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Inventar-Nr: 09791
Objekt: Samisdat


Samisdat "Vierzig Quark der Deutschen Desinfizierten Republik" (Flugblatt-Banknote)

Diese Flugblatt-"Banknote" wurde im September 1989 von Mitgliedern des "Freundeskreises Wehrdiensttotalverweigerer" in einer leeren Berliner Hinterhauswohnung im Siebdruckverfahren hergestellt. Als Vorlage diente ein Geldschein der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Die notwendigen Kenntnisse für das einfache Druckverfahren erlernten die Hersteller von oppositionellen Freunden aus Polen ("Solidarnosc"). Auch einige der Druckutensilien waren Spenden aus Polen. Die "neue Währung" - der 40-Quark-Schein - wurde kurz vor dem 40. Jahrestag der DDR am 7. Oktober 1989 in Umlauf gebracht. Das "Geburtstagsgeld" verstreute man in Berliner Verkehrsmitteln und steckte es auch in Briefkästen. Eine Person, die die Scheine weiterverbreitete, aber selber nicht zum "Freundeskreis" gehörte, wurde deswegen inhaftiert. Auf der Vorderseite des Scheines sind als Sinnbild der kommunistischen Gewaltherrschaft der sowjetische Diktator Stalin und als Symbol des Machtinstrumentes der DDR-Führung, das Wappen der Deutschen Volkspolizei (DVP) abgebildet. Die Registriernummer, eine aus vier Jahreszahlen zusammengesetzte Zahlenreihe ("49 53 61 89"), basiert auf bedeutenden Ereignissen der DDR-Geschichte. Das Jahr 1949 steht für die Gründung der DDR, das Jahr 1953 für den Volksaufstand vom 17. Juni, das Jahr 1961 für den Beginn des Baus der Berliner Mauer am 13. August und das Jahr 1989 für den 40. DDR-Geburtstag. In Bezug auf die fortschreitende Umweltzerstörung in der DDR ist auf der Rückseite ein entnadelter Wald abgebildet dessen Silhouette in einen Industriebetrieb mit qualmenden Schornsteinen übergeht. Die genaue Auflage des Scheines konnte bisher noch nicht sicher nachgewiesen werden. Nach verschiedenen Angaben soll sie sich zwischen 2.600 bis etwa 7.000 Stück bewegt haben.

In der DDR waren Vervielfältigungsgeräte äußerst selten, der private und unkontrollierte Besitz einer solchen Maschine daher fast unmöglich und verboten. Jegliches Drucken, selbst von persönlichem Briefpapier, war in der DDR nur mit einer staatlichen Druckgenehmigung erlaubt. Neben der staatlichen Verwaltung und einigen Betrieben durften lediglich kirchliche Einrichtungen für den "innerkirchlichen Dienstgebrauch" eigene "Druckmaschinen" besitzen. Zum Teil stellten sie diese den Bürgerrechtlern für ihre Arbeit zur Verfügung. Zahlreiche Schriften der oppositionellen Untergrundliteratur - der Samisdat - entstanden daher unter dem Dach der Kirche. Es existierten daneben aber auch einige wenige nicht registrierte, also illegale Geräte, auf denen u.a. auch Flugblätter, Aufrufe und Handzettel kopiert wurden. Bis zum Ende der DDR verbreitete die Opposition ihre Erklärungen und Forderungen aber auch weiterhin - ähnlich wie in den Anfängen des DDR-Samisdats in den 1960er Jahren - per Schreibmaschine. Teilweise war sie aber auch auf Fotoabzüge oder Siebdruck angewiesen.


Sammlung: Druckgut
Datierung: 09.1989
Hersteller: Freundeskreis Wehrdiensttotalverweigerer
Maße: Breite: 138 mm; Länge: 61 mm
Material: Papier
Farbe: Blatt: weiß,
Aufdruck: rot
Verwendung: Protest und Demonstrationen





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ausgedruckt am 19.04.2024