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Inventar-Nr: 17520
Objekt: Handzettel


Flugblatt mit der Erklärung von Uwe Kolbe vom 4. Februar 1988 (Solidaritätsbekundung mit den Inhaftierten)

Auf dem vorliegenden Flugblatt ist die Erklärung des Schriftstellers Uwe Kolbe "abgedruckt" in der er sich mit den Inhaftierten solidarisierte, die im Zusammenhang mit der offiziellen Gedenkdemonstration in Berlin anlässlich des 69. Jahrestages der Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg am 17. Januar 1988 in Untersuchungshaft kamen. Mit eigenen Losungen wollten Bürgerrechtler der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) an dieser Demonstration teilnehmen. Uwe Kolbe verlas seine Erklärung während einer Fürbittandacht für die Inhaftierten am 4. Februar 1988 in der Berliner Gethsemanekirche. Die Erklärung wurde auf einem "Spritumdrucker" vervielfältigt (hektografiert) und in Umlauf gebracht (vgl. weitere hektografierte Schriften).

Der Jahrestag der Ermordung der beiden Gründungsmitglieder der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) gehörte zum zentralen Erinnerungskanon der SED. Aber auch für Oppositionelle waren besonders die Texte von Rosa Luxemburg attraktiv. Im Januar 1988 hatten Berliner Bürgerrechtler versucht, sich mit Transparenten mit der Losung "Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden" unter den offiziellen Demonstrationszug zu den Gräbern der Arbeiterführer ("Gedenkstätte der Sozialisten") in Berlin-Friedrichsfelde zu mischen und waren verhaftet worden. Das Luxemburg-Zitat war eine klare Provokation für die SED. Filmaufnahmen von den Festnahmen durch anwesende Fernsehteams von ARD und ZDF wurden durch Sicherheitskräfte verhindert. Einige wichtige Berliner Oppositionelle, wie Bärbel Bohley, Freya Klier und Stephan Krawczyk, wurden unter Androhung langer Haftstrafen zur Ausreise erpresst. Die Verhaftungen und Abschiebungen hatten eine in der DDR bis daher nicht gekannte Solidaritätswelle zur Folge. Leipziger Basisgruppen installierten ein Kontakttelefon und veranstalteten regelmäßige Fürbittandachten für die in Berlin Verhafteten. Für eine Grafik-Auktion der evangelisch-reformierten Gemeinde Leipzigs spendeten ca. 90 Künstler 170 Grafiken. Der Erlös von 16.000 (DDR-)Mark sollte zur Unterstützung der verhafteten Berliner Bürgerrechtler verwandt werden. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) registrierte ab diesem Zeitpunkt bis zum November 1989 alle DDR-weiten Protestaktionen unter dem Decknamen "Aktion Störenfried".

Anlässlich des 70. Jahrestages der Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg planten Leipziger Oppositionelle eine Demonstration in der Leipziger Innenstadt. Ausgehend von den Berliner Ereignissen des Vorjahres rief eine "Initiative zur demokratischen Erneuerung der Gesellschaft" alle Bürger der Stadt Leipzig zu einer Demonstration für demokratische Grundrechte am 15. Januar 1989 auf. Dazu wurden illegal 10.000 Flugblätter in kirchlichen Räumen gedruckt. Es war die erste nicht genehmigte Demonstration der 1980er Jahre in Leipzig, an der sich überwiegend nicht in Oppositionsgruppen organisierte Bürger beteiligten (siehe dazu die Dokumentation zu den Ereignissen vom 15. Januar 1989).


Sammlung: Plakatsammlung
Datierung: 04.02.1988
Hersteller: Uwe Kolbe
Maße: Breite: 21,1 cm; Länge: 29,7 cm
Material: Papier
Farbe: Blatt: beige,
Aufdruck: violett
Verwendung: Information, Protest und Demonstrationen








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