Objekt- und Fotodatenbank Online im Museum in der Runden Ecke



Inventar-Nr: 06873
Objekt: Transparent


Transparent "Für immer! Wieviel Geheimdienst braucht ein Land?"

Das aus Papier und einer Hartfaserplatte hergestellte Transparent ist beidseitig beschrieben und bemalt. Auf der einen Seite trägt es die Botschaften "Wieviel Geheimdienst braucht ein Land ? Soviel, wie die Politiker schlechtes Gewissen haben ! Ohne Spitzel lebt´s sich besser. Mit Vertrauen, stimmt´s? Geheimdeinste? - Kein Bedarf !" Dazwischen ist ein Telefon aufgemalt, das von einem großen Ohr abgehört wird. Durch eine Hand wird dieses Ohr mit einem großen Stöpsel verschlossen. Der große rote Schriftzug "Für immer!" macht die Darstellung zur Forderung, die sich gegen die jahrelang durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) betriebene Telefonüberwachung richtet. Gleichzeitig spricht aus dieser Darstellung die Sorge, bundesdeutsche Nachrichtendienste könnten künftig ebenso wie das MfS verfahren. Auf der anderen Seite des Transparents wird der offene Umgang mit den Hinterlassenschaften der Stasi verlangt: "Vergangenheitsbewältigung heißt öffentliche Aktenaufarbeitung / sofort, hier / keine Sperrfristen für Stasi -u. SED-Akten".

Am 24. August 1990 hatte die erste frei gewählte Volkskammer der DDR einstimmig ein Gesetz beschlossen, das die Sicherung und Nutzung der Akten des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) zum Zwecke der "politische[n], historische[n] und juristische[n] Aufarbeitung" sicherstellen sollte. Kurz darauf wurde bekannt, dass die Verhandlungsführer Wolfgang Schäuble auf bundesdeutscher und Günther Krause auf DDR-Seite sich weigerten, dieses Gesetz als fortgeltendes Recht in den Einigungsvertrag vom 31. August 1990 aufzunehmen. Dies führte sowohl zu Protesten der Volkskammer, die die Verhandlungsführer aufforderte, das DDR-Gesetz in den Einigungsvertrag aufzunehmen, als auch von Bürgerrechtlern, denen vor allem die im Einigungsvertrag vorgesehene zentrale Lagerung als auch die Nutzungsmöglichkeiten westdeutscher Geheimdienste ein Dorn im Auge war. So besetzten mehrere prominente Bürgerrechtler am 4. September 1990 das ehemalige MfS-Archiv in Berlin und begannen einen viel beachteten Hungerstreik. In Leipzig begannen 5 junge Leute auf der Treppe der "Runden Ecke" sowie im Vorraum am 14. September 1990 einen Hungerstreik. Diese Proteste erzwangen Nachverhandlungen. Eine Durchführungsvereinbarung zum Einigungsvertrag vom 18. September 1990 regelte, dass Grundsätze des Volkskammergesetzes in einem künftigen Bundesgesetz berücksichtigt werden sollten, eine geheimdienstliche Nutzung der Stasi-Akten weitgehend ausgeschlossen wurde und die Akten auch regional gelagert werden konnten. Die Beratungen zu einem neuen Gesetz sollten vom Deutschen Bundestag unmittelbar nach der Vereinigung aufgenommen werden. Der Einigungsvertrag vom 31. August 1990 und die Durchführungsvereinbarung vom 18. September 1990 wurden von der Volkskammer am 20. September 1990 und vom Deutschen Bundestag am 23. September 1990 ratifiziert. Der Hungerstreik in Leipzig, an dem zum Schluss 24 Personen teilnahmen, endete am 28. September 1990. Das Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG) wurde am 14. November 1991 verabschiedet. Bereits am Tag der Vereinigung (3. Oktober 1990) war Joachim Gauck als erster Sonderbeauftragter der Bundesregierung für die Stasi-Unterlagen ernannt worden (vgl. auch weitere Transparente zum Hungerstreik sowie Objekte zum Bürgerkomitee Leipzig).


Sammlung: Transparente
Datierung: 09.1990
Hersteller: Bürgerkomitee Leipzig e. V.
Maße: Höhe: 60,5 cm; Breite: 85 cm; Tiefe: ,4 cm
Material: Hartfaser, Papier
Farbe: Transparent: braun,
Schrift: schwarz, rot
Verwendung: Protest und Demonstrationen





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ausgedruckt am 29.03.2024