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Inventar-Nr: 15798
Objekt: Postkarte


Postkarte "Essen aus Deutschland. Fleisch ist ein Stück Lebenskraft"

Bei dieser fototechnisch hergestellten Postkarte "ESSEN AUS DEUTSCHLAND Fleisch ist ein Stück Lebenskraft" handelt es sich um ein Produkt, das während des VIII. Schweriner Ökologieseminars am 12. und 13. März 1989 entstanden ist. Die aus einer Collage entworfene Karte ist als Staatsflagge der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) gestaltet. Das Staatswappen ist als Teller ausgeführt, auf dem ein Schweinekopf liegt. Die Karte ist auf der Rückseite beschrieben, wurde aber nicht offen auf dem Postweg verschickt. Aufgrund seines ungewöhnlichen Motivs, eine Kritik an der industriellen Massentierhaltung und der damit einhergehenden Umweltverschmutzung in der DDR, wäre die Karte sofort durch die für die Postkontrolle zuständige Abteilung M des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) einbehalten und ausgewertet worden (vgl. eine weitere selbst gestaltete Postkarte).

In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre hatte sich im kirchlichen Rahmen eine aktive Umweltbewegung etabliert. Zu den Themen der Umweltgruppen - im Leipziger Raum waren besonders die Arbeitsgruppe Umweltschutz und das Christliche Umweltseminar Rötha aktiv - gehörten auch die Folgen der industrialisierten Landwirtschaft. Auf dem Schweriner Ökologieseminar im März 1989 wurden erstmals in einer überregionalen Zusammenkunft kirchlicher Umweltgruppen die industrielle Massentierhaltung, die Großflächenwirtschaft und die damit einhergehende chemische Belastung der Böden thematisiert. Die vorliegende Postkarte griff das Problem der "industriellen Tierproduktion" in der DDR am Beispiel der Schweinemastproduktion auf. Mit 12,5 Millionen Schweinen stellte die allein für den fleischlichen Verzehr ausgerichtete Massentierhaltung Ende der 1980er Jahre den zweitgrößten Tierbestand nach Geflügel in der DDR-Tierproduktion dar. Dies hatte für die Regionen in denen die Mastanlagen standen schwerwiegende Folgen. Riesige Mengen an Gülle belasteten die Böden und führten zu einer Verschmutzung des Oberflächen- und Grundwassers. In die Kritik an der Massentierhaltung wurde aber auch die Bundesrepublik Deutschland mit einbezogen. Dies wird nicht nur durch den auf beide deutsche Staaten bezogenen Ausspruch "Essen aus Deutschland" deutlich, sondern auch in der Verwendung des Slogans "Fleisch ist ein Stück Lebenskraft". Dabei handelt es sich um einen Werbespruch der 1976 von der Centralen Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarproduktion (CMA) im Auftrag der Bundesregierung konzipiert wurde. Er trug entscheidend dazu bei, dass der tägliche Konsum von Fleisch und Wurst aus Massentierhaltungen als Zeichen eines hohen Lebensstandards von der Bevölkerung der Bundesrepublik zumeist kritiklos anerkannt wurde. Auch in der DDR galt der häufige Konsum von Fleisch als Zeichen des gesellschaftlichen Wohlstands. Der daraus resultierende hohe Tierbestand und die industrielle Produktion von Fleisch führten zu enormen Umweltschädigungen, andererseits veränderten sich aber auch die ursprünglich gewachsenen ländlichen Sozialstrukturen. In einem Beitrag des Schweriner Ökologieseminars wurden die Folgen dieses Wandels mit den Worten Michail Gorbatschows, von der zunehmenden Entfremdung der Menschen von den Produktionsmitteln dargelegt. Dies stellte einerseits eine klare Kritik an den ökologischen Prozessen in der DDR dar, andererseits wird hier der Mythos des "besseren" Deutschlands zerstört, als das sich die DDR selber verstand.


Sammlung: Sonstiges
Datierung: 28.04.1989, 12.03.1989-13.03.1989
Hersteller: unbekannt
Maße: Länge: 8,7 cm; Breite: 12,5 cm
Material: Fotopapier
Farbe: schwarz-weiß
Verwendung: Protest und Demonstrationen





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ausgedruckt am 20.04.2024