daraufhin ihre Stimmen und protestierten gegen eine Verhaftung der Musiker.
Eine weitere Zeitzeugin, Cornelia Matzke, hatte durch Flüsterpropaganda von der Veranstaltung erfahren und beteiligte sich als Sängerin an dem Festival. Auch sie wurde verhaftet. Martin Könitz, ebenfalls Zeitzeuge, beschrieb seinen Aufenthalt im Gefängnis. Er sagte, dass sogar dort noch musiziert wurde, da man in großen Gruppen eingesperrt war und dadurch auch neue Bekanntschaften machen konnte. Beim Verhör wurde er dann gefragt, woher er vom Festival wusste und wieso er daran beteiligt war. Die Entlassungen erfolgten am nächsten Tag ohne Begründung. Der Musiker Franz Nowicky, spielte während der Veranstaltung noch weitere Stücke mit dem Saxophon.
Weitere Kommentare aus dem Publikum betonten nochmals die Wichtigkeit des Festivals und beschrieben auch, wie humorlos SED, Volkspolizei und Staatssicherheit waren, da es das Straßenmusikfestival überspitzt in eine politische Veranstaltung verwandelte. Lässig sagte abschließend, auch um Mut zu machen, dass man „als Gruppe junger Menschen großes Schaffen kann“.

 

SCHÜLERVERANSTALTUNGEN MIT ZWEI ZEITZEUGIN ZUM 66. JAHRESTAG DES VOLKSAUFSTANDES VON 1953 AM 17. JUNI 2019 UM 9.00 UHR
Am Montag, den 17. Juni 2019, informierten sich Schüler und Schülerinnen aus Leipziger Schulen in einer Schülerveranstaltung im ehemaligen Stasi-Kinosaal über den ersten antidiktatorischen Aufstand in der DDR gegen die SED-Diktatur, bei dem sich die Menschen für Freiheit und Demokratie einsetzten. Zur Einführung in die Thematik sahen sie sich die Dokumentation „Wir wollen freie Menschen sein! Der Volksaufstand von 1953“ von Regisseurin Freya Klier an, die die Ereignisse mit Zeitzeugenberichten, Spielszenen, historischen Bild- und Tonaufnahmen lebendig machte. Im Mittelpunkt des Filmes standen dabei auch die Schicksale zweier Jungen. Der damals 10-jährige Peter Schmidt wurde beim Aufstand angeschossen und überlebte nur knapp. Auch das Schicksal von dem damals 15-jährigen Paul Ochsenbauer wird thematisiert. Er wurde am 17. Juni 1953 erschossen; er war das jüngste Todesopfer des Aufstandes.
Die Schwester von Paul Ochsenbauer, Brigitte Dienst, und Wilhelm Schlemmer, der damals den Aufstand ebenfalls als 15-Jähriger erlebte, standen den Schülerinnen und Schülern beim anschließenden Zeitzeugengespräch Rede und Antwort.
Wilhelm Schlemmer erklärte zunächst, was für ein Staat die DDR war und welche Rolle Stalin spielte, damit sich die Jungen und Mädchen besser in die Zeit von 1953 hineinversetzen konnten, und berichtete dann von seiner persönlichen Geschichte. Er erzählte wie er damals als Achtklässler und Mitglied der Jugendgemeinde der Leipziger Michaeliskirche am Ende des Schuljahres 1952/53 zur Schulleiterin musste und diese ihm mitteilte, dass er nicht würdig sei, weiter eine sozialistische Schule zu besuchen, weil er zu stark mit der Kirche verbunden war. Seine Verbundenheit zeigte er offen, indem er an seiner Jacke ein Kreuz trug. Auf Grund der Arbeitspflicht in der DDR suchte er sich nach dem Schulabgang nach der 8. Klasse eine Stelle in einer kleinen Werkstatt in der Ritterstraße. Jahre später erfuhr er den tatsächlichen Grund, warum er aus der Schule geschmissen wurde. In der FDJ-Zeitung „Junge Welt“ erschien ein Artikel über Jugendliche, die sich in Kirchengemeinden engagierten. Dort stand: „Die Junge Gemeinde ist eine Tarnorganisation der USA für Sabotage und Spionage. Sie hat das Ziel, das sozialistische Regime zu zerstören.“
Ergriffen waren die Schülerinnen und Schüler auch von dem, was Brigitte Dienst erzählte. Sie und ihre Eltern haben lange nicht erfahren, wie ihr Bruder verstorben ist. „Während der DDR-Zeit durfte das Thema 17. Juni und die Opfer nicht erwähnt werden. Dieser Tod hat die Familie und das Leben im Nachhinein jedoch bestimmt und es tut auch jetzt noch weh.“ Fragen, ob sich jemand bei ihnen entschuldigt hat, oder ob die Familie einmal überlegt hatte, in den Westen zu flüchten, verneinte sie. „Meine Eltern haben immer gesagt, wenn man einmal ein Grab von einem Kind im Ort hat, dann geht man nicht mehr weg und das war dann auch für uns die Verpflichtung, bei unseren Eltern zu bleiben.“ Auf Nachfrage erzählte Brigitte Dienst, wie es zum Film kam. Dazu holte sie etwas aus, denn vor etwa 15 Jahren sprach sie das erste Mal in einer Schule öffentlich über die Geschehnisse, nachdem sie von der Lehrerin ihrer Enkelin angefragt und ermutigt worden ist, darüber zu sprechen. 2011 hielt sie bei der zentralen Gedenkveranstaltung zum 17. Juni 1953 der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ schließlich eine Rede und lernte dabei Freya Klier kennen. Auch eine Frage zu Folgen und zur Überwachung wurde gestellt. Brigitte Dienst bestätigte dies. Als etwa 15- oder 16-jähriges Mädchen wurde sie während ihrer Ausbildung von der Stasi ausgefragt. Doch sie lernte in dieser Zeit auch Solidarität kennen. In der Bank, in der sie arbeitete, musste man für eine Prämie bestimmte Aufgaben erfüllen, darunter eine, bei der man mit einem Gewehr schießen musste. Ihre Kollegen hatten Verständnis, dass sie nie eine Waffe benutzen wollte und so verzichteten sie auf die „Titelerfüllung“.
Im Anschluss nahmen die Jugendlichen an einer Kurzführung durch eine der beiden Ausstellungen, „Stasi – Macht und Banalität“ und „Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“, teil.

 

MONTAG, 17. JUNI 2019, 17.00 UHR, GEDENKFEIER ANLÄSSLICH DES 66. JAHRESTAGES DES VOLKSAUFSTANDES VOM 17. JUNI 1953 GEGEN DIE SED-DIKTATUR FÜR FREIHEIT UND DEMOKRATIE
Vor 66 Jahren gingen am 17. Juni 1953 in rund 700 Orten der DDR mehr als eine Millionen Menschen auf die Straße, um gegen die SED-Diktatur zu protestieren. In diesem ersten antidiktatorischen Aufstand im kommunistischen Machtbereich zeigte sich das Streben der Menschen in der DDR nach Demokratie und Freiheit, das am militärischen Eingreifen der sowjetischen Besatzungsmacht scheiterte, die mit voller Härte agierte und den Ausnahmezustand verhängte. Mit massivem Einsatz von Militär, Volkspolizei und Staatssicherheit wurde der Aufstand schließlich niedergeschlagen. Erst im Herbst 1989 führte eine wirklich friedliche Revolution zum Sturz der SED-Diktatur und dem Aufbau eines demokratischen Rechtsstaates auch in Ostdeutschland.
Im Gedenken an dieses historische Ereignis erinnerte die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ gemeinsam mit Verfolgtenverbänden am Montag, den 17. Juni 2019, mit einer Veranstaltung an den Aufstand und die Opfer. Beginn war um 17.00 Uhr in der Straße des 17. Juni in Leipzig. Rund 100 Menschen versammelten sich an diesem Nachmittag vor der Gedenktafel, darunter Stadträte, Abgeordnete und Angehörige von Zeitzeugen und Betroffenen. Nach einer musikalischen Einstimmung durch die Leipziger Blechbläsersolisten begann Gedenkstättenleiter Tobias Hollitzer mit einer Ansprache. Er beschrieb, wie sich der Aufstand in Leipzig entwickelte und welche Bedeutung das heutige Gedenken hat. Vor der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit zogen ab den Mittagsstunden des 17. Juni die Demonstranten vorbei und forderten die Freilassung der politischen Gefangenen. Beim Versuch, die Haftanstalt zu stürmen, schoss einer der Volkspolizisten willkürlich in die Menge und verletzte den damals 19-jährigen Dieter Teich tödlich. Er war das erste Todesopfer in Leipzig. Tobias Hollitzer machte in seiner Ansprache aber auch deutlich, wieso es auch heute wichtig ist, sich immer wieder für Freiheit und demokratische Grundrechte einzusetzen: „Gerade in der Rückschau zeigt sich deutlich, dass es keine Alternative zur Freiheit in einem demokratischen Rechtsstaat gibt. Wir müssen dies immer wieder bewusst machen, wenn die Populisten von Rechts oder Links mit den angeblich so einfachen Lösungen kommen und ‚das System‘ überwinden wollen, aber eigentlich unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung meinen.“
Danach hielt Sebastian Gemkow, Sächsischer Staatsminister und Mitglied des Sächsischen Landtages, die Gedenkrede. Gemkow setzt sich stets für die Opfer politischer Gewaltherrschaft und die Aufarbeitung der SED-Diktatur ein. In seiner Rede gedachte auch er den Ereignissen und dem Mut der Menschen. Die Demonstranten von 1953 hatten ebenfalls Hoffnung auf Freiheit und Demokratie, doch für ihre Zivilcourage mussten manche teuer bezahlen, doch sei dies nicht umsonst gewesen. Es dauerte allerdings, bis sich die Hoffnung der Bürger erfüllte, denn erst 1989/90 er-langten sie mit der Friedlichen Revolution Freiheit und Demokratie zurück. Gemkow erinnerte die Anwesenden an die Zahl der Aufstandsopfer – 50 Menschen kamen ums Leben und Tausende wurden verhaftet.
Einer von den damals Verhafteten war Manfred Romboy. Er schilderte im Anschluss, wie er den Volksaufstand in Leipzig erlebt hat. Zur Veranstaltung reiste er extra aus Köln an, wo er seit seiner Flucht aus der DDR im Jahr 1961 lebt. „Ich bin kein Held“, sagte Romboy über sich, „aber die Ereignisse des ersten Volksaufstandes erlebte ich vom Anfang bis zum Ende.“ Als 16-jähriger Telegrafenmitarbeiter hatte er am 17. Juni 1953 seinen ersten Urlaubstag. Wie immer morgens holte seine Mama Brötchen und erzählte ihm, dass etwas auf der Straße los ist. Die Straßenbahnen fuhren nicht mehr. Als leidenschaftlicher Amateur-Fotograf wollte er nachsehen, was passiert war. Von ihrer Wohnung in der nahe gelegenen Härtelstraße sah er Demonstranten, die über den Augustusplatz zum Hauptbahnhof zogen. Er selbst wollte mit anderen zum Haus des Rundfunks (Sender Leipzig) in die Springerstraße, um diesen zu besetzen. Polizei habe er bis dahin nicht gesehen, so dass ihn ein Befreiungsgefühl antrieb, doch in der Springerstraße angekommen, sah er, wie das Haus verbarrikadiert war. In die Innenstadt zurückgekehrt kamen dann auch schon die sowjetischen Panzer. Wenige Tage später wurde er am Neumarkt von einer jungen Frau und zwei Männern in Zivil angehalten, die ihn fragten, für welche amerikanische Nachrichtenagentur er die Demonstration fotografiert habe. Sie wollten ihn festnehmen. Offenbar seine jugendliche Unbedarftheit, mit der er all diese Fragen beantwortete, bewahrte ihn vor schlimmeren, meinte Romboy. Acht Jahre später, 1961, gelang ihm die Flucht in die Bundesrepublik; von dort aus beobachtete der damalige Kameramann für das ARD-Studio in Moskau auch die ersten Leipziger Montagsdemonstrationen. Abschließend sagte er: „Wir müssen Gorbatschow und seiner Politik danken, dass bei den Montagsdemos keine Panzern auf den Straßen waren wie am 17. Juni 1953. Es ist für mich eine tiefe Genugtuung gewesen, dass dieses Unterdrückungssystem in Schimpf und Schanden vom eigenen Volk davon verjagt wurde.“
Nach einer weiteren musikalischen Umrahmung durch die Leipziger Blechbläsersolisten rief Gedenkstättenleiter Tobias Hollitzer zu einer Schweigeminute in Gedenken an die mutigen Menschen und Opfer des Aufstandes von 1953 auf, die mit einer anschließenden Kranzniederlegung beendet wurde.

 

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AUS DEM GÄSTEBUCH

 

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Ein Besuch in der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ regt zum Nachdenken sowohl über Vergangenes als auch Gegenwärtiges an. Das Gästebuch bietet unseren Besucherinnen und Besuchern die Möglichkeit, ihre Eindrücke und Gedanken niederzuschreiben sowie Lob aber auch Kritik zu formulieren. Wir sammeln die Einträge und wollen Ihnen unter dieser Rubrik monatlich eine Auswahl präsentieren und so einen Einblick in die Wirkung der Gedenkstättenarbeit ermöglichen.

 

EINTRÄGE AUS DER AUSSTELLUNG „STASI – MACHT UND BANALITÄT“

 

„Die Audiotour war super! Sehr informativ, aber ich war sehr betrübt, als ich das alles über diese unruhigen Zeiten gelernt habe und ich denke, dass wir, was immer passieren würde, das alles nochmal stoppen könnten!“
(Ein Besucher aus Washington am 1.05.2019)

 

„Sehr interessante Ausstellung, die weiterhin erhalten bleiben sollte. Nur sollten in einigen Räumen die Lichtverhältnisse verbessert werden und auch die ausgehängten Schriftstücke sollten allesamt wieder farblich aufgearbeitet werden, da diese schon ziemlich verblasst sind. Ansonsten leisten sie alle in dieser Gedenkstätte hervorragende Arbeit.“
(Ein Besucher am 2.05.2019)

 

„Glücklich der, der Freiheit achten kann! Unabhängig von Religion, ethnischer oder sonstiger Herkunft. Wer heute meint, Demokratie sowie die Freiheit des Einzelnen sollte dieses Museum, welches für staatliche Unterdrückung und diktaturmässiges Handeln zeugt, unbedingt in Augenschein nehmen. Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit.“
(Ein Besucher am 3.05.2019)

 

„Sehr interessant und wichtig für die mitteldeutsche Geschichte und deren Verständnis.“
(Ein Besucher am 5.05.2019)

 

„Tolles Museum, sehr interessant.“
(Eine Besuchergruppe am 7.05.2019)

 

„Ein sehr gutes Museum und der Audioguide in Englisch war sehr gut. Die Informationen haben geholfen, viel zu verstehen und Fragen zu beantworten.“
(Ein Besucher am 10.05.2019)

 

„Sehr interessante Geschichte, die zweifelsfrei sehr erschreckend ist.“
(Ein Besucher aus Spanien am 11.05.2019)

 

„Jedes Land hat seine eigene Geschichte, manches wird aufgedeckt und manches bleibt dem kleinen Bürger verborgen und unbewusst. Grausam zu sehen, wozu der Mensch doch immer wieder fähig ist. Umso dankbarer kann man denen sein, die all das Verborgene mit viel Engagement bis ins kleinste Detail wiedergeben und aufdecken. Vielen besten Dank, dass sie dazu gehören und die Geschichte nicht verstauben lassen. Sehr eindrucksvoll!“
(Zwei Besucher am 12.05.2019)

 

„Wichtig ist, dass wir alle aus der Vergangenheit lernen und es in der Zukunft besser machen!“
(Ein Besucher am 16.05.2019)

 

„Gott sei Dank dürfen wir in Freiheit leben!“
(Ein Besucher am 16.05.2019)

 

„Ein großes Dankeschön an die Leipziger vor 30 Jahren! Dieses Museum ist erhaltenswert, auf jeden Fall! Sehr interessant.“
(Ein Besucher am 20.05.2019)

 

„Leider pure Wahrheit – die schlechten Erinnerungen werden geweckt – und auch verarbeitet.“
(Ein Besucher am 25.05.2019


„Danke für das Zusammentragen eines Teils unserer Geschichte. Es trägt zum ‚Nicht-Vergessen‘ bei.“
(Ein Besucher Ende Mai 2019)

 

„Unverzichtbar. Jede Schülerin und jeder Schüler in West und Ost, in unserer BRD, sollte dies sehen und die Gästehaut spüren.“
(Ein Besucher am 31.05.2019)

 

„Ein wichtiges Museum. Wissenschaftliche Aufarbeitung durch Historiker wäre wünschenswert.“
(Ein Besucher aus Kaliforniern, USA, Anfang Juni 2019)

 

„Die Zeiten waren früher richtig krank und ich wusste noch nicht so viel, aber ich habe jetzt viel gelernt. Es war spannend und interessant.“
(Ein Besucher, Anfang Juni 2019)

 

„Sehr interessant gestaltet, um Jugendlichen die innerdeutsche Geschichte näher zu bringen.“
(Ein Besucher am 7.06.2019)

 

„Eine wirklich interessante Ausstellung, welche man ruhig ein zweites Mal besuchen kann, um alles aufnehmen zu können. Bin sehr dankbar, dass ich selbst erst nach diesen kranken Köpfen zur Welt kam.“
(Ein Besucher am 7.06.2019)

 

„Sehr gut gestaltete Ausstellung. Einfach unfassbar, wie so viel Grausamkeit so viel Jahre lang möglich war.“
(Ein Besucher am 8.06.2019)

 

„Danke für die vielen Eindrücke der damaligen Zeit. Man hat sehr viel erfahren und Neues gelernt. Es ist wichtig, dass das weiter gegeben wird. Klasse!“
(Ein Besucher am 11.06.2019)

 

„Kaum zu glauben, dass es schon wieder 30 Jahre mit der ehemaligen DDR vorbei ist … Meine ersten Lebensjahre waren geprägt von der Trennung Deutschlands. Unvorstellbar eine Wiedervereinigung! Vielen, vielen Dank für Ihre Arbeit, wider dem Vergessen!“
(Ein Besucher am 11.06.2019)

 

„Tolle Führung. Es war schön, dass das Gebäude immer noch im alten Zustand ist. Regionale Beispiele haben es uns möglich gemacht, die damaligen Umstände gut nachzuvollziehen.“
(Ein Besucher am 19.06.2019)

 

„Beeindruckendes Museum und tolle Führung! Ich hätte gern mehr Zeit gehabt und alles durchgelesen.“
(Ein Besucher am 20.06.2019)

 

„Der Originalzustand ist unbedingt so zu bewahren! Sehr authentisch!“
(Ein Besucher am 21.06.2019)

 

„Vielen Dank für die authentische, informative und berührende Ausstellung. Zwischen Ihnen und uns weiterhin viel Mut und Durchhaltevermögen bei der Aufarbeitung der DDR/BRD-Vergangenheit, damit all den Menschen, die grausam darunter litten, Gerechtigkeit widerfährt.“
(Ein Besucher am 22.6.2019)

 

„Wir finden es sehr schön, dass hier alles noch so gut erhalten ist. Wir hoffen, dass noch weitere Generationen diese geschichtliche Ereignisse besuchen können und so ein Stück deutsche Geschichte erfahren können.“
(Eine Gruppe am 25.06.2019)

 

„Es ist eine sehr interessante Ausstellung: Die ganzen Antiquitäten sind sehr bewundernswert und viele Themen auch total spannend. Ich komme gerne noch einmal wieder und hoffe, Sie können das Museum erhalten!“
(Ein Besucher, Ende Juni 2019)

 

„Es war eine sehr interessante und sehr bewegende Ausstellung. Hier wird die Unmenschlichkeit des DDR-Regimes vor Augen geführt. Es ist schön, dass die Ereignisse nicht in Vergessenheit geraten. Vielen Dank!
(11. Klasse aus Radebeul, Ende Juni 2019)

 

EINTRÄGE AUS DER AUSSTELLUNG „LEIPZIG AUF DEM WEG ZUR FRIEDLICHEN REVOLUTION“

 

„Mutige Leute! Die haben für ihre Freiheit und gegen die Unterdrückung gekämpft.“
(Zwei Besucher aus Niederlanden am 3.05.2019)

 

„Danke für diese Ausstellung.“
(Zwei Besucher aus Wien am 5.05.2019)

 

„Danke für die interessante Ausstellung.“
(Zwei Besucher aus Schweden am 5.05.2019)

 

„Danke für die tolle Ausstellung und die Aufarbeitung der Geschichte.“
(Zwei Besucher, Mitte Mai 2019)

 

„Hallo zusammen. Vielen Dank für die beeindruckende Ausstellung. War sehr interessant. Grüße aus Oberfranken!“
(Ein Besucher am 9.05.2019)

 

„Informativ, interessant, beeindruckend, unvergessen!“
(Ein Besucher am 19.05.2019)

 

„Interessant, beeindruckend! Ein Vorbild für alle Völker.“
(Ein Besucher am 22.05.2019)

 

„Echt sehenswert! Ich empfehle das.“
(Ein Besucher am 3.06.2019)

 

„Unvorstellbar, dass es dieses Jahr schon 30 Jahre her ist. Die Gestapo wurde durch die Stasi weitergelebt.“
(Ein Besucher am 5.06.2019)

 

„Wir waren hier, die Gruppe aus Thüringen, und fanden die teilweise selbst erlebte Zeit in der Ausstellung gut dargestellt.“
(Eine Gruppe am 15.06.2019)

 

„Wir waren hier, hat es uns sehr gut gefallen!“
(Zwei Besucher am 19.06.2019)

 

„Nie mehr Unterdrückung!“
(Ein Besucher am 21.06.2019)

 

„Sorry for not having knowledge of German. In this June, I wrote ‚Wir sind ein Volk‘ & ‚22 Jahre sind genug‘ in response to Chinese Anschluss of Hong Kong. Proposed extradition bill amendment and police violence triggered 2 million people flooding Hong Kong streets in protest. More than 1/4 of total population of 7.2 m. The government responded with nonsense, newspeak und lies. China colonists stated the bill must pass, favoring legalized kidnapping and confiscating properties. We are furious. Newspaper AP with our plead on SY today. Thank you, Germany. Danke!“
(Deutsch: „Entschuldigung, dass ich kein Deutsch beherrsche. In diesem Juni schrieb ich ‚Wir sind ein Volk‘ & ‚22 Jahre sind genug‘ als Antwort auf den chinesischen Anschluss von Hongkong. Die vorgeschlagene Änderung des Auslieferungsgesetzes und die Gewalt der Polizei führten dazu, dass zwei Millionen Menschen auf den Straßen von Hongkong protestierten. Mehr als 1/4 der gesamten 7,2 Mill. Bevölkerung. Die Regierung reagierte mit Unsinn, Zeitungsreden und Lügen. Laut chinesischen Kolonisten hätte ein Gesetz erlassen werden müssen, doch stattdessen bevorzugte die Regierung legalisiertes Kidnapping und Konfiskation des Eigentums. Wir sind wütend. Die Zeitung AP hat unser Plädoyer für SY heute. Danke, Deutschland. Danke!“)
(Ein Besucher am 27.06.2019)

 

„Danke für die Aufarbeitung und Darstellung der historisch so wichtigen Ereignisse! Es ist wichtig, dies im Original in diesen Räumen zu zeigen … in schönen neuen Räumen kommt dieses ‚aller schärfste System der Unterdrückung‘ nicht zu Geltung!“
(Ein Besucher aus Wien am 27.06.2019)


 



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Bürgerkomitee Leipzig e.V.
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Träger der Gedenkstätte
Museum in der „Runden Ecke“ mit dem Museum im Stasi-Bunker
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