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Inventar-Nr: 06868
Objekt: Transparent


Transparent "Weg mit Hager und anderen Tapetenwechslern!"

Das weiße Stofftransparent mit der blau gemalten zweizeiligen Aufschrift "Weg mit Hager und anderen 'Tapetenwechslern' !" wurde während der Friedlichen Revolution, vermutlich auf einer der Leipziger Montagsdemonstrationen im Oktober 1989, getragen. Die Forderung der Demonstranten galt der sofortigen Absetzung des Politbüromitgliedes und Chefideologen der SED, Kurt Hager und der SED-Parteiführung, der man die angekündigte "Wende" nicht abnahm. Bei der Losung griffen die Hersteller des Transparentes auf eine Aussage von Kurt Hager zurück. Bereits 1987 verkündete er in der westdeutschen Zeitschrift "Stern" zu den Reformen Gorbatschows in der Sowjetunion zynisch, dass die Deutsche Demokratische Republik (DDR) sich nicht verpflichtet sehe, ihr Haus zu tapezieren, bloß weil der große Nachbar renoviert. Damit wurde die jahrzehntelang verkündete Losung "Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen" mit der Reformpolitik Moskaus für die SED-Führung auf einmal ungültig. Die nach dem Sturz von Erich Honecker auf einmal eingeleitete "Wende" durch die "Tapetenwechsler" galt daher als unglaubwürdig. Am 3. November 1989 traten dann aufgrund der Massenproteste fünf SED-Politbüromitglieder zurück, unter ihnen auch Kurt Hager und der Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke.

In der DDR beteiligten sich nach dem 9. Oktober 1989 immer mehr Menschen an Demonstrationen und Kundgebungen. Der Aufbruch erfasste zunehmend das ganze Land. Mit der Eroberung der Straße wurden dort die entscheidenden politischen Forderungen gestellt. Der Druck der Straße zeigte Wirkung. Die Führungsriege der SED entschloss sich am 17. Oktober 1989 zum Sturz von Erich Honecker. Neuer Generalsekretär wurde der bereits zuvor als "Kronprinz" gehandelte Egon Krenz. Dessen Machtübernahme war eine deutliche Absage der SED an einen radikalen Kurswechsel. Trotzdem verkündete Krenz, dass die SED die "Wende" eingeleitet habe. In Leipzig wuchs die Zahl derer, die an den Montagsdemonstrationen teilnahmen, rapide. Noch mehr Demonstranten reisten dafür aus den benachbarten Bezirken an. Am 23. Oktober 1989 zogen etwa 200.000 Menschen friedlich um den Leipziger Ring. Erstmals äußerten viele von ihnen selbstbewusst ihre Forderungen auf Transparenten. Sie verlangten vor allem die Zulassung des Neuen Forums, die Freilassung von politischen Häftlingen und Reisefreiheit. Am 24. Oktober 1989 übernahm der neue SED-Chef Egon Krenz das Amt des Staatsratsvorsitzenden und des Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates (NVR). Diese erneute Ämterhäufung zeigte, dass die SED die alten Machtstrukturen wiederhergestellt hatte, und führte zu weiteren scharfen Protesten im ganzen Land. An der Leipziger Montagsdemonstration am 30. Oktober 1989 beteiligten sich nun schon bis zu 300.000 Personen. Auf den zunehmenden Druck der Straße reagierte die SED unter anderem mit einer Amnestie für politische Häftlinge. Die sich weiter formierende Opposition aber versuchte sie als "antisozialistische Sammlungsbewegung" zu bekämpfen. Eine Vorlage für das Politbüro schloss bei weiteren Demonstrationen wie in Leipzig und Dresden auch die Ausrufung des Ausnahmezustandes nicht mehr aus. Noch immer standen militärische Einheiten zum Eingreifen bereit.


Sammlung: Transparente
Datierung: ab 10.1989
Hersteller: Manfred Baier
Maße: Länge: 62 cm; Breite: 180 cm
Material: Baumwolle
Farbe: Aufschrift: blau,
Tuch: weiß
Verwendung: Protest und Demonstrationen








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