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Inventar-Nr: 17624
Objekt: Handzettel


Flugblatt mit dem Aufruf zur Bildung einer Initiativgruppe mit dem Ziel, eine sozialdemokratische Partei in der DDR ins Leben zu rufen

Am 24. Juli 1989 verfassten die beiden Pfarrer Martin Gutzeit und Markus Meckel in Niederndodeleben diesen Aufruf mit der Absicht, in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) eine sozialdemokratische Partei zu gründen. In ihrem Programm vertraten die Initiatoren die Auffassung, dass in der DDR für eine "notwendige Demokratisierung der Gesellschaft" entsprechende Voraussetzungen und Bedingungen geschaffen werden müssten, zu denen auch die "Erarbeitung einer politischen Alternative" zähle. Das Ziel sei eine neue Partei, die für eine "ökologisch orientierte soziale Demokratie" stehen sollte. Offen wurde in dem Papier der Staat herausgefordert, stellte man doch den "absoluten Wahrheits- und Machtanspruch der SED" in Frage. Damit griffen sie das Machtmonopol und die Legitimation der SED an. Nicht nur die Tatsache, das eine oppositionelle Partei zu gründen illegal war, insbesondere das es sich dabei um eine sozialdemokratische handeln sollte, stellte für die SED eine Provokation dar, war diese doch der Auffassung, der alleinige Vertreter der Arbeiterklasse zu sein. Anfangs nur wenigen bekannt und nicht öffentlich verbreitet, wurde der Aufruf am 26. August 1989 im Rahmen eines Menschenrechtsseminars in der Golgathakirchgemeinde Berlin erstmals einem größeren Publikum vorgestellt. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) war von Anfang an umfassend über die Vorgänge unterrichtet, da Ibrahim Böhme, einer der Erstunterzeichner des Programmpapiers als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) für die Staatssicherheit arbeitete. Der vorliegende Text wurde auf einer Schreibmaschine verfasst und auf einem "Spritumdrucker" vervielfältigt. Auf dem ersten Blatt der dreiseitigen Abschrift sind einige wenige handschriftliche Korrekturen angebracht (vgl. weitere hektografierte Schriften).

Immer mehr Menschen kehrten im Sommer 1989 der DDR den Rücken. Die politische Führung reagierte darauf nur mit hilflosem Starsinn. In dieser Krisensituation entschieden sich viele Menschen auch bewusst zum Bleiben, forderten aber nachdrücklich Reformen. Verschiedene Oppositionelle traten nun mit programmatischen Gründungsaufrufen an die Öffentlichkeit. Erstmals wagten sie den entscheidenden Schritt, der SED als oppositionelle Alternative offen entgegenzutreten, so auch die Theologen Gutzeit und Meckel. Nachdem sie ihre Pläne zur Bildung einer Initiativgruppe mit dem Ziel eine sozialdemokratische Partei zu gründen einer größeren Öffentlichkeit vorgestellt hatten, wurde einige Zeit später - beschleunigt durch die Ereignisse im Herbst ´89 - sofort mit der Parteigründung begonnen. Am 7. Oktober 1989, dem 40. Jahrestag der DDR, konstituierte sich in Schwante, einem kleinen Ort nördlich von Berlin, die Sozialdemokratische Partei in der DDR (SDP). Während andere Gruppierungen auf inhaltliche und organisatorische Offenheit setzten, trat die SDP mit einer parteipolitisch orientierten Programmatik auf (vgl. das Statut der SDP). Genau einen Monat später, am 7. November fand in der Reformierten Kirche das Gründungstreffen der Leipziger SDP statt. Durch den Einsatz eines IM der Kreisdienststelle Leipzig-Stadt war die Staatssicherheit wie fast immer auch über dieses Treffen informiert.


Sammlung: Plakatsammlung
Datierung: 24.07.1989
Hersteller: Sozialdemokratische Partei in der DDR (SDP), Martin Gutzeit, Pfarrer, Markus Meckel, Pfarrer
Maße: Breite: 21 cm; Länge: 29,7 cm
Material: Blatt: Papier,
Heftklammer: Metall
Farbe: Blatt: weiß,
Aufdruck: violett
Verwendung: Information, Protest und Demonstrationen










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