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  April/Mai/Juni 2020

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

 

nachdem die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ mit dem Museum im Stasi-Bunker aufgrund der Corona-Maßnahmen mehrere Wochen geschlossen bleiben musste, konnten die Ausstellungen des Museums in der „Runden Ecke“ bzw. des Stasi-Bunkers bei Machern zu Pfingsten wieder ihre Türen für die Besucher öffnen. Unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregelungen konnten allein an dem Pfingstwochenende insgesamt über 400 Interessierte begrüßt werden. Zwar sind es zu „normalen“ Zeiten deutlich mehr, doch unter den Vorgaben des Mindestabstandes war es die Höchstzahl an Besuchern, die zugelassen werden konnten. Die meisten Gäste waren froh, dass sie das Museum überhaupt wieder besuchen konnten. Unter den Besuchern waren viele Schüler und Touristen, die die DDR nicht selbst erlebt hatten und auf diese Weise etwas über das Unrechts-Regime erfahren konnten.

 

Auch auf andere Weise war die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ von den Auswirkungen der Corona-Krise betroffen. Bereits bei der vergangenen Buchmesse hatte sich das Programm aufgrund mehrerer Absagen sei-tens der Referenten erheblich reduziert. Wir konnten aber noch insgesamt 11 Veranstaltungen durchführen, zu denen Sie die Resümees in der Rubrik „Rückblick“ finden.

 

Unmittelbar im Anschluss mussten wir aufgrund der offiziellen Verfügungen die Gedenkstätte für den Besucherverkehr schließen und alle Veranstaltungen einschließlich Führungen und Rundgängen absagen. Dies betraf auch die geplante Veranstaltung zum 75. Jahresgedenken an die Befreiung Leipzigs durch die US-Armee, an der auch Ober-bürgermeister Jung und Generalkonsul Eydelnant teilnehmen wollten. Auch unsere Filmreihe „Zeitgeschichte auf der Leinwand“, mussten wir im II. Quartal aussetzen. Die Museumsnacht konnte ebenso wenig stattfinden, wie der Internationale Museumstag oder das Wave-Gotic-Treffen (WGT) zu dem wir sonst immer verlängerte Öffnungszeiten angeboten haben.

 

Nach der mehrwöchigen Schließung des Museums in der „Runden Ecke“ und des Museums im Stasi-Bunker aufgrund der Corona-Maßnahmen, wurden beide Museen zu Pfingsten wieder für den Besucherverkehr geöffnet. Lesen Sie dazu und wie wir die Schließzeit nutzen konnten in der Rubrik „Aus der Arbeit der Gedenkstätte“. Die aktuellen Öffnungszeiten und Angebote finden Sie unter „Ständige Angebote“.

 

Ganz herzlich laden wir Sie zu unserer nach dem Corona-Shutdown ersten, sehr kurzfristig organsierten Veranstaltung in Erinnerung an den blutig niedergeschlagenen Volksaufstand vom 17. Juni 1953 ein. Diese Veranstaltung kann erstmals auch in einem Live-Stream auf www.runde-ecke-leipzig.de verfolgt werden. Lesen Sie mehr in der Rubrik „Wir laden ein“.

 

Die Mitarbeiter der Gedenkstätte stehen für Anfragen selbstverständlich unter der bekannten Email-Adresse mail@runde-ecke-leipzig.de und telefonisch unter 0341/9612443 innerhalb der normalen Geschäftszeiten von 10.00 bis 16.00 Uhr zur Verfügung.

 

Wir bleiben trotz der aktuellen Lage optimistisch und freuen uns, Ihnen bald weitere Angebote wieder zugänglich machen zu können. Bleiben Sie gesund!

 

Ihr Bürgerkomitee Leipzig e.V.

 

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INHALT

WIR LADEN EIN

STÄNDIGE ANGEBOTE

AUS DER ARBEIT DER GEDENKSTÄTTE

RÜCKBLICK

AUS DEM GÄSTEBUCH


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WIR LADEN EIN


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GEDENKVERANSTALTUNG ZUM 67. JAHRESTAG DES VOLKSAUFSTANDES VOM 17. JUNI 1953 AM MITTWOCH, DEN 17. JUNI 2020, UM 12.30 UHR IN DER STRAßE DES 17. JUNI 2

Am 17. Juni 2020 jährt sich der gewaltsam niedergeschlagene Volksaufstand in der DDR zum 67. Mal. Seit 1945 hatte es Widerstand gegen die Errichtung einer kommunistischen Diktatur im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands gegeben, der seinen Höhepunkt in den Protesten vom 17. Juni 1953 fand. In diesen ersten flächendeckenden Protesten gegen das SED-Regime zeigte sich das Streben der Menschen in der DDR nach Demokratie und Freiheit, das am militärischen Eingreifen der sowjetischen Besatzungsmacht scheiterte. Mit dem Einsatz von Schusswaffen und der Verhängung des Ausnahmezustandes durch die sowjetische Besatzungsmacht wurden alle Hoffnungen auf Veränderungen zerstört. Neun Tote und mindestens 95 Verletzte waren allein im Bezirk Leipzig zu beklagen. Unmittelbar nach dem Aufstand setzte eine große Verhaftungswelle ein. Von den durch Stasi und Volkspolizei in Leipzig fast 1.000 Verhafteten wurden in den Folgemonaten über 150 Personen – teils in Schauprozessen – zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, einer auch zum Tode.

Die damaligen Forderungen der Bevölkerung konnten erst 1989 durch die Friedliche Revolution erfüllt werden. Die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ richtet seit vielen Jahren zusammen mit der Vereinigung für die Opfer des Stalinismus e.V. sowie dem Bund Stalinistisch Verfolgter und in Abstimmung mit der Stadt Leipzig eine Veranstaltung zum Gedenken an die Opfer des Aufstandes in der Straße des 17. Juni in Leipzig aus.

Aufgrund der massiven Beschränkungen im Zusammenhang mit den Schutzmaßnahmen zum Corona-Virus seit Mitte März 2020 gingen wir bisher davon aus, dass in diesem Jahr eine Gedenkveranstaltung nicht möglich sein wird. Nun hat sich aber gezeigt, dass die entsprechenden Maßnahmen zunehmend gelockert werden. Wir haben uns daher nach entsprechenden Absprachen mit dem Gesundheits- und dem Ordnungsamt der Stadt Leipzig kurzfristig entschieden, dass die Veranstaltung wie üblich stattfinden kann. Durch die notwendigen Abstandsregeln werden allerdings deutlich weniger Menschen teilnehmen können. Daher wird eine Übertragung der Veranstaltung über einen Livestream angeboten, der auf der Homepage des Bürgerkomitees Leipzig e.V. abgerufen werden kann.

In diesem Jahr wird Barbara Klepsch, Sächs. Staatsministerin für Kultur und Tourismus und Mitglied im Sächsischen Landtag, die Gedenkrede halten. Anschließend wird der Zeitzeuge Wilhelm Schlemmer über seine persönlichen Erinnerungen an diesen Tag sprechen. Musikalisch umrahmt wird die knapp einstündige Veranstaltung wieder durch die Leipziger Blechbläsersolisten. Den Abschluss bildet eine Schweigeminute mit Kranzniederlegung.

Veranstaltungsort: an der Gedenktafel in der Straße des 17. Juni 2, 04107 Leipzig.

 

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STÄNDIGE ANGEBOTE


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Wegen der Einschränkungen aufgrund der verfügten Corona-Schutzmaßnahmen können wir Ihnen aktuell leider keine Führungen und Rundgänge anbieten. Auch die Ausstellung „Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“ muss noch geschlossen bleiben.

 

SONNABEND BIS MONTAG, 10.00 UHR BIS 18.00 UHR, MUSEUM IN DER „RUNDEN ECKE“:

AUSSTELLUNG - STASI – MACHT UND BANALITÄT

Seit 1990 bietet das Museum in der „Runden Ecke“ in den Originalräumen des Ministeriums für Staatssicherheit die Möglichkeit, Zeitgeschichte in authentischer Umgebung nachzuvollziehen. Zahlreiche, zum Teil einzigartige Ausstellungsstücke, darunter Überwachungstechnik, eine Maskierungswerkstatt oder eine Kollermaschine zur Vernichtung von Akten, verdeutlichen, wie die SED ihren Überwachungsstaat aufbaute und die Menschen ihrer demokratischen Grundrechte beraubte. Dabei soll auch bewusst werden, wie bedeutsam die Errungenschaften der Friedlichen Revo-lution - Freiheit, Rechtsstaat und Demokratie - bis heute sind.

Die Ausstellung Stasi – Macht und Banalität“ in der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ ist vorerst nur an drei Tagen in der Woche Samstag bis Montag, jeweils von 10. bis 18.00 Uhr wieder für Besucher zugänglich. Da noch keine Führungen stattfinden können und zur Zählung erhält jeder Besucher kostenpflichtig einen Audio-Guide ausgeliehen. Weitere Kosten entstehen nicht. Eine vorherige Anmeldung ist nicht notwendig.

 

SAMSTAG UND SONNTAG, 27. UND 28. JUNI 2020, 13.00 BIS 16.00 UHR:

MUSEUM IM STASI-BUNKER IN MACHERN

In dem 1969 bis 1972 erbauten Bunker hätte der Leiter der bezirklichen Geheimdienstzentrale, der Leipziger „Runden Ecke”, im Ernstfall zusammen mit 100 Offizieren seine Tätigkeit fortgesetzt. Zu besichtigen sind das über fünf Hektar große, denkmalgeschützte Gesamtgelände mit allen erhaltenen Bauten und Anlagen sowie das komplette Bunkerinnere. Eine Ausstellung gibt Einblick in die zentral geregelte Mobilmachungsplanung und dokumentiert die spezielle Aufgabe des MfS im Ernstfall – bis hin zur geplanten Einrichtung von Isolierungslagern für Oppositionelle. Besucheradresse: Naherholungsgebiet Lübschützer Teiche, Flurstück 439, 04827 Machern. Bitte beachten Sie, dass wir aktuell keine Führungen anbieten können!

 

OPEN-AIR-AUSSTELLUNG IM LEIPZIGER STADTRAUM

ORTE DER FRIEDLICHEN REVOLUTION

Die Open-Air-Ausstellung „Orte der Friedlichen Revolution“ führt im Leipziger Stadtraum zu 20 Originalschauplätzen des demokratischen Aufbruchs 1989/90, an denen bedeutende Aktionen stattfanden, die zum Sturz der SED-Diktatur beitrugen. Die Besonderheit, Vielschichtigkeit und Einmaligkeit des Gesamtereignisses Friedliche Revolution in Leipzig wird anhand von Fotos sowie deutschen und englischen Texten vermittelt. Auf den Stelen aus Streckmetall, das in der DDR für Grenzsicherungsanlagen eingesetzt wurde, informieren Tafeln über bedeutende Aktionen des politischen Widerstandes in Leipzig. Die Idee der Informationstafeln ist angelehnt an Formen der Erinnerungskultur, wie man sie nach einschneidenden Erlebnissen an vielen Orten des Geschehens findet: Menschen hängen Zettel, Schildchen, Blumen, Kerzen oder anderes an Zäune, um ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. So etwa auch im Herbst 1989, als Leipziger Bürger auf diese Art und Weise an der Nikolaikirche die Freilassung von politischen Ge-fangenen forderten. Durch die Stelen wird die zeitliche und räumliche Dimension der Friedlichen Revolution erlebbar. Zudem lässt sich der Stadtwandel seit 1989 durch die historischen Fotografien nachvollziehen.

 

ONLINE ANGEBOTE UND APPS

INTERAKTIVE KARTE MIT DEN KONSPIRATIVEN WOHNUNGEN UND OBJEKTE DER STASI IN LEIPZIG

Die Stasi unterhielt neben den offiziellen Dienststellen eine Vielzahl Konspirativer Wohnungen (KW) und Konspirativer Objekte (KO). Das waren Zimmer in Privatwohnungen, Dienstzimmer staatlichen Einrichtungen, aber auch ganze Einfamilienhäuser oder Garagen. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR nutzte diese als Trefforte mit Inoffiziellen Mitarbeitern (IM), aber auch als Beobachtungsposten, Arbeitsräume und Maskierungsstützpunkte. Im Ergebnis jahrelanger Forschungen gibt es eine interaktive Karte der Stadt Leipzig mit nahezu alle geheimen Objekten, die die Staatssicherheit noch im Jahr 1989 betrieben hat. Dabei sind neben der Adresse auch Informationen zur Nutzungsdauer, der Abdecklegende sowie vor allem inhaltliche Beschreibungen abrufbar. So kann man sich mit der Staatssicherheit und deren flächendeckender Überwachung im lokalen Kontext beschäftigen, ohne die Gedenkstätte besuchen zu müssen. Erreichbar unter www.runde-ecke-leipzig.de oder direkt: www.runde-ecke-leipzig.de/index.php

 

SAMMLUNG ONLINE

Ebenfalls online zugänglich ist die Datenbank „Sammlung-online“ die ausgewählten Objekte aus fast allen Bereichen der Stasi-Tätigkeit beinhaltet und so einen breiten Überblick über die Arbeitsweise der kommunistischen Geheimpolizei bietet. Dank umfangreicher Beschreibungstexte und darin enthaltener weiterführender Verknüpfungen zwischen Objekten und Fotografien lassen sich viele Arbeitsfelder der Staatssicherheit in einem selbst festgelegten „Rundgang“ durch die museale Sammlung selbst erschließen. Hier finden Sie auch viele Objekte, die nicht in der Ausstellung zu sehen sind. Direkt erreichbar unter: www.runde-ecke-leipzig.de/sammlung.

 

App „Leipzig ´89“

„Leipzig ´89“ ist eine mehrsprachige Hörführung (Audioguide), die zu den 20 Stelen-Standorten im Leipziger Stadtraum führt, an denen 1989 bedeutende Aktionen stattfanden, die zum Sturz der SED-Diktatur beitrugen. Die Nutzer des GPS-gestützten Stadtrundgangs können die Ereignisse der Friedlichen Revolution sowie den Stadtwandel seit 1989 direkt vor Ort selbständig erkunden. Der Stadtrundgang erinnert an die Kraft der demokratischen Idee, die den Bürgern zur Selbstbefreiung von der SED-Diktatur verhalf. "Leipzig '89" präsentiert ein wichtiges Kapitel der deut-schen Geschichte sowie die besondere Rolle Leipzigs als Stadt der Friedlichen Revolution eindrucksvoll. GPS-gestützte Karten und Routennavigation leiten den Nutzer direkt zu den einzelnen Stationen. Mittels QR-Codes an den Stelen kann die App direkt auf mobile Endgeräte heruntergeladen oder die jeweilige Station direkt aufgerufen werden. über 350 Fotos, Dokumente, Objekte und Filmausschnitte ergänzt die Informationen auf den Stelen sowie die Hörführung (Audioguide). Die App können Sie hier kostenlos herunterladen: www.runde-ecke-leipzig.de/index.php

 

App „Leipzig 1953“

Die App „Leipzig 1953“ ist ein Multimediaguide mit einer zweisprachigen Hörführung (Deutsch und Englisch), die über den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 und damit über die erste Massenerhebung gegen die kommunistische Diktatur in der DDR informiert. Sie führt an 13 Originalschauplätze in Leipzig, an denen 1953 bedeutende Aktionen des Widerstandes gegen das SED-Regime stattfanden. Angelegt als GPS-gestützter Stadtrundgang wird die zeitliche und räumliche Entwicklung des Volksaufstandes in Leipzig erlebbar. Auch hier entwickelte sich aus den anfänglichen Protesten gegen die sozialen und wirtschaftlichen Probleme in der DDR ein flächendeckender Protest, bei dem die Bürger Freiheit und Demokratie sowie die Deutsche Einheit forderten. In die Tour sind auch die drei Gedenkorte integriert, die nach der Friedlichen Revolution entstanden sind. Ergänzt werden die Informationen in der Hörführung durch eine Vielzahl von originalen Fotos, Dokumenten, Kurzbiographien zu den Todesopfern sowie zeitgenössischem Ton- und Filmmaterial. Die App können Sie hier kostenlos herunterladen: www.runde-ecke-leipzig.de/index.php

 

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AUS DER ARBEIT DER GEDENKSTÄTTE


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NEUSTART NACH CORONA-ZWANGSPAUSE

Nachdem die Corona-Schutzmaßnahmen wieder gelockert wurden, konnte nun auch das Museum in der „Runden Ecke“ mit dem dazugehörigen Museum im Stasi-Bunkern in Machern schrittweise wieder für den Besucherverkehr geöffnet werden. Bereits zum Pfingstwochenende waren beide Orte wieder für Interessierte zugänglich, selbstverständlich unter Einhaltung der Hygiene-Vorschriften und einer entsprechenden Besuchersteuerung zur Gewährung des Mindestabstands. Rund 200 Besucher nutzen das Angebot und besuchten den ehemaligen Stasi-Bunker, der von nun an wieder jedes letzte Wochenende eines Monats geöffnet hat. Klassische Führungen durch die Bunkeranlage können derzeit noch nicht wieder angeboten werden.

In der „Runden Ecke“ besuchten am Pfingstwochenende über 200 Besucher die Ausstellung, die meisten von ihnen kamen aus den alten Bundesländern. Trotz der Einschränkungen und notwendigen Wartezeiten, waren die Gäste froh, dass das Museum wieder offen war und sie die Ausstellung besuchen konnten. Ab Juni wird die Ausstellung „Stasi – Macht und Banalität“ vorerst nur von Samstag bis Montag für den Besucherverkehr zugänglich sein. Aufgrund der Hygiene-Vorgaben ist vor allem in den beengten Räumen nur eine beschränkte Personenzahl möglich. Die Mitarbeiter der „Runden Ecke“ freuen sich, über den gelungenen Neustart und das nach wie vor große Besucherinteresse.

 

RESTAURIERUNGSARBEITEN WÄHREND DER SCHLIESSUNG

Nachdem die Gedenkstätte Museum „In der Runden Ecke“ die Ausstellungen für den Besucherverkehr ab dem 16. März schließen musste, wurde die Zeit genutzt um umfangreiche Sanierungs- und Umbauarbeiten durchzuführen. Der Eingangsbereich des Museums wurde entsprechend des Mittelfristigen Entwicklungskonzeptes der Gedenkstätte umgebaut und mit einem neuen Empfangstresen für die Besucherinformation ausgestattet. Auch der Fußboden wur-de umfassend gereinigt und restauriert sowie der Ausstellungsbereich zur Hausgeschichte restauriert. Der Neustart nach der Corona-bedingten Schließung wurde mit einem größeren Artikel der Leipziger Volkszeitung begleitet.

 

SAMMLUNGSAUFRUF ZUR GESCHICHTE DER LEIPZIGER STASI-ZENTRALE UND DES MATTHÄIKIRCHHOF

Für das Projekt wurden am 25. Januar und 11. Mai 2020 Zeitzeugenaufrufe in der Leipziger Volkszeitung veröffentlicht. Ungefähr 20 Zeitzeugen haben daraufhin Kontakt zu uns aufgenommen. Einer der Zeitzeugen hat uns einen Krug übergeben, den er als Bauarbeiter anlässlich der Übergabe des Erweiterungsbaus Dittrichring als Geschenk erhalten hatte. Ein anderer Leipziger überließ uns Trümmerfotos, darunter zwei besonders interessante Aufnahmen der im 2. Weltkrieg zerstörten Matthäikirche. Als besonderes Highlight meldete sich nach Veröffentlichung dieser Trümmerfotos im zweiten Zeitzeugenaufruf Marita Schulz bei uns. Die Witwe schenkte der Gedenkstätte zwei Grafiken des bekannten Malers Günter Albert Schulz für die Sammlung, der die Ruine der Matthaikirche von Innen gezeichnet hat. Des Weiteren konnten wir Kontakt zu den Nachfahren einer gewissen Frau Judith Zeising aufnehmen. Frau Zeising hat die Bombennacht auf dem Matthäikirchhof miterlebt und ihre Erinnerungen im Buch „Epitaph für den Matthäikirchhof“ verarbeitet. Außerdem erhielten wir originale Urkunden von Taufen und Eheschließungen in der Matthäikirche einschließlich entsprechender privater Aufnahmen vor der Kirche und am Matthäikirchhof. Ein Aktenkonvolut belegt die Entschädigung einer ausgebombten Familie, die bis zum 4. Dezember 1943 auf dem Areal wohnte. PROJEKTE LAUFEN WEITER Auch wenn viele Angebote für die Besucher nicht zugänglich waren oder noch nicht wieder sind, arbeiten die Mitarbeiter der Gedenkstätte weiter an verschiedenen Projekten. Dies betrifft zum einen die Recherchen für das Ausstellungsprojekt zum Matthäikirchhof, zum anderen die Vervollständigung der Datenbasis für den interaktiven Stadtplan zu den konspirativen Wohnungen der Staatssicherheit in Leipzig. Die Entwicklung des Areals der ehemaligen Leipziger Stasi-Zentrale am früheren Matthäikirchhof zu einem „Forum für Freiheit und Bürgerrechte“ gehört ebenso dazu wie die der ehemaligen Zentralen Hinrichtungsstätte der DDR zu einem justizgeschichtlichen Erinnerungsort einschließlich der weiteren Erforschung der Geschichte der Todesstrafe in der DDR. In Umsetzung unseres Mittelfristigen Entwicklungskonzeptes werden derzeit vor allem Restaurierungsmaßnahmen an der originalen Substanz vorbereitet.

 

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RÜCKBLICK


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FILMVORFÜHRUNGEN IM RAHMEN DER FILMREIHE „ZEITGESCHICHTE AUF DER LEINWEAND IM EHEMALIGEN STASI-KINOSAAL“AM DONNERSTAG, DEN 05. MÄRZ 2020, UM 19.00 UHR: „STASI IM KINDERZIMMER“ (2019, LÄNGE: 45 MINUTEN) UND „STASI AUF DEM SCHULHOF“ (2012, LÄNGE: 48 MINUTEN)

In der DDR wurden auch Jugendliche von der Stasi angeworben, um als Spitzel „für den Frieden“ zu arbeiten. Viele von ihnen leiden bis heute unter den Spätfolgen. In der Dokumentation „Stasi im Kinderzimmer“ wird über vier Einzelschicksale von Jugendlichen berichtet, die vom MfS als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) angeworben wurden, darunter Christian Ahnsehl. Als 15-jähriger wurde er von der Stasi erpresst, eine Verpflichtungserklärung zu unterschreiben. Sascha Kriese hingegen wurde von seinen Eltern davor bewahrt, einen Vertrag mit der Stasi zu unterzeichnen.

Die Vorführung des Films „Stasi im Kinderzimmer fand in Kooperation mit der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur statt. Der zweite Film des Abends „Stasi auf dem Schulhof“ befasste sich mit dem Schicksal von Kinder und Jugendlichen, die als IM für die Staatssicherheit angeworben worden sind. Sie wurden in Jugendclubs, in Kirchen und an Schulen dazu aufgefordert, ihre Freunde auszuhorchen oder über ihre Eltern zu berichten. Der Dokumentationsfilm zeigte die Biographien vier dieser Jugendlichen: Marko war 17 Jahre alt, als ihn die Staatssicherheit über seine Dresdner Schule kontaktierte. Kerstin und Elvira besuchten in den 1970er Jahren das Internat Wickersdorf für angehende Russischleh-rer. Auch sie waren noch minderjährig, als sie ins Direktorenzimmer bestellt wurden und dort auf Männer der Staats-sicherheit trafen. „Ich hatte das Gefühl, die wissen alles über mich“, sagt Kerstin heute über das Anwerbegespräch im Büro des Schuldirektors, „ich hatte auch die Befürchtung, wenn ich da nicht mitmache, dass ich dann auch mein Abitur nicht machen kann.“ Unter Druck gesetzt, unterschrieb sie die Verpflichtung, niemandem davon zu erzählen, selbst den eigenen Eltern nicht.

Diese Vorführung fand im ehemaligen Stasi-Kinosaal in der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ statt und war bis zur Corona-bedingten Schließung die letzte Veranstaltung unserer Filmreihe „Zeitgeschichte auf der Leinwand im ehemaligen Stasi-Kinosaal“, die durch den Freistaat Sachsen gefördert wird.

Um Ihnen einen kleinen Einblick geben zu können, wie unsere Besucher die Veranstaltung wahrgenommen haben, haben wir Ihnen noch ein paar Gästebucheinträge ausgesucht:

„Stasi auf dem Schulhof. Tief erschütternd!“;

„Stasi auf dem Schulhof. Hat mich bedenklich gestimmt und berührt. Schau auf dich selbst. Was macht dir gewiss, dass es dich gibt?“

 

Veranstaltungen im Rahmen der Buchmesse 2020

Im Rahmen von „Leipzig liest“ während der Leipziger Buchmesse hatte die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ auch in diesem Jahr wieder ein vielfältiges Programm vorbereitet um sich mit Aufarbeitung der SED-Diktatur und deren Auswirkungen auf die heutige Zeit auseinanderzusetzen. Nicht alle der geplanten Veranstaltungen konnten stattfinden, da genau in dieser Zeit die Corona-Pandemie zu massiven Einschränkungen führte und die eigentliche Buchmesse abgesagt wurde.

 

HARALD BRETSCHNEIDER, BERND OETTINGHAUS (HG.): „DAS WUNDER DER FREIHEIT UND EINHEIT. ZEITZEUGEN DER FRIEDLICHEN REVOLUTION“ AM DONNERSTAG, DEN 12. MÄRZ 2020, UM 16.00 UHR

Zum 30. Jahrestag der Deutschen Einheit präsentierte Harald Bretschneider in seinem Buch „Das Wunder der Freiheit und Einheit. Zeitzeugen der Friedlichen Revolution“ über 50 Zeitzeugenberichte, die Einblicke gaben in 38 be-wegende Tage von der Schließung der letzten Grenze der DDR zur ?SSR bis zum endgültigen Untergang des SED-Regimes. Gemeinsam mit Herbert Wagner referierte Harald Bretschneider zu den sich überschlagenden Ereignissen des Herbstes 89 in Leipzig und Dresden. Der Nachmittag gab Eindrücke, Ergänzungen und Erzählungen über das Vorgehen der Gruppe der 20 wider, die als Vertretung der DDR-Bürger während der Montagsdemonstrationen am 8. Oktober 1989 beauftragt wurde, am Folgetag mit den örtlichen Behörden in Dresden über ihre politischen Forderungen zu verhan-deln. Die zunächst herrschende Gewaltbereitschaft der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten sorgte immer wieder für Verunsicherungen. Herbert Wagner berichtete über seine Dialoge mit der Dresdner SED-Führung unter dem da-maligen Oberbürgermeister Wolfgang Berghofer. Als Vertreter der katholischen Laienbewegung rückte Wagner am 10. Oktober 1989, nach dem ersten Dialog mit der Staatsmacht, für den katholischen Kaplan Frank Richter auf des-sen Position, als dieser unter politisches Betätigungsverbot gestellt wurde und sich nach einem Tag aus der Gruppe zurückziehen musste. Im eindrucksvollen Wechsel von Erzählung und Lesung entstand ein unmittelbares Bild der Akteure der Ereignisse vom 3. Oktober bis zum 9. November 1989. Texte von Hans-Dietrich Genscher, Joachim Gauck und Christine Lieber-knecht wurden immer wieder mit biblischen Impulsen verknüpft und gaben Anlass sich mit seinem Glauben auch in der heutigen Zeit auseinanderzusetzen und die Rolle einer glaubensgeführten Oppositionsgruppe als Akteur der Friedlichen Revolution einzuordnen. Die Moderation sowie Begrüßung und Eröffnung übernahm der Gedenkstätten-leiter Tobias Hollitzer.

 

ALMUT ILSEN, RUTH LEISEROWITZ (HG.): „SEID DOCH LAUT! DIE FRAUEN FÜR DEN FRIEDEN IN OST-BERLIN.“ AM DONNERSTAG, DEN 12. MÄRZ 2020, UM 18.00 UHR

begrüßten wir zwei Frauen, die sich im Widerstand gegen die SED-Führung verdient machten. Almut Ilsen und Ruth Leiserowitz (Hg.) erzählten aus ihrem Buch „Seid doch laut! Die Frauen für den Frieden in Ost-Berlin.“ wie sieben Frauen – darunter Almut Ilsen selbst – im Herbst 1982 beinahe unvermittelt zur Gründung der Oppositionsgruppe „Frauen für den Frieden“ beitrugen, als diese eine Einga-be gegen ein neues Wehrpflichtgesetz verfassten, welches Frauen im Ernstfall wehrpflichtig machen sollte. Sie sammelten 130 Unterschriften in Ost-Berlin und Halle (Saale) und sorgten damit schon vor Einreichung der Eingabe für Aufregung bei der Staatssicherheit. Nach mehr als 35 Jahren erscheint das Buch als Rückschau auf die Perspektive von 18 dieser ehemaligen „Friedensfrauen“, die die Zeit des Widerstandes und die Entstehung der Oppositionsgruppe aus sehr unterschiedlichen Blick-winkeln erlebten und gibt uns heute eine vage Vorstellung davon, wie es war im Zwiespalt zwischen Ängsten, eigenen Interessen und dem Kampf um mehr Gerechtigkeit und Veränderungen zu stehen. Als eine der längsten existie-renden Oppositionsgruppen in der DDR macht die Bewegung „Frauen für den Frieden“ deutlich: Widerstand war keine reine Männersache. Die gut einstündige Lesung endete in einer regen Diskussion um öffentliche Wirksamkeit und wieso es 35 Jahre gebraucht hat, diese Widerstandgeschichte nun auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen.

 

PETER RICHTER: „IM LOKTENDER IN DIE FREIHEIT“ AM DONNERSTAG, DEN 12. MÄRZ 2020, UM 20.00 UHR

Aus seinem eindrucksvollen Buch „Im Loktender in die Freiheit“ erzählte Peter Richter um 20 Uhr von seiner Kind-heit und Jugend im Voigtland bis zu seiner spektakulären Flucht am 28. August 1962 im 14°C kalten Wasser des Tenders einer Dampflok. Nachdem Peter Richter gezwungenermaßen seinen Dienst bei der NVA absolvierte um endlich Maschinenbau in Chemnitz studieren zu dürfen, muss er feststellen, dass er einmal mehr an den Grenzen des DDR-Systems scheitert. Seine Neugierde und Reiselust, der Frust, nicht sein Wunschstudium antreten zu können und nicht zuletzt seine grundsätzliche Ablehnung gegen die SED-Diktatur, bewegen den damals gerade 22-Jährigen zur Planung und Umsetzung einer spektakulären Flucht. Anekdotenhaft berichtet Richter, wie er gemeinsam mit seinem Freund Karl Mayer die Flucht in dem Loktender akribisch vorbereitete, wie er sich von einem Freund und seiner unwissenden Mutter verabschiedete, welche drei Gegenstände unbedingt auf diese gefährliche Reise in wasserdichter Verpackung mitreisen sollten und auf welche unvorhergesehenen Hindernisse beide trafen, als sie feststellten, dass ihnen das Wasser im Loktender buchstäblich bis zum Halse und nicht nur bis zur Hüfte stand, wie ursprünglich ausgerechnet. Auf die halbstündige Lesung folgte ein anregendes Interview, geführt vom Gedenkstättenleiter Tobias Hollitzer und eine rege Fragerunde zu technischen Details der Dampflok und privaten Fragen über Richters Leben im Westen vor und nach dem Mauerfall. Die Verbindung zu seiner alten Heimat in Plauen scheint trotz allem ungebrochen.

 

STEFFI LEHMANN: „JUGENDPOLITIK IN DER DDR. ANSPRUCH UND ASUWIRKUNG“AM FREITAG, DEN 13. MÄRZ 2020, UM 12:00 UHR

Für sehr reges Interesse sorgte auch unsere Veranstaltung am Freitag, den 13. März um 12 Uhr von Dr. Steffi Lehmann, die ihre Dissertation „Jugendpolitik in der DDR. Anspruch und Auswirkung.“ vorstellte. Ihr großes Interesse an jugendlichem Protestpotential und jugendlichen Subkulturen und die Tatsache, dass bisher Jugendpolitik in der DDR nur als Randnotiz in den Forschungen auftauchte, ließ die fast 1000-seitige wissenschaftliche Abhandlung gemeinsam mit dem Nomos-Verlag entstehen. Die umfangreiche Studie setzt erstmals ideologische Ansprüche der SED und die realen Auswirkungen der Jugendpolitik als auch den Umgang der Staatsmacht mit vermeintlich oppositionellen Jugendlichen in einen Kontext. Aufgegliedert in vier zeitliche Abschnitte zeigt Frau Lehmann einerseits den Anspruch der offiziellen Jugendpolitik mit Blick auf die Ziele der sozialistischen Erziehungsdoktrin und Funktionen der FDJ auf, die sich andererseits im Widerspruch zum tatsächlichen Empfinden und Einfluss der Jugendlichen verstricken. Immer wieder stellt Lehmann heraus, in welchem Zwiespalt sich die Heranwachsenden befunden haben müssen und hinterfragt zugleich den recht geringen Widerstand unter ihnen, den sie vor allem im Druck der Erziehungsfunktionäre auf die Jugendlichen begründet sieht und den ungewissen Konsequenzen, die eine Nichtteilnahme möglicherweise mit sich gebracht hätte. So gewannen wir bei dieser Präsentation Einblicke in die methodisch schwierige Aufbereitung dieser Thematik als auch in die Entwicklung der Jugendkultur allgemein. Nach etwa 45 Minuten schloss sich eine äußerst rege Diskussion an, die in Vertretung für Professor Eckard Jesse, der Gedenkstättenleiter Tobias Hollitzer moderierte. Der Sorge aus dem Publikum um eine fehlende offizielle Jugendarbeit – wobei hier vor allem die Kirchen ihren Einsatz versäumt hätten – kann Lehmann so nicht beipflichten. Sie sieht im Rahmen ihrer Tätigkeiten sehr wohl ein gut verzweigtes soziales Netzwerk für Kinder- und Jugendarbeit. Insgesamt beschäftigte das Publikum, neben persönlichen Eindrücken über Repressionen und Freiheiten, vor allem die Frage nach heutigen Leitbildern und welche wichtige Rolle auch die Bildungseinrichtungen, aber auch die Familien spielen.

 

WERNER KRÄTSCHELL: DIE MACHT DER KERZEN. ERINNERUNGEN AN DIE FREIDLICHE REVOLUTION“ AM FEITAG, DEN 13. MÄRZ 2020, UM 14.00 UHR

Um 14 Uhr folgte eine Lesung mit dem evangelischen Pfarrer Werner Krätschell, der seit Ende der 1980er Jahre als Superintendent für 24 evangelische Kirchengemeinden im Norden Ostberlins verantwortlich war. Als Mitbegründer des Pankower Friedenskreises, diente sein Pfarrhaus als Treffpunkt Oppositioneller. Zudem moderierte Krätschell später am Berliner Runden Tisch. In seinem Buch „Die Macht der Kerzen. Erinnerungen an die Friedliche Revolution“ gewinnt man Live-Eindrücke von der Zeit vom Mauerbau in Berlin bis hin zur Wiedervereinigung anhand von Tage-bucheinträgen, die wiederum durch Reflektion in die heutige Zeit eingeordnet werden. Als Werner Krätschell am 13. August 1961 mit seinem Bruder zu einer Skandinavienreise aufbrach, für die es offiziell keine Genehmigung gab, wusste er noch nicht, dass er sich schon am nächsten Tag wird entscheiden müssen, ob er in die DDR zurückkehrt und damit seinen Bruder in Westberlin nicht mehr ohne weiteres wird besuchen können. Krätschell, der aus einer Pfarrer-Familie mit Tradition kam, entscheidet sich, auch wegen seiner kranken Mutter dazu, dass er in Ostberlin gebraucht wird. 28 Jahre später, leitet er am 9. November 1989 eine der vielen politischen Versammlungen dieser Tage und wird Zeuge, wie die Berliner Mauer wieder geöffnet wird. Als einer der ersten überquert er die Grenze mit dem Auto – er fühlt sich wie in einem Traum. Neben der Moderation des Runden Tisches Berlin, vermittelte er auch in der schweren Phase der rumänischen Aufstände zum Ende des Jahres über Heilig Abend zwischen dem rumänischem Botschafter und der Bevölkerung. Die Ausschreitungen in Rumänien hinterlassen den bitteren Beigeschmack, wie auch die Friedliche Revolution in Deutschland hätte ablaufen können. Herausgeber des Buches, Gerhard Sälter, beendet die Lesung mit einem Interview über Fragen nach Reflektion, Einordnung und Interpretation der damaligen Ereignisse auf unsere heutigen politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse. Wie konnte die Wiedervereinigung so geordnet in Deutschland ablaufen? Welchen Anlass gibt es heutzutage ein solches Buch zu schreiben? Und wie könnte eine neue Generation, die keine eigenen Erfahrungen in die Interpretationen einfließen lässt, die Ereignisse neu beschreiben? Für Krätschell stellt dieses Buch vor allem ein Zeitzeugnis dar, es ist eine Hinterlassenschaft seiner Lebenserinnerungen an seine Enkel und Kinder. Der vorhandene Live-Ton der durch die Tagebucheinträge zustande kommt, verleiht ihm zudem ein unmittelbares Bild und bleibt durch seine spätere Einordnung doch nicht gänzlich für sich stehen.

 

ARNO POLZIN, RALF BLUM UND UWE HARTMANN: „AUF DER SUCHE NACH KULTURGUTVERLUSTEN. EIN SPEZIA-LINVENTAR ZU DEN STASI-UNTERLAGEN“AM FREITAG, DEN 13. MÄRZ 2020, UM 18.00 UHR

Über rege Besucherteilnahme konnten wir uns am Freitag, den 13. März um 18 Uhr bei der Vorstellung der Publikation „Auf der Suche nach Kulturgutverlusten. Ein Spezialinventar zu den Stasi-Unterlagen.“ freuen. Als Vortragende begrüßten wir Arno Polzin und Ralf Blum aus der Abteilung Bildung und Forschung vom Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen und Dr. Uwe Hartmann, Leiter des Fachbereiches Provenienzforschung beim Deutschen Zentrum für Kulturgutverluste Magdeburg. Provenienzforschung zu beschlagnahmten Kunst- und Kulturgütern erlebte in den letzten Jahren erhöhte Aufmerk-samkeit. Dieses Forschungsfeld war lange Zeit verbunden mit der NS-Zeit, später auch mit kolonialer Zeit. Die aktu-elle Herausgabe aber bespricht das Thema Kulturgutverluste auf einem unbeschriebenen Blatt – als Teil der Aufarbeitung von DDR-Verbrechen, als systematische Beschlagnahmung und Entziehung von Eigentum politisch Inhaftierter oder in den Westen Geflohener. In über 2000 Stasi-Akten des MfS konnten Beweise oder Belege für Kulturgutentziehungen gesammelt und offen gelegt werden. Damit wurde ein systematischer Zugang zu den Aktenbeständen des MfS ermöglicht, der weiterge-henden Forschungen die Türen öffnen soll. Die Hindernisse und Schwierigkeiten, die sich bei dieser Spurensuche zeigten, sorgten für rege Aufmerksamkeit. Die Frage nach wie vor verschwundenen Kulturgütern musste jedoch in diesem Rahmen unbeantwortet bleiben.

 

RALPH GRÜNEBERGER (AUTOR), STEFFI BÖTTGER: „HERBSTJAHR. ROMAN ÜBER DAS LETZTE JAHR DER DDR“ AM FREITAG, DEN 13. MÄRZ 2020, UM 20.00 UHR

Zum Abschluss am Freitag durften wir 20 Uhr der Lesung zu „Herbstjahr. Roman über das letzte Jahr der DDR“ lauschen, eine Buchvorstellung mit dem Autor Ralph Grüneberger, der sich für die szenische Lesung Unterstützung von der Schauspielerin Steffi Böttger holte. Ralph Grüneberger ist gebürtiger Leipziger, Herausgeber einer Literaturzeitschrift und seit mehr als zwei Jahrzehnten Vorsitzender für zeitgenössische Lyrik e.V. „Herbstjahr“ ist der Titel des Romans, in dem die fiktive Geschichte drei junger Menschen erzählt wird, die ganz unterschiedlich das letzte Jahr der DDR und die Friedliche Revolution in Leipzig erleben. Jesse, der unvermittelt in den Strudel der ersten Montagsdemonstrationen gerät und der als Sohn eines SED-Funktionärs durch die Gewaltbereitschaft der Polizei und dem damit verbundenen Streit mit seinem Vater aus der Bahn geworfen wird. Und da sind die Geschwister Rainer und Monika: Rainer, der nach Wochen aus dem Aufnahmelager nach Leipzig zurückkehrt, wohnungs- und arbeitslos ist, dem die neuen Umstände aber vollkommen neue Perspektiven ermöglichen. Und Mo-nika, die Einser-Abiturientin, die mit einem Mal in eine ungewisse Zukunft blickt und für ihr Studium an der Theaterhochschule kämpfen muss. In abwechselnden Passagen von Lesung Grünebergers und szenischer Vorstellung Böttgers gewannen wir Einblicke in den Alltag einer turbulenten Zeit, versuchten zu verstehen, was die jungen Menschen damals antrieb und erfuhren ihre Wünsche, Hoffnungen und wie es ist einmal mehr zu scheitern. Die lebhafte Lesung endete in einem intimen Gespräch zwischen Böttger und Grüneberger, und gab dem Rahmen einen schönen Abschluss.

 

JÜRGEN HAASE (HG), KARL-HEINZ BOMBERG (MUSIK): „DIE ANHÖRUNG“ AM SAMSTAG, DEN 13. MÄRZ 2020, UM 12.00 UHR

Februar 1990, Erfurt: Wolfgang Schnur, designierter Ministerpräsident für die ersten freien Wahlen in der DDR, spricht zu 100.000 Menschen. Die Massen jubeln. Januar 2014, Berlin: Wolfgang Schnur, verarmt und krebskrank, stellt sich dem Journalisten Alexander Kobylinski zum ersten und einzigen Mal für ein Gespräch über sein Doppelleben als angesehener Oppositionellen-Anwalt und Stasi-Spitzel. Das Interview, auf dem Jürgen Haases Film „Der Fall Wolfgang Schnur – ein unmögliches Leben“ basiert, ist nun vollständig publiziert – ergänzt durch Stimmen vieler Zeitzeugen. Der Arzt, Liedermacher und Psychotherapeut Karl-Heinz Bomberg, der 1984 wegen seiner Lieder inhaftiert wurde und dessen Strafverteidiger Wolfgang Schnur war, begleitete die Veranstaltung musikalisch. In seiner Begrüßung betonte Tobias Hollitzer, Leiter der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“, die Anwesen-heit Wolfgang Schnurs bei der Veranstaltungsreihe „Heute vor 10 Jahren“ am 4. Dezember 1999 im ehemaligen Stasi-Kinosaal der „Runden Ecke“ sowie die Tatsache, dass sich einer der „anderen Seite“ auf eine „erstaunlich offene Art und Weise“ der Diskussion gestellt habe. Im Anschluss versetzte Karl-Heinz Bomberg das Publikum mit dem Lied „Die Befragung“ in eine ruhige Stimmung. Es handelt sich darin um den Trias „[der] Zuführung, [des] Verhörs, und [der] Verhaftung“. Die darin vorkommende Aussage „Dies Land braucht eine Atmosphäre vor der die Menschen nicht entfliehen und aktiv ehrlich solidarisch wir friedlich unsere Wege ziehen“ vermittelte Optimismus und das Gefühl der Hoffnung. Nun begann Jürgen Haase aus dem viereinhalb stündigen Interview zwischen Wolfgang Schnur und Alexander Kobylinski, den Fragenden, vorzulesen. Zuvor erklärte Haase, dass er die bestehenden Texte, ohne sie „inhaltlich zu ändern“, geordnet habe und diese original getreu vorlesen würde. Dies solle den Ge-schmack der Authentizität verstärken. Das Publikum erfuhr über die Jugend von Wolfgang Schnur und wie er überhaupt zur Stasi gelangt ist sowie den Verrat an seinen besten Freund und seiner eigenen Freundin. Schnurs Vater ist im Krieg ums Leben gekommen. Mit 17 Jahren erfuhr er, dass seine leibliche Mutter ihn nicht wollte. Er habe so große Angst vor ihrer Lebenssituation gehabt, dass er sie nicht mit Vorwürfen belasten wollte. Die fehlende „Wärme seiner Mutter“ und die negativen Erlebnisse mit einem nationalsozialistisch denkenden Lehrer ließen ihn mit dem DDR-Staat sympathisieren. Bei der Nationalen Volksarmee (NVA) habe er sich endlich aufgenommen und akzeptiert gefühlt. Ihm sei sogar eine Treuemedaille der NVA verliehen worden. Wolfgang Schnur lebte in einer „Doppelrolle“. Auf der einen Seite wird er seinem Ruf als Rechtsanwalt der Oppositionellen gerecht und versuchte seine Mandanten auf die Konsequenzen ihres Tuns aufmerksam zu machen. Gleichzeitig arbeitete er jahrzehntelang als einer der wichtigsten IM (Inoffizieller Mitarbeiter) unter den Decknamen „Torsten“ und „Dr. Schirmer“ für die Stasi. Als sei dies moralisch betrachtet nicht schon widersprüchlich genug, war er zudem noch ein gläubiger Christ. Er habe aufhören wollen, als IM weiter Verrat zu begehen. Allerdings konnte ihn sein Führungsoffizier umstimmen. Schnur betonte immer wieder, Kirche und Staat stets voneinander zu trennen. Karl-Heinz Bomberg, der politisch Traumatisierte der SED-Diktatur behandelte, habe ihm in der DDR als seinem Anwalt stets vertraut und stellte am Ende der Gesprächs-runde mit dem Publikum fest, dass die Aufklärung dabei helfe, die einzelnen Zusammenhänge und Hintergründe zu verstehen und sich der Realität anzunähern. Jürgen Haases Buch habe eine therapeutische Funktion.

 

MARIANNE SUBKLEW-JEUTNER: „SCHATTENSPIEL – PFARRER ECKART GIEBELER. ZWISCHEN KIRCHE, STAAT UND STASI“ AM SAMSTAG, DEN 14. MÄRZ2020, UM 14.00 UHR

Eckart Giebeler war von 1951 bis 1992 hauptamtlicher Gefängnisseelsorger in mehreren Haftanstalten der DDR. Er war in den 1950er Jahren von der Evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg zwar nicht ordiniert und beim DDR-Innenministerium angestellt, aber es war doch die Kirche, die ihn 1992 in Schutz nahm, als öffentlich und nachweislich bekannt wurde, dass er seit 1959 für das MfS spitzelte, als IM „Roland“. Diese Veranstaltung fand in Zusammenarbeit mit dem Beauftragten des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur und dem Metropol Verlag statt. Zu Beginn stellte der Moderator Rainier Potratz seine ehemalige Kollegin Marianne Subklew-Jeutner, Autorin des Buches „Schattenspiel“, vor. Sie durfte damals aus politischen Gründen kein Abitur machen und begann eine Lehre als Elektrikerin auf einer Schiffswerft. Dann studierte sie auf der kirchlichen Hochschule Theologie und arbeitete als Pfarrerin und als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hamburg. Sie stellte an diesem Abend ihr Buch vor und begann mit einem Zitat von Christa Wolf, dass sie ergänzt hat: „Das Vergangene ist nicht tot. Es ist nicht einmal vergangen. Wir trennen es von und ab und stellen uns fremd.“ Im Mai 1945 kam Eckart Giebeler in britische Kriegsgefangenschaft, aus derer er im April 1946 entlassen wurde. Der nun im Widerstand zu den Nazis denkende junge Mann bekam eine Ausbildung im Gefängnis. Der Staat wollte Giebeler als Inoffiziellen Mitarbeiter (IM) gewinnen. Er aber wollte eine kirchliche Berufung. Die Kirche wiederum verweigerte ihm diese. So arbeitete Giebeler zunächst als Gefängnisseelsorger. Er kümmerte sich als „schützendes offenes Ohr“ um die Resozialisierung von Rechtsverbrechern. Während er auf der einen Seite tausende Häftlinge besuchte, selbst zwischen Paaren vermittel-te, die getrennt in unterschiedlichen Haftanstalten saßen, arbeitete er auf der anderen Seite nun doch als IM „Roland“. Er wollte von sich aus als Stasi-Spitzel fungieren und auch seinen Decknamen „Roland“ wählte er sich selbst. Konspirative Treffen sollen wohl auch in seiner eigenen Wohnung stattgefunden haben, da seine Frau mit einge-weiht werden sollte. Er berichtete der Stasi über das Gefängnis in Brandenburg, in dem er als Seelsorger arbeitete. Darunter zählten neben den Häftlingen auch Ärzte und katholische Kollegen. Selbst seinen eigenen Sohn und seine Schwester wurden von ihm bespitzelt. Einige Häftlinge seien verunsichert gewesen. Ein Mann, der sie mit Namen ansprach, nicht in Uniform gekleidet war und ihnen tatsächlich zuhörte, war ungewöhnlich. Die Tatsache, dass er Gespräche unter vier Augen führen durfte und sogar die Zellenschlüssel besaß, schürte nicht nur bei den Häftlingen großes Misstrauen. Auch erregten diese Fakten das Aufsehen einiger Stasi-Mitarbeiter. Marianne Subklew-Jeutner führte einst ein Interview mit dem Sohn Eckart Giebelers, Thomas Giebeler. Dieser bedauerte nach Veröffentlichung ihres Buches, dass sie nicht erwähnt habe, wie viele Dankesbriefe sein Vater von den Häftlingen erhalten habe. Immerhin brach Eckart Giebeler mit seinen Taten das Beichtgeheimnis. Es heißt, er habe sich bis zum Lebensende versucht zu rechtfertigen, obwohl ihn keiner der Stasi-Mitarbeiter zwang, als IM tätig zu sein. Er habe das ganz allein entschieden und bis zu Letzt auch so gewollt. Selbst nach der Veröffentlichung einer falschen Autobiografie sei er sich keiner Schuld bewusst gewesen. Laut Subklew-Jeutner sei dem Sohn Giebelers deutlich anzumerken, dass er die Schuld seines Vaters nicht wahrhaben wolle.

 

ALBRECHTFRABKE: „CHRISTA JOHANNSEN – EIN ERFUNDENES LEBEN“ AM SAMSTAG, DEN 14. MÄRZ 2020, UM 18.00 UHR

Die Schriftstellerin Christa Johannsen (1914-1981) war in der DDR mit zahlreichen Veröffentlichungen und Auszeichnungen etabliert. Sie engagierte sich für eine Literatur ohne Bevormundung und den literarischen Nachwuchs. Albrecht Franke verfolgt ihren Lebensweg zwischen Anpassen und Verfolgen, aber ebenso zwischen Aufmucken und unkonventionellen Lebensstil. So entsteht nicht nur die Erzählung eines Lebens, sondern eine Geschichte der Literatur der DDR und Deutschlands. Die Veranstaltung fand in Zusammenarbeit mit dem Mitteldeutschen Verlag statt. Albrecht Franke stellte sein Buch „Christa Johannsen – ein erfundenes Leben“ vor und erklärte zu Beginn, dass es eigentlich ganz anders heißen sollte: „Ich spucke im Bogen gegen den Wind.“ Er entschied sich allerdings dagegen, da sich Johannsen nicht komplett gegen den DDR-Staat auflehnte, sondern auch einen recht unkonventionellen Lebensstil führte. Christa Johannsen wurde am 17. November 1914 geboren und in der Kirche im Westen Halber-stadts getauft. Ihr Vater diente bereits im Ersten Weltkrieg. Ihr Bruder, der ebenfalls diente und ein „strammer SA“ der Waffen SS gewesen ist, schubste sie einmal in den See, obwohl sie gar nicht schwimmen konnte. Sie sollte es auf diese Art und Weise lernen. Trotz seiner konsequenten Art habe sie ihn immer angehimmelt. Der Bruder ist im Zweiten Weltkrieg bei Stalingrad gefallen. Franke selbst gehörte mit einigen anderen Jugendlichen einer Gruppe um Christa Johannsen an, die sich die Gruppe `73 oder auch die jungen Prosaisten nannte. Sie bezeichnete die jungen Leute als ihre Enkel, obwohl sie keine hatte. Laut Albrecht Franke habe sie auch eine Tochter erfunden, die so nie existierte. Johannsen wohnte im Jakobsturm in Magdeburg. Es war eine „elend kleine Wohnung“, in der sie dann auch am 08. oder 09. April 1981 starb. Laut Totenschein sei sie an Herzversagen gestorben. Die Behauptung, sie habe sich in der Dusche am Strick aufgehangen, bestand zeitgleich. Somit war ihre Todesursache, ähnlich wie ihre Persönlichkeit, etwas dubios. Albrecht Franke ist jedoch überzeugt: „Über ein Leben zu schreiben, das heißt oft, sich in die Position des Verurteilenden zu begeben.“

 

GERHARD BAUSE (AUTOR) MIT, STEPHAN KRAWCZYK (MUSIK): „OHNE RUHE ROLLT DAS MEER“ AM SMSTAG, DEN 14. MÄRZ 2020, UM 20.00 UHR

Der erste Protest im Eichsfeld. Ein jung verheiratetes Ehepaar erfährt, was es bedeutet, unter einer Diktatur der Willkür ausgesetzt, inhaftiert und verurteil zu werden. Der DDR-Staat ließ, um die SED-Herrschaft nicht zu gefährden, Tausende von Andersdenkenden von der Stasi in politischen Gefängnissen und Zuchthäusern einsperren, miss-handeln und psychisch quälen. Die Gedichte von Gerhard Bause zeigen in beeindruckenden Bildern die Zersetzung, den psychischen und physischen Terror, dem die Inhaftierten ausgesetzt waren, aber auch die nicht enden wollenden Schuldgefühle des Autors über die Mitinhaftierung seiner Frau. Stephan Krawczyk präsentierte die von ihm selbst vertonten und arrangierten Gedichte von Gerhard Bause. Die Lieder zeigen beispielhaft wie hart und langwierig die Anstrengungen sind, sich von traumatischen Erfahrungen zu befreien und sogar daran zu wachsen. Die Veranstaltung wurde gefördert vom Freistaat Sachsen aus dem Programm „Revolution und Demokratie“ und fand in Zusammenarbeit mit der ARTE FAKTE Verlagsanstalt statt. Die Veranstaltung eröffnete Tobias Hollitzer, Leiter der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“, mit einer kurzen Vorstellung der CD „Überwunden“, die vom Bürgerkomitee Leipzig e.V. herausgegeben wurde. Anschließend richtete Stephan Krawczyk, der 1955 in Weida geboren wurde und seit 1980 als freiberuflicher Sänger arbeitet, einführende Worte an das Publikum. Dabei stellte er den Autor der von ihm vertonten Gedichte, Gerhard Bause, vor. Bause und Krawczyk lernten sich vor etwa drei Jahren kennen. Die beiden Männer teilten das gleiche Schicksal der Inhaftierung zu DDR-Zeiten. Krawczyk spielte sein erstes Lied „Erinnerungen“ in Begleitung der Gitarre. Danach begann Bause Textstellen, unter anderem auch Gedichte, aus vier Kapiteln seines Buches vorzulesen. Allein die Titel der einzelnen Kapitel, beispielsweise „Nacht der Haft“, „Geraubte Zeit“ oder „Ein Jetzt und Hier“, deuten auf eine traumatische Erfahrung hin, die der Autor versucht zu verarbeiten. Gerhard Bause, der 1961 in Leinefelde geboren wurde, verfasste im Januar 1988 mit ein paar Freunden eine Prostest-Erklärung. Darin forderten sie die Freilassung inhaftierter politisch Andersdenkender, die Einhaltung der Menschenrechte und das Unterlassen des Einmischens seitens des Staates in kirchliche Angelegenheiten. 38 Menschen unterzeichneten diesen schriftlichen Protest. Im darauffolgenden Monat wurde er nach der Protestresolution verhaftet. Auch seine Frau Dorit wurde festgenommen. „Ich wusste meine Frau […] war nur ein paar Zellen weiter entfernt von mir. […] Ich hatte krampfhaft versucht, mit ihr Kontakt aufzunehmen.“ Bause erklärte: „Die schwerste Zeit war nicht im Gefängnis. Die schwerste Zeit war nach der Entlassung.“ 21 Monate Trennung von seiner mitinhaftierten Frau, die Öffnung der Grenze und die Vorwür-fe, die er sich selbst machte, hemmten ihn. Nach der Wiedervereinigung mit seiner Frau und darauffolgenden Geburten zweier Kinder verblasste die Vergangenheit allmählich. Als seine Tochter eines Tages ganz aufgeregt von der Schule kam und ihre Eltern fragte, ob sie denn auch im Gefängnis gesessen hätten, erklärten sie ihr die Geschehnisse und fingen an, sich mit der Vergangenheit auseinander zu setzen. So kam es, dass sie ihre Stasi-Akten, die sieben Jahre lang geschlossen gewesen waren, nun endlich öffneten und sich der Vergangenheit stellten. Bause sucht mit seinen Gedichten einen Ausdruck für seine Situation. Zwischen den Zeilen erkenne er keine Angst, nur Schmerz. Er verabschiedete sich mit den Worten, man müsse den vergangenen Eindrücken und deren Verbundenheit nachsinnen.

 

ERINNERUNG AN DEN 75. JAHRESTAG DER BEFREIUNG LEUIPZIGS DURCH DIE US-ARMEE AND DER GEDENKSTÄTTE MUSEUM IN DER „RUNDEN ECKE“ AM 18. APRIL 2020, UM 11.00 UHR

Anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung Leipzigs von der nationalsozialistischen Terrorherrschaft durch ameri-kanische Truppen sollte am Samstag, den 18. April 2020, um 11.00 Uhr vor der Gedenktafel an der „Runden Ecke“ die offizielle Gedenkfeier stattfinden zu der Oberbürgermeister Burghard Jung und US-Generalkonsul Timothy Eydelnant gemeinsam mit dem Leiter der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ Tobias Hollitzer einladen wollten. Leider konnte die geplante Veranstaltung aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie nicht stattfinden. Die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ wollte dennoch mit einem Zeitungsartikel an diesen für die Stadt Leipzig und ihre weitere Geschichte so prägenden Tag vor 75 Jahren erinnern. Am Abend des 18. April 1945 erreichten amerikanische Truppen der 2. und der 69. Infanteriedivision Leipzig und befreiten die Stadt kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges von der nationalsozialistischen Terrorherrschaft. Die Amerikaner bezogen in der „Runden Ecke“ am Innenstadtring Quartier und richteten hier ihr Hauptquartier sowie zeitweilig die Alliierte Militärregierung ein. Bis 1989 wurden diese ersten Wochen eines demokratischen Neuanfangs unter der amerikanischen Besatzung durch das SED-Regime systematisch verschwiegen, verdrängt und diffamiert. Im Schulunterricht war zu vermitteln: „die tatsächliche Befreiung fand erst durch den Einzug der Sowjetarmee statt“. Außerdem sollten „Beispiele für die Behinderung der Antifaschisten durch die Befehlshaber der anderen Armeen“ aufgeführt werden.“ Eine Sonderausstellung im Eingangsbereich der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ zur Besatzung Leipzigs durch amerikanische und sowjetische Truppen ab 1945 zeigt an Hand einzigartiger und teilweise bisher unbekannter Fotos und Dokumente die Befreiung durch die Amerikaner, den durch sie veranlassten demokratischen Neuanfang sowie den Besatzungswechsel und den Aufbau einer kommunistischen Diktatur unter sowjetischer Vorherrschaft. Mit der Ausstellung „Zwei Mal befreit?“ setzt sich das Museum in der „Runden Ecke“ nicht nur mit einem Stück Stadtgeschichte auseinander, sondern widmet sich auch ganz bewusst einem Teil der Hausgeschichte der heutigen Gedenkstätte und möchte einen Beitrag leisten zur über vierzig Jahre andauernden Geschichtsklitterung des SED-Regimes.

 

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AUS DEM GÄSTEBUCH


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Ein Besuch in der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ regt zum Nachdenken sowohl über Vergangenes als auch Gegenwärtiges an. Das Gästebuch bietet unseren Besucherinnen und Besuchern die Möglichkeit, ihre Eindrücke und Gedanken niederzuschreiben sowie Lob aber auch Kritik zu formulieren. Wir sammeln die Einträge und wollen Ihnen unter dieser Rubrik monatlich eine Auswahl präsentieren und so einen Einblick in die Wirkung der Gedenkstättenarbeit ermöglichen.

Im Folgenden finden Sie einige Einträge aus den letzten Tagen vor der Schließung und einige vom ersten Öffnungswochenende:

 

EINTRÄGE AUS DER AUSSTELLUNG „STASI – MACHT UND BANALITÄT“

 

„Tolles Museum!“

(Vivi, 12 Jahre am 01.03.2020)

 

„Cool! Sehr interessant.“

(Sophie, 9 Jahre am 01.03.2020)

 

„Danke, ich habe viel gelernt!"

(Suzie am 01.03.2020)

 

„Vielen Dank, auch ich als Kölner habe viel hinzugelernt. Dinge, die ich nie für möglich hielt“

(Besucher aus Köln am 02.03.2020)

 

„Für jeden West- und Ostdeutschen, vor allem für die Jugend Pflicht! diese Ausstellung! Gut, dass es so im Original erhalten wurde, nicht modernisiert etc.“

(M. Appelt am 02.03.2020)

 

„Die 11. Klasse der Martinschule war heute da. Sehr interessant und sehr authentisch!“

(Ein Besucher am 03.03.2020)

 

„Excellent museum. Fascinating.“ [Übersetzung: „Exzellentes Museum. Faszinierend.“]

(Ein Besucher aus Eisenach 10.03.2020)

 

„Ich bin heute zum 2. Mal hier mit Freunden, die das auch sehen sollen. Es soll nichts in Vergessenheit geraten!! – o.N. (ohne Namen) – man weiß ja nie…“

(Ein Besucher am 10.03.2020)

 

„Wir waren eigentlich zur Buchmesse hier, aber da sie nun leider abgesagt wurde haben wir uns diese Ausstellung angesehen. Es war sehr interessant und gut verständlich dargestellt. Werde ich weiterempfehlen! Danke!“

(Ein Besucher am 13.03.2020)

 

„Pas de salon du livre mais la visite de Leipzig est ne´anmoins intéressante. Ce musée est un been témoignage de cette époque de la DDR. On arrive á mieux appréhender comment s´est construit ce systeme et quels furent les en-jeux por la population d´alors. Merci pour cette belle exposition. De Catherine, France.” [„Leider keine Buchmesse aber der Besuch in Leipzig ist trotzdem interessant. Das Museum ist ein gutes Zeugnis für die Ära der DDR. Man kann besser verstehen wie dieses System aufgebaut wurde und was die Herausforderungen für die Bevölkerung waren. Vielen Dank für diese schöne Ausstellung. Catherine, Frankreich“]

(Catherine aus Frankreich am 13.03.2020)

 

Corona-bedingte Schließzeit

 

„Wie gut, dass es diese Doku-Stätte gibt. Es ist so viel Unrecht geschehen, das niemals vergessen werden darf. Dan-ke an alle, die am Aufbau und der Betreuung dieser Ausstellung beteiligt waren/sind.“

(Familie Schaast aus Hamburg am 30.05.2020)

 

„Wir sind zwei Syrer, die in Deutschland seit einem Jahr leben. Es hat viel Spaß gemacht hier zu sein. Die ganze Situation, die in der DDR war, haben wir auch in Syrien: „Die Beobachtung, Geheimdienst“. Und wir hoffen, dass sich eines Tages die Situation in Syrien ändern wird, dass die Gefängnisse dort zu Museen werden.“

(Besucher am 30.05.2020)

 

« Yo say de Mesxiko: me encanti el museo, esta muy interessante et tema. Muchas gracias por la explication! »[Übersetzung: „Ich komme aus Mexiko: mich fasziniert das Museum, es ist ein sehr interessantes Thema. Vielen Dank für die Erklärung!“ ]

(Ein Besucher am 31.05.2020)

 

„Es ist sehr spannend und krass, was da passiert ist. Unmöglich, dass das alles passiert ist, ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das war. Danke! Schöne Ausstellung!“

(Ein Besucher am 31.05.2020)

 

„Ich finde die Ausstellung sehr interessant. Wir haben das Thema gerade in Geschichte und deswegen war es passend, auch mehr zum Thema zu erfahren. Tolle Ausstellung“

(Ein Besucher am 31.05.2020)

 

„Wir waren im Corona-Zeitalter hier. Pfingstsonntag 31.05.2020. Wir mussten uns brav mit Wartezeit und Abstand halten anstellen. Die nette Dame die gleich auf jeden Besucher zukam, machte es uns leicht zu warten! Vielen lie-ben Dank!“

(Besucher aus Osnabrück am 31.05.2020)

 

„Es ist sehr spannend und interessant! Tolle Abwechslung. Mein neues Lieblingsmuseum.“

(Ein Besucher aus Bayern am 31.05.2020)


 



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für die Auflösung der ehemaligen Staatssicherheit (MfS)
Träger der Gedenkstätte
Museum in der „Runden Ecke“ mit dem Museum im Stasi-Bunker
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