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Inventar-Nr: 17521
Objekt: Handzettel


Flugblatt mit dem Protestaufruf zu den anhaltenden politischen Repressionen in der Tschechoslowakei

Auf dem vorliegenden Flugblatt ist der gemeinsame Protestaufruf der Umwelt-Bibliothek Berlin, der Initiative Frieden und Menschenrechte Berlin und der Gruppe Gegenstimmen Berlin "abgedruckt", in dem die politischen Verfolgungen in der CSSR verurteilt und zur Solidarität mit den Inhaftierten und Verurteilten im sozialistischen Nachbarland aufgefordert wird. Der Aufruf vom 19. März 1989 wurde ebenfalls in den "Umweltblättern" veröffentlicht und verbreitet. Den Text erstellte man auf einem Computer, hergestellt in größerer Stückzahl wurde der Aufruf im Schablonen-Verfahren auf einem Vervielfältigungsgerät. Die Mitarbeiter der Umweltbibliothek nutzten die Sonderdruckgenehmigung der Evangelischen Kirche, um unter dem Vermerk "Nur zur innerkirchlichen Information" diesen Aufruf, als auch andere systemkritische Beiträge zu veröffentlichen. Solche unter dem Schutz der Kirche herausgegebenen Schriftstücke waren eines der wenigen Mittel, das staatliche Informationsmonopol zu durchbrechen und die Öffentlichkeit zu erreichen (vgl. dazu auch den politischen Samisdat und kirchlichen Halbsamisdat).

In der CSSR wurde im Zusammenhang mit der Vorbereitung und Teilnahme an unabhängigen Demonstrationen zum 70. Jahrestag der Gründung der tschechoslowakischen Republik am 28. Oktober 1988, zum Tag der Menschenrechtscharta am 10. Dezember 1988 und anlässlich des 20. Jahrestages der Selbstverbrennung von Jan Palach im Januar 1989, gegen mehrere Bürger gerichtlich vorgegangen. Regimekritiker, darunter zahlreiche Mitglieder der Reformbewegung "Charta 77", unter ihnen Vaclav Havel, wurden zu mehrmonatigen Haftstrafen verurteilt. Havel organisierte zusammen mit weiteren Mitgliedern unabhängiger Bürgerinitiativen eine Veranstaltung zum Andenken an Jan Palach, der sich am 16. Januar 1969 aus Protest gegen die Besetzung der CSSR durch Truppen des Warschauer Paktes auf dem Prager Wenzelsplatz selbst verbrannte. Die Verhaftungen führten weltweit zu Protesten, so auch in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Am 23. Februar 1989 protestierten 19 Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen gegen die Verhaftungen und Verurteilungen in der CSSR. Dem Protest schlossen sich kurze Zeit später noch weitere Gruppen an. Bürgerrechtler in der DDR organisierten Solidaritätsveranstaltungen für die politisch Verfolgten im sozialistischen Nachbarland. Für den 19. März 1989 wurde zu einem landesweiten Aktionstag aufgerufen, den das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) - vergeblich - versuchte zu verhindern. In Leipzig fand der Aktionstag, unter permanenter Beobachtung der Staatssicherheit (vgl. dazu HA XX), in den Räumen der Markusgemeinde statt. Etwa 40 Personen nahmen daran teil. Einen Tag später, am 20. März 1989 entrollten Basisgruppenmitglieder während des Friedensgebetes in der Nikolaikirche ein Transparent mit der Aufschrift "Freiheit für Havel und alle politischen und religiösen Inhaftierten in der CSSR". Die von den Bürgerrechtlern organisierten Solidaritätsveranstaltungen veranlassten einige Tage später das Zentralorgan und Sprachrohr der SED, das Neue Deutschland einen diffamierenden Artikel über Vaclav Havel zu veröffentlichen. Im Mai 1989 kam Havel nach weltweiten Protesten wieder frei.


Sammlung: Plakatsammlung
Datierung: 19.03.1989
Hersteller: Gruppe Gegenstimmen Berlin, Umweltbibliothek Berlin, Initiative Frieden und Menschenrechte, Berlin
Maße: Länge: 29,7 cm; Breite: 21 cm
Material: Papier
Farbe: Aufdruck: schwarz,
Blatt: beige
Verwendung: Protest und Demonstrationen, Information





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ausgedruckt am 29.03.2024