Objekt- und Fotodatenbank Online im Museum in der Runden Ecke



Inventar-Nr: 06846
Objekt: Transparent


Transparent "Wir fordern: Mitspracherecht zum Verbleib der Akten. Mahnwache des BK und des Neuen Forums. HUNGERSTREIK Keine Akte an den BND"

Das aus zwei weißen Stoffteilen zusammengesetzte Transparent mit den sechs- und dreizeiligen Aufschriften "Wir fordern: Mitspracherecht zum Verbleib der Akten Mahnwache des BK [Bürgerkomitee Leipzig] und des Neuen Forums" sowie "HUNGERSTREIK Keine Akte an den BND" hing im September 1990 am Balkon über dem Eingang der "Runden Ecke" in Leipzig. Im Vorraum und auf der Treppe des Gebäudes hielten damals Leipziger Bürgerrechtler einen Hungerstreik ab. Sie äußerten damit auf drastische Weise ihren Unmut über den geplanten Umgang mit den Stasi-Unterlagen, u.a. befürchteten sie, dass die Stasi-Unterlagen nach der Vereinigung an den Bundesnachrichtendienst (BND) übergeben werden sollten. Während man den schwarz bemalten oberen Teil des Transparentes bereits vor Beginn der Hungerstreikaktion - nach Aufstellung einer Mahnwache - am Balkon anbrachte, wurde der untere Teil mit der schwarz und rot ausgeführten Aufschrift erst einige Tage später mit einem Strick an das schon hängende Transparentteil angeknüpft.

Am 24. August 1990 hatte die erste frei gewählte Volkskammer der DDR einstimmig ein Gesetz beschlossen, das die Sicherung und Nutzung der Akten des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) zum Zwecke der "politische[n], historische[n] und juristische[n] Aufarbeitung" sicherstellen sollte. Kurz darauf wurde bekannt, dass die Verhandlungsführer Wolfgang Schäuble auf bundesdeutscher und Günther Krause auf DDR-Seite sich weigerten, dieses Gesetz als fortgeltendes Recht in den Einigungsvertrag vom 31. August 1990 aufzunehmen. Dies führte sowohl zu Protesten der Volkskammer, die die Verhandlungsführer aufforderte, das DDR-Gesetz in den Einigungsvertrag aufzunehmen, als auch von Bürgerrechtlern, denen vor allem die im Einigungsvertrag vorgesehene zentrale Lagerung als auch die Nutzungsmöglichkeiten westdeutscher Geheimdienste ein Dorn im Auge war. So besetzten mehrere prominente Bürgerrechtler am 4. September 1990 das ehemalige MfS-Archiv in Berlin und begannen einen viel beachteten Hungerstreik. In Leipzig begannen 5 junge Leute auf der Treppe der "Runden Ecke" sowie im Vorraum am 14. September 1990 (am Tag nach Aufstellung einer Mahnwache) einen Hungerstreik. Diese Proteste erzwangen Nachverhandlungen. Eine Durchführungsvereinbarung zum Einigungsvertrag vom 18. September 1990 regelte, dass Grundsätze des Volkskammergesetzes in einem künftigen Bundesgesetz berücksichtigt werden sollten, eine geheimdienstliche Nutzung der Stasi-Akten weitgehend ausgeschlossen wurde und die Akten auch regional gelagert werden konnten. Die Beratungen zu einem neuen Gesetz sollten vom Deutschen Bundestag unmittelbar nach der Vereinigung aufgenommen werden. Der Einigungsvertrag vom 31. August 1990 und die Durchführungsvereinbarung vom 18. September 1990 wurden von der Volkskammer am 20. September 1990 und vom Deutschen Bundestag am 23. September 1990 ratifiziert. Der Hungerstreik in Leipzig, an dem zum Schluss 24 Personen teilnahmen, endete am 28. September 1990. Das Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG) wurde am 14. November 1991 verabschiedet. Bereits am Tag der Vereinigung (3. Oktober 1990) war Joachim Gauck als erster Sonderbeauftragter der Bundesregierung für die Stasi-Unterlagen ernannt worden (vgl. alle Transparente zum Hungerstreik sowie Objekte zum Bürgerkomitee Leipzig).


Sammlung: Transparente
Datierung: 14.09.1990-28.09.1990
Hersteller: unbekannt
Maße: Länge: 250 cm; Breite: 175 cm
Material: Baumwolle
Farbe: Aufschrift: rot, schwarz,
Tuch: weiß
Verwendung: Protest und Demonstrationen








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