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Inventar-Nr: 17876
Objekt: Transparent


Transparent "Wir Kinder fürchten uns vor Leuna, Buna ..."

Das aus zwei weißen Bettlakenteilen zusammengenähte bemalte Transparent mit der roten und schwarzen zweizeiligen Aufschrift "Wir Kinder fürchten uns vor Leuna, Buna ...!" aus der Zeit der Friedlichen Revolution stammt von Reinhard Bohse, einem der Mitbegründer der Bürgerinitiative "Neues Forum" in Leipzig. Er war auch maßgeblich am Aufbau der Redaktionsgruppe beteiligt, aus welcher der Forum Verlag und die unabhängige Wochenzeitung "Die Leipziger Andere Zeitung (DAZ)" hervorgegangen sind. Das Transparent wurde während der Leipziger Montagsdemonstration am 20. November 1989 von seinen Kindern getragen, die gegen die bestehende Umweltverschmutzung in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) demonstrierten. Insbesondere die chemischen Großbetriebe Leuna und Buna im Chemiedreieck Halle-Bitterfeld-Leipzig, trugen damals massiv zur Umweltverschmutzung bei. Im bedeutendsten industriellen Ballungsraum gelegen, war Leipzig somit die am stärksten ökologisch belastete Großstadt der DDR. Bereits seit Mitte der 1980er Jahre riefen die täglich erfahrbaren ökologischen Missstände verstärkt Proteste hervor. Vermehrt schrieben Bürger Eingaben oder organisierten sich in unabhängigen Umweltgruppen unter dem Dach der Kirche. Trotz der Verbote durch die SED erarbeiteten die Umweltgruppen Studien zur Umweltsituation, organisierten Aktionen wie die jährliche kirchliche Veranstaltung "Mobil ohne Auto" oder Baumpflanzungen. Im Leipziger Raum war besonders die Arbeitsgruppe Umweltschutz beim Jugendpfarramt (AGU) aktiv. So informierte und protestierte 1988 das Christliche Umweltseminar Rötha (CUR) in der landesweiten Aktion "1 Mark für Espenhain" über die gigantische Umweltverschmutzung südlich der Messestadt (siehe auch ein weiteres Bohse-Transparent).

Nachdem das Neue Forum am 8. November 1989 als politische Kraft offiziell anerkannt worden war, rief es für den Sonnabend, den 18. November, zu seiner ersten Kundgebung auf dem Georgi-Dimitroff-Platz (heute Simsonplatz) in Leipzig. An dem Ort, an dem eine Woche vorher die SED nur etwa 6.000 Sympathisanten mobilisieren konnte, versammelten sich jetzt weit über 10.000 Anhänger des Neuen Forums. Die inzwischen legalisierte Opposition war endgültig in der Öffentlichkeit präsent. Am 20. November 1989 demonstrierten erneut etwa 200.000 Menschen in Leipzig auf dem Ring. Erstmals ergriffen vor Beginn der Demonstration wahrnehmbar mehrere Redner das Wort. Die Forderungen wurden immer differenzierter. Nach den erzwungenen Rücktritten hoher SED-Funktionäre verlangten die Demonstranten jetzt deren Bestrafung und die Auflösung der SED, weiterhin aber auch die Einführung der Marktwirtschaft und die Veränderung der Lebensqualität und Beachtung der Umweltprobleme. Die SED aktivierte aber auch weiterhin ihre militärischen Strukturen zur Machtsicherung. So wurden eine Woche nach der Öffnung der Mauer am 9. November 1989 die Wehrkommandos der Nationalen Volksarmee (NVA) in "ständige Gefechtsbereitschaft" und die Bezirkseinsatzleitungen (BEL) in "ständige Führungsbereitschaft" versetzt. Die Armee stand noch immer zur Unterstützung der Sicherheitskräfte bereit.


Sammlung: Transparente
Datierung: 20.11.1989
Hersteller: Familie Bohse
Maße: Breite: 242 cm; Länge: 95 cm
Material: Baumwolle
Farbe: Tuch: weiß,
Aufschrift: rot, schwarz,
Bemalung: gelb, gelb, hellblau, hellgrün,
Stempel: grau
Verwendung: Protest und Demonstrationen




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ausgedruckt am 18.04.2024